Zu Li Yangs "Blind Mountain":
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Stattdessen zig Mal das gleiche Bild: "Junge, deine Frau rennt weg." - Das ganze Dorf zieht mit Fackeln los. Unsere Protagonistin rennt und rennt und rennt und wird eingefangen und geschlagen - und rennt wieder los, hat erst das Geld fürs Taxi nicht, wird eingefangen und misshandelt - und rennt los und hat das Geld beim dritten Versuch durch das Prostituieren im Dorf doch zusammen - befreit sich und schafft es gar bis in die Großstadt - dann wird der Busfahrer vom pöbelnden, hinterhergefahrenen Mob mit einer Zigarette bestochen (welch Bild, eine Zigarette ist mehr wert als ein Menschenleben)
Das Bild mit der Zigarette hat den bis dahin zu ertragenden Gräueltaten die Krone aufgesetzt. Selbst die Großstadt, der Ort, der zuvor Mal um Mal als rettendes Ufer zu erreichen gesucht wurde, erweist sich als korruptes Pflaster, deren Einwohner wohl auf Grund von Repression und Furcht vor Bestrafung jegliche Zivilcourage vermissen lassen.
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Einmal verliebt sich der einzig gebildete Mensch des Dorfes - ein Lehrer - in das Mädchen, Sie schmieden Fluchtpläne. Dann werden sie erwischt beim Fremdgehen. Sie bekommt Schläge, er muss das Dorf verlassen. Die geklaute Frau darf nicht der Liebe wegen entwendet werden, kurzum: Liebe kann hier auch nichts mehr ändern, dazu sind die Menschen emotional schon zu verwahrlost, im Falle des Lehrers auch schlichtweg: zu feige.
Selbst der Lehrer hinterließ bei mir ein eher zwiespältiges Gefühl. Ich wünschte, er meinte es ehrlich mit Bai, allein, der rechte Glaube fehlte mir. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er letztendlich auch nur auf ein Schäferstündchen mit Bai aus war. Als halbwegs gebildeter Mensch in einer Horde von Barbaren sieht Bai in ihm eine realistische Chance, dem Martyrium zu entfliehen. Nachdem eine Art Vertrauensbasis zwischen Bai und dem Lehrer durch dessen Besuche etabliert ist, intensiviert der seine Annäherungsversuche gegenüber Bai. Die Rettungsversuche – wenn man denn überhaupt von Versuchen sprechen mag – bleiben weniger als halbherzig, leere Worthülsen. Hatte der Lehrer wirklich Pläne für eine gemeinsame Flucht? Warum lässt er sich durch die Drohungen seines Cousins einschüchtern. Das Dorf muss er nun auch ohne Bai verlassen, es gab nicht sonderlich viel, was ihn dort gehalten hätte. Auf die Idee, Hilfe für Bai zu schicken, kommt er auch nicht. Er macht sich leise und feige davon. Außerdem ist Bai ja bei weitem nicht die erste Frau, die auf illegale Weise in das Dorf verschleppt wird, das hat dort Tradition. Da fragt man sich schon, wie alle und jeder bei diesem unmenschlichen Treiben mitmacht oder bestenfalls die Augen davor verschließt. Da muss sich erst ein kleiner Junge als Bote anbieten, um das Geflecht an Korruption zu durchdringen.
Andererseits wird der Lehrer wie alle Bewohner des Dorfes, kaum eine Möglichkeit gehabt haben, selbiges mit Aussicht auf bessere Verhältnisse zu verlassen. Gefangen in den Bergen.
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Die Dummheit und Unmenschlichkeit als Tradition - dies transportiert der Film auf die Leinwand. Und solches als hard fact vor den Latz geknallt zu bekommen, das tut so weh wie schon lange nicht mehr....
Wenn man bedenkt, dass viele der Kinder die Gewalt gegen Frauen, insbesondere den zugekauften gegenüber, als immer wiederkehrendes Mittel erfahren, dann scheint es in diesem abgelegenen Bergdorf wirklich kaum Aussicht auf ein Ausbrechen aus diesem Teufelskreis zu geben. Es herrscht dort eine Art Gruppenzwang, der, unterstützt von den eigenen Eltern, die letzten Skrupel beseitigt.
Der Film hat mich fassungslos zurückgelassen. Zu sehen, wie am Ende das gesamte Dorf und insbesondere die Mutter zu verhindern versucht, dass der Gerechtigkeit genüge getan wird, ihrerseits im Glauben, sie seien im Recht, das schmerzt wirklich. Wie Du schreibst, sind die Menschen emotional verwahrloste, seelische Krüppel.
In einer Szene wird die Ein-Kind-Politik Chinas thematisiert, als ein kleines Mädchen ertränkt vorgefunden wird. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wäre Bais Baby ein Mädchen gewesen.