"I gave up arguing with young people 50 years ago."
The Age Of Innocence (Die Zeit der Unschuld) ~ USA 1993
Directed by: Martin Scorsese
New York, 1870: Newland Archer (Daniel Day-Lewis), aufstrebender Jungjurist und Mitglied von Manhattans feiner Gesellschaft, soll in Bälde die ebenso reizende wie oberflächliche May Welland (Winona Ryder) ehelichen. Als Mays Cousine Ellen Olenska (Michelle Pfeiffer), die in Europa einen polnischen Adligen geheiratet hat, frustriert von ihrer einem Kerker gleichenden Ehe in die Staaten zurückkehrt, verliebt sich Newland Hals über Kopf in sie. Die Emanzipiertheit und sittliche Reife Ellens ziehen ihn unweigerlich in ihren Bann. Um ihr und sich jedoch einen untragbaren Skandal zu ersparen, begeht er sein weiteres Leben planungsgemäß.
Den ungewöhnlichen Beweis dafür, dass kineastische Sittengemälde respektive Kostümfilme nicht ausschließlich auf europäischem Boden gedeihen müssen, trat Scorsese mit dieser Wharton-Adaption an, die ihm wohl vor allem deshalb sehr zupass kam, weil sie eben ausnahmsweise einmal nicht in einer englischen Grafschaft oder in der Provinz um Paris angesiedelt ist. Mit dem Schauplatz New York verbindet man diese Art Rührstück unwillkürlich wohl kaum, zumindest mir geht es so. Dass die vordergründig unkonventionelle Mixtur am Ende dennoch ihren großzügigen Geschmack entfalten kann, verdankt sie mehreren entscheidenden Faktoren. Da wären zunächst die an Pracht und Authentizität nicht zu überbietenden Interieurs und Originalrequisiten zu nennen, die jede einzelne von Michael Ballhaus' breiten Einstellungen zu einer veritablen Augenweide gedeihen lassen, die wahrhaft anbetungswürdigen Darsteller, welche dem kritisch beäugten Sozialabriss zusätzliche Plastizität abringen und unter denen sich neben den Genannten noch bravouröse Zunftvertreter wie Michael Gough, Miriam Margolyes oder Jonathan Pryce einfinden, sowie ganz besonders die mittels ihres lyrischen, warmen Tonfalls gefangennehmenden Voice-Over-Erzählstimme von Joanne Woodward.
Zusammengefasst erhält man das, was es eigentlich gar nicht gibt - einen Anti-Scorsese, der zwar gescheiterte Lebensentwürfe und Enttäuschungen von biographischer Tragweite thematisiert, jedoch bestenfalls im stillen Kämmerlein schockiert und jedem Stolperstein grellen Naturalismus' großzügig ausweicht.
Film als edel verziertes, bequemes Brokatkissen.
8/10
Martin Scorsese period piece New York Fin de Siècle Sittengemaelde Historie
The Age Of Innocence (Die Zeit der Unschuld) ~ USA 1993
Directed by: Martin Scorsese
New York, 1870: Newland Archer (Daniel Day-Lewis), aufstrebender Jungjurist und Mitglied von Manhattans feiner Gesellschaft, soll in Bälde die ebenso reizende wie oberflächliche May Welland (Winona Ryder) ehelichen. Als Mays Cousine Ellen Olenska (Michelle Pfeiffer), die in Europa einen polnischen Adligen geheiratet hat, frustriert von ihrer einem Kerker gleichenden Ehe in die Staaten zurückkehrt, verliebt sich Newland Hals über Kopf in sie. Die Emanzipiertheit und sittliche Reife Ellens ziehen ihn unweigerlich in ihren Bann. Um ihr und sich jedoch einen untragbaren Skandal zu ersparen, begeht er sein weiteres Leben planungsgemäß.
Den ungewöhnlichen Beweis dafür, dass kineastische Sittengemälde respektive Kostümfilme nicht ausschließlich auf europäischem Boden gedeihen müssen, trat Scorsese mit dieser Wharton-Adaption an, die ihm wohl vor allem deshalb sehr zupass kam, weil sie eben ausnahmsweise einmal nicht in einer englischen Grafschaft oder in der Provinz um Paris angesiedelt ist. Mit dem Schauplatz New York verbindet man diese Art Rührstück unwillkürlich wohl kaum, zumindest mir geht es so. Dass die vordergründig unkonventionelle Mixtur am Ende dennoch ihren großzügigen Geschmack entfalten kann, verdankt sie mehreren entscheidenden Faktoren. Da wären zunächst die an Pracht und Authentizität nicht zu überbietenden Interieurs und Originalrequisiten zu nennen, die jede einzelne von Michael Ballhaus' breiten Einstellungen zu einer veritablen Augenweide gedeihen lassen, die wahrhaft anbetungswürdigen Darsteller, welche dem kritisch beäugten Sozialabriss zusätzliche Plastizität abringen und unter denen sich neben den Genannten noch bravouröse Zunftvertreter wie Michael Gough, Miriam Margolyes oder Jonathan Pryce einfinden, sowie ganz besonders die mittels ihres lyrischen, warmen Tonfalls gefangennehmenden Voice-Over-Erzählstimme von Joanne Woodward.
Zusammengefasst erhält man das, was es eigentlich gar nicht gibt - einen Anti-Scorsese, der zwar gescheiterte Lebensentwürfe und Enttäuschungen von biographischer Tragweite thematisiert, jedoch bestenfalls im stillen Kämmerlein schockiert und jedem Stolperstein grellen Naturalismus' großzügig ausweicht.
Film als edel verziertes, bequemes Brokatkissen.
8/10
Martin Scorsese period piece New York Fin de Siècle Sittengemaelde Historie
hast du die Scorsese-Filme nach irgendwelchen Kritierien gewählt oder schaust einfach die, auf die du grad Lust hast? Ich finde solche Reihen ja immer sehr bewundernswert; würde das nicht schaffen (außer bei Filmreihen).