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Short Cuts





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Magical History Tour : Performance (Donald Cammell & Nicolas Roeg) UK 1970



Performance

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Der Kleinkriminelle Chas (James Fox) ist Geldeintreiber für den Gangster Harry Flowers (Johnny Shannon) im Londoner East End. Dieser will sich ein Wettbüro an den Nagel reißen, macht Chas aber klar, das er sich aus dem Coup heraushalten soll. Als Chas dennoch mitmischt fällt er bei seinen Kollegen in Ungnade. Als seine Wohnung verwüstet wird muß er in Notwehr seinen Kumpel Joey (Anthony Valentine) erschießen. Auf der Flucht färbt er sich seine Haare rot und kriegt zufällig mit, dass in der WG des ehemaligen Rockstars Turner (Mick Jagger) ein Zimmer frei ist. Unter dem Namen Johnny Dean gibt er sich als Jongleur aus und wird von Turner und seinen zwei Gespielinnen Lucy (Michèle Breton) und Pherber (Anita Phallenberg) kritisch beäugt bis es zu einem Happening kommt in dem Chas Fliegenpilze verabreicht werden und alle Grenzen seines bisherigen Lebens ausgehebelt werden.

Performance ist der Debut-Film des britischen Kameramanns Nicolas Roeg. Zusammen mit Donald Cammell wurde der Film schon 1968 gedreht kam aber erst 1970 zur Aufführung. Warner Brothers wollten eine Art Gegenstück zu den Beatles Filmen von Richard Lester. Einen Pop-Film mit einem Musikidol seiner Zeit und zwar Mick Jagger. Was sie bekamen verstörte die Studiobosse so sehr, dass der Film kurzerhand im Gift-Archiv verschwand. Nach seiner Aufführung wurde er mehr und mehr zu einem Kultfilm innerhalb der beliebten Midnight-Movie Screenings jener Zeit.

Obwohl der Film, laut Nicolas Roeg, zur Hälfte von Cammell inszeniert wurde ist er schon vollkommen prägend was die Stilismen von Nicolas Roeg´s Kino angeht : Crosscutting, Cut-Up-Technik, (Farb) Symbolik, Zeitlupen, Ellipsen, sowie ausgefallene Kamerawinkel. Performance seiner Zeit hilflos unverstanden nannten die Kritiker später "um Lichtjahre voraus". Natürlich ist der Film ein Kind der British New Wave welche in den 60ern die Stilmittel der Nouvelle Vague in Frankreich aufgriff sowie weiterentwickelte und zu deren bekanntesten Vertretern Lindsay Anderson, Richard Lester und Tony Richardson, John Schlesinger, Karel Reisz etc. gehören.
Im Gegenwartskino gibt es einige Verehrer, die ihn zu ihren größten Inspiratoren zählen. Darunter Francois Ozon sowie Ridley Scott oder auch Christopher Nolan und Paul Thomas Anderson um nur einige zu nennen. Ganz offensichtlich hat sein Stil vor allem bei Danny Boyle und an erster Stelle bei Steven Soderbergh Spuren hinterlassen. Roeg selbst hat einmal gesagt, dass wiederum eine seiner großen Inspirationsquellen besonders Alain Resnais gewesen ist.

"I am the Bullet"

In Performance geht es nicht einfach nur um Rollen und Gendertausch es geht um die pure Verschmelzung von Identität. Der Film beginnt mit einer wilden Parallelmontage in der Chas beim Sex gezeigt wird und sich dabei immer wieder im Spiegel selbst betrachtet, versichert, bestaunt und welche mit einer Kamerafahrt gegengeschnitten wird, die die Limousine des Gangsters zeigen. Dieselbe Limousine, die auch am Ende Chas abholen wird um ihn in seinen Tod zu fahren. Der narzistische Blick in den Spiegel wird uns gleich darauf wieder gezeigt.
Das Cross-Cutting geht in einer nächsten Szene soweit dass die Gangster bei ihrer Arbeit gezeigt werden und mit der Zeugenanhörung eines Anwalt Plädoyers gegengeschnitten werden und zwar so schnell, dass die zwei Systeme, die hier gezeigt werden sich auf einer Ebene befinden. Das anständige Bürgertum wird hier gleichgesetzt mit der Welt der Gangster. Gegensätze werden hier nicht gezeigt sondern sondern der Film macht klar, dass beide dem gleichen kaputten System angehören. In der nächsten Szene werden gleich 3 Ebenen durch Ellipsen miteinander verbunden. Bis zur ersten Szene in Turners Wohnung erleben wir Farbveränderungen, Ellipsen en masse, Jump Cuts, Direkten Blick in die Kamera und immer wieder Spiegel sowie die symbolisch wichtige Farbe Rot. Alles Stilmittel die Roeg´s nächste Filme nachhaltig bestimmen und prägen.
Performance ist wild und wird mit dem Eintritt in die neue Welt, sprich Turners Wohnung, ersteinmal gemäßigter.

Bevor es dazu kommt wird Chas aber ersteinmal in seiner Wohnung blutig zusammengeschlagen, was wiederum mit dem Sex am Anfang parellel montiert ist. Dazwischen zerknitterte s/w Bilder die Chas in seiner ganzen Männlichkeit als Boxer zeigen. In einer weiteren sekundenlangen Sequenz sehen wir schon Mick Jagger als Vorboten in seiner Wohnung.
Als Chas Joey erschießt sagt er "I am the Bullet" und DAS ist bei Nicolas Roeg durchaus wörtlich gemeint.
Doch ersteinmal taucht Chas unter und färbt sich seine Haare rot.
Später in Turners Wohnung, kurz bevor er den Fliegenpilz essen wird, setzt Turner die Farbe seiner Haare in einem Wortspiel mit der Farbe des Pilzes gleich : "Red : Dead"
Turner dessen Name allein schon Code genug ist, spricht die schon zerrissene Identität an und wird durch jene Sequenz verdeutlicht :

"It´s Time for a Change"

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In dem Spiel um Identität klopft Roeg hier bei Bergmans Persona an und winkt gleichzeitig dem Jahre späteren Lost Highway von David Lynch zu.
Innerhalb der nun folgenden Nacht verwandelt sich Chas immer mehr in ein Abbild des androgynen Turners. In einer kurzen, videoclipartigen Szene performt Jagger den Song "Memo from Turner" in der er als Abbild von Chas im Anzug und mit zurückgekämmten Haaren in dessen Gehirn rumspukt und seine Gangsterkollegen als eitle, dekadente Tunten verlacht, die sich ausziehen und anfangen zu tanzen. Ist Chas´s Sexualität schon zerrissen gewesen, hat sie nun vollends einen Knacks und wird von der jungenhaften Lucy mit der Chas die Nacht verbringen wird vollends ad absurdum geführt.

Als die Gangster am Ende Chas abholen zieht er seine Waffe und erschießt Turner.

In den letzten Minuten des Films dringt die Kugel in den Kopf von Turner ein, durch das Bild des argentinischen Autors Jorge Louis Borges, durch einen Spiegel um wieder in London zu landen. Doch mit diesem Akt hat sich alles verändert.

"I am the Bullet"

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Natürlich ist der Film auch eine Plattform für Mick Jagger gewesen, der hier eine drogige, androgyne Version seiner selbst gibt und auch wenn der Anteil von Roeg, wie Cammell sagt, in erster Linie bei der Kamera lag, so ist hier sein Stil schon komplett etabliert.
Dazu bietet der Film einen wilden Ritt der sich gewaschen hat und wartet mit einem Ende auf welches so irritierend irre ist, dass man es schwerlich beschreiben kann.
Performance ist die totale Verschmelzung von Rolle und Geschlecht, der Identität in seine Bruchstücke auflöst und wieder neu formt mit den Mitteln des Films. Ein Film der heute immer noch verstört und entdeckt werden will.

8-9/10

Magical History Tour Nicolas Roeg Mick Jagger James Fox Identität Geschlecht Verschmelzung Ellipsen Jump Cut Parallelmontage London 70´s Rock´n Roll



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