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Ornament & Verbrechen Redux

There is no charge for awesomeness. Or beauty.




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Friedhof der Hoffnung?



Graveyard of Honour

Was habe ich mich damals über die Entdeckung von Japans neuem Regiestar Takashi Miike gefreut. Audition war eine aufregende Seherfahrung, ein Film, der unsere Rezeptionsgewohnheiten geschickt unterlaufen hat. Mit Visitor Q und Ichi, the killer hat mir Meister Miike uzumakische Spiralen ins Gehirn gedreht, faszinierend, obwohl kaum für mich entschlüsselbar.
Entsprechend groß war die Vorfreude, als ich die Ankündigung seines Remakes von Kinji Fukasakus Jingi no hakaba (Graveyard of Honor) zur Kenntnis nahm. Diese Erwartungshaltung schien anfangs auch nicht enttäuscht zu werden, trotz der etwas simplen Handlung.
Rikuo Ishimatsu sitzt im Gefängnis. Er überrumpelt den Wächter, doch statt zu fliehen, stürzt er sich vom Gefängnisturm in den Tod. In diesem Augenblick zieht seine Geschichte, der Aufstieg des ehemaligen Tellerwäschers zum Millionär und sein Niedergang zum Ausgestoßenen, an seinem inneren Auge vorbei.
Die Verbindung von persönlichem Schicksal und gesellschaftlicher Entwicklung, zwischen Yakuzawesen und der wirtschaftlichen Entwicklung Japans in den Neunzigern verknüpft Miike noch ganz passabel. Die Yakuzabanden werden dabei von ihm als Wolfsrudel charakterisiert, deren Alphatierchen sich anknurren, um ihre Territorien abzustecken.
Der Anlaß der tragischen Entwicklung ist schlüssig in dem Charakter Ishimatsus angelegt: Er, der sich sonst alles inklusive der Frauen nahm, was er wollte, bat seinen Boss um einen Gefallen und wurde abgewiesen. Wie sonst als mit Rache sollte ein Naturell wie Ishimatsu auf eine derartige Zurückweisung reagieren?
Merkwürdig unpassend, dennoch in sich stimmig, wirkt hingegen die Ausgestaltung des Films, der an die Gangsterfilme der frühen siebziger Jahre erinnert. Eine Referenz an das Vorbild Fukasaku oder nur eine uninspirierte Spielerei? Letzteres könnte man fast vermuten, wenn man sich die zum Ende hin struktur- und ziellos vor sich hintreibende Handlung vor Augen führt, die lustlos und unwitzig von Miike inszeniert wurde.
Sollte hier eine aufstrebende Regiehoffnung Japans dem Druck des Erfolges nicht standgehalten haben und an dem frühen Ruhm zerbrochen sein? Die Zukunft wird es zeigen; auf jeden Fall wage ich mit dem Hintergrund dieser Filmerfahrung gar nicht so recht, mich Miikes Remake Katakuri-ke no kôfuku zu stellen. Zum einen, weil dies einer von sieben (sic!) Miikefilmen aus dem Kubrickjahr 2001 ist, zum anderen, weil das koreanische Original Choyonghan kajok (The Quiet Family) kaum einer Verbesserung bedurfte.

Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 30.01.2003

kino.de