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[Tornhill]

wg. CLOVERFIELD

Zitat

Ich hatte einmal kurz Gänsehaut, könnte aber auch die Belüftung gewesen sein.

Ich stimme deiner Polemik zwar überhaupt nicht zu, aber ich finde sie erheiternd. Tim Lucas' Bemerkung kann ich aber soweit nachvollziehen, als dass es sich bei CLOVERFIELD um eine Hommage an Sachen wie CANNIBAL HOLOCAUST oder BLAIR WITCH handelt. Und das ist doch nicht schlechtes in Zeiten, wo Infos über einen Film viel zu leicht, viel zu unmittelbar zugänglich sind und die Unwissenheit/Ungewissheit bei einem Filmerlebnis doch eher einen Segen als einen Fluch darstellen sollte.

[Michael]

Das ist doch schon etwas. Tim Lucas' Vergleich war es dann auch, der mich ins Kino trieb.* Stilistisch habe ich gegen Vergleiche zu den offensichtlichen Vorbildern wie "Cannibal Holocaust" oder "Blair Witch Project" gar nichts einzuwenden, aber Lucas macht ja noch etwas anderes: Er schreibt, "Cloverfield" wäre wahrscheinlich der wichtigste Horrorfilm, den er seit "Taxi Driver", "Cannibal Holocaust" und "Der Exorzist" gesehen hätte. Das könnte eine gigantische Erwartungshaltung aufbauen, wenn man dieses Phänomen nicht bereits kennen würde. Nachdem ich den Film gesehen habe, würde ich im Bezug auf die Unwissenheit als Segen sagen, dass man, abgesehen davon, wie das Ganze konkret für die Protagonisten endet, nicht wirklich großartige Spoiler oder Geheimnisse verraten kann.

Spannend finde ich außerdem den Vergleich mit dem amerikanischen Box-Office-Erfolg. "Cloverfield" wird in Deutschland floppen (nicht einmal 200.000 Zuschauer bei ca. 350 Kopien; bestimmt wahnsinnig schlechtes zweites Wochenende), obwohl das Zeitfenster zwischen den beiden Starts so klein wie möglich gehalten wurde. Woran liegt das? Wurde in Amerika intensiver geworben, funktionierte dort das virale Marketing deutlich besser (wobei die deutschen Blogger genauso drauf eingestiegen sind), oder betraf es die Menschen dort einfach mehr?


* Ansonsten hatte ich allen englischsprachigen Texten widerstanden, Lucas nur insoweit überflogen, als dass ich bei Spoilergefahr einen Absatz weiter gesprungen bin. Ok, Harry Knowles konnte man schwer überlesen. Der war aber so fair, eigentlich nur anzuheizen und wieder mal die Revolution auszurufen. Und die deutschen Texte gibt es ja angenehmerweise erst seit ein paar Tagen im Netz.

Bearbeitet von Michael, 03. Februar 2008, 23:55.

[Tornhill]

Ich kann nicht sagen, ob CLOVERFIELD der wichtigste Horrorfilm seit so und so vielen Jahren ist. Wer kann das schon? Das ist natürlich Lucas' persönliche Meinung, die man natürlich nicht teilen muss. In zehn, fünfzehn Jahren wird man wissen, wo sich CLOVERFIELD einsortieren wird. Mittlerweile ebbt die Welle an Horrorfilmen der Postmoderne ja ab, hab' ich das Gefühl. SAW entwickelt sich zur monotonen Endlosschleife und wenn das FRIDAY THE 13TH-Remake abgefrühstückt ist, dürfte erstmal mal wieder für längere Zeit am Hungertuch genagt werden.

Das virale Marketing funktionierte bei BLAIR wohl weitaus besser, da hier wohl klar wurde, dass die Möglichkeiten des Internets bei der Filmvermarktung - ich hasse dieses Wort - in Zukunft eine ideale Plattform abgeben könnte. Und der Film ist ja auch schon 10 Jahre her.

Die Vergleiche von Einspielergebnissen zwischen USA und Deutschland empfinde ich am konkreten Beispiel von CLOVERFIELD etwas anstrengend, da der Film ja mit einem Szenario und Bildern umgeht, die man in der deutschen Kinolandschaft/Medien nicht kennt. Hier gibt es keine Tradition von Filmen mit Riesenmonstern in Millionenstädten oder einstürzende Wolkenkratzer. Ich kann auch nicht sagen inwiefern der Film im amerikanischen Fernsehen präsent war. Das war beim BLAIR WITCH PROJECT selbst hier ganz anders.

[Michael]

Hast Recht, dass das seine persönliche Meinung ist und sich in Jahren besser über die Stellenwert von "Cloverfield" im Horrorkanon unterhalten lässt, aber habe doch das sichere Gefühl, dass das bereits in zwei Wochen Geschichte ist. Das britische Filmmagazin Empire gab halb im Spaß nur unter der Einschränkung die Höchstwertung, dass wenn jemals eine Fortsetzung gedreht würde, sie wieder zwei Sterne abziehen würden. Wie ich gelesen habe, ist der zweite Teil bereits in Planung.
Bloody-Disgusting hat vor kurzem gemeldet, dass Paul Thomas Anderson vielleicht demnächst einen Horrorfilm drehen wird, wobei nicht wenige meinen, "There Will Be Blood" wäre sowieso schon sein Monsterfilm geworden. Finde es übrigens gar nicht so schlecht, dass die so genannte "Torture Porn"-Welle abgeflacht ist, weil die doch sehr festgefahren war. Nicht, dass ich die finanziellen PG-13-Erfolge "Disturbia" oder "Room 1408" sonderlich gemocht hätte, aber es regt insgesamt wieder zu originellerem Horror an. Und wenn ich meine Liste der Horrorfilme anschaue, die ich demnächst irgendwann sehen will (All the Boys Love Mandy Lane, Diary of the Dead, Waz, Teeth, Stuck, The Signal, Rec, Paranormal Activity, The Orphanage, Joshua, Inside, Frontieres, Doomsday, The Happening, An American Crime), wird mir auch nicht bange. Nicht zu vergessen die Zweidutzend geplanten Horror-Remakes.

Stimmt, "Blair Witch Project" war damals in den deutschen Medien präsenter. Finde aber nicht, dass sich die Filmsozialisation deutscher und amerikanischer Kinogänger der letzten Jahre so unterscheidet, dass das der Grund sein könnte. Die Mehrheit beider Länder kennt weder die Monsterfilme eines Jack Arnold, noch die japanischen Godzillafilme aus erster Hand, dagegen aber sicher Spielbergs und Emmerichs Monster- und Untergangsszenarien. Der Fixpunkt 11. September 2001 war ein weltweites Medienereignis, das die meisten Amerikaner genauso wie die Deutschen vorm Fernseher erlebten. "Blair Witch Project" kam Monate nach dem US-Start in die deutschen Kinos, "Cloverfield" nur ein paar Wochen später. Es muss wohl mit der allgemeinen Psyche des Landes zu tun haben.

Bearbeitet von Michael, 04. Februar 2008, 16:55.