
Gycklarnas afton (Abend der Gaukler)
Zirkus Alberti ist ein heruntergekommener Zirkus, geleitet von Albert Johansson (Åke Grönberg). Dieser macht nun Halt in der Stadt, in der sich Albert vor drei Jahren von seiner Frau und seinen Kindern trennte. Zusammen mit seiner Geliebten, der Kunstreiterin Anne (Harriet Andersson), suchen sie den Theaterdirektor Sjuberg (Gunnar Björnstrand) auf um sich Kostüme für den Premierenabend zu leihen. Hinter den Kulissen trifft Anne auf den hübschen und eitlen Schauspieler Frans (Hasse Ekman), der sie versucht zu verführen, Obwohl sie sich von ihm angezogen fühlt, weist sie ihn ab. Mit neuen Kostümen kündigen die Gaukler ihre Vorstellung im Ort an, werden jedoch von der hiesigen Polizei hinausgejagt. Albert, der seinem Zirkusleben überdrüssig ist, besucht seine Frau und Söhne und bittet sie wieder Teil ihres Lebens zu werden. Anne sucht derweil Frans auf. Dieser versucht sie sich mit materiellem Lohn gefügig zu machen. Als Anne ihren Lohn in bares umsetzen will, wird sie von Albert entdeckt. Sie gesteht den Seitensprung und Albert betrinkt sich. Bei der Abendvorstellung kommt es zu einem Schlagabtausch zwischen Albert und Frans indem der betrunkene Albert unterliegt. Verzweifelt versucht er sich das Leben zu nehmen und erschießt in einer Ersatzhandlung den Zirkusbären.
Der Film endet damit wie Albert und der Clown Frost (Anders Ek) zu Fuß hinter den Wagen herlaufen. Anne gesellt sich zu ihnen. Die Gaukler ziehen weiter.
Bergmans 13. Film ist der erste Film, den er nicht für Svensk Film Industri, sondern für den Filmverleiher Sandrew fertigstellte.
Es ist außerdem der erste Film bei dem Sven Nykvist Kamera geführt hat und Hilding Bladh ersetzte, der anfänglich den Film fotografierte aber wegen anderer vertraglicher Verpflichtungen ausschied.
Gleich zu Beginn von "Abend der Gaukler" werden wir Zeuge einer erzählten Episode, die dem Clown des Zirkus "Frost" wiederfahren ist.
Seine Frau "Alma" trifft auf eine Gruppe Soldaten, zieht sich aus und geht mit einigen von ihnen baden, während die anderen lachend und geifernd zusehen. Frost wird gerufen und zieht seine Frau verzweifelt aus dem Wasser, in seiner Clownsmaskerade.
"Wie könnt ihr nur darüber lachen" ?
So langsam blicken wir in entsetzte und erstarrte Gesichter. Die Komödie wandelt sich innerhalb von Sekunden zur Tragödie.
Diese Episode ist exemplarisch für den gesamten Film.
Das Leben als Vorstellung
Schmach und Schande
Bergman dreht diese Szene indem er den Ton wegnimmt und sie wie in einem alten Keystone Slapstick schneller laufen lässt. Die Komödie wird erhöht, wir hören nichts bis auf das Lachen. In dieser Episode bekommen wir im Prinzip schon den gesamten Film geliefert. Wir, die erstarrten Gesichter sind die Zuschauer, die dem Treiben und Leiden der Gaukler zusehen.
In Abend der Gaukler vermischt Bergman vollkommen die Grenzen zwischen Spiel und Leben.
Das wird einmal in der Position des Theaters, die sich als scheußliche Bourgeoisie über die ständig betrunkenen Gaukler lustig machen.
Die Gaukler machen keinen Unterschied zwischen richtigem Leben und einer Vorstellung, sind ihren Emotionen ausgeliefert, wollen zwar raus aus ihren Umständen, sind dazu aber nicht in der Lage. Das wissen sie und sind deshalb auch so verzweifelt, verdammt.
Wie auch bei den vorigen Filmen, ist es die Sehnsucht nach einem anderen Leben, die hier innewohnt.
Die Gaukler sind hier auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Sie liefern ein Spiegelbild ihres Lebens, werden dafür beklatscht und im gleichen Moment gedemütigt um dafür auch beklatscht zu werden. Am Ende wird der Zirkusbär vom vollkommen ohnmächtigen Direktor erschossen. Das ist nicht nur Ersatzhandlung, sondern er tötet einen von ihnen, der nur noch eine Stufe niedriger als sie steht.
Leben und Kunst fallen hier zusammen. Man könnte "Abend der Gaukler" sogar als Gleichnis sehen. Die Gaukler sind die Künstler, sind die Filmemacher, die rechtlos sind. Eine unglaublich deprimierende Feststellung.
Die Bürgerlichen können ihre Dämonen unterdrücken, die Gaukler können das nicht, sie müssen sie ausleben, genauso wie Ingmar Bergman.
Interessant und nochmehr als zuvor ist hier auch Bergmans Einsatz von Spiegeln, der nicht nur perspektivisch genutzt wird. Ganz zu deuten ist das nicht, Spiegel der Gesellschaft, des Lebens, der Seele.
Oft lies man das Bergmans Filme, der ja auch viel Theater gemacht hat, Leben als Theater zeigen. "Abend der Gaukler" veranschaulicht dies auf ungeheuerlich Weise.
9/10

Kvinnodröm (Frauenträume)
Die Modefotografin Susanne (Eva Dahlbeck) und ihr Modell Doris (Harriet Andersson) fahren zu einem Shooting nach Göteborg. Während Susanne in Göteborg auf ein Wiedersehen mit ihrer alten Affäre Henrik (Ulf Palme), der sie nachhängt, hofft, wird die leichtlebige und naive Doris, die sich kurz vorher von ihrem Verlobten getrennt hat, von dem älteren Konsul Sönderby (Gunnar Björnstrand) angesprochen. Dieser umgarnt sie und kauft ihr teure Kleidung und Schmuck. Darüber vergisst sie ihren Fototermin und verbringt einen ausgelassenen Nachmittag auf dem Rummel mit dem älteren Herrn. Im Haus des Konsuls angekommen, treffen sie auf Marianne (Kersin Hedeby), die Tochter. Es kommt zum Streit und Doris wird von der eifersüchtigen Tochter gedemütigt. Währenddessen trifft Susanne sich mit Henrik. Nachdem sie miteinander geschlafen haben, beschließen sie ihre Affäre wieder aufleben zu lassen bis Henriks Frau im Zimmer auftaucht und ihre Besitzansprüche geltend macht. Henrik widerspricht ihr nicht und Susanne läßt die beiden enttäuscht gehen. Zurück in Stockholm, versöhnt Doris sich mit ihrem Verlobten und Susanne zerreißt einen Brief von Henrik in dem er ein zweites Treffen vorschlägt.
Nach dem finanziellen Mißerfolg von "Abend der Gaukler" machte Bergman, als Entschädigung, für das Studio Sandrew, "Frauenträume". Dieser scheiterte allerdings ebenfalls an der Kinokasse.
Eigentlich als Komödie gedacht ist "Frauenträume" in der Gesamtheit eher dramatisch. Was Bergman selbst damit erklärt, dass das Ende seiner Beziehung zu Harriet Andersson, sehr auf den Film abgefärbt hat. Soweit am Rande, denn Bergman wäre nicht einer der biografischsten Filmemacher, denn in fast jedem Film ist sehr viel von ihm selbst zu finden.
"Frauenträume" kommt jedenfalls nach dem finsteren und ebenso erhellenden "Abend der Gaukler" ein wenig dröge daher. Vor allem "filmisch" hat dieser Film, für einen Bergman, recht wenig zu bieten. Was vielleicht daran liegen mag, dass Bergman hier nicht mit Fischer oder Nykvist zusammen arbeitete, sondern mit dem Kameramann "Hilding Bladh".
Es gibt eine recht expressive Szene in einem Zugabteil mit Eva Dahlbeck, die trotz ihrer psychologischen Virtuoistät ein wenig ins überspannt, theatralische abrutscht. Der Film, dessen zwei Episoden ineinander führen, plätschert ein wenig spannungsarm seinem Ende entgegen. Er läßt oft die Geschlossenheit und die Tiefe seiner Dialoge und Charaktere vermissen. Dabei steht er inhaltlich "Sehnsucht der Frauen" sehr nahe. Auch hier geht es um innere Emanzipation, um Sehnsüchte und Wunschvorstellungen, die uns in Form von Augenblicken gezeigt werden. Äußerlich ist auch hier wieder das Duo Dahlbeck und Björnstrand zu sehen. Wobei Björnstrand hier an der Seite von Harriet Andersson zu sehen ist. Was das Duo angeht so gehören "Frauenträume", "Sehnsucht der Frauen" und der in Deutschland leider nicht erhältliche "Lektion in Liebe" definitiv zusammen. In diese Runde gesellt sich dann noch "Lächeln einer Sommernacht".
Interessant ist auch das Susannes Affäre den Namen "Lobelius" trägt, den wir schon aus "Sehnsucht der Frauen" kennen. Ein Zufall oder doch mehr ?
Am interessantesten an "Frauenträume" ist die Episode um Doris und Sönderby. Hier möchte man gerne mehr erfahren, besonders was das Verhältnis Sönderbys zu seiner Tochter angeht.
Doch der Film läßt vieles offen und im verborgenen, sodas man zwar kein halbfertiges Werk vor sich hat aber zu viel nur angerissen wirkt. Das hat man bei Bergman schon deutlich besser gesehen und so bleibt am Ende eher ein Nicken und ein verhaltenes Achselzucken.
6/10

Sommarnattens leende (Das Lächeln einer Sommernacht)
Der Advokat/Anwalt Frederik Egermann (Gunnar Björnstrand) sucht Rat bei seiner ehemaligen Geliebten, der Schauspielerin Desiree Armfeldt (Eva Dahlbeck). Seine Ehe mit der wesentlich jüngeren Anne (Ulla Jacobsson) funktioniert nicht mehr so Recht, er hegt Zweifel. Er weiß um die Gefühle, die sein Sohn Henrik (Björn Bjelvenstam), ein junger Geistlicher, Theologiestudent, zu seiner Frau hegt und er selbst hat immer noch Gefühle für seine einstige Geliebte. Die widerum hat eine Affäre mit Graf Malcolm (Jarl Kulle) und dessen Frau Charlotte (Margit Carlqvist) weiß darüber Bescheid. Desiree hegt einen Plan. Sie lädt alle Beteiligten samt der jungen Haushälterin Petra (Harriet Andersson), die den armen Henrik mit Anzüglichkeiten neckt, zum Wochenende auf dem Landsitz ihrer Mutter (Nairna Wilfstrand) ein.
Dort spitzen sich die Ereignisse, nach Einnahme eines aphrodisierenden Trunks, zu. Henrik streitet mit seinem Vater, versucht sich umzubringen und landet kurz darauf mit Anne im Bett. Frederik tröstet sich mit der Gräfin, woraufhin Desiree den Grafen alarmiert. Dieser fordert Frederik zum russischen Roulette heraus, lädt die Waffe aber nur mit Ruß. Henrik brennt mit Anne durch, der Graf und seine Gräfin versöhnen sich, Desiree kümmert sich um Frederik und dann ist da noch Petra, die sich mit dem Kutscher in dieser Sommernacht vergnügt.
Das "Lächeln einer Sommernacht" unterscheidet sich von einer Tragödie nur dadurch, das hier entschieden wird, darüber zu lachen. Er ist eine Tragödie im Gewand einer Komödie. Dies wird im Film auch immer wieder angedeutet. Wir können entscheiden ob wir jetzt lachen oder weinen.
Bergman hat sich diesmal entschieden zu lachen.
Die Inkredienzien, die zu einer "romantischen Komödie" gehören sind hier alle vorhanden. Die Leichtigkeit sowie die Wandlung zum Guten haben immer den richtigen Ton und das richtige Tempo. Dabei ist die Dramatik in jeder Einstellung zu spüren, gewinnt aber nie die Oberhand, denn der Ton ist diesmal der einer Komödie.
Hier ist alles vorhanden, was Bergmans Werk ausmacht. Verzweiflung, Angst, die Verwirrung, der Ekel an dem Mann bzw. der Frau, das Arrangement der Ehe, Sinnlichkeit, Religiosität, Angst vor dem Tod, das Alter einmal aus der jüngsten und einmal aus der ältesten Sicht, die List der Frauen, die Eitelkeit und Dummheit der Männer, der Schmerz, die Lüge und immer wieder die Sehnsucht. Hier aber entscheiden sich die Figuren darüber zu lachen und sich lustig zu machen.
Gunnar Fischers Bilder gleiten im Gegensatz zum Hollywood Kino jener Tage nie ins übertriebene oder kitschige. Sie sind real.
Dabei wird die Essenz von Romantik in wunderbar ausgeleuchteten Bildern eingefangen. Alle Spielarten von Sinnlichkeit und Liebe werden hier aufgegriffen und gleichzeitig auch wieder reflektiert.
Während es in den früheren Bergman Filmen fast gar keinen Einsatz von Musik gab, wird hier durch den Einsatz auch wiederum die Leichtigkeit ironisiert.
Exemplarisch hierfür die Szene in der die Dahlbeck zusammen mit Björnstrand vom Theater zu ihr nach Hause flanieren. Die Kamera zeigt den See und die Schwäne und schwenkt dann nach unten, zeigt nur die Beine der beiden. Im nächsten Moment wird es dunkel und expressiv, Björnstrand fällt in eine Pfütze. Die Musik gibt den dramatischen Tusch.
Gunnar Björnstrand spielt hier wieder hervorragend an der Seite von Eva Dahlbeck den gehörnten Liebhaber/Ehemann. Die Dialoge zwischen den beiden sind reinste "Screwball". Schnell, pfiffig und bissig.
Schön auch die Figur von Harriet Andersson, die sich den dahergelaufenen Kutscher schnappt um am Ende dieser Zaubernacht zu sagen "Ich kann mir mit dir eine Ehe vorstellen, aber ich habe noch andere Bedürfnisse."
Durch die Figur von Henrik wird hier auch zum ersten Mal das Abfallen vom Glauben thematisiert. Es wird hier zum Spiel, welches wiederum zur Liebe führt. Als Henrik versucht sich umzubringen, fällt er dabei auf den Geheimknopf, der das Bett mit der schlafenden Anne ins Zimmer rollen läßt.
Henrik ist jemand, der in seinem Glauben, in der Religion, die Hilfe sucht für das was ihn am Leben verzweifeln läßt. Ein Thema welches Bergman noch oft beschäftigen wird, siehe sein nächster Film "Das siebente Siegel".
Er ist derjenige, der am sinnlichsten, am leidenschaftlichsten ist. Bei Bergman ist dieser auch am immer am hilflosesten und am verzweifelsten. Er schläft und flieht mit Anne. Die Fortsetzung davon wird Thema unzählicher Bergman Filme sein.
"Das Lächeln einer Sommernacht" ist bitterböse, verliert aber nie die Nuance, seine Leichtigkeit und das ist es, was diesen Film so bemerkenswert macht.
Für Bergman war dieser Film ein internationales Sprungbrett. Ausgezeichnet in Cannes mit dem Sonderpreis für poetische Komödie, wurde "Lächeln einer Sommernacht" ein weltweiter Kassenschlager.
1973 wurde unter der Leitung von Stephen Sondheim und Hugh Wheeler daraus ein Musical Hit.
Bergman war früh auf dem Gipfel seines Ruhms und sollte ihn mit seinem langersehnten, nächsten Wunschprojekt sogar überschreiten.
10/10
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Dafür ist "Das Lächeln einer Sommernacht" der erste von den in jüngerer Zeit von Dir besprochenen Filmen, den ich selbst kenne. Und ich kann zustimmen: da stecken etliche der typischen Bergman-Themen drin, nur daß sie auf verspieltere Weise als sonst behandelt und von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet werden, und so wird daraus eine Bergman-Komödie; eine sehr gute sogar.
Ohnehin liegen Komödie und Drama bzw. Tragödie oft gar nicht so weit auseinander, ein gutes Beispiel dafür ist ja auch das Werk Billy Wilders, wo auch die Komödien oft gerade so und mit knapper Not gut ausgehen, aber dabei doch Geschichten erzählen, die von denen seiner ernsten Filme nur wenige Schritte entfernt sind.