

DAS WEISSE BAND - EINE DEUTSCHE KINDERGESCHICHTE (Michael Haneke/D, AT, F, I 2009)
von Funxton ·
22 März 2010
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"Die Drohungen blieben leer."
Das weisse Band - Eine deutsche Kindergeschichte ~ D/AT/F/I 2009
Directed By: Michael Haneke
Eichwald, ein im Norddeutschen gelegenes, spätfeudalistisches Dorf im Vorkriegsjahr 1913: Der junge Lehrer der örtlichen Schule (Christian Friedel) wird Zeuge einer Kette seltsamer Unfälle und Straftaten, deren Urheber sich nicht feststellen lassen und die in Eichwald für Unfrieden sorgen. Hinter einer undurchdringlichen, autoritären Mauer des ehernen Schweigens, für die vor allem die "führenden" gesellschaftlichen Köpfe wie der protestantische Pastor (Burghart Klaußner), der Dorfarzt (Rainer Bock) und der Baron (Ulrich Tukur) als Feudalherr Eichwalds stehen, schwelen neben gegenseitiges Misstrauen, falschen Verdächtigungen und Neid auch böse Sanktionsmittel, Missbrauch, Totschweigen.
Michael Haneke macht sich in "Das Weisse Band" daran, ein Exempel für die Auswüchse der im frühen letzten Jahrhundert noch akuten Schwarzen Pädagogik darzustellen und es darüberhinaus als eine mögliche Ursache für das unweigerliche Abdriften einer Gesellschaft in den Faschismus zu analysieren. Der aufgeschlossene, liberal positionierte Junglehrer steht gegen einen Wall des jahrhundertealten Filz geprägt von geglätteten Machtverhältnissen und verhärteten Fronten, von erzwungener Obrigkeitshörigkeit und einer omnipräsenten, latenten Feindseligkeit, hinter dem es schließlich zu brodeln beginnt. Hier heißt es nicht mit, sondern gegen, heruntergebrochen auf den jeweils denkbar kleinstmöglichen sozialen Mikrokosmos: Es geht Aristokratie gegen Bürgertum, Bildungsbürger gegen Arbeiter, Frau gegen Mann, alt gegen jung, nicht-behindert gegen behindert. Der Katechismus dient als pädagogisches Druckmittel und steht gleichberechtigt neben dem Ochsenziemer und dem titelgebenden Band, das der Pastor seine Kinder öffentlich als Schandmal tragen lässt.
Um eine Gesellschaft am Kriegsvorabend geht es hier, die angesichts ihrer unerträglichen internen Spannungen den Krieg als Erlösung begreifen dürfte. Für dieses von emotionaler Kälte geprägte Klima erscheint das klirrende, wenn auch ästhetisch ungeheuer reizvolle Schwarzweiß der Photographie höchst passend. Mich hat "Das Weisse Band" phasenweise stark an Kubricks "Barry Lyndon" erinnert, in dem eine ähnliche bildliche (wenn auch farbige) Klarheit vorherrscht in Koexistenz mit einer minimalisierten historischen Gesellschaftsstudie und einem in klassisches Literaturdeutsch gekleideten Off-Kommentar. Und da mir der eine gefällt, tut's eben auch der andere. Mit Haneke habe ich langsam meinen Frieden gemacht. Seine mir persönlich peinlichen, mediendidaktikischen Arbeiten kann ich ja weiterhin getrost ignorieren.
8/10
Feudalismus WWI period piece Historie Michael Haneke
Das weisse Band - Eine deutsche Kindergeschichte ~ D/AT/F/I 2009
Directed By: Michael Haneke
Eichwald, ein im Norddeutschen gelegenes, spätfeudalistisches Dorf im Vorkriegsjahr 1913: Der junge Lehrer der örtlichen Schule (Christian Friedel) wird Zeuge einer Kette seltsamer Unfälle und Straftaten, deren Urheber sich nicht feststellen lassen und die in Eichwald für Unfrieden sorgen. Hinter einer undurchdringlichen, autoritären Mauer des ehernen Schweigens, für die vor allem die "führenden" gesellschaftlichen Köpfe wie der protestantische Pastor (Burghart Klaußner), der Dorfarzt (Rainer Bock) und der Baron (Ulrich Tukur) als Feudalherr Eichwalds stehen, schwelen neben gegenseitiges Misstrauen, falschen Verdächtigungen und Neid auch böse Sanktionsmittel, Missbrauch, Totschweigen.
Michael Haneke macht sich in "Das Weisse Band" daran, ein Exempel für die Auswüchse der im frühen letzten Jahrhundert noch akuten Schwarzen Pädagogik darzustellen und es darüberhinaus als eine mögliche Ursache für das unweigerliche Abdriften einer Gesellschaft in den Faschismus zu analysieren. Der aufgeschlossene, liberal positionierte Junglehrer steht gegen einen Wall des jahrhundertealten Filz geprägt von geglätteten Machtverhältnissen und verhärteten Fronten, von erzwungener Obrigkeitshörigkeit und einer omnipräsenten, latenten Feindseligkeit, hinter dem es schließlich zu brodeln beginnt. Hier heißt es nicht mit, sondern gegen, heruntergebrochen auf den jeweils denkbar kleinstmöglichen sozialen Mikrokosmos: Es geht Aristokratie gegen Bürgertum, Bildungsbürger gegen Arbeiter, Frau gegen Mann, alt gegen jung, nicht-behindert gegen behindert. Der Katechismus dient als pädagogisches Druckmittel und steht gleichberechtigt neben dem Ochsenziemer und dem titelgebenden Band, das der Pastor seine Kinder öffentlich als Schandmal tragen lässt.
Um eine Gesellschaft am Kriegsvorabend geht es hier, die angesichts ihrer unerträglichen internen Spannungen den Krieg als Erlösung begreifen dürfte. Für dieses von emotionaler Kälte geprägte Klima erscheint das klirrende, wenn auch ästhetisch ungeheuer reizvolle Schwarzweiß der Photographie höchst passend. Mich hat "Das Weisse Band" phasenweise stark an Kubricks "Barry Lyndon" erinnert, in dem eine ähnliche bildliche (wenn auch farbige) Klarheit vorherrscht in Koexistenz mit einer minimalisierten historischen Gesellschaftsstudie und einem in klassisches Literaturdeutsch gekleideten Off-Kommentar. Und da mir der eine gefällt, tut's eben auch der andere. Mit Haneke habe ich langsam meinen Frieden gemacht. Seine mir persönlich peinlichen, mediendidaktikischen Arbeiten kann ich ja weiterhin getrost ignorieren.
8/10
Feudalismus WWI period piece Historie Michael Haneke