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Mille Fleurs, Baby!

Filmtagebuch

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Post-Action


Vern tells it like it is und findet nebenbei noch einen schönen Namen für den Ruckel-Kamera/ADS-editing-Stil, der sich in den letzten Jahren verbreitet hat:
"Post-action movies are about the same subjects as the action movies we love, they use many of our favorite action movie tropes, but they’re not about the action. The parts of the story that involve action are more of a hassle they want to hurry past than a highlight that they want to display and celebrate. CASINO ROYALE, with its breathtaking parkour chase, is an action movie. QUANTUM OF SOLACE, with its eyeball-punishing car chase, I consider post-action."

Quelle: http://outlawvern.com/2010/07/30/salt/


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Lost


Damals nur die erste Staffel geschaut, das aber sehr gerne. Dann aber aufgehört, weil mir die Auflösungsmöglichkeiten nur zu klar waren: entweder musste die Serie auf blöde Art rational (Verschwörungsquark bspw.) enden oder sich in Richtung übernatürlichen Hokuspokus entwickeln. Heuer dann mal nachgelesen, wie die Serie sich denn in den letzten 5 Jahren entwickelt hat und wie das Finale aussah -- und bei dieser Gelegenheit sehr froh gewesen, mich zum richtigen Zeitpunkt von der Serie verabschiedet zu haben, als das Dilemma der Autoren schon zu erahnen war: Mysterien aufbauen ist vergleichsweise einfach, aber die Auflösungen finden, das ist das Schwierige, und diese Auflösungen finden zu müssen, weil man nicht 6 Jahre lang konsequenter lynchesker Verrätselung ohne jede Absicht zur Auflösung frönen kann, weil das für die Einschaltquoten zu riskant scheint, das ist das eigentlich traurige an einer solchen Show.
Dann doch lieber noch mal Rod Sterlings "Twilight Zone" anschauen, die eh schon alle dankbaren und undenkbaren Pointen und Auflösungen aus dem Genre verbraten hat.


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[Unkategorisiert]


Kevin Smiths Geschichtenerzähler-DVDs (An evening with... etc.) haben mich, weil mir Smith da sehr sympathisch vorkam, dazu gebracht, alle mir seiner bisher unbekannten Filme (=alles, außer Zach and Miri und Dogma) zu Gemüte zu führen. Viel jugendlich-kindische Romantik, lustige Dialoge, oft ein sympathisch minimalistischer Inszenierungsstil und ein gutes Gespür für Schauspieler (Shannon Doherty macht sich in Mallrats bspw. sehr gut; Gott's Auftritt in Dogma ist nach wie vor dufte; und die schöne Bandbreite von George Carlins Rollen gefällt auch) - insgesamt gute und unterhaltsame Filme. Und der seinerzeit von der Presse streng runtergemachte Jersey Girl ist auch herzig (und wäre noch viel besser, wenn Autor-Smith einen längeren Affleck-Monolog rausgeworfen hätte und Regisseur-Smith seinem Schauspieler zugteraut hätte, das ganze in 30 wortlosen Sekunden auszudrücken).

Sonst: Serientipp: Justified (Timothy Olyphant als Provinzcop - schaurig-schön-provinzielles Figurenarsenal, Humor, viel mehr "Fall-der-Woche"-Dramaturgie als viele andere moderne Serien (was mir sehr gefällt) und überhaupt durchgängiges Neo-Westernflair.)
Und Party Down ist auch in der zweiten Staffel unterhaltsam.

Mit The Pacific bin ich bisher nicht ganz warm geworden, obwohl ich Band of Brothers sehr wertschätze und auch Generation Kill für exzellent halte. Nach nur zwei Folgen finde ich Pacific einfach noch zu behäbig (alleine dieser gefühlt viel zu lange Vorspann mit der einschläfernden Musik und die langen Tom-Hanks-Geschichtsstunden am Anfang!) - und mir fehlt ein bisschen der unterschiedliche Schwerpunkt einzelner Episoden, den es bei aller Durchgängigkeit der Gesamthandlung (?) bei Band of Brothers gab.

Darüberhinaus Bounty Hunter gesehen und unangenehm an Roger Eberts Aussage erinnert worden, heutige US-Filme hätten auffällig oft Protagonisten, die geradezu selbstverständlich und selbstbewusst doof sind - hier ist der titelgebende Held zumindest für meinen Geschmack zu infantil. Kombiniert mit der 08/15-Handlung des Rests keine Freude.
Kiss Ass hat bei mir auch nicht die Freudentränen ausgelöst, die in männerdominierten Foren scheinbar allenthalben darüber vergossen werden. Hat seine Momente, ist aber auf so langweilige Art und Weise auf tabubrechend-modern gebürstet, dass es schon wieder langweilt. Noch dazu scheinen einige Änderungen gegenüber der Comicvorlage zu belegen, dass der Film doch nicht so wild ist, wie er wirken möchte.
Soderberghs Informant! ist übrigens sehr groß, schon alleine weil die Titelfigur so all over the place ist, dass man sehr schnell nicht mehr weiß, ob man ihm Glück oder 68 Jahre im Steinbruch wünschen soll. Beim Anschauen mehrfach überlegt, ob Matt Damon nur zweite Wahl für Clooney war (dessen Up in the Air übrigens auch belanglos-netter Weltschmerz-Schmalz der bekannten Art ist) - der hätte in die Rolle auch gut gepasst, wäre letztlich aber zu attraktiv dafür.

Der Rest ist Warten. Warten auf die Expendables, den neuen Cronenberg, Soderberghs kommenden Actionfilm (Knockout) und Milla in 3-D, ebenso Louis CKs neue Serie (Louie) und sein neues Programm (Hilarious, dieses Mal in Spielfilmlänge mit geplantem Kino-Einsatz). Und sollte die vierte Staffel der IT Crowd endlich mal anlaufen, wäre das auch fein. Von der HBO-Serie Boardwalk Empire (Pilot von Martion Scorsese) ganz zu schweigen.


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The Secret of Kells


Dank der Oscar-Verleihung auf den Film aufmerksam geworden und dank meiner fiebrig-erhöhten Temperatur nicht nur schön, sondern auch zum Heulen toll gefunden. Irgendwann werde ich mal erkunden müssen, was ich als Atheist an gewissen religiös motivierten Filmen so sympathisch finde. Bei The Road dachte ich ja nach der dreißigsten Minute, dass ich in so einer Welt meinem Sohn ohne zu überlegen das Märchen von Jesus erzählen würde. Bei The Book of Eli sah ich diese Idee dann sogar umgesetzt. Interessant finde ich aber, dass Kells meiner Meinung nach einen kleinen inhaltlichen Bruch aufweist, weil ich mir nicht erklären kann, wie genau die kleine Waldelfe Aisling* denn eigentlich in den christlichen Kontext passt - aber vielleicht sollte man das als genuin irisch-schwärmerisches Katholizismus-Verständnis durchgehen lassen.

Alles in allem: Wunderschöner, phantasievoller Film.


* Die Kleine ist übrigens der eigentlich Star des Films.


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"I don't know any movies that I hate..."


Von drei Schülerinnen, unabhängig voneinander gemachte Aussage als es darum ging, eine kurze Filmbesprechung zu einem gehassten Film zu schreiben. Hat mich kurz darüber nachdenken lassen, ob ich das in dem Alter auch so hätte sagen können. Die Antwort war "nein" - ich war damals schon zu sehr Filmfreund, um nicht auch bestimmte Filme zu verabscheuen. Heute bin ich aber fast wieder da, wo die Schülerinnen sind: Alle Filme, die schlechter als "sehr gut", "gut" oder "okay" auf mich wirken, werden in den selben großen Topf des Vergessens getan. Das inbrünstige Hassen versuche ich mir schon deswegen abzugewöhnen, weil es doch zu oft auf Klatsch und Tratsch bezogen war und ich weniger und weniger Lust habe, derlei Dinge auch nur zu kennen.
(Was ich mir aber noch nicht abgewöhnt habe: Beispielsweise die Journalisten zu verachten, die angesichts der Premiere des Films über den "Jud-Süß"-Film der Nazis, nicht umhin kommen, Veit Harlans Film als, jenseits der moralischen Fragen, gut gemachten Film zu bezeichnen. Ist er nämlich nicht mal ansatzweise, aber dafür haben ihn die Journalisten ja wahrscheinlich auch nicht gesehen, sondern wieder nur abgeschrieben, was andernorts über den Film zu lesen ist (und dort auch nicht stimmt).)
Was ich von der Klasse übrigens auch gelernt habe: Mädchen finden The Notebook wirklich toll. Vielleicht sollte ich doch die Anschaffung der hübschen "Busted-Tees"-Rumpfkluft erwägen:
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House of the Devil


Leidet, wie viele Filme des Genres, schwer darunter dass vieles bei nachträglicher Betrachtung wenig logisch wirkt. Zumindest irritiert es mich gerade, warum von Seiten der Antagonisten so kompliziert gehandelt wird, wenn ihr Plan am Ende doch auf K.O.-Tropfen hinausläuft - warum nicht gleich so?
Aber: Alles was vor dem leider ziemlich doofen, hektischen, aus dem Film fallenden Ende passiert ist schön gefilmt, gut geschrieben und toll gespielt (beispielsweise das Gespräch der beiden Mädchen auf dem Weg zum Haus - wann gab es zuletzt in Horrorfilmen eine so kleine, aber feine Szene mit sympathischen, glaubhaften Charakteren?).
Ich glaube bei der nächsten Sichtung springe ich nach der Ohnmacht der Heldin einfach zu der Szene im Krankenhaus und rede mir ein, der Film habe einfach sehr viel Mut zur Auslassung gehabt.

Horror


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In Bruges


Sehr über In Bruges amüsiert, der von seinen beiden Hauptdarstellern und den Nebendarstellern nebst der Kulisse hervorragend getragen wird.
(Spielerei: Als Gleesons Figur im TV die lange schnittlose Eröffnungsszene von Orson Welles "Im Zeichen des Bösen" schaut, ist genau diese Szene in In Bruges ebenfalls eine lange, ohne Schnitt inszenierte Szene.)


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Shakes the Clown (USA 1991)


Erste Dialogzeile: Mom, who's the naked clown in our bathroom?

Die Geschichte von Shakes, dem talentierten, aber durchgängig alkoholisierten Clown, und seiner Freundin, der lispelnden, etwas simplen Bowlerin, seinen Kollegen (u.a. Adam Sandler) und Feinden (konkurrierende Clowns und Pantomimen) ist leider schwer in Worte zu fassen. Daher lasse ich zu Bobcat Goldthwaits surrealem, sehr seltsamen aber auch wunderbaren Film lieber die Screenshos sprechen:

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Fernsehclown, letzte Sendung

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Shakes under cover

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Rodeoclowns (rechts), die Halbstarken des Universums dieses Films

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Shakes Freundin hat Ärger

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Shakes und Freunde (2.v.r. Adam Sandler) aber auch...

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Binky the Clown, Erzfeind


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Sleeping Dogs Lie (USA 2006)


Man kann das die Protagonistin des Films in der Gegenwart bedrückende Problem leider nicht anders formulieren, als sie es selber nach ca. 90 Sekunden per voice over tut: My name is Amy. And, yes, in college I blew my dog -- und genau darum möchte ich vehement darauf hinweisen, dass der Film nicht in eine Kiste mit dummen Filmen über dumme Teenage oder sonstige gross out comedies gesteckt werden sollte.
Autor des Drehbuchs und Regissuer des Films ist Bobcat Goldthwait, mir bekannt als stand up comedian der anstrengenden Sorte (lustig, aber sehr gewöhnungsbedürftige Lautstärke und Stimmlage), der aber auch in der Police Academy-Reihe auftrat und in der Serie Unhappily ever after die Puppe Fluffy synchronisierte. Dass nun so jemand ausgerechnet aus so einem Thema einen Film macht, der sich ernsthaft mit dem Thema Ehrlichkeit und Vertrauen in Partnerschaften beschäftigt, finde ich prinzipiell und auch in diesem speziellen Fall sehr gut.
Handwerklich gibt es auch nichts auszusetzen: Goldthwait arbeitet mit einem kleinen Budget und Digitalkameras, leistet sich eine so schön anzusehende wie funktionale Kamerakran-Aufnahme (als Amy ihrer Eltern besucht) - und die Musikauswahl ist ebenfalls sehr gelungen.
Auch toll: [The film was] written in a weekend and shot in 16 days - und hat es damit sogar zur Premiere zu Sundance geschafft.


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1) Further reading: http://www.eyeforfil...ture.php?id=419
2) Kleinere Rollen für die Comedians Morgan Murphy und Brian Posehn.


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Гараж (UdSSR 1979)


Es trifft sich der Garagen-Bauverein eines biologischen Instituts. Der Vorstand informiert: Wie steht es um unser Budget, welche Fortschritte gab es... und, ganz nebenbei, als alle die lange Sitzung für beendet halte, wird ein letzter Tagesordnungspunkt erwähnt: Der Staat plane den Bau einer Schnellstraße, diese werde einen Teil des angedachten zukünftigen Garagengrundstücks benötigen, weswegen dieses verkleinert werden muss, was wiederum heißt: Man muss, leider, leider!, 4 Mitgliedern ihre versprochenen Garagen wegnehmen, wird sie aber, selbstverständlich!, auf die Warteliste setzen. Die Auszuschließenden auszuwählen, hat der Vorstand schon auf sich genommen. Würde jetzt die Mehrheit des Vereins diesem Ausschluss zustimmen, könnten alle endlich nach Hause gehen. Eine Mehrheit findet sich, aber nach Hause kommt so schnell keiner.

Die Diskussionen, die sich im Anschluss egeben, die Protestaktionen, die Versuche der müden, genervten, des Palaverns Überdrüßigen endlich nach Hause zu kommen, das Leiden des frisch gebackenen Bräutigams, der den Fehler beging nach der Trauung und vor der Hochzeitsnacht zur Sitzung zu kommen, das alles ist das Material aus dem dieses Kammerspiel sowohl seinen Humor als auch seine Gesellschaftskritik entwickelt. (Und weil Gesellschaftskritik in der UdSSR ab einer gewissen Intensität von den Zensoren auch als Systemkritik aufgefasst wurde, hatte es Гараж nicht leicht, wurde, wenn meine Informationen stimmen, aber "nur" mit einem Exportverbot belegt.)
Dabei schafft es der Film, in seiner natürlich in der damaligen Zeit verorteten Analyse, Kritik und Veralberung der Zustände, diese Gegebenheiten so anzusprechen, dass sie auch nach dem Ende der Sowjetunion und in anderen Ländern gesehen, dem Zuschauer richtig beobachtet erscheinen. Zwei Beispiele: Einer der Ausgeschlossenen ist sehr erbost über diesen Vorgang und protestiert so laut er kann - was nicht sehr laut ist, weil er momentan seine Stimme verloren hat. Trotzdem wird er in seinem stummen Protest von einem Vorstandsmitglied zurechtgewiesen, er solle sich beruhigen, man könne die anderen ja nicht verstehen. Wie der Kollege nach Wegen sucht, "gehört" zu werden ist in seiner Verzweiflung sehr amüsant und im real existierenden Sozialismus genauso wie auf unsere Gesellschaft übertragen ein schönes Beispiel dafür, wie Übergangene mit ihrer Stimmlosigkeit hadern und wie nervös und gereizt die Übergehenden reagieren, wenn sie sich bewusst sind, dass sie willkürlich handeln.
Ein anderes Mitglied des Vereins, ist, als man ihm seinen drohenden Ausschluss verkündet, baff. Man könne ihm das nicht antun, schließlich habe er für die Garage seine Heimat verkauft. Innerhalb weniger Sekunden leeren sich die Sitzplätze neben ihm. "Das wird ins Protokoll aufgenommen", flüstert die Vorsitzende der Schriftführerin zu. Der vom Ausschluss bedrohte erntet böse Blicke und spitzfinde Nachfragen: ob man ihn denn in Rubel oder ausländischer Währung bezahlt habe? In Rubel natürlich, sagt er, in gar nicht mal so vielen, ergänzt er, denn, so fährt er fort, wer hätte für das schöne, kleine Häuschen, draußen auf dem Land, dort wo schon die Eltern gelebt hätten, sieben Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt, wer hätte für diese Heimat, der er für die Garage verkauft habe, schon viel Geld gezahlt? "Das mit dem Verkauf der Heimat wird aus dem Protokoll gestrichen", flüstert die Vorsitzende der Schriftführerin zu. Natürlich ist das eine "sehr sowjetische" Szene - der eine redet von seinem Elternhaus, die anderen denken (ohne, dass er es auch nur eine Sekunde merken würde) an Vaterlandsverrat -, aber letztlich geht es dabei um eine Atmosphäre von Verdächtigungswillen, Denuntiationsbereitschaft und leicht zu erschütterndem, nur vorgeblichen Zusammenhalt, die in hitzigen Debatten in geschlossenen Gesellschaften zu Tage tritt, aber auch sonst immer vorhanden ist.
Alles in allem: ein kluges, menschliches und amüsantes Kammerspiel.





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