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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch

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Gottes Klospülung


Poseidon (DVD)

Jetzt habe ich endlich einmal POSEIDON gesehen! Und ist er wirklich so schlecht? Ja, er ist wirklich so schlecht. Tatsächlich wurde so ziemlich alles falsch gemacht, was man bei solch einem Projekt falsch machen kann. Das Original von Ronald Neame war ein hübsches Beispiel für das Post-AIRPORT-Katastrophenkino. Wirft man dem Remake die hölzerne Charakterzeichnung und das Beharren auf teilweise schon absurden Beispielen von Heroismus im Angesicht tödlicher Gefahr vor, so gilt das sicherlich auch für den alten Film. Doch während man POSEIDON INFERNO den bestselleresken Mumpitz gerne verzeiht und sich einfach mal so berieseln läßt, fällt das Herumkauen auf dem recht harten Tabak bei Petersens Neuverfilmung ziemlich schwer. Hauptgrund hierfür ist für mich das lausige Drehbuch. Inwieweit möglicherweise Produzenten im Nachhinein daran herumgepfuscht haben, weiß ich natürlich nicht, aber der Film macht einen massiv uneinheitlichen Eindruck. Die Flutwelle (=Gottes Klospülung) erfolgt bereits nach 15 Minuten, bevor man Gelegenheit gehabt hätte, sich auch nur minimalst für eine der Figuren zu erwärmen. So läßt einen die Katastrophe ziemlich kalt. Man freut sich bestenfalls darüber, im warmen Bettchen zu liegen. Beginnt dann der Überlebenskampf und das standardisierte Aufeinanderkellen von lebensbedrohlichen Situationen, fällt auf, daß es keinen einzigen sympathischen Charakter gibt. Josh Lucas und Kurt Russell teilen sich den Gene-Hackman-Part des Originals. Der eine ist ein zynischer Glücksspieler mit starkem Ralph-Fiennes-Einschlag; der andere ein gescheiterter Bürgermeister mit starkem Kurt-Russell-Einschlag. (Russell in der Sprungtuch-Szene zu Beginn: „Ich war auch mal bei der Feuerwehr!“) Richard Dreyfuss soll wohl einen Homosexuellen mit Liebeskummer darstellen, was deutlich an seinem Ohrring zu erkennen ist, aber abgesehen von dieser halbherzig liberalen Geste spielt das genau gar keine Rolle. Der Mann wird füchterlich verheizt. In der Szene, in der Freddy Rodriguez ins Gras beißt, muß er zudem eben jenen noch ins Gesicht treten, wozu ihn Held Lucas ausdrücklich auffordert. Das ist ja nun mal 'ne Sauerei, und während solcherlei Verhalten bei Menschen in Panik fraglos realistisch wäre, so funktioniert es natürlich überhaupt nicht, wenn man diesen Figuren die Daumen drücken möchte. Wenn man schon die Wolle über die Augen gezogen bekommt, dann doch bitte wenigstens richtig! Es gibt erneut eine feige Frau, die der Kate-Capshaw-Schule für Figurenzeichnung entstammt und mehrmals alle durch ihr hysterisches Gequake in Lebensgefahr bringt. Ein Balg ist auch noch dabei. Das Spektakel wirkt mechanisch zusammengekleistert, Möglichkeiten für menschliches Drama werden am laufenden Band vergeben, die Computereffekte sind von höchst unterschiedlicher Qualität... und ach ja, es gibt noch einen älteren Film, der in praktisch jeder Hinsicht gelungener ist! Seit John McTiernans ROLLERBALL die größte Big-Budget-Gurke, die ich gesehen habe.


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Cthulhu Daddeldu


The Call Of Cthulhu (US-DVD)

Im Nachlaß seines Großonkels findet ein junger Mann eine dämonische Götzenstatue und ein geheimnisvolles Buch, das sich als Chronologie des Schreckens herausstellt und ihn in eine Parallelwelt entführt, die die Welt der Sterblichen ins Wanken bringt...

Ein mit nur wenig Geld realisierter Versuch, H.P. Lovecraft auf die Leinwand zu bringen. Regisseur Andrew Leman verwebt in diesem gerade mal 47 Minuten dauernden Werk Themen aus unterschiedlichen Lovecraft-Stories. Als Format wählte er das des Stummfilmes, und wie bereits das Plakat von CALL OF CTHULHU auf perfekte Weise den verstaubten, aber auch anheimelnden Pomp jener Zeit nachempfindet, so schafft es der eigentliche Film auf beeindruckende Weise, nicht nur die oberflächlichen Merkmale des Stummfilmkinos kunstvoll nachzubilden, sondern sie tatsächlich zum Funktionieren zu bringen. Angesichts des niedrigen Budgets ist das für mich reines Zauberwerk. Man schmunzelt manchmal über die überdrehten Darstellungen, bestaunt die treffsicher hergestellte Stummfilmkulisse, aber jenseits der Pastiche funktioniert der Film tatsächlich. Ich möchte ganz ernsthaft behaupten, daß CALL OF CTHULHU den Geist H.P. Lovecrafts bisher am erfolgreichsten zu einem Film uminterpretiert hat. Selbst die Stop-Motion-Effekte und die preisgünstigen Modellaufnahmen am Schluß funktionieren, auf eine ähnliche Weise, wie man die Künstlichkeit von Monsterfilmen aus den 50er Jahren akzeptiert. Es paßt ganz einfach alles. Die amerikanische DVD enthält optional deutsche Titelkarten, die exzellent übersetzt sind. Der Film hat mich nicht nur beeindruckt, sondern schlichtweg umgeblasen – grandios!


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Jenseits des Karnevals


Halloween 2 (DVD)

Laurie Strode ist dem Zugriff des Maskenmannes entronnen, wenn auch schwer verletzt. Im Krankenhaus sammelt sie neue Erfahrungen im Umgang mit Serienmördern. Ist Blut wirklich dicker als Wasser?

Ich lese eigentlich sehr selten Texte zu neuen Filmen. So wußte ich rein gar nichts über die Fortsetzung zu Rob Zombies Carpenter-Neubearbeitung. Ehrlich gesagt gefällt mir dieser zweite Teil deutlich besser als der erste, zumal Zombies HALLOWEEN – nach einem starken Anfang – zu sehr an der Story des Originals kleben blieb und somit nichts wirklich Neues offerierte. HALLOWEEN 2 beginnt auf den Spuren von Rick Rosenthals Vorgänger, kappt dann aber nach 20 Minuten die Verbindung und liefert dann einen für mein Empfinden formidablen Slasher klassischen Strickmusters, der sich von den Zirkusnummern heutiger Tage wohltuend abhebt. Formal vertraut Zombie – anders als in seinen 1000 CORPSES-Filmen – auf eine sehr reduzierte Optik, die dem Zuschauer kaum die Möglichkeit läßt, sich von den Spannungssequenzen zu lösen. Bluttriefende Detailaufnahmen gibt es vergleichsweise wenige, und gerade die Verweigerung der gewohnten Spezialeffekteschauen läßt die Vorgänge mörderisch brutal wirken. Die familiären Verstrickungen der Familie Myers werden von Zombie in den Mittelpunkt gerückt. Michaels Mutter (Zombies prachtvolle Gattin Sheri) erscheint ihm und später auch Schwester Laurie des öfteren, zusammen mit einer kindlichen Version des Killers. Die traditionelle Familie des Sheriffs Brad Dourif wird hier mit der kompromittierten Familie des Killers verglichen, und auch wenn die letztere ein Hort des Schreckens ist, so wohnt ihr doch gleichzeitig ein faszinierender Glamour inne – die Faszination des Bösen, die am Herzen so vieler Horrorfilme liegt. Gelegentlich übernimmt Zombie sich bei seinem Bemühen, Lynch und Tarantino zu imitieren, ein wenig, aber ich fand das niemals uninteressant oder gar langweilig. Die Fanboy-Einsprengsel (=Auftritte von Genre-Veteranen wie Dourif, Margot Kidder und – yohoho! – Weird Al Yankovic!) sind dezent, niemals störend. Die Idee, den Charakter von Dr. Loomis zu einem eitlen Fatzken zu machen, fand ich prima, da er im Original ja eher eine protestantisch humorlose Vaterfigur darstellt, also einen klassischen Helden. Malcolm McDowell hat an dieser Dekonstruktion sichtlichen Spaß. Brad Dourif hat endlich mal wieder eine Genre-Rolle, die über eine Name-Dropping-Beigabe hinausgeht. Und das Ende fand ich zudem wirklich schockierend. Kurzum, ein schmuddeliger Retro-Slasher mit viel Wucht und Wut, ein wenig Zirkus, zur Abwechslung mal guter Rockmusik, einer begabten Jungschauspielerin als Laurie Strode und einem Killer, der wiiirklich bedrohlich wirkt. Es gibt eine Einstellung, in der Michael einem Randcharakter ohne Maske gegenübertritt, einen verwilderten Nikolausbart im Gesicht. Der Blick, den er in einer Einstellung macht, werde ich so bald nicht vergessen... Nö, der Zombie kann's. Das ist für mich weit jenseits von simplem Gehampel. Das macht mir Spaß.


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Daddys kleiner Augapfel


Julie Darling (Video)

Harold Wilding (Anthony Franciosa) hat eine bezaubernde Tochter, Julie, die gerade die Schrecken der Pubertät durchmacht. Besonders ihre Stiefmutter hat das Blag gefressen. Als jene eines Tages von einem Unhold überfallen wird, eilt sie der verhaßten Erziehungsberechtigten nicht zur Hilfe, sondern schaut ungerührt zu. Mutti Zwei stirbt dabei. Doch Vater ist ein Frauentyp und hat noch eine andere Stiefmutter in petto – Susan (Sybil Danning), die sogar noch einen kleinen Sohn mit in die Ehe bringt. Nun ist guter Rat teuer. Julie schmiedet einen finsteren Plan...

JULIE DARLING gehört zu jenen Video-Erstveröffentlichungen, die mich in meiner Anfangszeit als Vidiot erreichten, oder vielmehr nicht erreichten, denn ich kam niemals dazu, ihn mir auszuleihen, bestaunte immer nur das hübsche Cover. Umso glücklicher war ich, daß mir das Schicksal jetzt, 25 Jahre später, den Film vor die Füße spieh. Und siehe da, er ist gar nicht mal schlecht! Regisseur Paul Nicolas (=Lutz Schaarwächter) kannte ich nur von dem nicht eben anspruchsvollen DAS FRAUENLAGER mit Frau Danninger und dem amerikanischen Prollmops. Auch JULIE DARLING enthält ein paar Exploitation-Zutaten (u.a. eine wunderbar ungemütliche und rein spekulative Sexszene zwischen Frau Danning und dem Hollywood-Veteran Franciosa), versucht sich ansonsten aber eher auf dem Terrain des gediegenen Psychothrillers. Dies tut er sogar ganz achtbar, und wenn man mal davon absieht, daß Subtilität nicht das starke Gewand des Drehbuches ist, so schafft es die kanadisch-deutsche Koproduktion (mit Ernst von Theumer und Frau Teuber im Sulky) durchaus, spannend zu unterhalten. Obendrein verblüfft der Film mit einer Filmmusik, die deutliche Erinnerungen an Fabio Frizzis Arbeiten aus jenen Tagen weckt. Kurzum: ein netter, bescheidener BAD SEED-Ableger mit einigen bekannten Gesichtern, einer gut besetzten jungen Dame als böses Kind und einigen politisch unkorrekten Überraschungen. Langweilig ist was anderes. Deutlich besser, als ich erwartet habe.


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Im Zeichen der Gurke


Das Ende der Welt (Video)

NASA-Wissenschaftler Andrew Boran empfängt merkwürdige Signale aus dem Weltall: Aliens, die die englische Sprache beherrschen, kündigen Katastrophen an, die kurz darauf den Erdball erschüttern. Bei seinen Nachforschungen enthüllt Boran ein unbegreifliches Kompott. Wird es ihm gelingen, die Weltkatastrophe zu verhindern? Wird der Zuschauer wach bleiben?

DAS ENDE DER WELT ist ein typisches Exploitation-Produkt: Das Plakatmotiv ist grell und aufregend, der Titel hyperbolisch, die Besetzung attraktiv, und doch hat das tatsächliche Produkt von Minute 1 an den Charakter einer massiven Mogelpackung. Auch ich empfing beim Betrachten Signale – das Worte „Gurke“ tanzte vor meinen Augen wie ein außer Rand und Band geratener Derwisch! Fangen wir mal mit dem „Wissenschaftler“ an, der den Eindruck macht, als würde er allenfalls Funkverkehr in seinen Zahnplomben empfangen: ein völliges Nullgesicht mit lustiger 70er-Jahre-Fönfrisur, Rüschenhemd und dem generellen Flair des Mannes, der im Glückauf-Motel immer die Klempnerarbeiten verrichtet. Ihm zur Seite steht Sue Lyon, die einst in Kubricks LOLITA als männermordende Nymphe debütierte und hier eine komplett sinnfreie Rolle versieht, in der sie jene Dinge macht, die blonde Frauen in Billigfilmen für gewöhnlich so tun. („Würde mir bitte jemand über die Straße helfen?“) In ähnlich nichtssagenden Nebenrollen werden auch Hollywood-Veteranen wie Lew Ayres, Macdonald Cary und Dean Jagger eingesetzt. Christopher Lee wird fürchterlich verheizt als Priester, der eigentlich ein Alien ist und lediglich seinen Weltallreiseantrieb wieder herstellen möchte. Was einen völlig wahnsinnig machen kann, ist der Umstand, daß das Radio andauernd von irgendwelchen spektakulären Katastrophen berichtet, von denen wir natürlich rein gar nichts zu sehen bekommen. Stattdessen latschen die Schauspieler durch die Pampa und reden Tinnef. Dabei laufen sie nicht gegen Möbel oder Straßenlaternen, aber das ist schon das Galanteste, was man darüber sagen kann. Als NASA-Hauptquartier fungiert ein Bürozimmer, später ergänzt durch eine Druckerpresse oder so was. Hmmh. Diese Jammerproduktion stellt eine der frühesten Arbeiten der Band-Familie dar, die sich seitdem mit unzähligen Exploitation-Heulern einen Namen geschaffen hat. Regisseur John Hayes ist bei Genrefans am bekanntesten durch den rechten netten Vampirfilm DIE GRUFT DES GRAUENS (bei uns dem Spanier Leon Klimowsky zugeschrieben) und den ebenfalls brauchbaren DREAM NO EVIL. In END OF THE WORLD hat er einen Kurzauftritt als Autofahrer, der in Flammen aufgeht. Falls das Raumschiff der Aliens von Langeweile angetrieben wird, ist dieser Film ihre Rettung.


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Swill Kitsch


Kill Switch (DVD)

Detective Jacob King (Steven Seagal) hat ein kindheitsbedingtes Trauma zu verwinden und jagt deshalb Serienmörder. Bei der Jagd nach dem „Ritzer“ scheint er seinen Meister gefunden zu haben. Doch weiß Jacob so manch saftige Schelle zu verteilen, und wo sein Dampfhammer hinschlägt, da wachsen keine Friedenstauben...

Johoho! Pünktlich zu Karneval habe ich mir vorgenommen, die letzten Seagals abzuarbeiten, und den Anfang macht dieser GLIMMER MAN für Arme. Tatsächlich ist KILL SWITCH sogar ganz angenehm kuckbar, wenn man zum Vergleich Vollwertgranaten wie MERCENARIES FOR JUSTICE heranzieht. Drehbuchautor Seagal mutet seinem Helden eine denkbar simple Storyline zu, was ein weiser Entschluß ist. Dafür bekommt der Polizist gleich zwei Psychos zum Preis von einem geliefert: Ein leicht asiatisch aussehender Zeitgenosse agiert seine Probleme mit Frauen ebenfalls drastisch aus. Für Erheiterung sorgte bei mir der Umstand, daß einer der Butzemänner nur „Der Ritzer“ genannt wird, zumal einer meiner „Splatting Image“-Kollegen ja auch so heißt. „Der Ritzer ist ein verdammter Bastard – wo er ist, sterben die Leute wie Fliegen!“ bzw. „Der Ritzer wird den Tag verfluchen, an dem er geboren ist!“ etc. (Nicht direkt Zitate, aber ähnliche Sätze fallen zuhauf.) Ivo – kuck´ Dir den Film mal an, Du wirst Deinen Spaß daran haben... Ansonsten ist zu vermelden, daß die Darstellung der polizeilichen Aktivitäten erneut auf Walt-Disney-Niveau stattfindet. Dem Jacob wird eine FBI-Agentin zur Seite gestellt, deren einzige Aufgabe es ist, gut auszusehen bzw. Jacob gut aussehen zu lassen, denn sie baut natürlich nur Mist. Isaac Hayes hat einen komplett sinnfreien Gastauftritt als Gerichtsmediziner. Für die Musikuntermalung hat man sich angenehmen Rhythm & Blues ausgewählt, was den Ohren bekömmlich ist. Alles also wie gehabt, noch weit entfernt von der Qualität früherer Filme, aber – anders als die meisten Seagals der Post-EXIT WOUNDS-Phase – immerhin ankuckbar. Ein völliger Heuler ist das beziehungslose Ende, das Seagals Frauenbild verdeutlicht – ich sage nur: die russische Schleifenfrau... Hjach, hjach, hjach.


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Wenn die Gondeln Trullala


Il medaglione insanguinato (ITA-DVD)

Der Journalist Michael Williams (Richard Johnson) arbeitet seit geraumer Zeit an einer Dokumentation über das Motiv des Teufels in der bildenden Kunst. Seine Nachforschungen führen ihn nach Italien, wo ein besonders obskures Dämonenbildnis seine Aufmerksamkeit erfordert. Die Arbeit soll ihn zudem vom Unfalltod seiner Frau ablenken, die einer Feuersbrunst zum Opfer fiel. Doch wie sich herausstellt, hat das unheimliche Gemälde viel mit jenem Unfall zu tun, und auch Tochter Emily weist auf einmal eigenartige Änderungen in ihrem Verhalten auf...

Ein weiterer italienischer Horrorfilm, den ich vormals nur in einer lausigen Qualität besaß. Die italienische DVD besitzt zwar einen mäßigen Ton, aber dafür exzellente Farben und brauchbare englische Untertitel. Der ehemalige Kameramann Massimo Dallamano erzählt seine Geschichte mit viel Stil und vergleichsweise geringer Inanspruchnahme von Effekthascherei. Zugrunde liegt der Story eine inzestuöse Fantasie, die eine vergangene Übertretung der gesellschaftlichen Grenzen und die darauffolgende Bestrafung in die Gegenwart hineinreichen läßt. Die Verflechtung von Gegenwart und Vergangenheit – die vielen Horrorfilmen, vor allem Geisterfilmen zu eigen ist – spiegelt sich auch in der Besessenheit des Journalisten mit dem Gemälde, an dem ihn einige Elemente an seine frühere Frau erinnern. Die rotbeschopfte Nicoletta Elmi ist einmal mehr das Gefäß des Bösen, die kompromittierte Unschuld. Neben den Angelsachsen Richard Johnson und Joanna Cassidy ist noch Evelyn Stewart (bürgerlich: Ida Galli) dabei, als tragisch in ihren Chef verliebte Gouvernante. Oscar-Gewinnerin Lila Kedrova spielt eine übersinnlich begabte Gräfin, die schon früh spürt, daß sich nicht die Feen über diese Familie gebeugt haben. Was den ansonsten überdurchschnittlichen Film beschädigt, ist die Bezugnahme auf vergangene Erfolge, vor allem natürlich Friedkins THE EXORCIST, der die Entfremdung der Eltern von ihren Kindern thematisierte. Ähnlich wie dieser Welterfolg wischt auch IL MEDAGLIONE INSANGUINATO das komplexe psychologische Geflecht hinweg und macht Teufelsspuk und böse Geister dafür verantwortlich, doch der Schwerpunkt bei MEDAGLIONE liegt – wie sollte es bei Italienern auch anders sein? – auf den familiären Bindungen und den Komplikationen, die sich aus ihnen ergeben. Die EXORZIST-Elemente wirken gewaltsam aufgepfropft und schaffen Vulgarität, wo keine Vulgarität hingehört. Besser munden da schon die Anklänge an Nicolas Roegs melancholischen DON'T LOOK NOW, der seine Vater/Tochter-Beziehung ebenfalls im Fiasko enden ließ. Stelvio Ciprianis Musik ist ungewöhnlich hübsch und ist ein weiteres Element, das den Film zu einem von Dallamanos hübschesten macht. Schon bemerkenswert, daß dieser Regisseur – den man heutzutage am meisten wegen seiner aktionsbetonten Filme schätzt – solch ein Händchen für subtile Stimmungen besaß. Er konnte dies leider nicht weiter verfolgen, da er im darauffolgenden Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.


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Schädeltrauma mit Camillentee


Tragic Ceremony (US-DVD)

Jane (Camille Keaton) und drei ihrer Freunde machen eine Segeltörn. Auf der Rückfahrt bekommen sie Schwierigkeiten mit dem Automobil. Bei einem sinistren Tankwart schnorren sie etwas Benzin, aber das reicht gerade mal bis zum Anwesen von Lord Alexander. Jener läßt sie an seiner scheinbar überbordenden Gastfreundschaft teilhaben. Aber im Busen des Lords pocht ein teuflischer Plan, handelt es sich bei ihm und seinen reichen Kumpels doch um Teufelsanbeter...

Nachdem ich mir jüngst Fredas Sleaze-Krimi DIE BESTIE MIT DEM FEURIGEN ATEM noch einmal angesehen hatte (nur echt mit der Swastika-Wäscherei!), schob ich gleich den Folgefilm nach. TRAGIC CEREMONY ist ein überaus verwirrend strukturierter Horrorfilm, der in spanischer Koproduktion entstand. Vergleicht man ihn mit den spanischen Horrorschockern jener Periode, so fällt vor allem das überaus gemächliche Tempo auf, das er anschlägt. Zum Ausgleich gibt es diverse Beispiele perfekten Spaghetti-Deliriums geboten, darunter einen der pittoreskeren Teufelsorden, der immerhin von Luigi Pistilli und Luciana Paluzzi angeführt wird. Etwa nach der Hälfte des Filmes gibt es ein gewaltiges Gemetzel, bei dem spezialeffektetechnisch alles aus ist. Besonders der Schädelspalter hat es mir angetan, denn seine zirzensische Selbstzweckhaftigkeit erinnerte mich sehr an Fulcis Spätwerke. Dieser Paukenschlag beendet einen angenehmen Rückfall Fredas in die Tage seines gotischen Horrorkinos, inklusive wehender Vorhänge, donnernder Gewitter und halbnackter Frauen in Wallewallegewändern. Danach geht es um die Hippies, ihre Angst vor einer polizeilichen Verfolgung und die Rache der Geister. Das Ende ist hübsch hypnotisch, auch wenn Irrenarzt Paul Muller noch eine abschließende Erklärung der Ereignisse versucht, die ebenso absurd wie überflüssig ist. Das Drehbuch stammt von Mario Bianchi, der uns später u.a. Pornos mit so schönen Titeln wie DER GEILE TAXI-FICKER schenken sollte. Bei der Musikuntermalung griff Stelvio Cipriani zum Glück nicht auf seine Fahrstuhlmusik zurück, sondern schrub ein stilvolles Klavierkonzert, das Erinnerungen an die Meisterwerke von Mario Bava weckt. Insgesamt eine hübsche Überraschung, zumal jener Film einst fast unauffindbar war. Ich selber besaß nur eine spanische Schrabbelkopie, die gespannt machte. In seiner amerikanischen DVD-Inkarnation sieht der Film schon sehr viel properer aus.


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Graf Zaroff im wilden Westen


Leise weht der Wind des Todes (DVD)

Rinderbaron Brandt Kruger (Gene Hackman) mag's gern auf die harte Tour. Ob er mit seiner Frau Melissa (Candice Bergen) oder mit Huren schläft – stets läßt er die Knute sprechen und gefällt sich als der große Dominator. Als Bandit Frank Calder (Oliver Reed) die junge Frau entführt, empfindet er das als persönliche Beleidigung und als Frevel an seinem Besitz. Zusammen mit einigen Geschäftsfreunden und mit Zielfernrohren ausgestatteten Gewehren setzt er Calder und seinen Männern nach, um sie aus sicherer Entfernung einen nach dem anderen zu erledigen...

THE HUNTING PARTY gehört zu jenen Western, die zwar international produziert, aber in Spanien gedreht wurden. Regie führte der amerikanische TV-Regisseur Don Medford, und er zeigt sich stark beeinflußt von den Western Sam Peckinpahs, besonders THE WILD BUNCH und seinen Gewaltexzessen. Auch THE HUNTING PARTY ist extrem ruppig und enthält zahllose Blutfontänen. Interessant wird der Film aber durch seine Charakterkonstellationen, die sich eher in der Tradition des Psychowesterns bewegen, der seit den 60ern an Popularität gewann. Die grundsätzlich riskante Idee, eine Frau sich in ihren Vergewaltiger verlieben zu lassen (so was „liebe“ ich ja immer ganz besonders...), funktioniert tatsächlich, zumal die Rolle der Frau im Mittelpunkt der Handlung steht. THE HUNTING PARTY thematisiert die Unfähigkeit von Männern, Frauen als etwas anderes zu betrachten als eine Beute, den Preis für Mut und Dickermaxgehabe. Daß Bandit Oliver Reed in letzter Instanz weniger widerwärtig erscheint als Gene Hackmans sadistischer Rancher, täuscht nicht darüber hinweg, daß auch er einer Tradition entstammt, in der Männer sich Frauen einfach nehmen und mit ihnen verfahren, wie es ihnen beliebt. Für ihn erweist sich die Verfolgungsjagd als Begegnung mit einer neuen Lebenssicht – er lernt, die Frau zu respektieren und für jemand anderen Verantwortung zu übernehmen. Er lernt Gefühle. All das, was in ihm viele Jahre lang zurückgedrängt wurde, bricht sich Bahn. Als er einem Kumpel den Gnadenschuß geben muß, hat er sogar einen Heulanfall. (Weinende Banditen – uffa!) Der Film entwickelt seine Geschichte konsequent und regelrecht existentialistisch, wenn am Schluß selbst der Schauplatz auf eine Wüstenlandschaft reduziert wird, wo die infantilen Männerrituale ausgetragen werden, wie ein Programm, das abgespult werden muß. Der Film profitiert nicht nur von einem klugen Drehbuch, sondern auch von der guten Besetzung, allen voran Candice Bergen, die ihre nicht unkomplizierte Rolle so eindrucksvoll meistert, daß man wirklich mit ihrer Figur mitfühlt. THE HUNTING PARTY ist ein reichlich blutrünstiger Film, dessen Fernsehausstrahlungen in der Regel gekürzt sind. Umso erfreuter war ich, feststellen zu dürfen, daß die deutsche DVD-Version gelungen ist. Was in anderen Händen möglicherweise zu unerquicklichem Sleaze geworden wäre, wurde hier zu einem packenden und eindrucksvollen Western, von dessen Betrachtung zarten Gemütern allerdings abzuraten ist.


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Die Summe der Teile


Wadd: The Life And Times Of John C. Holmes (US-Video)

Auf den Tag genau 24 Jahre vor mir kam John Curtis Holmes zur Welt. Er entstammte einer unbedeutenden Familie aus Ohio, hatte einen Alkoholiker zum Vater und träumte davon, jemand Besonderes zu sein. Die 34 cm in seiner Hose erwiesen sich in dieser Hinsicht als hilfreich, katapultierten sie ihn doch von den frühen 70ern an in den Porno-Olymp. Drogen, Selbstüberschätzung und Ziellosigkeit verschafften ihm das Erster-Klasse-Ticket zum Elefantenfriedhof. Wes Emerson versucht, in seiner Dokumentation den Weg Holmes´ nachzuvollziehen. Er tut dies weitgehend glaubhaft und lauter, verklärt die Pornoindustrie dabei an keiner Stelle, zeichnet sie nur als einen weiteren Ort, an dem sich die Wunschvorstellungen vieler und die Lebenslinien einiger weniger begegnen. Für mich war der Film ein Eldorado an Informationen und spannender als mancher Krimi, zumal der ehemalige Pornofilmer Emerson weder von selbstkasteienden Verhexungen angetrieben scheint noch von Rehabilitierungszwang im Hinblick auf den oftmals gescholtenen Geschäftszweig. Viele der Leute, die an Holmes´ Filmen beteiligt waren, kommen zu Wort, darunter auch verschiedene Leute, die ich für mein Buch interviewt habe. (Unter den Regisseuren und Darstellern befinden sich Bob Chinn, Bill Margold, Ann Perry, Annette Haven, John Leslie, Juliet Anderson, Ron Jeremy, Bobby Hollander, Richard Pacheco, Candida Royalle und Bob Vosse.) Filmkritiker Kenneth Turan und BOOGIE NIGHTS-Regisseur P.T. Anderson äußern sich, und auch einige Vertreter der Justiz geben ihre Eindrücke der späteren Kriminalgeschichte kund. Die Verstrickung Holmes´ in Einbruchsdiebstähle und einen Mordfall werden nüchtern aufgerollt. Im Zusammenhang mit den Kinder- und Jugendbildern des Mannes läuft es einem eiskalt über den Rücken. Es überwiegt dabei aber nicht der Eindruck eines falsch eingeschlagenen Lebensweges (wie dies eine moralisierende Deutung nahelegen würde), sondern der einer verhängnisvollen Häufung von Umständen, die schließlich zur Katastrophe geführt haben. Man sieht einige Menschen weinen, nicht nur um Holmes, sondern auch um sich selbst. Richtig leid getan haben mir in erster Linie seine langjährige Ehefrau Sharon und seine ebenfalls langjährige Geliebte Dawn, die im Film nur in unkenntlich gemachter Gestalt sprechen. Man merkt, wie sehr ihre eigenen Wünsche mit den Wünschen eines anderen kollidierten, der vom ganz anderen Tanzen war, wie diese Unverträglichkeit über Jahre hinweg ignoriert wurde, wie dieses gräßliche Mißverständnis alle Beteiligten noch Jahre danach zeichnet. Der Mut dieser Frauen – keine Vernunft, keine Klugheit, sondern Lebensmut – steht als unaufdringliche Alternative neben dem Lebensweg des John Holmes und seiner Selbstvermarktung. Der Film bewertet das weder mit Gut oder Böse, zeigt nur die Mechanismen auf, die in den Menschen ablaufen. Das tut er aufrichtig und gerät nicht zu einer Werbung für die Fantasielieferanten des Erwachsenenfilmmarktes. Keine Dämonisierung, keine Verniedlichung – ein akkurates und bemerkenswert menschliches Bild, das der Film zeichnet. Hat mir ausgesprochen gut gefallen.





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