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Viel wichtiger ist für mich die Frage, weshalb asiatische Schauspieler eigentlich so häufig übertrieben schauspielern. Meine Vermutung: Wie mir hoffentlich alle zustimmen werden, sind Asiaten größtenteils äußerst ruhige und introvertierte Menschen, die durch ihre Erziehung bedingt, in Anwesenheit von anderen Menschen nur selten emotional ausfällig werden, da dies im asiatischen Kulturkreis als unhöflich gilt. Wäre es nicht möglich, dass Chinesen, Japaner etc. gerade deshalb größtenteils unfähig sind, Emotionen auf eine glaubwürdige, "angemessene" Weise darzustellen, weil sie sie in ihrem wahren Leben gar nicht zeigen dürfen? Nur so als Überlegung.
Ich glaube, Du scherst hier "die Asiaten" ziemlich über einen Kamm. Zwar bin ich noch nie in Asien gewesen, aber was ich von Menschen höre, die schon öfter in Japan und China gewesen sind, herrschen zwischen beiden Ländern doch schon starke Mentalitätsunterschiede, gerade was das Auftreten in der Öffentlichkeit betrifft. Während für Japan wohl wirklich das verschlossene, reservierte Auftreten gängig ist, herrscht in China wohl eher auch mal Ausgelassenheit und somit eben "Emotionalität". Dort darf auch mal gelacht und sich daneben benommen werden.
Meine Überlegung ist eher, dass Du als "glaubhafte Emotion im Film" vor allem das wahrnimmst, womit Du aufgewachsen bist (und das ist gar keine Kritik - so geht es wohl jedem von uns). Ähnlich ist das beispielsweise auch mit "glaubhaften Dialogen", bzw. einem "glaubhaften Sprachgebrauch". Ziemlich gut hat das vor kurzem Romuald Karmakar in einer Pressekonferenz auf den Punkt gebracht, als dessen jüngster Film vor allem für die Gestelztheit des Sprachgebrauchs der Darsteller angegangen wurde: Kein Mensch würde in Kill Bill gehen, so er, und danach behaupten, der Sprachgebrauch dort sei gestelzt oder unnatürlich, obwohl diese Form des Sprachgebrauchs ganz genauso nicht "glaubhaft" oder "natürlich" ist - er entspricht dort dem Sinnsystem und ähnlich ist er auch mit Sprache in
Die Nacht singt ihre Lieder umgegangen.
Ich würde deshalb nicht sagen, dass "Asiaten" keine Emotionen glaubhaft spielen können oder nur zur "Übertreibung" neigen. Ich denke, dass Du da hiesige Vorstellungen auf die des asiatischen Film münzt und aufgrund mangelnder Kongruenz zum Entschluss kommst: "Die können das nicht." Es entspricht nur nicht den hiesigen Vorstellungen von "Darstellung von Emotion im Film" und die mögen in asiatischen Ländern ganz einfach einem anders ausfallen, was natürlich auch mit der jeweiligen Filmkultur zusammenhängt: In Hongkong etwa laufen Kinovorstellungen sehr unruhig ab, haben eher Happening-Charakter, deshalb sind Filme von dort auch weniger bemüht, glaubhafte Charaktere zu entwickeln, die ein Kinopublikum erst aufmerksam während des Filmverlaufs verfolgen und kennenlernen müsste. Dazu ist das dortige Publikum - in der Regel, es gibt sicher und ohne Zweifel auch AUsnahmen - schlicht nicht bereit und willens. Vielleicht deshalb haben die Filme aus HK oft eher holzschnittartigen Charakter und arbeiten eher mit primären Signalreizen: "Achtung, Trauer!" (heul), "Achtung, Ekstase!" (kreisch), "Achtung, Schmerz!" (argh). (wobei es da auch ohne weiteres qualitative Unterschiede zu beobachten gibt: Ekin Chen etwa spielt immer eine Fotografie von Ekin Chen

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Es ist natürlich unbenommen, dass Du auch weiterhin tendenzielle Aversionen gegen chinesische und HK-Filme hegst und mit dieser Kinotradition nicht zurecht kommst. Das ist nichts worüber man sich streiten oder diskutieren müsste. Aber ich denke, Deine hypothetische Einschätzung "die können das nicht, weil sie im alltag das nicht dürfen" ist zumindest stark verkürzend, wenn nicht abenteuerlich. Dafür sind Rückbindungen einzelner Filmelemente viel zu komplex und zu zahlreich, wie ich finde.
Cheers
IMMO