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Untergetaucht im Spinnwebwald





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Magical History Tour: The Ball at Anjo House (Kozaburo Yoshimura, Japan 1947)



Nachdem Japan den Krieg verloren hatte, wird das adlige Geschlecht der Familie Anjo per Gesetz dazu gezwungen, den Stammsitz sowie die Ländereien abzutreten. Es soll aber noch einmal ein letzter Ball abgehalten werden, die letzte Feier, bevor man sich mit dem gemeinen Volk um das tägliche Brot kümmern muß - und der Name des herrschaftlichen Hauses untergehen muß. Bezeichnenderweise taumelt gegen Ende eine der Figuren betrunken gegen die im Foyer stehende Samurairüstung und reißt sie zu Boden, wo sie auseinanderbricht. Jahrhunderte im Ehrenstande - zerschmettert.

Der Konflikt ist ein vielfältiger - nicht nur ist die Familie Anjo tatsächlich eine angesehene und respektierte, so hat nicht nur der weise und gutherzige Familienvorstand Fürst Tadahiko (Osamu Takizawa) viel Gutes getan für seine Mitbürger und Nächsten, sondern auch die Tochter Atsuko weiß die Herausforderungen mit Rückgrat anzunehmen (gespielt von Setsuko Hara). Dennoch: als beleidigend empfindet der Hausherr, dass er sich finanziell von seinem ehemaligen Chauffeur aushelfen lassen soll (der das Anwesen kaufen will - er ist mittlerweile durch seinen Unternehmergeist zu einigem Vermögen gekommen), nein, er entscheidet sich problematischerweise dazu, sich auf den zwielichtigen Herrn Shinkawa (Masao Shimizu) zu verlassen, der ihn zu umgarnen weiß. Dies ist freilich ein Fehler. Der eigene Sohn Masahiko hingegen (Masayuki Mori (auch in UGETSU und RASHOMON und vielen weiteren Klassikern)), ist ein arroganter Tagedieb, der, vor dem Abgrund stehend, möglichst viele mit in den Untergang hineireissen möchte.

Der in unseren Breiten weniger bekannte Yoshimura ist ein Schüler Yasujiro Shimazus und hat folglich seine Ausbildung bei Shochiku genossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann er als Regisseur zu arbeiten. Das Skript zu diesem Film stammt allerdings von Kaneto Shindo, den man vor allem von seinen volksmythischen Horrorfilmen her kennt, von ONIBABA und KURONEKO. Entsprechend komplex und zugleich gelungen ist diese vielsträngige Erzählung gehalten, die einen Ausschnitt japanischer sozialer Realität abbildet, vor der man lieber die Augen geschlossen hätte. Hier geht das alte Japan im Kleinen, stellvertretend, unter. Und da braucht es solche Lichtgestalten wie Setsuko Hara, die sich nicht unterkriegen lassen und einen Weg weisen aus der Krise, wie unbestimmt der auch sein mag. Zu Propagandazwecken jedenfalls lässt sich das nun nicht mehr umdeuten, das geht nur durch den Individualismus. Die Frau, die eben weiß, dass der Suizid keine Lösung ist. Warum auch immer.

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