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FakeShemp's Blog

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The Blair Witch Project, USA 1999



Das Licht bleibt an heut Nacht… :angst:

Näher an den Hort der eigenen innersten Ängste kann man eigentlich mit den Mitteln des Films kaum mehr gebracht werden. Wo uns Hollywood mit seiner “Künstlichkeit“ eigentlich stets jenseits des sicheren Vorhanges der Leinwand lässt, saugt einen „TBWP“ hinein ins Geschehen und kommuniziert direkt mit unseren Instinkten. Der weitgehende Verzicht auf filmische Verfremdung ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Wir werden zu Zeugen gemacht, die das Filmmaterial von verschollenen Hobby-Reportern begutachten und erleben so eine Nähe zu den Ereignissen, wie man es selten das Vergnügen hat. „TBWP“ ist ein wirklich äußerst gut arrangierter und durchdachter Schocker, basierend auf einem erschreckend simplen Konzept. Das wird einem klar, wenn man mal beachtet, was alles getan und weggelassen wird, damit das realistische Feeling gewahrt bleibt.
Zunächst erfahren wir etwas über die „Blair Hexe“ in Form von kleinen amateurhaften Interviews, damit unser Unterbewusstsein schon mal die rechte Düngung abbekommt. Dann beginnt die Suche im Wald und schon werden wir mit der vertrautesten und ältesten Form von Angst konfrontiert, die ein Mensch in seinem Leben wohl kennen lernt: wir haben uns verlaufen. Im tiefen finsteren Wald auch noch! Die Urangst schlechthin und ein klassisches böses Omen, seit „Hänsel und Gretel“. Heather dient hierbei als erste Identifikationsfigur. Sie hat es nämlich verbockt und man spürt das als Zuschauer so, als sei man selbst an ihrer Stelle. Das ist erst mal irdischer Horror vom feinsten, das Gefühl etwas vermasselt zu haben und damit schuld an allem zu sein. Spannungen entstehen innerhalb der Gemeinschaft, die bewusst auch unsere Nerven malträtieren. Dann die erste Nacht im Zelt. Toll sind diese abrupten Zeitsprünge, wenn die Kamera ausgeschaltet und wieder eingeschaltet wird. Man fühlt sich als Zuschauer bald schon nicht mehr sicher, darf jeder Zeit wieder mit einem unangenehmen Zeitsprung rechnen. Plötzlich ist es abermals Nacht, man lauscht desorientiert in diese Dunkelheit hinein, hört das ängstliche Atmen und Wispern der Darsteller, was die böse Ahnung bestätigt und ersehnt Aufklärung.
Zunächst erfährt man hauptsächlich nur von den drei Reporter-Azubis, dass es komische Geräusche gibt, die mitgeführte Aufzeichnungstechnik reicht noch nicht aus, dass wir sie auf direktem Wege selbst hören können. Die gut gespielte Angst überträgt sich sofort auf den Betrachter, sofern man mit Herz bei der Sache ist. Dann wieder ein abrupter Schnitt, es ist Tag und es werden allerlei komische Sachen in der Nähe des Zeltes entdeckt. Die Drei spüren die Bedrohung und wissen, dass sie es schaffen müssen, vor Einbruch der nächsten Nacht das Auto zu finden. Doch das Umherirren geht weiter, sie laufen im Kreis und drehen hie und da am Rad. Die zur Schau gestellte Nervosität und Hektik überträgt sich abermals auf uns. Da ist keinerlei Filmmusik, die uns daran erinnert, dass das nur ein Märchen ist. Und dann ist es schon wieder Nacht und alles kommt noch schlimmer und schließlich noch sehr viel schlimmer…
Der Film geht nie zu weit. Alles, was er verwendet um das Grauen aufzubauen, bleibt in einem vagen Bereich. Der Spuk könnte menschlichen, aber auch übersinnlichen Ursprungs sein. Eine Antwort bleibt der Film eigentlich schuldig, bis eventuell auf den Schluss. Somit rutscht er nicht ab in vertraute Gefilde, an die wir uns ob ihrer Künstlichkeit längst gewöhnt haben. Man verweilt im Ungewissen. Ich denke, weil man eigentlich nicht an Gespenster glaubt und man dementsprechende Konfrontationen in Form von z.B. plakativen Monstern sofort als Bestätigung des Mummenschanzes ansehen würde, kann gerade die diesbezügliche Ungewissheit in „TBWP“ den letzten Rest an Aberglauben in einem zu Tage fördern. Es wird uns quasi nicht gestattet, die sicheren Plätze jenseits der Leinwand wieder einzunehmen.
Alles erleben wir stets durch die Augen der drei jungen Leute, bzw. durch den Sucher ihrer Kameras, die sie ständig gebrauchen, vor allem Heather, die wie besessen filmt. Selbst ihre eigenen Nervenzusammenbrüche. Klar ist das irgendwann nicht mehr so glaubwürdig, aber einer muss ja filmen! ;) Damit geht sie ihren Kollegen und uns schnell mächtig auf die Nüsse und man möchte ihr das Teil nicht selten aus der Hand prügeln. Der Weg des Grauens in unsere Köpfe findet also in erster Linie über die Darsteller statt. Sie sagen unseren Instinkten, was diese in uns auslösen sollen, die Dunkelheit und ein paar Geräusche erledigen den Rest. Gruppendynamik bis in unser Wohnzimmer. Was ich meine ist, dass dies auf annähernd natürliche Weise geschieht und sich deswegen so real anfühlt. Eine Lehrstunde in Sachen Horror. Dabei so beneidenswert günstig in der Herstellung. Das hätte man auch bei uns drehen können, aber darauf gekommen ist hier mal wieder keiner…

Als störend empfand ich die deutsche Synchro, die ich relativ schnell wegschaltete. Das natürliche Spiel der Schauspieler und das Konzept des Unternehmens wurde meines Erachtens schon durch diese Form der filmischen Künstlichkeit wieder zu sehr auf Distanz zu mir gebracht. Besser mit Untertiteln ansehen, gerade bei dem Film ist das ein guter Tipp, um den eigentlichen Effekt zu wahren. Für mich der beste Beitrag aus USA seit Jahren zum Thema Angst-Kino. Dass das einige gar nicht so sehen, spricht allein gegen die…! :D

Mockumentary Cannibal Holocaust Geister Psychologischer Horror



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