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Jener Sommer, das ruhigste Meer

Noruberutos zusammengewürfelte Bemerkungen zum Film und die damit zusammenhängenden Gegenstände

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The Berlin File


베를린 / Bereullin // Ryoo Seung-wan // Südkorea 2013
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Schauplatz Berlin: Ein geheimer Waffendeal zwischen Nordkoreanern und Arabern unter russischer Vermittlung fliegt auf, bevor das Geschäft vollzogen wird. Die Nordkoreanische Botschaft ist not amused: es muss einen Veräter geben, einen Spion gar in den eigenen Reihen, womöglich einen Überläufer? Aber auch die verfeindeten Südkoreaner vor Ort kommen in Schwierigkeiten, und natürlich mischen auch Mossad und CIA in dem Spiel mit. Ein nordkoreanischer Eliteagent und seine Frau, die als Übersetzerin an der Botschaft der DVRK beschäftigt ist, geraten in Verdacht. Pyöngyang entsendet einen Agenten, der in Berlin aufräumen soll. Was zunächst aussieht wie ein Konflikt Nord vs. Süd entpuppt sich bald als ein Intrigenspiel um Ideologie, Kadavergehorsam, illegalen Machenschaften, persönlichen Schicksalen und Opportunismus.

Ryoo, der auch das Drehbuch verfasst hat, inszeniert einen actionreichen Agententhriller, der mit aktueller politischer Thematik (der Machtwechsel im politischen System Nordkoreas, der Nahostkonflikt) punktet. Aber: die Geschichte ist so rasant inszeniert, dass dem ohnehin schon nicht ganz stringenten Plot auch bei einer Zweitsichtung alles andere als leicht zu folgen ist. Dafür ist die Action, abgesehen von einer total überzogenen Sequenz des nachts in einem heruntergekommenen Berliner Altbau bzw. in dessen Innenhof (sowie der scheibar auch in Asien mitterweile grassierenden Splitscreen-Seuche) durchaus knackig-"realistisch" inszeniert.

Schade nur, dass das (für ein koreanisches Publikum wohl exotisch anmutende) Berlin nicht über einen oberflächlichen Handlungsort für die Entwicklung der Geschichte hinauskommt. Hier wäre an atmosphärischer Inszenierung sicherlich viel mehr drin gewesen. Dafür ist natürlich die Idee, den koreanischen Konflikt exemplarisch im ehemals geteilten Berlin spielen zu lassen, durchaus interessant. Auch entwickelt der gesprochene Kauderwelsch aus Koreanisch, Deutsch und Englisch der Protagonisten einen gewissen eigenen Charme. Besonders hervorzuheben ist auch das inszenatorisch hochdramatische Ende der Geschichte, in dem der nordkoreanische Protagonist und Sympathieträger als kompletter Verlierer dasteht und dennoch ungerührt die Heimreise antritt.

Spionage Nordkorea-Südkorea Berlin Ryoo Seung-wan


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The Pit and the Pendulum (Vincent Price special Teil 1)


Das Pendel des Todes // Roger Corman // USA 1961
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Spanien im 16. Jahrhundert. Don Nicholas Medina lebt zusammen mit seiner Schwester, zwei Bediensteten und einem befreundeten Arzt in einem verwinkelten Schloss auf einer windschiefen Klippe an der Küste. Besuch kündigt sich an: Der Bruder der unter seltsamen Umständen verstorbenen Frau Medinas, Elisabeth, kommt aus England, um sich ein Bild der Lage zu machen. Irgend etwas an dem Fall ist faul. Nach und nach lernt er die düstere Familiengeschichte der Medinas kennen.

Sebastian Medina, Nicholas´ Vater, seines Zeichens grausamer Inquisitor, hat vor Jahrzehnten in der hauseigenen Folterkammer seinen Bruder hingerichtet und seine ehebrüchige Frau Isabella bei lebendigem Leibe eingemauert. Die Umstände von Elisabeths Tod werden immer fragwürdiger. Vor dem Hintergrund der Vergangenheit entwickelt sich eine Intrige, die Nicholas um den Verstand bringen soll. Doch die Beteiligten haben nicht mit dem wirklichen Wahnsinn Don Medinas gerechnet. Das Finale schließlich ist eine bitter-ironische Wiederholung der Geschichte, welche sich die Intriganten sicher etwas anders vorgestellt haben...

Einer der klassischen Poe-Adaptionen Cormans, ist dieser Film ein Paradebeispiel für die Schauspielkunst von Price, was er sowohl in Gestik und Mimik als auch natürlich stimmlich ausdrückt. Die Handlung spielt sich fast ausschließlich in den stimmungsvoll ausgeleuchteten Innenräumen des Schlosses ab. Die schleichende Atmosphäre des Wahnsinns, welche den scheinbar arglosen Nicholas packt, wird gut durch die Ausleuchtung der Räumlichkeiten und die in verzerrten Blau- und Rottönen gehaltenen flashbacks in die Vergangenheit visualisiert.

Neben Price erschienen alle anderen Schauspieler, bis auf die einzigartige Barbara Steele, die leider nur einer sehr kurzen, dafür umso intensiveren Auftritt hat, ziemlich blass. Die Raumgestaltung und kammerspielhafte Atmosphäre ist jedenfalls die Stärke dieses Klassikers, ist aber nicht so unmittelbar Teil der bedrohlichen Atmosphäre wie etwa der verfallene Familiensitz in The Fall of the House of Usher. Und dass dieses Setting des begrenzten Raums auch in anderen Price-Klassikern abseits von Corman und Poe glänzend funktioniert, zeigt etwa ein Film wie House on Haunted Hill.

Vincent Price Barbara Steele Roger Corman begrenzter Raum Schloss Wahnsinn


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Magical History Tour: Lieutenant Kijé


Leutnant Kishe / Poruchik Kizhe / Поручик Киже // Alexandr Fajntsimmer // Sowjetunion 1934
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Der Befehl des exzentrischen Zaren Pavel I, denjenigen, der ihn aus seinem wohlverdienten Schlaf gerissen hat ("Wer hat die Wachen gerufen!?"), zu Fuß nach Sibirien zu verbannen, löst durch den Abschreibfehler eines tollpatschigen Bedienstenten eine Kette weitreichender Ereignisse aus. Schnell ist der "Schuldige" ausgemacht: Leutnant Kijé. Das einzige Problem dabei: ein solcher Leutnant existiert überhaupt nicht. Aber das macht überhaupt nichts, denn dieser imaginierte Leutnant (später wird er sogar noch weiter befördert und heiratet darüberhinaus) kommt allen Protagonisten, allen voran dem ob seiner Stupsnasigkeit unter Komplexen leidenden Zaren und Mitgliedern seines den neuesten französischen Moden nacheifernden Hofstaates mehr als recht.

Eine groteske Erzählung entspinnt sich, die irgendwo zwischen einer Umkehrung von Des Kaisers neue Kleider und einem absurden russischen Prototyp von The Trouble with Harry liegt. Die filmische Gestaltung dabei ist zwar über weite Strecken noch einer expressionistischen Stummfilmästhetik geschuldet, die eigentlichen handlungstragenden Szenen sind aber schon voll und ganz dem Tonfilm verpflichtet und leben von einer beachtlichen schauspielerischen Leistung mit slapstickhaften Einlagen. Im historischen Gewand (die Handlung spielt um 1800) dürfte sich die Produktion, die auf einer Novelle eines gewissen Juri N. Tynjanow (seines Zeichens Schriftsteller, Übersetzer, Literatur- und sogar Filmtheoretiker) basiert, auch den einen oder anderen Seitenhieb auf die sowjetischen bürokratischen Verhältnisse erlaubt haben.

Viel bekannter schon als dieser Name sowie der des Regisseurs dürfte derjenige des Filmkomponisten sein: Sergei Prokowjew. Seine Komposition, die später zu der Lieutenant Kijé-Suite wurde, hat einen weitreichenden Einfluß (von Woody Allen bis Sting) ausgeübt. Der Film selbst dürfte über Jahrzehnte hinweg in ziemliche Vergessenheit geraten sein. Doch Youtube sei Dank gibt es dieses Kleinod in voller Länge und sogar mit Untertiteln zu sehen.



Satire Zar Russland Hirngespinst Fajntsimmer Prokowjew Magical History Tour


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PUBLIC ENEMY No.1


L´instinct de mort / L´ennemi public n°1 // Jean-Franoçis Richet // F, CAN, I 2008
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Verfilmung der Karriere des französischen Gewaltverbrechers und Gangsters Jaques Mesrine, der aufgrund einiger spektakulärer Banküberfälle, Gefängnisausbrüche und Entführungen in den 70er Jahren zum "Staatsfeind Nummer eins" in Frankreich aufgestiegen ist. Lose an seiner Autobiographie angelehnt, zeichnen Regisseur Richet und Drehbuchautor Abdel Raouf Dafri die Entwicklung Mesrines vom Soldaten im Algerienkrieg hin zum Kleinkriminellen, Gangster und Mörder bis hin zu seiner Selbststilisierung als Revolutionär und der medialen Verklärung als modernem Robin Hood.

Die zweiteilige Produktion bedient sich dabei der unterschiedlichsten Stilmittel, von schnell geschnittener Action über ziemlich unnötigen Splitscreens bis zu eher ruhigen Passagen ist alles dabei. Obwohl sich der Film scheinbar eng an den Fakten orientiert, vermischt sich vieles mit fiktionalen Elementen, worauf auch ein Insert am Beginn der beiden Teile hinweist: die Komplexität eines Lebens sei nicht so einfach einzufangen. Was aber nun ist die Fiktion, was die Abbildung realer Ereignisse? Wie weit reicht die Verklärung des offensichtlich psychopatischen, aber genialen und charismatischen Verwandlungskünstlers? Inwieweit wird hier ein skrupelloser Meister der Inszenierung, der krimineller Energie, positiv gezeichnet?

Der Film wird jedenfalls vollkommen durch die schauspielerische Leistung Vincent Cassels geprägt. Eine unglaubliche Wandlungsfähigkeit zeichnet ihn hier aus, aber auch einige Nebenrollen, allen voran Gerard Depardieu im ersten Teil, können voll überzeugen. Und auch politische Bezüge, vor allem durch die Verbindungen mit der kolonialen Vergangenheit Frankreichs, kommen nicht zu kurz. Rätselhaft dann das Ende Mesrines: Eine Hinrichtung, oder das legitime Ende einer Fahndung?

Ziemlich starke vier Stunden, aber am Stück wohl schwer konsumierbar. Besonders schön auch die eine oder andere filmische Reminiszenz an Altmeister Jean Pierre Melville. Aber das nur nebenbei.

Jean Francois Richet Vincent Cassel Gangster Frankreich Kanada Algerien


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SEVEN SWORDS


七劍 // Qī Jiàn // TSUI Hark // HK, 2005
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China während der Quing-Dynastie. Das Ausüben jeglicher Kampfkünste wird vom Kaiser untersagt. Jedes Zuwiderhandeln wird mit dem Tod bestraft, was sich ein grausamer General und ein Trupp skrupelloser Kopfgeldjäger zunutze machen. Nicht nur tatsächliche Kämpfer werden gejagt, sondern ganze Dörfer in abgelegenen Provinzen dem Erdboden gleichgemacht, nur um Kopfgeld zu kassieren. Selbst Kinder werden nicht verschont. Die Bewohner eines betroffenen Dorfes suchen Hilfe bei den legendären Sieben Schwertern, einer Gruppe von Schülern eines Kampfkunstmeisters, die mit uralten, mythischen Schwertern ausgestattet werden. Doch ach: es gibt einen Verräter in der Gruppe...

Tsui Hark gelingt hier über weite Strecken ein zwar konfuses, aber aufgrund der "bodenständigen" Kampfchoreographie und ziemlich detaillierter Charakterzeichnung ziemlich ungewöhnliches Epos, der so gar nicht in das Schema der erfolgreichen Hero / Tiger and Dragon Schublade passen will. So spärlich und konzentriert die Kampfszenen ausfallen, gibt es hier ziemlich viel Dialog und Entwicklung der einzelnen Protagonisten. Weiters positiv fallen die natürlich eingefangenen Schnee und Steppenlandschaften, sowie allgemein die Farbgebung auf (so besonders am Anfang die rot-grau gehaltenen Jagden der Kopfgeldjäger, und später die Farben der Landschaften und Interieurs).

Doch leider ist die ganze Geschichte etwas verworren dargeboten. was darauf zurückzuführen sein mag, dass Tsui ursprünglich einen etwa vierstündigen Film plante, diesen aber dann doch zusammengeschnitten hat. Etwas mehr Action wäre sicher nicht verkehrt gewesen. Dafür gibt es keinerlei effekthascherische Fantasy-Elemente, was dem Film wiederum zugute kommt.

Ein durchaus ambitionierter Versuch eines Historienfilms, der aber aufgrund der Zerfahrenheit nicht voll überzeugen kann.

Tsui Hark China Wuxia Steppe Verrat


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Vampyr - Der Traum des Allan Grey


Carl Theodor DREYER
D/F 1932
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Die Geschichte eines Phantasten und Träumers, der in ländlicher Gegend zwischen verfallenem Gasthof und abegelegenem Schloß seltsamen Schatten und Erscheinungen nachjagt und scheinbar selbst zum Schatten wird.

Diese Produktion des dänischen Meisterregisseurs Dreyer ist zwar ein früher Tonfilm, in seiner ganzen Machart aber im Grunde noch voll und ganz durch den Stummfilm geprägt - es ist an der Gestik und Mimik der Schauspieler zu sehen. So gibt es hier sogar mehr Zwischentitel bzw. Erläuterungen zu sehen, als in so manchem reinen Stummfilm. Der Film, eigentlich schon 1930 entstanden, ist durch gewisse konzeptionelle Eigenheiten geprägt.

Auf visueller Seite ist hier auf jeden Fall die Kameraarbeit von Rudolph Maté zu nennen, die durch zahlreiche (für die Zeit ungewöhnliche) Schwenks und Perspektiven (inklusive der ungewöhlichen subjektiven Kamera gegen Ende hin) überraschen kann. Weiters der inszenatorische Kniff, Szenen, die eigentlich in der Nach spielen, bei Tag zu drehen. Ein Spiel von Licht und Schatten...

Was die Tonspur betrifft, so scheint diese zunächst nur auf reiner Effekt-Ebene zu funktionieren. Die deutschsprachigen Dialoge (eigentlich mehr Monologe) der Protagonisten: Des Helden Allan Grey, des Schlosshern und seiner zwei Töchter, des seltsamen Artztes, des Dieners... muten eigentümlich fremdartig an. Was daran liegen mag, dass die Schauspieler, in der Mehrheit nicht deutschsprachig, ihre Texte einfach auswendig gelernt gewissermaßen "herunterleiern". Sätze wie "Hier gibt es weder Hunde noch Kinder" oder "Ihr Blut ist doch hier" gewinnen so einen noch schaurigeren Anstrich. Daneben gibt es nur einige wenige akustische Effekte: Das Klopfen an Fenster, Glockengeläut, die Zahnräder einer Getreidemühle...

Die schlafwandlerische, irreale Atmosphäre des Films ist jedenfalls einer eigentümlichen Kombination der genannten visuellen und akustischen Elemente geschuldet. Das Ergebnis ergibt archetypischen Schauer und Horror, der aber ganz anders funktioniert als etwa ein Nosferatu oder ein Dr. Caligari. Die Inszenierung insgesamt ist eigentlich fast schon minimalistisch zu nennen.

Eine Aufgrund des hybriden Charakters der Produktion immer noch höchst eigenartige Filmerfahrung.

Dreyer Vampir Horror Rudolf Maté Magical History Tour Surrealismus


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EXILED


放‧逐 // Fong juk // Johnnie TO // HK 2006
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Zwei Gangster haben den Auftrag, in Macao ein in Ungnade gefallenes Mitglied, das mittlerweile mit Frau und Kind ein neues Leben begonnen hat, zu beseitigen. Ein zweites Gangsterduo ist entsandt, eben genau dies zu verhindern. Alle fünf zusammen verbindet eine gemeinsame Vergangenheit und Freundschaft, die auch bald wieder auflebt. Trotzdem entwickeln sich die Dinge tragisch und enden in einer klassischen Rachestory rund um Verrat, wechselnden Allianzen, Patt-Situationen und jeder Menge HK-shootouts, das die Patronenhülsen nur so klimpern.

An diesem sehr klassisch gehaltenen, extrem (vielleicht zu extrem) durchgestylten Film ist recht wenig auszusetzen. Einzig der seltsame Subplot des Überfalls auf einen millionenschweren Goldtransport und das humoristische Auftrauchen eines kurz vor der Pension stehenden Kommisars, der immer zufällig am Tatort zugegen ist, obwohl er doch eigentlich nur noch ein paar Stunden Dienst zu absolvieren hat, wirken hier irgendwie deplaziert, wie aus einem anderen Film. Filmästhetisch besonders gelungen ist dafür das beständige sepiafarbene Licht, in das die Interieurs getaucht sind. Alles wie gesagt sehr stylisch, und damit auch nicht unbedingt besonders realistisch. Auch vom Lokalkolorit der einstigen portugiesischen Kolonie Macao bekommt man einiges mit, eine willkommene Abwechslung zu den immer gleichen Häuserschluchten Hongkongs.

Fast schon denkt man, To hätte auf das obligatorische finale Shoot-out vergessen. Dieses ist dann recht kurz, dafür aber knackig ausgefallen und sehr stylisch (wurde das schon erwähnt?), inklusive der witzigen Idee mit einer fliegenden Red Bull Dose. Auch schauspielerisch ist alles durchaus im grünen Bereich, besonders Simon Yam als fieser Gangsterboss kann überzeugen. Fazit: Fette, klassische HK-Action, leider etwas zerfahren durch obengenannte Umstände. Die tragischen Elemente gehen letztlich im Geballer unter. Dafür mit style.

Gangster Macao Farbgestaltung Johnnie To Anthony Wong Simon Yam


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THE LIMITS OF CONTROL


Jim JARMUSCH // USA, 2009
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"Sie interessieren sich nicht zufällig für...?"

Wie in der Literatur sind auch im Film oft diejenigen Exemplare am interessantesten, die nichts erklären, sonder bloß darstellen, zeigen. Die ganz auf die eigentümliche Kraft der Bilder vertrauen, die sich mit anderen Bildern verbinden, sich zu Zeichen und Symbolen ausformen, oder auch nicht. Auch auf die Gefahr hin, abstrakt, verkopft und unverständlich zu sein, weil sie sich traditionellen Erzählmustern (und im Film heißt das eben: dem Plot) verweigern. Nun ist aber Jarmusch´ Film alles andere als abstrakt. Eine so klare Abfolge von Bildern, ziemlich genial eingefangen vom Meisterkinematographen Christopher Doyle, sieht man sogar ziemlich selten. Dazu, flirrend-dröhnend, die Musik der japanischen Chamäleon-Rockband Boris.

"Sie sprechen aber kein Spanisch, oder?"

Ein seltsamer Mann trifft sich mit zwei anderen seltsamen Typen auf dem Flughafen Paris. Nach einem seltsamen Gespräch geht es mit ausgehändigten Schlüsseln nach Madrid. Und von dort aus kreuz und quer durch Spanien. "use your imagination", raten ihm seine Auftraggeber. Der Reisende hat zwei Anzüge, einen grauen und einen braunen, beide von offensichtlich schlechter Qualität. Und wenn er nicht den ganzen Tag auf diversen Betten gestreckt die Decke anstarrt, trifft er, scheinbar beiläufig-zufällig, auf seltsam monologisierende Gestalten. Rote und grüne Zündholzschachteln werden getauscht.

"no mobiles!"

Dazwischen Besuche in Museum für moderne Kunst. Zwei mysteriöse Schönheiten: die eine blond, die andere dunkel - natürlich. Wiederholungen der Abläufe. Und wenn dann, der Mann ist mitlerweile im spanischen Nirgendwo, die sanften Qui Gong oder was auch immer Übungen plötzlich in einer aggresiven Angriffsbewegung enden, fügen sich die seltsamen Bausteine plötzlich zusammen: Die Gitarre, die Treffen in den Cafés, die separat georderten Expressos, die Zettelchen in den Streichholzschachteln, der Hubschrauber, die Gitarrensaite... Alles in allem sozusagen die komplizierteste (oder übervorsichtigste) Handlungsanweisung für das, was der deutsche Titel ganz einfach sagt: Der geheimnisvolle Killer. Und rückwirkend hat man plötzlich doch einen kristallklaren Plot (aber ohne Hintergründe).

Warum immer alles erklären? Filmische Bilder sprechen für sich. Auch wenn man sich eben vieles selbst ausmalen muss.

Film-Bild Spanien Café Zugfahrt Museum Jim Jarmusch Christopher Doyle Boris Isaach de Bankolé Tilda Swinton John Hurt Bill Murray


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House of the Long Shadows


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Pete Walker
GB 1983
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Ein junger Schriftsteller geht mit seinem Verleger eine Wette ein: binnen zwei Tagen könne er einen Schauerroman im lächerlichen Stil von Wuthering Heights schreiben. Die Wette gilt, der Verleger organisiert ihm einen Aufenthalt in einem abgelegenen, verfallenen Landsitz in Wales. Doch just dort angekommen, kommt er kaum zum schreiben, denn nach und nach tauchen die Mitglieder der einst dort wohnenden Familie Grisbane auf. Bald wird klar, dass ein schreckliches Ereignis in der Vergangenheit passiert ist, welche die Familienmitglieder wieder zusammenkommen lässt, die Schatten der Vergangenheit greifen um sich. Am Ende des Tages (oder der Nacht) wird der Schriftsteller mehr als genug Stoff für seinen Roman haben...

Bis auf die Anfangssequenz herrlich altmodisch gehalten, entfaltet sich ein wendungsreiches Kabinettstück klassischen Horrors, das ganz auf die klassischen Herrschaften des Genres: Price, Lee, Cushing und Carradine, ergänzt durch die großartige Sheila Keith, zugeschnitten ist. Alle anderen Protagonisten sehen neben dieser Garde reichlich blass aus. Dabei ist es seltsamerweise gerade Peter Cushing, der den bleibensten Eindruck hinterlässt. Wirklich spannend ist das ganze in der ersten Stunde dabei nicht, trotzdem ist es irgendwie faszinierend, die Versammlung über vergangene Zeiten sinnieren und die Dame des Hauses Verdis La forza del destino rezitieren zu hören. Erst am Ende wird es, auch dank der originellen Abwandlung der Idee des Klassikers House on Haunted Hill sowie einiger gepflegter Effekte und Wendungen, wirklich gruselig-spannend.

Am Ende ist aber natürlich alles ganz anders, als man dachte. Trotz des ziemlich schwachen Endes kann der Film vor allem durch die minimalistische Raumgestaltung gefallen. Und die Herren Price, Lee und Cushing einmal gemeinsam in einem Film, das hat schon was.

Vincent Price Christopher Lee Peter Cushing John Carradine gothic novel Landhaus begrenzter Raum Parodie


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IP MAN


葉問 // Yè Wèn / Yip Man // Wilson YIP // VR China 2008
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Die Geschichte von Yip Man, Großmeister des Wing Chun (Kung Fu), legendärer Lehrer des legendären Bruce Lee. China in den 1930ern. Meister Yip lebt mit seiner Familie ruhig und zufrieden in der südchinesischen Stadt Foshan, in der zahlreiche miteinander konkurrierende Kampfkunstschulen bestehen. Yip selbst hat absolut kein Interesse daran, selbst eine Schule zu gründen und gibt nur ungern Unterricht. Das ändert sich jedoch mit der Invasion und Besatzung der Japaner. Die Menschen leiden bittere Not, selbst Yip muß in einem Kohlewerk arbeiten, um seine Familie hinfort irgendwie über die Runden bringen zu können.

Die japanischen Besatzer in Foshan werden von einem Kampfkunstbesessenen General geleitet, der von der Überlegenheit des japanischen Karate gegenüber dem Kung Fu überzeugt ist. Er und seine Schergen organisieren daher Wettkämpfe, welche zwischen japanischen Soldaten und freiwilligen Chinesen, denen als Preisgeld ein Sack Reis winkt, stattfinden. Yip Man nimmt daran Teil und wendet sich gegen die Grausamkeit der japanischen Besatzer, gleichzeitig lehrt er die einfache Bevölkerung seinen Kampfstil, damit sich diese gegen die Besatzer und chinesische Banditen zur Wehr setzten können. Am Ende erleiden die japanischen Bösewichter ihren gerechten Lohn, Yip überlebt den Endkampf schwer verletzt und steigt zum Volkshelden auf.

Was an dieser Produktion beeindruckt, ist die tadellose Inszenierung. Story, Charakterzeichnung, Kameraarbeit, Musik und natürlich die Choreographie der Kämpfe bilden ein Ganzes wie aus einem Guss. Startet der Film durchaus noch mit humoristischen Anklängen und lässt eine Art Hommage an klassisches Shaw Brothers Entertainment (Schulen, die sich ständig gegeneinander herausfordern) erwarten, kippt das Ganze schon bald mit dem Einmarsch der Japaner. Plötzlich ist alles bitterer Ernst und selbst die Farben wirken noch fahler und ausgewaschener als zuvor. Die Japaner werden natürlich durchwegs negativ gezeichnet, wie es sich bei einer chinesischen Produktion gehört (natürlich nicht ganz zu Unrecht, wenn man die Geschichte betrachtet).

Es gibt hier inszenatorisch wirklich nichts auszusetzen, zumal sich der Soundtrack angenehm im Hintergrund hält und es keine fantastischen Luftkämpfe und dergleichen gibt, wie man das aus "klassischen" Hongkong-chinesischen Produktionen kennt. Hier ist alles wirklich sehr realistisch gehalten, somit erinnert Ip Man in der Machart weitaus stärker an thematisch ähnlich gelagerte Filme, die den geschichtlichen Hintergrund betonen. Eine Assoziation etwa ist der Bruce Lee Klassiker Fist of Fury.

Rundum gelungen.

Wing Chun Japanische Besatzung Wilson Yip Donnie Yen Simon Yam