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The retina of the mind's eye - Filmforen.de - Seite 8,26666666667

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The retina of the mind's eye


454 Antworten in diesem Thema

#219 Hick

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Geschrieben 07. Februar 2008, 09:01

Deutschland Privat - Im Land der buten Träume (D 2007, Robert van Ackeren/Katharina Zwerenz) (DVD)

Robert van Ackeren hatte nach dem Aufruf, man solle ihm privat gedrehte Schmalfilme zusenden, Anfang der 1980er Jahre so viel Material erhalten, dass er daraus mehrere abendfüllende Kompilationsfilme hätte montieren können. Letztes Jahr, anlässlich der Produktionseinstellung "Kodachrome 40"-Kassetten, auf denen die meisten Schmalfilme gedreht wurden, hat sich van Ackeren erneut an den Schneidetisch gesetzt und eine Fortsetzung von "Deutschland Privat" erstellt.

"Im Land der bunten Träume" ähnelt dem Vorgänger in Aufbau und Sezenenauswahl. Dennoch merkt man schon deutlich, dass dieses Material die zweite Wahl ist; die Skurrilität und urtümliche Nostalgie der erste Sammlung besitzt die Fortsetzung nur noch streckenweise. Auch ist das Verhältnis der Lauflängen der einzelnen Episoden unterschiedlich. Der weitaus längste Beitrag, der von den Brautkäufen eines Mannes und seinen Eheschicksalen erzählt, bekommt indes schon einen richtigen Spannungsbogen und lädt zu Spekulationen ein. Besonders auffällig ist bei dieser Episode wie auch bei einigen anderen die durch die Off-Vertonung nachträglich eingefügte, offenbar unfreiwillige Komik in Wortwahl und Sprecherstimme.

Wie schon beim ersten Film stellen die Sex- und Privatpornoszenen auch bei der Fortsetzung den Appendix des Werks dar, auf den die Sammlung langsam aber zielstrebig zuläuft. Und auch hier regiert eher wieder das Mittelmaß, wenngleich gewagte "Montagefilme", wie etwa der einer nackten Frau, die mit ihrer Dogge schmust und uns durch ihre Mimik (irgendwann sieht man nur noch ihren Oberkörper und hört die Dogge nur noch bellen und winseln) insinuieren will, hier würde Sex mit Tieren praktiziert. Doch derartige "Tricks", die zumeist durch Montagen in der Kamera erzeugt wurden, hält der zweite Teil von "Deutschland Privat" häufiger bereit. Und das erhebt ihn in gewisser Hinsicht dann auch bereits vom Vorgängerfilm, in dem so etwas nur ein- oder zweimal zu sehen war: Die Schmalfilmer lernen mehr und mehr vom großen Kino, wollen nicht nur zeigen, sondern auch erzählen.

Meine Kritik bei F.LM.

#220 Hick

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Geschrieben 10. Februar 2008, 14:46

If.... (GB 1967, Lindsay Anderson) (VHS)

Beim Umkopieren meiner VHS-Sammlung auf DVD habe ich mir den Film gestern mal wieder angeschaut. Erinnert hatte ich mich an einen düsteren Vorläufer vom "Club der toten Dichter"; wiederbegegnet ist mir "If...." dann allerdings als revolutionäre Variation des "Törless", einer Abrechnung mit der Vatergeneration, die sich neben dem Jugendrevolte-Sujet natürlich auch problemlos auf die filmhistorische Bewegung des Free Cinema, die Ende der 1960er Jahre ja bereits wieder abebbte, übertragen ließe. Die Konterrevolution, der die Revoluzzer im überaus surrealen Finale von "If..." ausgesetzt sind, ist gleichsam auch als Rückschlag des etablierten Produktionssystems gegen die filmischen Erneuerer zu lesen. Wer jedoch letztlich als Gewinner daraus hervorgeht, lässt Andersons Film offen.

#221 Hick

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Geschrieben 10. Februar 2008, 16:30

Cloverfiled (USA 2008, Matt Reeve) (Cinedom)

"Godzilla steht für die Atombombe." Das ist eine vulgär-filmwissenschaftliche Binsenweisheit. Ganz im Sinne der Kracauer'schen Spiegelhypothese, nach der Film stets die gesellschaftlichen Strukturen und manchmal auch Ereignisse reflektiert, werden die japanischen Monsterfilme seit je her als Parabeln der Atomangriffe auf Hiroshima und Nagasaki gelesen. Man mag die Eindeutigkeit, die solche Lektüren oft begleiten, kritisieren; die Tatsache, dass sich diese Lesarten bis heute tradiert haben und sogar ihren Rückfluss in die Erzählungen selbst gefunden haben (einige Monsterfilme sind dazu übergegangen, die Menschen-gemachten Naturkatastrophen in ihren Plots zu verhandeln und den Umweltverschmutzern "Urgiganten" gegenüber zu stellen) ist unbestreitbar. Jüngstes Mitglied in der Monsterparabel-Filmfamilie ist Matt Reeves "Cloverfield", der bei der Codierung seiner Katastrophe derartig ausgeklügelt vorgeht, dass er der selbstreflexive Schlusspunkt des bisherigen Monsterfilms zu sein scheint..

Die Autoren von "Cloverfield machen keinen Hehl aus ihrem Godzilla-Bezug. So schildert der Produzent J. J. Abrahams, dass er während eines Japan-Aufenthaltes mit seinem Sohn in ein Geschäft geraten ist, in dem Godzilla-Puppen verkauft wurden. "It struck me that here was a monster that has endured, culturally, something which we don't have in the States", äußert er sich im Presseheft zum Film. Und dabei verfügen die USA seit dem 11. September 2001 doch selbst über ein so übergroßes kulturelles Trauma, dass ein Parabel-Monster längt fällig und wahrscheinlich sogar hilfreich wäre:

Zitat

"We live in a time of great fear. Having a movie that is about something as outlandish as a massive creature attacking your city allows people to process and experience that fear in a way that is incredibly entertaining and indredebly safe. I want to have that experience myself - to go to a movie that's about something larger-than-life and hyper-real, and 'Cloverfield' certainly is."

Kann man sich, wie Abrahams es hier sagt, vornehmen, Angst mit Kunst zu bekämpfen und ein kulturelles Trauma offensiv ästhetisch zu be- und verarbeiten? Man kann - davon zeugt die Geschichte der Kunst-Psychologie und dass dazu nicht immer Therapeuten, sondern manchmal auch "Laien-Analytiker" in der Lage sind, hat bereits Sigmund Freud gewusst. Kunst ist von je her ein probates Mittel gewesen, psychische und kulturelle Probleme zu verarbeiten. Ja, vielleicht das ja sogar der primäre Anlass Kunst zu schaffen. Dass die Produzenten von "Cloverfield" gar kein Geheimnis daraus machen, warum sie einen solchen Film drehen, bestätigt nur, dass diese Funktion mittlerweile so stark reflektiert wird, dass sich ihrer jeder bewusst ist.

Doch der Film ist weit mehr als filmgewordene Kunstpsychotherapie. Er bricht das Monströse hinab auf die Perspektive des Einzelopfers, entwendet Hollywood den Überblick und zeigt eine Kamerafahrt von etwas mehr als 80 Minuten, einen Film, der im Aufnahmeapparat montiert wird, so Ellipsen erzeugt, die einen mitdenkenden Zuschauer fordern und Jump-Cuts am (im wahrsten Sinne des Wortes) "laufenden Band" produziert. Der Zuschauer, der das mit ansehen muss, wird nicht nur durch die Perspektivität geschüttelt, er wird auch durch die Zeitsprünge gejagt. Eine atemlose Hatz, die mir beim zweiten Sehen regelrecht Übelkeit verursacht hat. Doch die Verwirrung des Bildes geht noch "tiefer":

In "Cloverfield" überlagert ein Film einen anderen, welcher palimpsestartig immer wieder an die Oberfläche dringt und den Zuschauer nötigt, ihn mit dem Monsterfilm in Beziehung zu setzen. "Cloverfield" ist - mit diesen beiden Filmen auf dem Band - auch eine Reflexion über das Funktionieren von Katastrophenfilmen: die können nie nur im Großen, Erhabenen verharren, sondern müssen ihren Plot am Kleinen, am Einzelschicksal, am besten einer Liebesgeschichte entwickeln. ("Titanic" führt bravourös vor, wie das funktioniert.) "Cloverfield" hat auch so eine kleine Geschichte, der er mit der großen verbindet und diese kleine Geschichte ist es, die auf dem "Film unter dem Film" schlummert.

#222 Hick

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Geschrieben 10. Februar 2008, 19:11

Final Cut (UK 1998, Cominic Ancianos & Ray Burdis) (DVD)

Von einem Film, der im Titel bereits einen produktionstechnischen Begriff enthält, hat man ein gewisses Maß an Selbstreflexivität in der Story zu erwarten. Die bedient “Final Cut” auch vom ersten bis zum letzten Bild, denn der Film erzählt vom Hobbyfilmer Jude (Jude Law), der jung und offenbar unerwartet verstorben ist, der Nachwelt, das heißt seiner Frau Sadie (Sadie Frost) und seinen Freunden jedoch einen selbstgedrehten Film hinterlassen hat. Die Witwe lädt nun all diese Freunde zur Trauerfeier ein, auf deren Höhepunkt - es soll der letzte Wille des Verstorbenen gewesen sein - sie den Film vorführt. Was sich dann ereignet, hat sich bereits in einigen Cut-ins, die wir, die Zuschauer von “Final Cut” zuvor schon zu sehen bekommen haben, angedeutet: Nacheinander werden alle Freunde und deren Partner von Jude bloßgestellt. Er filmt sie mit oder ohne dass sie es wissen, auf der Toilette, während sie stehlen, während sie übereinander lästern, während sie sich gegenseitig die Partner auszuspannen versuchen, während sie Verbrechen begehen, beim Geschlechtsverkehr, bei der Masturbation. Reihum wird jeder der Anwesenden Trauergäste vom gezeigten Video kompromittiert, ohne dass er oder sie sich dagegen wehren kann, denn ein kräftiger Freund der Witwe hält jeden, der der Situation entkommen will, mit körperlicher Gewalt im Raum.

mehr: F.LM

#223 Hick

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Geschrieben 10. Februar 2008, 19:22

Adaptation (USA 2002, Spike Jonze) (DVD)

Der letzte Film in der Screening-Reihe meines Proseminars verhandelt Autorschaft als zentrales Thema auf mehreren Ebenen und unter mehreren Perspektiven. Das herauszuarbeiten und als Konsequenz eines zunehmend unsicher gewordenen Autorenkonzeptes und -selbstverständnisses darzustellen, ist mir hoffentlich gelungen. "Adaptation" macht - wie jeder Charlie-Kaufmann-Film - seinem Interpreten schwer, mehr aus dem Film herauszulesen, als vielleicht darin deponiert wurde. Angesichts der Tatsache, das der "Deponent" aber so derartig fragwürdig geworden ist, kann daraus auch schon beinahe wieder eine neue Lust entstehen, den Film zu dekonstruieren, ihn überzuinterpretieren, um zu schauen, wie weit sich sein Konzept treiben lässt. Zum Beispiel: Ein Student hatte die besonders pfiffige Beobachtung gemacht, dass Donald Kaufman sich im Verlauf der Filmhandlung mehr und mehr erhebt, hocharbeitet vom kriechenden Lurch (anfangs sehen wir ihn durch die Wohnung robben) bis zum aufrechten Autor und damit das Thema der Evolutionstheorie, das den Film durchzieht, schon wieder aufnimmt.

#224 Hick

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Geschrieben 12. Februar 2008, 12:53

Und nun ein bisschen Eis-Horror:

Die verbotene Frage (Forbidden Quest, NL 1993, Peter Delpeut) (VHS)
Der eiskalte Tod (USA 1973, Jerrold Freedman) (VHS)
The Cold Hour (La Hora Fría, Spanien 2006, Elio Quiroga) (DVD)

Eines der unbestrittenen Highlights des letztjährigen Fantasy-Filmfests, "The Cold Hour" ist schneller als erhofft auf DVD erschienen. Vorgestern Abend habe ich den Film noch einmal gesehen. Ganz so stark wie beim erstem Mal hat er - und vor allem seine Schlusspointe - nicht mehr gewirkt, weil der Überraschungseffekt natürlich weggefallen ist. Dafür hat sich aber die soziale Struktur der im Keller verbarrikadierten Gruppe deutlicher herausgeschält, weil ja nun klar ist, wo und warum sie sich verstecken. Es ist wohl aber ein offenes Geheimnis - zumindest für die Protagonisten, die ja auch alle ein Leben vor dem großen Krieg gehabt haben. Diese Selbstverständlichkeit trifft dann allerdings doch wieder wie ein Schock: dass dieser vielleicht allerletzte Schlupfwinkel der Menschheit seine Sicherheit verloren hat und es weder ein Vor noch ein Zurück geben kann.

Zwei kleine Seltenheiten sind gestern den Weg vom Video zur DVD gegangen und beide noch einmal geguckt worde. "Die verbotene Frage" ist eine recht ausgeklügelt inszenierte Mockumentary, die aus einem gefakten Interview mit einmontierten Film-Sequenzen aus frühen Polfahrerfilmen eine Horrorgeschichte konstruiert: Bei einer geheimen Fahrt der "Hollandia" an den Südpol verschlägt es einen Zimmermann (einziger Überlebender und daher Interviewpartner) mit einem besessenen Kapitän in die Unwirtlichkeit der Antarktis. Nach und nach sterben alle Expeditionsteilnehmer, teils vor Erschöpfung, teils, weil sie das Fleisch eines Tieres gegessen haben, dass sie dort unten wider Erwarten vorgefunden haben: ein Eisbär - jedoch physiognomisch gänzlich anders geartet als seine Nordpol-Vettern. Zudem finden sie auf ihrem Weg ins Innere des Kontinents eine abgeschiedene Eskimo-Siedlung, deren Bewohner sich merkwürdig verhalten und einen riesigen, unmöglich geformten Fischschädel anbeten. Delpeut konstruiert eine Horrorsaga aus Versatzstücken von Poe und anderen Schwarzromantikern und kombiniert sie mit den Geschichten der wahrlich "sagenhaften" Polfahrten des frühen 20. Jahrhunderts.

Eingefügtes Bild

"Der eiskalte Tod" spielt irgendwo in den verschneiten Gebirgen (der Rocky Mountains?) in einer Forschungsstation, in welcher Affen Hunger- und Kälteexperimenten ausgesetzt sind. Zwei Wissenschaftler sollen ergründen, warum sich der Forscher von der Station mehr meldet und finden dort eine Leiche vor. Sie nehmen dessen Arbeit wieder auf und geraten nach und nach in unheimliche Situationen, für die sie einander die Schuld geben. Als es schließlich zum Zusammenbruch der Soziosphäre kommt und einer dem anderen Mordabsichten unterstellt, entdecken sie, dass sich der Spieß umgedreht hat. Längst sind sie die Versuchskaninchen von Hunger- und Kälteexperimenten geworden. Ein nach wie vor unglaublich bedrückender und suggestiv inszenierter Eis-Gruselfilm, der mit ein Vorbild für Carpenters "The Thing" gewesen sein dürfte. Der atonale elektronische Soundtrack von Gil Mellé, die Ambientgeräusche (Wind und Schneesturm) schaffen zusammen mit der kammerspielartigen Inszenierung vom ersten Augenblick eine bedrückende Atmosphäre. Ein ganz großer kleiner Film!

#225 Hick

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Geschrieben 13. Februar 2008, 16:37

Das letzte Testament (Testament, USA 1983, Lynne Littman) (VHS)

Zur Entstehungszeit des Films war der atomare Holocaust oft so spürbar nah, dass ich fast täglich damit gerechnet habe, dass die Welt untergeht. Sicherlich: Ein Großteil dieser Befürchtung basierte auf meinem noch recht kindlichen Bewusstsein und dem Unverständnis der internationalen Politik - und vielleicht auch auf der beginnenden Pubertät. Wenn ich mir aber heute "Das letzte Testament" ansehe, dann wird diese Angst wieder spürbar, als wäre sie immer noch real.

Das liegt nun aber daran, dass der Film all das richtig macht, was "The Day After" vernachlässigt hatte, weil er gleichzeitig Katastrophenfilm und Tragödie sein wollte. Littmans Film beschränkt sich auf den zweiten Aspekt, zeigt eine Familie in einer kalifornischen Kleinstadt, die aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung von einem Atomangriff in weiter Ferne überrascht wird, so dass zunächst nur der Blitz zu sehen ist. Nach und nach beginnt jedoch der Zerfall. Zuerst sterben die Kinder und die Alten an der Strahlenkrankheit, dann bricht das soziale Gefüge zusammen, die Menschen taumeln wie in Trance durch die Straßen und können in ihrer Not Recht und Unrecht nicht mehr voneinander unterscheiden. Der Frau, deren Schicksal wir miterleben, sterben die eigenen und die zur Pflege aufgenommenen Kinder, die sie schließlich selbst begraben muss. Und trotzdem versucht die Kraft nicht zu verlieren und klammert sich an die vage Hoffnung, dass ihr Mann vielleicht doch noch von seiner Geschäftsreise zurückkehrt, zu der er am Morgen des Weltuntergangs aufgebrochen war.

Die Vagheit über die Situation, ob es nun ein Krieg, ein Unfall oder Terrorismus war, die den Atomschlag ausgelöst haben, das Wegbrechen aller Kommunikationsinfrastruktur, das Absterben der letzten Funkkontakte zu anderen Orten und der sichtbare aber unaufgeregt inszenierte Verfall machen "Das letzte Testament" zu einem gleichermaßen beklemmend realistischen und tief traurigen Film. Als das erste Kind stirbt, erreicht die Trauer ihren Höhepunkt und man mag kaum glauben, dass es noch schlimmer kommen könnte. Es kommt jedoch schlimmer, denn es setzt eine fürchterliche aus der Rationalität und der Ohnmacht geborene Pragmatik ein, die keine weiteren Tränen zulässt, die sich um die Nahrungsvorräte sorgt, sich um den Verbleib der Leichen kümmert, in der jeder sich selbst der Nächste ist. Der Pathos ist unaufdringlich aber gleichzeitig unabweisbar, denn jeder humanistischen und familiären Geste der Heldin wird die absolute Sinnlosigkeit der Situation entgegen gestellt. Selbst das Schlimmste, was eine Mutter wohl miterleben muss, dass ihre Kinder für ihr Leben keine Zukunft mehr sehen und sterben wollen, kann sie nicht erschüttern.

Der Höhepunkt ist für mich in der Szene erreicht, in welcher die Mutter mit ihrer vielleicht 12-jährigen Tochter über die Liebe spricht, ihr verspricht, dass auch sie das fühlen werde und die Tochter nur resigniert antwortet, dass sie das nicht glaubt. Einige wenige Szenen später näht die Mutter ihren Leichnam in ein weißes Bettlaken ein. Als der Film gedreht wurde, war ich auch erst 12.

#226 Hick

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Geschrieben 21. Februar 2008, 10:28

Casino Royale (USA/UK/D/Cz 2006, Martin Campbell) (Blu-ray)

Peter Sellers, Woody Allen, Orson Welles und Daliah Lavi fehlen in der Neuadaption von “Casino Royale” zwar, aber das wird wett gemacht durch einen überaus sympathisch gezeichneten Bond-Darsteller. Leider findet der Film aber sein eigenes Ende nicht und leider scheint die Blu-ray nicht in 24p gemastert zu sein, was diejenigen Szenen, derentwegen sich die Anschaffung lohnen würde, zu einem ruckligen Missvergnügen macht. Na ja, ich war nie ein Bondfan und werde auch keiner, weswegen ich den Film ohnehin nicht kaufen würde.

#227 Hick

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Geschrieben 23. Februar 2008, 09:06

Kalte Wut (Forced Vengeance, USA 2981, James Fargo) (DVD)
Boy eats Girl (Irland/UK 2005, Stephen Bradley) (DVD)

Beide Filme liefen derartig nebenher, dass ich weder behaupten kann, ich hätte sie gesehen noch das Gegenteil richtig wäre. Ich poste dennoch einen Filmtagebuch-Eintrag, damit ich mich öffentlich für mein Verhalten schämen kann und gelobe, dass ich beiden Filmen noch einmal volle Konzentration angedeihen lasse (zumal ich letzeren noch besprechen muss).

#228 Hick

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Geschrieben 23. Februar 2008, 09:09

2001 (UK/USA 1968, Stanley Kubrick) (Blu-ray)

… über “2001″ ist schon so vieles geschrieben worden, dass beinahe zwangsläufig jedes weitere Wort zu dem Film zur Wiederholung wird. Ich hole für mich aus der Sichtung die Feststellung, wie sehr “2001″ doch Vorläufer für Kubricks darauffolgende Filme gewesen ist. Das lässt sich schon an einzelnen Momenten festmachen, etwa wenn sich Dave Bowman auf seiner Ruheliege flätzt und damit in Mimik und Körperhaltung zum “Vorbild” für Alex in “Clockwork Orange” wird. Oder wenn die Kamera ihn beim Jogging durch das Raumschiff-Rondell verfolgt wie Jahre später den kleinen Danny durch die Flure des Overlook-Hotel in “The Shining”. Und dann habe ich gestern erstmals diesen “typischen Kubrick-Blick” auch in “2001″ wiederentdeckt:

Eingefügtes Bild

Nicht unerwähnt sollte bleiben, wie großartig die Präsentation des Films auf Blu-ray ist. Was für die Publikation da noch einmal aus dem Material herausgekitzelt wurde, ist unbeschreiblich!

#229 Hick

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Geschrieben 23. Februar 2008, 09:11

Fido (Kanada 2006, Andrew Currie) (DVD)

Das Offensichtlichste fällt - Poes “entwendeter Brief” belegt das - selten gleich auf. Und so ist das auch mit einem im Zombiefilm seit den Anfängen vertretenen Motiv, das mir bis zur neuen Sichtung von “Fido” nicht aufgefallen wäre, hätte es mein Filmabend-Gast Benjamin nicht zuerst bemerkt: Zombiefilme sind zuallererst immer auch Familienfilme. Vom Besuch der Kinder am Grab des Vaters und dem späteren Drama im Keller in “Night of the living Dead” über die Warnhinweise in “Dawn of the Dead”, dass die zurückgekehrten zwar aussehen wie Verwandte, es aber nicht sind, bis hin eben zu “Fido”, in dem die selbe Warnung auch noch einmal formuliert wird: “This isn’t the man you married!” - Das Familienthema lässt sich in vielfältigster Ausformung in den allermeisten Zombiefilmen finden. Die Frage war nun: warum?

Der Ansatz einer Antwort beginnt mit einem Kalauer, der mir unwillkürlich in den Sinn gekommen ist: Wenn ein toter Verwandter seiner Familie als Wiedergänger erscheint, dann hat das im Horror-Genre zumeist mit dem schlechten Gewissen der Überlebenden (zumeist Erben) zu tun. Der moderne Horrorfilm, der vor allem für sein schonungsloses Ausbuchstabieren latenter psychischer Mechanismen bekannt ist, macht diese “Gewissensbisse” am Beispiel des Zombies manifest. Die Toten kehren zurück und holen sich das von den Lebenden, was sie nicht mehr haben: eben das Leben. Wo ist hier das schlechte Gewissen? Vielleicht in der Tatsache, dass seit der Säkularisierung der Tod eben nicht mehr als Übergang in das ewige Leben gesehen wird, sondern als definitives Ende. Der “Mehrwert”, den das Leben dadurch gegenüber dem Tod erhält, wird in den säkularisierten Gesellschaften zu einem ambivalenten Reichtum. Die Existenzialisten sehen sich ins Leben “geworfen” (Heidegger), die Fatalisten finden keinen Sinn für eine endliche Existenz, an deren Ende alles verloren geht, was erworben wurde - allenfalls zugunsten eines (die ontogenetische Existenz überschreitenden) evolutionären Fortkommens und der ebenfalls nur auf Zeit angelegten Vermehrung des Reichtums der Erben.

Wenn der Tod aber nichts und das Leben alles ist, dann hat der Sterbende allen Grund neidisch auf die Lebenden zu sein. Und tatsächlich kennt die Sterbeforschung auch eine Phase des Zorns auf die Überlebenden. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Vermutung, dass das schlechte Gewissen der Lebenden gegenüber den Toten eine Projektion des eigenen Sterbens ist. Der Zombiefilm wird damit zu einem Was-wäre-wenn-Spiel, in welchem zwar nicht die Möglichkeit eines ewigen Lebens aber einer ewigen Zornes-Phase des Sterbens bebildert wird. Die “Hölle der lebenden Toten” das sind die lebenden Anderen. Wenn der Tod, wie im Zombiefilm, Familienmitglieder trifft, die “noch nicht dran” gewesen wären, also vor allem Liebespartner und Kinder, dann verstärkt diese Projektion noch den Eindruck der Sinnlosigkeit und Verschwendung von Ressourcen, Möglichkeiten und (familiär-emotionaler) Investitionen. Der Tod als abstraktes Phänomen wird gegenständlich und in der Unperson des zombifizierten Familienmitgliedes kalkulierbar. Mit dem neuerlichen Töten des lebenden Toten macht man ihn nicht nur zu einem toten Toten, sondern man schreibt ihn ab.

#230 Hick

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Geschrieben 26. Februar 2008, 08:00

Boy eats Girl (UK/Irland 2006, Stephen Bradley) (DVD)

Wie kann man sich den strunzblösen “Die Nacht der lebenden Loser” bloß zum Vorbild nehmen? Offenbar haben das die “Boy eats Girl”-Macher für eine gute Idee gehalten und den selben Film eigentlich noch einmal gedreht. Originell ist daran einzig, dass das der Aufhänger des Films ein Simulacrum ist, weil der Protagonist Suizid begeht und deshalb mit Voodoo-Ritualen wiedererweckt wird. Der Film könnte in der derzeitigen Situation also durchaus aus staatsmedizinisches Aufklärungsvideo für suizidale Jugendliche daherkommen. Allein dieses Aufkochen von Haiti-Mythologie hat doch der Zombiefilm aber eigentlich gar nicht mehr nötig - und wenn doch, dann sollten die ausgedehnten Fleischfress-Szenen wegfallen. Splatter isses ja und selbst in der deutschen Fassung erstaunlich bildgewaltig. Die Montage ist auch nicht immer dumm. Aber das rettet den Gesamtfilm leider nicht davor, ziemlich langweilig und uninspiriert (wohl aber inspiriert) zu erscheinen.

#231 Hick

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Geschrieben 26. Februar 2008, 08:01

Die Vorahnung (Premonition, USA 2007, Menan Yapo) (Blu-ray)

Schon das Cover hat den strukturalistischen Motor angeworfen und die ersten zwei Drittel des Films haben dann noch einmal ordentlich Bezin in den Tank gegossen. Ich erzähle die Geschichte mal so, wie ich sie zu sehen gezwungen wurde: Linda Quinn Hanson (gespielt von Sandra Bullock) wacht eines morgens auf und stellt fest, dass sie sich in einem Film befindet, dessen Segmente nicht von einem ordentlichen Cutter, sondern von David Lynch montiert wurden. Für ihr Leben bedeutet das, dass Wirkungen ihren Ursachen vorausgehen, dass die gewohnte Abfolge von Wochentagen jetzt einem fraktalen Algorithmus folgt und dass sie in der Vergangenheit aktiven Einfluss auf den Verlauf der Zukunft nehmen kann. Dumm nur, dass alle anderen Protagonisten nicht wissen, dass sich der Zeitverlauf in Präzessionsbewegung befindet. Vor allem dumm für ihren Mann, denn der stirbt bei einem Autounfall und Linda weiß das und dann ist er plötzlich wieder da, weil der Unfall noch gar nicht passiert ist und Linda weiß das auch usw.

Ärgerlich wird der Film ab dem Moment, wo er diese interessante Logik versucht durch 1. Esoterik zu erklären (die Blu-ray hält auch gleich ein Bonusprogramm zum Thema “Vorahnungen” bereit) und 2. Linda einen Pfaffen herbei zitiert, der ihr sagt, was schon Hamlet wusste, nämlich dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt … Ja, und dann ist da noch dieser Psychiater, der Linda nicht therapiert sonder stationiert und vom Drehbuchautor in seinem Aussehen und Gebaren aus Stokers “Dracula” geborgt worden ist. Es musste wohl so kommen, dass der Film eine solche Wendung nimmt, denn es ist für einen Film mit Sandra Bullock in der Hauptrolle ja auch einfach nicht auszuhalten, unverständlich (also: konsequent medial) zu bleiben. Wie schon in “White Noise” muss der mediale Exzess, der sich virusartig in alle Aspekte des Films verbreitet hat, im Wortsinne exorziert werden. Und wie schon bei “The Mist” und “Last Man on Earth” muss der liebe Gott einfach das letzte Wort haben. Immerhin bringt Linda aus dem Schneideraum nämlich auch einen dicken Bauch mit zurück in die kausale Welt.

#232 Hick

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Geschrieben 11. März 2008, 11:45

10.000 BC (USA 2008, Roland Emmerich) (PV Ufa Köln)

Podcast bei F.LM

#233 Hick

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Geschrieben 11. März 2008, 11:46

Taxidermia (Ungarn/Österreich/Frankreich 2006, György Pálfi) (DVD)

Ein verblüffender Film, stilistisch irgendwo zwischen Marco Ferreri und Jan Svankmajer. Erzählt wird die Geschichte dreier Generationen von Männern mit einem sehr hingebungsvollen Verhältnis zum Essen. Gemischt mit pornografischen Einlagen reiht sich Fressorgie an Fressorgie, gehen Protagonisten aus dem Leim, werden ge- und verfüttert. Zusammengehalten wird die Erzählung nur durch die “Familienähnlichkeit” der drei Männer und ihrer Geschichten, wobei die allererste mit ihrem herrlich verkitschten Burleskenhaftigkeit noch die unterhaltsamste ist.

#234 Hick

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Geschrieben 11. März 2008, 11:47

Der irre Flic mit dem heißen Blick (Revenge of the Pink Panther, UK/USA 1978, Blake Edwards) (DVD)

Der deutsche Verleihtitel ist wahrscheinlich schon die angemessenste Reaktion auf die Entwicklung von Figur und Erzählung der Pink-Panther-Serie. Die Erzählung, die im ersten Teil noch klar im Vordergrund stand, ist jetzt zum bloßen Vorwand für den Klamauk geworden: Clouseau operiert als Totgeglaubter und ermittelt gegen seinen Attentäter. Figuren wie Dreyfus und Kato werden bis zur Groteske weiterentwickelt. Sellers überstrahlt dabei alle und alles, was auch schon der Grund dafür ist, dass der Film als solcher goutierbar bleibt. Den darauffolgenden Teil kenne ich ja bereits und weiß, dass da wieder ein Gang zurückgeschaltet wird.

#235 Hick

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Geschrieben 11. März 2008, 11:57

Near Dark (USA 1987, Katherine Bigelow) (DVD)

Ein wenig schlecht ist er ja schon gealtert, der Vampirfilm, der keiner sein wollte. Aber aus der Distanz wird Projekt, das "Near Dark" verfolgt, noch wesentlich klarer: Ein Hybrid aus Horrorfilm und Western, das bereits 1987 etliches von dem vorwegnimmt, was "From Dusk til Dawn" 10 Jahre später noch einmal unter dem Verdikt postmoderner Ästhetik durchexerziert. "Near Dark" offenbart die paradigmatischen Erzählstrukturen beider Genres recht deutlich, ist gleichermaßen ein Film über Familie und coming of age wie über den Konflikt konservativer und progressiver Lebensformen "auf dem Lande".

Der Soundtrack von Tangerine Dream ist einer der besten, den die Band bislang komponiert hat.

#236 Hick

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Geschrieben 11. März 2008, 12:14

Untraceable (USA 2008, Gegory Hoblit) (PV Ufa Köln)

Kein Serienmörderfilm "der neuen Generation", sondern einer, der die letzte Generation spiegelt, in sich aufnimmt und verarbeitet. "Untraceable" steht in einer Reihe mit "Frauenfilmen" wie "The Silence of the Lambs", "Copykill" oder "The Cell". Die weibliche Ermittlerin ist eine erwachsen gewordene Clarice Starling, die sich nicht nur mit neuen medialen Bedrohungsszenarien konfrontiert wird, sondern die ganz neuen Qualitäten eigener Verwundbarkeit umzugehen lernen muss. "Untraceable" hat viel aus den drei erwähnten Filmen gelernt und übernommen - jedoch so, dass es nie als Zitat erscheint, sondern stets als Weitergedachtes. Das fängt bei der "Home Invasion"-Thematik aus "Copycat" an über das "Serienmord als Kunstinstallation"-Motiv aus "The Cell" bis hin zu Montagetricks und Figurenentwicklungen aus Demmes Film.

#237 Hick

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Geschrieben 22. März 2008, 20:53

Crocodile (Ag-o, Süd Korea 1996, Kim Ki-duk) (DVD)

“Visimundi” veröffentlicht dieser Tage zwei DVDs mit Filmen aus Kim Ki-duks Frühwerk. “Crocodile”, das Debut, habe ich gestern gesehen. Einmal abgesehen von der miserablen Bild- und Ton-Qualität (die der Verleiher jedoch mit dem Zustand des Masters plausibel erklärt), ist “Crocodile” ein wunderschöner Film, in dem sich bereits vieles von dem zeigt, was im späteren Werk Kims deutlich wird. Allen voran ist es das Thema des alternativen Familienkonzeptes, das bereits hier Einzug hält: Unter einer Brücke leben ein alter Mann, ein kleiner Junge und in Twentysomething, die von dem Hab&Gut der Suizidanten leben, welche allnächtlich von der Brücke in den Fluss springen. Als “aus Versehen” eine Frau, die sich das Leben nehmen wollte, von ihnen gerettet wird, formt sich nach und nach eine regelrechte Familienstruktur unter den ansonsten nicht verwandten Protagonisten aus. “Crocodile” ist wie ein ungeschliffener Diamant, der streckenweise rabiat und gewalttätig, dann aber wieder poetisch schön ist. Vor allem die Bildsprache, die stark im Kontrast zum Handeln der Figuren steht, zeigt, wohin Kim der Weg führen wird.

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#238 Hick

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Geschrieben 22. März 2008, 20:54

Das Imperium schlägt zurück (The Empire strikes back, USA 1980, Irvin Kershner) (DVD)

Der zweite Teil der Krieg-der-Sterne-Trilogie war mir immer als der interessanteste und komplexeste in Erinnerung. Wenn das stimmen sollte, schaue ich mir den ersten und dritten besser gar nicht noch einmal an. Es ist ja kaum zu glauben, wie aseptisch und spießig da Figuren entwickelt und Erzählung vorangetrieben wird. Ideologisch und sexualethsisch meint man sich in die 1950er Jahre zurück versetzt. Vielleicht gewinnt der Film ja durch die digitalen Nachbearbeitungen Lucas’ (das würde mich allerdings wundern, die haben ja schon bei “THX 1138″ eher verschlimmbessert).

#239 Hick

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Geschrieben 24. März 2008, 12:26

Mad Max 2 (Australien 1981, George Miller) (Blu-ray)

Einmal mehr bin ich fasziniert vom prognostischen Wert (science)fiktionalen Kinos. Miller beschreibt eine Zukunft, in der Kriege wegen des Rohstoffs Öl geführt wurden und immer noch werden. Das war freilich 1981 schon keine Utopie mehr, ist in der Überzeichnung der Dystopie jedoch sehr viel radikaler als es in der zeitgenössischen politischen Lage war. In welche Zukunft also schaut "Mad Max 2"? Ins Jahr 2020, 2050, 2100?

Die bei mir - vor allem zu Ostern - wieder in den Hinterkopf geratene Prämisse, es handele sich bei "Mad Max 2" auch um eine Adaption bzw. Projektion der biblischen Exodus-Erzählung, kann ich nur relativiert aufrecht erhalten. Zu stark wird der Mann Moses Max hier als mythische Heldenfigur destruiert, wenngleich sein Chronist aus dem Off dessen nachhaltigen Heldenstatus immer wieder hervorhebt. Dass das Volk Israel, hier dann wohl repräsentiert durch Aerobik- und Football-Modefetischisten - seinen Anführer nicht nur "in die Wüste" schickt, sondern ihm sogar noch den Sand mitgibt und das goldene Kalb in Form von Benzinfässern mit sich ins gelobte Land nimmt, wäre eine Bibel-Lektüre, die den Katholohardliner Mel Gibson sicherlich nicht geschmeckt haben dürfte.

Die Blu-ray von "Mad Max 2" kann sich "tagsüber" sehen lassen. Doch wehe, es wird dunkel im Film (das wird es zum Glück nicht oft). Dann bricht das große Bildrauschen aus und teilweise leuchtet das Bild von links stark ein. Da zeigt sich, dass der Zahn der Zeit vor dieser - wie auch vor jeder anderen Dystopie - kein Halt macht. Die Patina, mit der das Zukunftsbild dadurch belegt wird, macht die Vision (und die Luzizdität) dann schon fast wieder heimelig und erträglich.

#240 Hick

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Geschrieben 25. März 2008, 10:31

Der beste Mann bei Interpol (The Pink Panther strikes again, USA/UK 1976, Blake Edwards) (DVD)

Ich weiß nicht: Ist das schon der Höhepunkt in Sachen Klamauk aus der Pink-Panther-Reihe? Sellers schlägt geradezu Kapriolen, fällt mehrfach Treppen runter, öffnet und schließt falsche Türen und tut alles, um aus Versehen zum Helden zu werden. Der wahre Held ist jedoch Herbert Lom, der hier den bisherigen tragikomischen Höhepunkt erreicht. Lachend und mit Zahnschmerzen Todeswünsche ausrufend, den Phibes geben und sich zum irren Kopf einer internationalen Gangsterverschwörung emporzuschwingen. Mehr kann man einer Filmfigur nicht ins Drehbuch schreiben.

#241 Hick

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Geschrieben 02. April 2008, 07:46

Auf dem Highway ist die Hölle los 2 (Cannonball Run 2, USA 1984, Hal Needham) (VHS)

Mit dem Vorgänger kann es Teil 2 nicht aufnehmen; zu offensichtlich die Wiederholung, zu gering das Interesse an der Story. Ob der Film die 4/10 auf der imdb-Skala verdient hat, wage ich aber dennoch zu bezweifeln, denn gerade die Dichte an guten One-Linern und das immense Staraufgebot machen “Highway 2″ doch irgendwie auch zu einer komischen Huldigung Hollywoods. Dass der Film offenbar noch nicht auf DVD erhältlich ist, ist eigentlich eine Schande.

#242 Hick

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Geschrieben 02. April 2008, 07:47

Apokalypse 2024 (A Boy and his Dog, USA 1975, L. Q. Jones) (DVD)

Es grenzt schon an ein kleines Wunder, dass dieser Endzeitfilm, der George Miller als Inspirationsquelle für Mad Max gedient haben soll, nicht nur endlich auf DVD erhältlich ist, sondern auch noch pünktlich für die Vorrecherche zu einem Artikel über “50 Jahre Atomkrieg im Film”, den ich für epd schreibe, bei mir im Briefkasten lag.

Erzählt wird die Geschichte eines “Jungen” namens Vic (gespielt vom jungen aber eben nicht “Jungen” Don Johnson) und seinem sprechenden Hund, die in der Nachatomkriegs-Wüstenei ständig auf der Suche nach Essen und Frauen (für Vic) sind. Während ihrer Odyssee lehrt der Hund dem Vic die jüngere Geschichte und erschnüffelt Frauen. Sie geraten an eine Schönheit, die sich allzu bereitwillig hingibt und Vic in eine Unterwelt lockt, in der sich eine christofaschistische Gesellschaft aufgebaut hat. Vic soll dort als Besamungsmaschine den Genpool erneuern, was ihn zunächst freut - bis er herausbekommt, dass das mit der “Maschine” wörtlich gemeint ist. Er schafft es zu entkommen und führt seine Geliebte pünktlich zum Abendessen zurück an die Oberfläche.

Ein überaus bitterer und böser Film ist das, der den Zerfall der Zivilisation vielleicht besser beschreibt, als alle anderen Endzeitfilme. Der Zerfall der Moral wird nicht etwa durch unmoralisches Handeln verdeutlicht; Moralität ist als Luxusphänomen schlicht abwesend in der Welt von 2024. Während sich auf der Erdoberfläche Menschenrudel gegenseitig die letzten Ressourcen (vor allem in den zur Wüste gewordenen Städten vergrabene Lebensmittelkonserven) streitig machen, hat in der Unterwelt eine alptraumhaft bizarre Übersteigerung des Puritanismus die Zügel in der Hand. Es lässt sich also nirgendwo leben aber überall trefflich sterben. Wen wundert es da, dass das scheinbar Gute (Vic) sich schnell als bloß “gute Willkürlichkeit” und Opportunismus entpuppt.

Interessant ist übrigens die Geschichte, die der Verleihtitel hatte:

Der Junge mit dem Hund
In der Gewalt der Unterirdischen
Apocalypse 2024
Psycho Boy and his Killer Dog
Mad Don


… alles irgendwie niedlich - aber keineswegs abwegig.

#243 Hick

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Geschrieben 04. April 2008, 13:00

Malevil (Frankreich 1981, Christian de Chalonge) (VHS)

Was für ein seltsamer Film, der daherkommt wie eine jener surrealen Schauergeschichten Jean Rollins: Ein französisches Provinznest, das von einem Atomschlag überrascht wird. Eine handvoll Menschen, die sich zufällig im Weinkeller des Bürgermeisters aufgehalten haben, überleben und versuchen ihre Gemeinschaft neu zu ordnen. Fast stummt laufen sie durch die verbrannte und mit Asche übersäte Landschaft. Erst nach und nach finden ihre Worte wieder, wagen jedoch - bis auf ein einziges mal - nicht auszusprechen, was geschehen sein könnte. Die Zeit vergeht, sie bauen eine Agrarkultur aus und verjagen herum streundende Landstreicher, die sich an ihren Gütern vergehen wollen, mit Waffengewalt. Dann treffen Sie wenige Kilometer entfernt auf eine Endzeitsekte, die sich in einem Eisenbahntunnel verschanzt hat und dort von einem mordlüsternen Guru befehligt wird. Zunächst versuchen sich die Gruppen in wirtschaftlichen Beziehungen, beginnen aber schon bald einen Verteilungskrieg gegeneinander, der mehr und mehr zu einem System-Konflikt gerät.

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“Malevil” ist zunächst einmal ein hervorragend inszenierte und interessant besetzter (Hanns Zischler, Jean-Luis Trintignat) Endzeitfilm aus dem Herzen Europas. Die verbrannte Erde, die der Film zeigt, gewinnt beinahe abstrakte Schönheit durch das Auge der Kamera. vertrocknete Flussbetten, sich in den weiten Landschaften/Einstellungen verlierende Gestalten, unvermutete Nah und Großaufnahmen vom Leben und Sterben. Etwas bemüht und teilweise zu stark behauptet, wirkt der Konfikt im zweiten Teil des Films. Darin jedoch zeigt sich erst die (friedens)politische Botschaft von “Malevil”.

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#244 Hick

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Geschrieben 04. April 2008, 13:03

On the Beach (USA 1959, Stanley Kramer) (DVD)

Die erste Woge des Kalten Krieges ebbt ab und die Angst vor einem Atomkrieg wird diffuser. Ende der 1950er Jahre scheint eher das versehentliche Abschießen von Atomraketen ein Grund für den Weltuntergang als ein konkreter Konflikt - darüber wird auch in “On the Beach” sinniert. Kramers Film wirkt auf seiner Oberfläche beinahe wie ein Hollywood-Melodram der 50er, was nicht zuletzt an der Besetzung liegt. Und über weite Strecken handelt er auch von Suchen, Finden und Verlieren der Liebe. Nur dass diese von der nahen Vernichtung des Menschheitsrests bedroht ist, denn eine radioaktive Wolke nähert sich Australien, dem letzten Refugium einer atomverseuchten Welt. Um eine Hypothese zu bestätigen oder zu widerlegen (dass sich die Strahlung durch Wettereinflüsse eventuell abgeschwächt hat) und weil man ein ominöses Morsefunk-Signal aufgefangen hat, wird eine U-Boot-Expedition über den Pazifik an die Westküste der USA geschickt.

Genau hier bricht das Melodram dann in den Endzeitfilm um. Die U-Boot-Besatzung findet entvölkerte Städte vor. Die Atombomben haben alles Leben ausradiert und nur eine unsichtbare und unspürbare Gefahr hinterlassen. Es ist das Skandalon und gleichzeitig die Chance des Films, dass die Radioaktivität nicht “direkt” gezeigt, sondern nur in ihren Konsequenzen vorgeführt werden kann. Und die sich in “On the Beach” weniger physisch als psychisch. Kaum gibt es Kranke, aber es häufen sich die Sterbewilligen, die Verleugner und die Fatalisten. Eine der erschütterndsten Szenen des Films ist, als Anthony Perkins, kurz bevor er mit dem U-Boot ins Ungewisse abreist, seiner Frau und beider Baby die tödliche Dosis Medikamente bringt und ihr sagt, wann sie sie einnehmen müssen. Darüber hinaus hält sich der Film jedoch mit solchen Momenten zurück, wirkt schon fast aseptisch in der Darstellung des Weltuntergangs. Von “On the Beach” ist vielleicht das Sinnbild für die Entvölkerung der Welt im Film ausgegangen: Leere Straßen mit durch sie flatternden Zeitungsfetzen:

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#245 Hick

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Geschrieben 04. April 2008, 13:31

Birdcage Inn (Paran daemun, Süd Korea 1998, Kim Ki-duk) (DVD)

Kims frühe Filme sind wie rohe, ungeschliffene Diamanten. Der Glanz des späteren Werks lässt sich bereits in vielen Facetten erahnen. Vor allem der Motivfundus zeigt sich bereits früh: außergewöhnliche Familienstrukturen, Sexualität und Gewalt, Selbstfindung und Harmonie in der denkbar größten (optischen und emotionalen) Disharmonie. “Birdcage Inn” ist ein Film über eine junge Frau, die als Prostituierte in einer kleinen Pension arbeitet und dort in die Familie der Wirtin integriert wird. Nach und nach greifen alle Familienmitglieder auf ihre Dienste zu, ohne dass es offenbar würde. Nach außen stets um die soziale Distanz zu der Prostituierten bemüht, entwickelt sich nach innen ein emotionales und sexuelles Abhängigkeitsverhältnis. Die scheinbar freie Bürgerschicht muss in der tabulos gelebten Gegenwart des Mädchens ihre eigenen Schranken erkennen. Und während sich diese zusehends von den sie beherrschenden Strukturen und Menschen emanzipiert und eine aufrichtige Liebesbeziehung aufbaut, hinterlässt sie die Gastgeberfamilie als geläutert und endlich aufrichtig zu ihren eigenen Bedürfnissen stehend zurück.

Das Märchen vom Aschenputtel drängt sie wie die Redewendung vom “Goldenen Käfig” auf, wenn sich die Story des Films vor einem ausbreitet. Ki-duk findet nicht nur genau die richtigen Worte (für die Dialoge der Protagonisten), sondern auch Bilder. Er kontrastiert die triste Existenz in der Pension, den Schmutz und die Gewalt mit wunderschönen Bildern von endlich erreichter Einsamkeit und ungewöhnlichen Drehplätzen. Alles das ist in einem unaufgeregten, trangeden Rhythmus erzählt, der den Zuschauer zu keiner trotz der mangelnden Zimperlichkeit der Geschichte enerviert. Das ist auch beim späteren Kim so - und das ist einer der Gründe, warum ich seine Filme so mag.

#246 Hick

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Geschrieben 06. April 2008, 08:24

Time Crimes (Los Cronocriménes, Spanien 2007, Nacho Vigalondo)

Ein Mann beobachtet, wie sich in einem Wald in der Nähe seines Hauses eine Frau entkleidet. Er geht zu ihr, sieht sie bewusstlos auf dem Boden liegen und wird von einem mit Mullbinden Vermummten attackiert. Panisch flieht er in ein nahe stehendes Gebäude und wird dort von einem Wissenschaftler aufgegriffen, der ihm anbietet, ihn in einem Tank vor seinem Verfolger zu verstecken. Kurz nachdem sich der Tankdeckel schließt, gibt es einen Blitz und der Verfolgte findet sich eineinhalb Stunden in die Vergangenheit zurück versetzt - der Tank war offenbar Bestandteil einer Zeitmaschine und er unfreiwillige Testperson des Wissenschaftlers. Er verlässt das Labor und sieht sein vergangenes Selbst durch ein Fernglas in seinem Garten sitzen. Weil er will, dass es ihn nur einmal gibt, zwingt er den Wissenschaftler, das Experiment zu wiederholen, gerät kur darauf in einen Autounfall, zieht sich eine Platzwunde am Kopf zu, umwickelt seinen Kopf mit Mullbinden und entführt eine junge Frau, die er zwingt, sich im Wäldchen in der Nähe seines Hauses zu entkleiden, um sein vergangenes Ich anzulocken … Wer den Autounfall verursacht hat, der zu der Kopfwunde geführt hat, ist da schon fast kein Geheimnis mehr.

“Time Crimes” ist ein interessant konstruiertes Zeitreise-Experiment, das sich nicht nur der Frage der vermeintlichen “Logik” von Zeitreisefilmen widmet, sondern gleichzeitig auch die (hier konfligierenden) Zeitphänomende des Films (Produktionszeit, gefilmte Zeit, Filmzeit bzw. Rezeptionszeit) in Augenschein nimmt. Der Mann wird schließlich zum Zuschauer seines eigenen Lebensfilms, den er, je öfter er ihn “wiederholt”, aus einer sich immer stärker elaborierenden Perspektive wahrnimmt. Sein Wunsch ist es, zum totalen Zuschauer zu werden, der (endlich) genauso viel weiß, wie der Erzähler. Doch dazu müsste erst einmal geklärt werden, worin die Ursünde des Filmischen liegt: nämlich in der Montage. Am Anfang sehen wir den Mann auf seinem Bett sitzen und nach ein paar seltsamen Jump Cuts wieder aufstehen. Schon da ist er eigentlich das Opfer einer Zeitreise geworden.

Diary of the Dead (USA 2007, George A. Romero)

George A. Romero hat sich noch einmal für seine Untoten hinter die Kamera gestellt und den fünften Teil seiner Saga gedreht. Er erzählt die Geschichte aus Night-Dawn-Day-Land jedoch nicht weiter, sondern erneut und aus anderer Perspektive. Die Zombie-Seuche bricht im YouTube-Zeitalter aus, während eine Hand voll Filmstudenten gerade einen Mumien-Film drehen. Sie fliehen vom Drehort, gelangen aber in eine im Chaos versinkende Welt. Romero versucht das Zombie-Thema hier “medial aufzubereiten”, indem er der “unerhört demokratischen Gemeinschaft der Gleichen” (Baumann) die unerhört demokratischen Medien des Web2.0 gegenüberstellt. Der sozialkritische Impetus seiner Vorgänger wird in “Diary” dadurch eingeholt und aktualisiert. Romero lässt seine Protagonisten vom Weltuntergang ungekürzt, zeitnah und aus nachvollziehbarer Perspektive berichten. Heraus kommt dabei ein herrlich disparat wirkender Film, der seine Story nur dazu benutzt, die Grundidee durchzudeklinieren und dabei möglichst viele “demokratische Medien” (Handycams, YouTube-Clips, gekaperte Überwachungskameras, …) zu inszenieren. Leider vergisst er dieses Projekt im letzten Viertel dann wieder, wird “erzählerisch” (was bis hin zu solchen One-Linern wie “Behalte du das Haus, ich nehme das Auto.” - die Szene wird sich beim Sehen selbst erklären! - reicht) und schließlich sogar moralinsauer. Das “I wonder who the real cannibals are” aus “Cannibal Holocaust” hat man seit Ende der 1970er Jahre doch nun wirklich begriffen. Aber so ist er halt, der Romero.

Doomsday (UK/USA/Süd Afrika 2008, Neil Marshal)

Was hätte es für ein schöner Anschluss an “Diary of the Dead” werden können. Ein tödliches Virus befällt Menschen in Schottland, breitet sich rasant aus und nur noch die Totalabriegelung des Landes hindert es an der Verbreitung. 30 Jahre später hat sich das Problem scheinbar selbst erledigt - keine Lebenszeichen sind mehr in Schottland wahrzunehmen. Da tauchen Infektionen im Herzen des überbevölkerten Londons auf. Zufälligerweise entdeckt man auf einem Satellitenbild, dass es in Glasgow doch noch Menschen gibt, die dann wohl immun sein müssen. Eine Elitetruppe wird nach Schottland geschickt, um einen Arzt zu finden, der kurz nach der Abriegelung des Landes in Funksprüchen angedeutet hat, eine Heilung gefunden zu haben. Was folgt, nachdem sich die Schotten zu Schottland hinter den Engländern schließen, ist ungeheuerlich.

Der Drehbuchautor von “Doomsday” verachtet sein Publikum scheinbar derartig, dass er ihm ohne mit der Wimper zu zucken plagiierte Versatzstücke aus allen bekannten Endzeitfilmen der letzten 20 Jahre vorsetzt. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, den Film zu kritisieren, so viel spinnerte “Ideen” finden sich darin. Für den einen mag die kannibalische Post-Nuke-Punk-Bewegung in Glasgow nebst ihrer allabendlichen Tanzkonzerte zu Gassenhauern der 1980er Jahre schon der Gipfel sein. Andere könnten den Kinosaal verlassen, wenn sie sich unversehens in einer Mittelalter-Kitschlandschaft mit Rittern und zynischen Arena-Kampfspielen wiederfinden. Und wenn die verbliebenen Elitesoldaten sich dann nach dem x-ten erfolgreichen Befreiungsversuch in einem über 30 Jahre unentdeckt gebliebenen Depot/Bunker einem tollen, windschnittigen Neuwagen gegenüber sehen, den der Film dann für eine völlig verworrene Mad-Max-2-Verfolgungsjagd (mit Musikbegleitung von Franky goes to Hollywoods “Two Tribes”!) einsetzt … vielleicht ist der Kinosaal dann schon leer. Zu wünschen wäre es dem Film und seinen Machern.

Frontier(s) (Frontière(s), Frankreich 2007, Xavier Gens)

Nach dem “Doomsday”-Fiasko konnte man angesichts der TCM-Adaption “Frontier(s)” schon fast milde gestimmt sein. Das Konzept ist aus den Terrorfilmen der vergangenen Jahre bekannt: Eine Gruppe junger Leute fährt von der Stadt aufs Land (Hintergrund sind die riots in den Pariser Vororten, die die Kids, die im Trubel Geld gestohlen haben, Richtung Holland fliehen lässt). Ein Zwischenstopp in einem Motel entpuppt sich schnell als Fehler. Die Betreiberfamilie wird von einem alten Nazi angeführt, der eine Gruppe Wahnsinniger aber durchaus schlagkräftiger junger Leute um sich geschart hat, die ihn nun mit Frischfleisch versorgen. Nach und nach fallen die Reisenden den Barbaren zum Opfer, werden grausam gefoltert, getötet und verspeist. Dass es eine Überlebende geben wird, ist nicht nur eine Regel derartiger Filme, sondern leitet sich schon daraus ab, dass eine der Reisenden eine schwangere junge Frau ist. So jemand darf (außer in den Filmen D’Amatos) nicht geopfert werden.

“Frontier(s)” ist ein recht dreister Film. Kein Detail wird ausgelassen. Die Menschenschlachtungen werden minutiös vorgeführt, die Folterungen in endlosen Sequenzen dargelegt. Der Plot fährt mit dem Zuschauer Achterbahn, lässt einzelne Opfer immer wieder entkommen, um sie dann doch wieder in die Arme ihrer Peiniger zu führen. Mehrere scheinbare Finalszenen wechseln einander ab, bis dann schließlich wirklich kein Bösewicht mehr übrig ist. Der Film ist von einer optischen Brachialität, die mir so noch nicht untergekommen ist. Der Splatter scheint wirklich nur noch quantitativ überbietbar zu sein. Schade nur, dass man ein solch fadenscheiniges Konstrukt wie den Nationalsozialismus als “Wurzel allen Übels” herbeireden musste. Der Vater der Familie übt sich nicht nur in NS-Ideologie, er lässt auch gelegentlich Phrasen der Nazis einfließen: “Arbeit macht frei”, “Unsere Ehre heißt Treue” verwoben mit hin und wieder gepfiffenem “Lili Marleen”-Liedchen - das ist wirklich zu einfach und zu albern, als dass es wirklich irgendwie bedrohlich sein könnte. Und wenn dem Nazi-Papa dann auch noch seine Phonetik entgleitet und aus dem Koppel-Spruch der SS ein “Unsere Ehre heißt Trö!” wird, ja, dann erreicht der Film wirklich genau das Gegenteil, was er (wahrscheinlich) beabsichtigte.

#247 Hick

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Geschrieben 09. April 2008, 07:43

Eden Log (Frankreich 2007, Franck Vestiel)

Ein Mann erwacht in einer Wasserlache, tief unter der Erde. Nur schwach wird er von einer flackernden Glühbirne beleuchtet. Um ihn herum: Leichen, Wurzelwerk, Schlamm. Er kämpft sich durch das sumpfige Dickicht, erreicht einen Lastenaufzug, fährt nach oben und landet doch wieder nur ein einem Untergeschoss". Nach und nach erfährt er, dass er sich unterhalb eines Baumes befindet, dessen Wurzelwerk zur Energieerzeugung angezapft wird. Ihm begegnen entstellte Menschen, die nach seinem Leben trachten und eine Frau, die offenbar etwas mehr weiß als er. Gemeinsam mit ihr versucht er weiter nach oben zu gelangen. Mit jedem überwundenen Stockwerk erlangt er sein Gedächtnis zurück und versteht mehr und mehr, was um ihn herum geschieht.

Es hat wirklich ein paar Tage gebraucht, bis ich mir darüber klar geworden bin, ob mir "Eden Log" gefällt - und er tut es. Die Verbindung von Darstellungsweise der Unüberschaubarkeit, die starken Kontraste, das ungewöhnliche Setting, die Zerstörung der Unterwelt mit all ihren Nuancen machen aus "Eden Log" zunächst einmal einen sehr unangenehmen, beklemmenden Film. In dem Maße, wie der Film seine Erzählung schleppend Bruchstück für Bruchstück entfaltet, offenbart sich dem Zuschauer auch das parabelhafte philosophische Konzept des Films. Das Durchdringen an die Oberfläche als eine Flucht aus der Platon'schen Höle und gleichzeitiges Überwinden des Absurden führt den Protagonisten nicht etwa ins Licht, sondern in eine Welt, in der er, der auf seinem Weg seine Menschlichkeit zurückgewonnen hat, keinen Platz hat.

Es ist erstaunlich, das gerade Filme, die Bäume als zentrale Metapher inszenieren, sich einer kryptischen Metaphorik offenbar nicht zu verschließen in der Lage sind. Der Baum mit seinem gespiegelten Doppel-Rhizom lädt aber auch geradezu dazu ein.

[Rec•] (Spanien 2007, Jaume Balagueró, Paco Plaza)

Man tut Balagueró sicherlich nicht Unrecht, wenn man seine Sujets in die Tradition der Gothic Novel stellt. Seine bisherigen Filme haben gekonnt Motive der Schauerromantik mit kontemporären Stoffen und Problemen verwoben. In "Rec" ist das wieder so, wenngleich das "Haunted House"-Motiv hier wesentlich zurückhaltender eingesetzt wird als in "Fragile", "Darkness" und "Los sin nombre". Dafür drängen sich die zeithistorischen Bezüge mehr und mehr in den Vordergrund. Zuallererst musste ich natürlich an die "9/11"-Doku von James Hanlon et al. denken, in denen ein Dokumentarfilm-Team die Feuerwehr zufällig an jenem schicksalhaften Tag zu einem Einsatz am World Trade Center begleitet. In "Rec" verfolgt der Pseudodokumentarismus dieselbe Spur und wieder ist es ein Haus, das zum Dingsymbol für eine facettenreiche Katastrophe wird.

Aber Balagueró wäre nicht er selbst, wenn er dieses Setting nicht dazu nutzen würde, sein Talent für atemstockenden Horror zur Geltung zu bringen. Zunächst sind es reine Schockszenen, die einen als Zuschauer zusammenzucken lassen; mehr und mehr wird jedoch die ausweglose Situation im abgeriegelten und von infektiösen Zombies befallenen Haus dazu genutzt, das Unerwartete des Schocks in einen Thrill und Grusel der Gewissheit umzumünzen. Das Finale des Films zieht diesbezüglich sämtliche Register. Nur selten (vielleicht bei "The Grudge" und "Shutter") war es so unangenehm "sehen zu müssen".

Inside (À l'intérieur, Frankreich, Alexandre Bustillo, Julien Maury)

Was ist los im Staate Frankreich möchte man nach dem Doppelmissvergnügen von "Frontier(s)" und nun "Inside" fragen. Die Krawalle, die sich vor einigen Monaten in den Pariser Vororten zugetragen haben und der politische Umbruch in Richtugn Sarkozy, waren offensichtlich traumatischer als es bei mir angekommen ist. "Inside" als Parabel über Schwangerschaft (abermals!) zu sehen, fällt einem angesichts der überbordenden Gewaltdarstellung des Films nicht leicht: Eine hochschwangere Frau zu Weihnachten allein in ihrem Haus. Ihr Partner bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Eine andere Frau vor dem Haus. Sie will das Kind - und zwar noch bevor es geboren wird. Solche Dramen sind tatsächlich bekannt, aber dass und wie der Film sie aufgreift und daraus seinen unfassbaren Terror konstruiert, war für mich bisher zumindest undenkbar. "Inside" ist letztlich genauso zynisch (und vielleicht deshalb so realistisch) und ebenso hoffnungslos wie "Frontier(s)" - Kino das absolut keinen Spaß macht, keinen Spaß machen will und kann, das vor den Kopf stößt und mit dem Tonfa in den Bauch schlägt. Immer und immer wieder.

#248 Hick

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Geschrieben 09. April 2008, 07:58

The Addiction (USA 1995, Abel Ferrara) (DVD)

Was für eine Enttäuschung. Ferraras Film beginnt überaus spannend, erzählt aus einer Perspektive, die das intellektuelle Potenzial des Stoffes wie seines Autoren zu betonen scheint. Dann bricht der Film jedoch ein, weil er sich nicht entschließen kann, ob er Genre- oder Kunstfilm sein will, ob er seine Vampir-Thematik wörtlich nimmt oder sie zu einem moralischen Konzept umkodiert. Dass Ferrara das nicht gelingt, liegt vor allem daran, dass er in "The Addiction" ein Milieu aspektiert, in dem er sich offenbar überhaupt nicht auskennt: eine geisteswissenschaftliche, ja, philosophische Fakultät, ein Doktorandenseminar, in welchem eines der weiblichen Mitglieder nach einem Überfall auf offener Straße zum Vampir wird und sein Unwesen treibt. Ferrara lässt seine Protagonistinnen jedes erdenkliche philosophische Klischee vor sich herbeten, betreibt ein Namedropping, von dem sich sogar Woody Allen noch eine Scheibe abschneiden könnte, und überfrachtet seinen Film auf diese Weise mit einer psuedo-philosophischen (gewollt war wohl eine existenzialistische) Botschaft, die allenfalls auf Unbelesene und -bedarfte Eindruck machen könnte. Sehr traurig auch, wie Ferrara Christopher Walken in einer viel zu kurzen Sequenz verheizt. Allein Walken hätte aus dem Film wesentlich mehr machen können. als er letztlich geworden ist.

Warum Kinowelt den Film unsynchronisiert und OmU bringt, ist mir unverständlich. So gehaltvoll sind ja wie gesagt die Dialoge ohnehin nicht. Vielleicht hat sich aber niemand getraut, die Poesiealben-Sprüche Heidggers und Nietzsches, mit denen da um sich geworfen wird, aus der englischen zurück in die deutsche Sprache zu übersetzen.

Meine Kritik bei F.LM





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