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The retina of the mind's eye - Filmforen.de - Seite 13,2666666667

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The retina of the mind's eye


454 Antworten in diesem Thema

#369 Hick

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Geschrieben 15. Dezember 2008, 15:44

Der Prozess (Le Procés, F/It/BRD/Jug 1962, Orson Welles) (DVD)

Drei mal ist Kafkas “Proceß”-Roman laut imdb bislang filmisch adaptiert worden - “Das Schloß” sogar sieben und “Die Verwandlung” acht mal. Es muss also etwas besonderes in der Prosa Kafkas sein, dass seine Stoffe immer wieder begehrt für die Kinoleinwand sind. Dieses Phänomen war auch Gegenstand der Seminar-Sitzung “Literaturverfilmung”, in der ich in der vergangenen Woche meinen Chef vertreten durfte.

Eingefügtes Bild

Schaut man sich Welles’ Film an, sieht man sehr deutlich, dass dieses Interesse der Filmindustrie an den Kafka-Stoffen nicht allein im “Kafkaesken” oder dem, was Wolfang Jahn und andere den “filmischen Blick” nennen, liegt, sondern in der grundsätzlichen metaphorischen Offenheit des Kafka’schen Existenzialismus, der die Themen “Angst” und besonders in “Der Proceß” die Topographisierung von Rechts-Begriffen für kulturhistorische Interpretationen und Rezeptionen öffnet. Welles aktualisiert Kafka, wo es nur geht, unterlegt den Film mit Jazz-Musik, holt sich einen Computer in die Handlung (siehe Bild), macht aus der Bank ein Großraumbüro und zeigt als letztes Bild des Films einen Atompilz. Charmant fand ich die Interpretation eines Studenten, der den Atompilz in begriffliche Nähe zum Phänomen der Atomisierung des Einzelnen in der modernen Gesellschaft gerückt hat.

#370 Hick

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Geschrieben 15. Dezember 2008, 15:45

Sorry, wrong number (USA 1948, Anatole Litvak) (DVD)

16 mal wird in “Sorry, wrong number” telefoniert und so gut wie jedes mal das Gespräch abgebrochen, bevor es beendet ist. Für die missbräuchliche Verwendung des Telefons im Film ist das wirklich ein Paradebeispiel, aber auch ein exzellenter Beleg für Wulffs Thesen zur Transition und Insertion von Telefonszenen in der Montage. Überdies zeigt die Verknappung des Handlungsraums in der Rahmenhandlung - eine kranke Frau telefoniert vom Bett aus und alles, was der Film zeigt, sind Visualisierungen der Gespräche, Flashbacks und eben Insertionen - welch ungeheure quasi-visuelle Potenz in einem “heißen” (”kalten”?) Medium wie dem Telefon steckt, sobald man es zu einem filmischen Motiv macht. Die Fähigkeit des Mediums Telefon als “unseen link between millions”, wie es im Prätext von “Sorry, wrong number” heißt, wird über seine Visualisierung zu seinem Gegenteil: Wir sehen, was die Telefonierenden nicht sehen (suspense), die Möglichkeit, Millionen zu erreichen, mündet in das genaue Gegenteil (Vereinsamung) und der “link” verliert seine sozial-konstruktive Kraft zugunsten der Etablierung eines (selbst)zerstörerischen Wissens: Was die Telefonierende durch Belauschen über das Telefon erfährt, beendet ihr Leben.

“Telephones are very funny things.”

#371 Hick

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Geschrieben 15. Dezember 2008, 15:45

Nachtasyl (Donzoko, Jp 2957, Akira Kurosawa) (DVD)

Florian hat auf dem letzten Examenskolloquium eines seiner Magisterprüfungs-Einsprechthemen vorgestellt: Unzuverlässiges Erzählen in den Filmen Akira Kurosawas. Als filmisches Mitbringsel hat er “Nachtasyl” ausgewählt und mir damit - ich wage es kaum zu sagen - meinen ersten Kurosawa-Film beschert. Ein großartig konzipiertes Kammerspiel (das freilich einige Ausbrüche aus der Schlafstätte der Asylanten wagt), fotografiert mit einem derartig Bild-dramaturgischen Gespür, wie ich es bislang nur bei den Fassbinder-Ballhaus-Arbeiten gesehen habe. Ein toller Einstieg in die Welt Kurosawas für mich.

Am kommenden Donnerstag bin ich mit Vortragen dran, rede dann über Privatheit und Pornografie und zeige “Shortbus”.

#372 Hick

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Geschrieben 15. Dezember 2008, 15:46

Bei Anfruf Mord (Dial M for Murder, USA 1954, Alfred Hitchcock) (DVD)

Die Mutter aller Telefon-Thriller, aber noch weit mehr ist Hitchcocks Film über das perfekte Verbrechen. Im Zentrum stehen nicht die Personen, sondern die Dinge. Sie sind es, die den Verlauf der Handlung bestimmen, die die Konstruktion (des perfekten Verbrechens) zerstören und ein Eigenleben entwickeln: Scheren, Strümpfe, Schlüssel, ein Brief … und natürlich das Telefon.

In den acht Filmtelefonaten zeigt sich, wie sich die Stärken und Schwächen telefonischer Kommunikation gegen den Medien-Verwender richten. Es wird zur Tatvorbereitung, zur Tatdurchführung, zur Scheinaufklärung und zur Aufklärung telefoniert und jedes Mal kommt es doch anders als geplant, denn die “Fernbedienung für den Körper und Verstand des Anderen”, die das Telefon in solchen Situationen darstellen soll, versagt. Der Mensch funktioniert nicht nach der Schaltlogik des NAND, nach welcher Telefonverbindungen aufgebaut sind - wie um das zu unterstreichen, zeigt Hichtcock uns eine automatische Vermittlungsstelle, als der Mord-Anruf getätigt wird:

Eingefügtes Bild

Zudem: Das perfekte Verbrechen ist eine künstlerische Vision, die nur deshalb funktioniert, weil Tat und Aufklärung als logisch vollständig nachvollziehbare (und daher präjudizierbare) Handlungsfolgen gedacht werden. Hitchcock macht sich genau darüber lustig, indem er einen Krimiautoren in die Filmhandlung einführt, der wie durch Zufall das geschehene Verbrechen als Kriminalplot (re)konstruiert. Ähnlich findet sich solch eine Re-/Konstruktion bereits in Clouzots “L’Assassin …”

#373 Hick

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Geschrieben 15. Dezember 2008, 16:17

Phone Booth (USA 2002, Joel Schumacher) (DVD)

Alfred Hitchcock hatte es sich einmal vorgenommen: einen Thriller in einer Telefonzelle drehen. Zu seiner Zeit wäre das Projekt jedoch zu avantgardistisch gewesen, so dass er seinen Telefon-Thriller "Dial M for Murder" maximal als Kammerspiel planen konnte (als das er als Theaterstück ja bereits angelegt war). Schumacher greift Hitchcocks Idee explizit auf und fesselt Collin Farrell an eine Telefonzelle. Er telefoniert mit einem ihm und uns unbekannten Acousmêtre, der, sollte aufgelegt werden, den Angerufenen sofort erschießt. Zweck dieser Drohung ist es Farrell dazu zu bringen, sein uneigentliches Leben als PR-Berater und Ehebrecher aufzugeben.

Wie hilflos die Kamera die Häuserwände nach dem heimlichen Beobachter absucht! Wie sehr die Telefonie im Film ein optisches Dual ist, das einen Gegenschuss, einen Splitscreen oder zumindest die sprachliche Versicherung benötigt, dass sich Abstand zwischen den Telefonierenden befindet. ("Gegenschüsse" gibt es nur durch das Zielfernrohr und dann als Projektile.) Nichts von dem bietet "Phone Booth". Die filmischen Konventionen werden durch das elaborierte Bild-im-Bild-Verfahren der ersten Telefonate noch bedient, aber dann bleiben wir allein mit dem Hauptframe. Gefesselte an die zur Deckung gebrachten Erzählzeit und erzählte Zeit spannt uns "Phone Booth" in prägnanter Kürze auf die Folter der medialen Differenz zwischen Film (alles sehen) und Telefon (nur hören).

Nicht nur die Kommunikation zwischen den Telefonierenden ist extrem asymmetrisch, auch die zwischen uns und dem Film. Wir werden an den Körper und die "Zelle" des Gefangenen geklebt. Uns wird Entkommen in weitere Einstellungen versprochen, unser Blick endet jedoch stets in Groß- und Detailaufnahmen. "Phone Booth" führt vor, worin die Angst des Telefonierenden im Handyzeitalter besteht: mit der eigenen Sprache an einen Ort gefesselt zu werden - dann wird das Mobiltelefon in der Hosentasche tatsächlich zu einer mächtigen Waffe. Nur schade, dass Farrell sie nicht zücken darf.

#374 Hick

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Geschrieben 28. Dezember 2008, 07:26

Shortbus (USA 2006, John Cameron Mitchell) (DVD)

Meine These des Kolloquiumsvortrags lautete, dass sich das Scheinbare der Dialektik von Privatheit und "Veröffentlichung" in den Medien zeigt und dort besonders im Pornofilm, weil dieser notwendigerweise behaupten muss, es gäbe etwas Privates, dass er dann zeigt und im Akt des Zeigens als bloß Scheinprivates offenbart. Das betrifft nicht nur die Privatsphäre (also den dargestellten Raum), sondern auch die "Lücken", die die Montage zwischen eine heiße Kussszene und dem Bild des Paares "danach" (rauchend im Bett, am nächsten Morgen, ...) produziert. Über den Matchcut der Körperdarstellungen wissen wir: Es sind noch dieselben wie in der Einstellung zuvor, aber es ist Zeit verflossen - private Zeit, in der die Kamera nicht dabei war. "Shortbus" ist zusammen mit einigen anderen Filmen der Versuch, diese Privatzeit zwischen den Einstellungen zu "Veröffentlichen". Dass der Film das derartig geschickt macht, hätte ich nicht gedacht. Er holt das Thema sogar in seinen Plot (es gibt mehrere Erzählstränge über Voyeurismus) und in die mise en scène (Spiel mit Tiefenschärfen, Fahrten, ...) Der Pornofilm deprivatisiert hier eine Form des Hollywood-Melodrams, die seit den 1930er Jahren feste Erzähl- und Darstellungskonventionen entwickelt hat.

#375 Hick

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Geschrieben 28. Dezember 2008, 07:51

God's Army (The Prophecy, USA 1995, Gregory Wilden) (DVD)

Diese Art von Provokation, in der man den Zuschauern einfach das Gegenteil von dem vorführt, was man für deren tiefstes moralisches Selbstverständnis hält, war doch eigentlich ein Mittel der Avantgarde der 30er und hat noch einmal einen unrühmlichen Abklatsch in den 80ern (Filme wie "Specters") gefunden. Der Einzige, der das meines Wissens zuletzt gewinnbringend vollbracht hat, war Scorsese in "The Last Temptation of Christ".

"God's Army" gefällt sich nun aber auch darin, das Prinzip des Allguten im Christentum einfach anders herum zu behaupten und die Englein in Himmel in Wirklichkeit gemeine Verschwörer und Mörder sein zu lassen. Hätte der Film nicht diesen Ich-dreh-das-jetzt-mal-um-Plot, dann hätte er gar nichts. Leider ist selbst ein Darsteler wie Christopher Walken nicht in der Lage etwas anderes zu sein als albern.

Ein etwas dürftiger Start in mein neues Berliner Filmguckerdasein.

#376 Hick

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Geschrieben 02. Januar 2009, 08:26

Awake (USA 2007, Joby Harold) (Blu-ray)

Zunächst einmal davon abgesehen, dass "Awake" wirklich ein unglaublich glattes, (im schlimmsten Sinne) kalkuliertes Filmchen ist, hat er doch einen Aspekt, den ich beachtlich finde. Sein Gegenstand ist ja alles andere als filmisch: Die zentrale Figur liegt in der meisten Filmzeit reglos auf dem Rücken und ist zu keiner Aktion und Reaktion fähig. Das Einzige, was die Kamera uns also zeigen könnte, ist diese Ruhe und diejenigen, die sich um sie herum gruppieren.

Interessanterweise ist diese Figur jedoch auch der Fokalisator der Erzählung. Aus seiner Perspektive wird die Geschichte dargeboten - und da tauchen Probleme auf, die nicht mehr allein narrativer Art sind: Wie erzählt denn jemand, der physisch gar nicht dazu in der Lage ist? Das Krankenhaus, in dem er sich befindet, ist ja nachgerade ein Topos für das (kurz- oder langfristige) "Verschwinden des Erzählers". Ein schönes Beispiel hierfür ist Stephen Kings Roman "Christine"; dort verschwindet der Ich-Erzähler am Ende des ersten Teils im Krankenhaus und konfrontiert den Leser mit einem Perspektiv-Verlust, den King nur so zu beheben wusste, dass er von der Ich- in die Auktorial-Perspektive wechselt.

"Awake" nun geht einen anderen, überaus filmischen Weg: Er verwandelt den realen Handlungsraum in ein Hybrid aus realem Handlungs- und imaginiertem, funkti0nalisiertem "Erzählraum". In letzterem kann sich der narkotisierte Patient wie in seiner Erinnerungswelt bewegen (erinnern wir uns an "Johnny got his gun"!), agieren und die Geschichte (eine Verschwörung) durch Reflexion des bereits Gesehenen und aktuell Gehörten (er liegt in einer Art Wachkoma) rekonstruieren. Der Film wechselt hier auch die Erzählperspektive, jedoch nicht so radikal wie King in "Christine". Vielmehr wird die vormalige externe Fokalisierung zu einer gemischten internen und Nullfokalisierung. Wir wissen stets, dass das, was die Kamera uns zeigt, ein Gemisch aus imaginierten und realen Bildern ist.

"Awake" wandelt sich auf diese Weise von einer bloß irgendwie unangenehmen Geschichte (ein auf dem OP-Tisch liegender Patient, bei dem die Narkose nicht wirkt) in einen Suspese-Thriller (der Patient entdeckt eine Verschwörung gegen sich und seinen narkotisierten Körper). Als solcher fährt er dann allerdings seine etwas dünne und in ihren Entwicklungen viel zu kalkulierte Erzählung gegen die Wand.

Mein Filmtipp für bekay. :)

#377 Hick

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Geschrieben 02. Januar 2009, 08:39

So finster die Nacht (Låt den rätte komma in, Swe 2008, Thomas Alfredson) (Kino in den Hackeschen Höfen)

Mein erster Kinofilm als Neuberliner - am 30.12. gesehen. Ein Film voller Schnee - kein Film für den Sommer. Und jetzt, wo ich hier sitze und über ihn schreibe, wird es draußen langsam hell und überall liegt Schnee. Für Vampire wird es jetzt langsam ungemütlich.

Einen selten doofen deutschen Titel hat man sich für Alfredsons Vampir-Jugend-Melodram-Soziogramm ausgedacht. Der Film trägt jedoch keinen Schaden davon und hat auch bei der zweiten Begegnung nichts von seiner Kraft verloren. Diese durch den dunklen schwedischen Winter eingefrorene Stille, die neben der Natur vor allem das Mitmenschliche lähmt und zusehends erstarren lässt, wird perfekt auf die Geschichte der beiden Kinder übertragen, die sich immer mehr von ihrer Umwelt abkapseln, indem sie sich Wärme suchend einander zuwenden.

Dass diese Zuwendung dann natürlich auch nicht wirklich ein sozialer Akt der Fürsorge, sondern wiederum nur kalt kalkuliertes Mittel zum Zweck ist (das Vampirmädchen sucht nach einem neuen Helfer, nachdem ihm sein alter "entwachsen" ist), macht denFilm nur umso trauriger.

#378 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:01

Marquis (F 1989, Henri Xhonneux) (DVD)

Ein außergewöhnlicher Film, der da beim neuen Label „Bildstörung“ erschienen ist: Menschen mit Tiermasken spielen ein Gefangenenstück am Vorabend der französischen Revolution. Im Zentrum ein Schriftsteller, der, weil er auf ein Kruzifix geschissen hat, in der Bastille sitzt und dort seine dekadente Literatur verfasst. Er ist niemand geringeres als der Marquis de Sade – dort trifft er auf zwei seiner Musen: Justine und Juliette, die ihn zu literar-erotischen Höchstleistungen motvieren. Zudem wird er beständig von seinem sprechenden Penis angestachelt, sich dem System nicht beugen, sich dem masochistischen Gefängniswärter nicht für ein paar Annehmlichkeiten preiszugeben, sondern den Ausbruch zu wagen. Der kommt ein paar mal in greifbare Nähe und als der Sturm auf die Bastille losbricht, hält auch den Marquis nichts mehr dort.

Erstaunlich ist die Ruhe, mit der der Film inszeniert ist. Zärtlich in Sprache und Umgangsformen verhalten sich die Figuren zueinander. Wären es nicht Tiere (und der Film damit eine Fabel) und wären es nicht die literarischen Grausamkeiten des Schriftstellers Marquis de Sade, die da ins Bild gesetzt werden und wäre es nicht das Vorspiel zu einem der grausamsten historischen Ereignisse der europäischen Neuzeit, das der Film da verklausuliert erzählt: Man könnte ihn fast eine Liebeserklärung nennen; erschienen 200 Jahre nachdem sich das alles wirklich zugetragen haben soll.

#379 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:01

Das Millionenspiel (D 1970, Tom Toelle) (DVD)

Ein atemberaubend luzides Werk. Toelle und sein Drehbuchautor Wolfgang Menge nehmen nicht nur die meisten denkbaren (und bislang erschienenen) Medien-Dystopien vorweg, sie beschreiben 1970 ein Fernseh- und Gesellschaftssystem, das heute (fast) schon Realität ist.

Interessant ist der Konflikt zwischen diegetischer und nicht-diegetischer Kamera. Etliche Szenen, in denen man meint, den Spielfilm „Millionenspiel“ zu sehen, bekommt man die Fernsehsendung zu Gesicht und die Aufnahmen des Spielers sind von einem immer schon vor Ort wartenden Kamera-Team gefilmt und im Studio dem Publikum auf einer Leinwand präsentiert. Dieses „Einholen“ des Ereignisses durch die Kamera erreicht manchmal einen zeitlichen Minimalabstand, der schon fast unwahrscheinlich wirkt: Der Spieler versteckt sich in einer leeren Wohnung – in der ihn schon unser Blick (also der Blick des diegetischen Publikums, als die diegetische Kamera) erwartet.

Der Kamerablick ist immer und überall. Selten sieht man die Technik und selbst dort, wo sie zu sehen sein müsste (etwa, als eine „Samariterin“ den Spieler vor den Verfolgern in einem Cabrio rettet und das alles von dessen Rückbank aus gezeigt wird), ist sie unsichtbar, ist nur der Blick selbst da. Das ist kein Fehler, sondern eine „Vision“: Die Utopie der Allgegenwart des Fernsehens, in der derjenige als unglücklich beschrieben wird, der (noch) anonym leben (muss), ist hier als allgegenwärtiger Zuschauerblick codiert. Ein Blick, der keine Technik braucht, weil er physikalisch gar nicht vorhanden sein muss, denn man spürt ihn, weil man sich nirgends mehr unbeobachtet fühlen kann.

#380 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:02

While the City sleeps (USA 1956, Fritz Lang) (VHS)

Eingefügtes Bild

Cathode Ray Mission ...

(Mit bestem Dank an meine Studenten für das Aufmerksammachen auf das Überoffensichtliche!)

#381 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:02

EdTV (USA 1999, Ron Howard) (DVD)

Eine deutliche Kritik am System „Big Brother“. Das Fernsehen ist ein Dispositiv der Macht, einer Macht, alles Private zu veröffentlichen. Ed findet sich in diesem System wieder, als er morgens aufwacht und Kameras ins Zentrum seiner Privatsphäre – sein Schlafzimmer – vorgedrungen sind und Bilder seiner Sexualität einfängt. Sein Kampf, den er nur gewinnt, weil es immer etwas gibt, das noch privater ist (und zwar nicht die Sexualität, sondern das sexuelle Versagen eines der TV-Macher) endet, als er das Kamerateam wieder aus seiner Wohnung verbannt und gleichermaßen real wie symbolisch die Tür hinter ihnen schließt.

Widerspruch gegen das Fernsehen, das nur redet ohne Gegenrede zuzulassen, das zeigt, ohne dabei selbst gezeigt zu werden, ist nicht möglich. Das Medium zwischen Gezeigtem (Ed), Zeigendem (True-TV) und Publikum ist Geld. Es bemisst den Wert der Privatsphäre ebenso wie den Preis der Veröffentlichung. Ed hat Geld gefordert und bekommen und muss sich als Gegenleistung selbst verkaufen. Wir schauen dabei zu und freuen uns, dass er für seine Gier bezahlt, dass das Fernsehen für seine Amoralität bezahlt und die diegetischen Zuschauer die Lager von Böse zu Gut wechseln.

Aber während wir zuschauen, (ver)führt uns der Film hinters Licht bzw die Kulisse. Dort, wo es Ed gelingt, dem (diegetischen) Kamerateam von „True-TV“ zu entfliehen und endlich etwas Privates zu erleben (einen Kuss, Sexualität, …), da erwartet ihn bereits die extradiegetische Kamera von „Ed-TV“. Wir sind schon dort und sehen das, was die anderen gern sehen würden. Das wird uns aber nicht klar, denn „Ed-TV“ ist nach den Regeln der decoupage montiert und vermeidet daher jeden Hinweis auf (s)eine Metaebene. Ein hinterlistiger Zug des Films.

#382 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:03

Das Hochzeitsbankett (Xi yan, Taiwan 1993, Ang Lee) (DVD)

Ein erstaunlich naiver Film von Ang Lee, der in „Eat, Drink, Men and Women“ doch kurze Zeit später soviel filmerisches Feingefühl beweist. Sicherlich: Die Story nimmt einen erfrischenden, gegen jeden Anfangsverdacht der Heteronormativität gerichteten Verlauf – aber wie das gezeigt wird! Kamera und Schnitt in simpelster Soap-Ästhetik mit erwartbaren Schwenks, Schuss-Gegenschuss-Montagen und verschenkten Möglichkeiten, ganz im (sklavischen) Dienst der Erzählung.

#383 Hick

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Geschrieben 19. Januar 2009, 08:57

Milk (USA 2009, Gus van Sant) (PV Filmkunst 66)

Was meinen Geschmack betrifft, ist es bei Gus van Sant wie bei Steven Soderbergh: Es gibt solche Filme und solche. Das filmästhetische Gespür, der Hang zum Subversiven (oder eben zum Unpopulären) lässt sich wohl nicht immer ausleben; erst recht nicht, wenn man meint, eine zeithistorische Darstellung vollbringen zu müssen. Genau das ist "Milk": Der Versuch, einen Spielfilm über ein Historem zu drehen, dabei möglichst alle Fragen zu beantworten und keine Position zu beziehen. Das ist genauso unmöglich wie dumm, doch davon hat es in den vergangenen Jahren so viele Filme gegeben, dass sich leider schon ein eigener Stil durchgesetzt hat, den man mit Baudrillard ganz gut als "Retro-Szenario"-Ästhetik bezeichnen kann.

Und die sieht so aus, dass man sich der historischen Quelle unterwirft, sie "wahrheitsgemäß" ins Projektorlicht zu zerren versucht, indem die verschiedensten Techniken und Strategien der Authentisierung zum Einsatz kommen: Eingeschnittenen Originalfilmaufnahmen, auf das Zeitcolorit bearbeitetes Filmmaterial, Dokumentarfilmästhetiken usw. In "Milk" sieht also alles nach "Mitte bis Ende der 70er" aus. Den Mut, sich dieser Konvention zu widersetzen, bringt Gus van Sant nicht auf - dazu scheint ihm (wie schon beim unsäglichen "Good Will Hunting") das Thema zu wichtig zu sein. Es geht um die Homosexuellen-Bewegung in den USA, die sich unter der Anführung von Harvey Milk zum ersten Mal Gehör verschafft hat, politischen Ausdruck gefunden hat, ihre Bürgerrechte eingefordert hat.

Das Thema ist so wichtig (oder wird von irgendwoher mit derartigen Argusaugen bewacht), dass sich ein Filmemacher hüten sollte, es auch nur mit einer Spur ästhetischer Mehrdeutigkeit zu inszenieren. Also sind die einzigen filmkünstlerisch interessanten Momente, diejenigen, die eine ganz eindeutige Symbolik haben - ein paar kleine Spiegelszenen (in einer Trillerpfeife, in einer Fernsehmattscheibe usw.) Der Rest des Film ist Historienkitsch mit dem Hang und dem Zwang zur Aufklärung, überladen mit politischer Bedeutung. Qualitätskino wie schon Finchers "Zodiac" und etliche andere Produkte dieser Art. Gus van Sant scheint hier mehr auf die Anerkennung irgendwelcher politsch korrekter Festival-Jurys zu schielen als auf künstlerische Integrität. "Milk" schreit nach Oscars und wird sie bekommen - weil er sie verdient hat.

#384 Hick

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Geschrieben 19. Januar 2009, 09:13

Jonathan (D 1970, Hans W. Geissendörfer) (DVD)

Einen kleine filmhistorische Rarität hat Kinowelt da vor einiger Zeit ausgegraben: Einen deutschen Vampirfilm von Geissendörfer, der Stokers "Dracula"-Roman mit einer manchmal etwas wirren Geschichte einer Revolte anreichert und damit den politischen über den sexual-moralischen Diskurs des Stoffes stellt: Jonathan wird ausgeschickt einer Bande von blutsaugenden Aristokraten den Garaus zu machen. Er verfängt sich jedoch zunächst in den politischen Wirren des Umlandes vom Schloss und wird dann von den Schergen des Grafen eingefangen und ins Verlies geworfen, wo er auf zahlreiche gefangene Bauern der Umgebung stößt, die zwecks Blutentnahme entführt und eingelagert wurden. Es gelingt ihm noch, die Gefangenen auf eine Revolte vorzubereiten, bevor Jonathan in Einzel- und Folterhaft kommt. Dann bricht der Sturm auf den Palast los und das Volk holt sich zurück, was ihm gehört: Seine eingesperrten Verwandten und sein Blut, das jetzt aber schon in den Adern der Aristokraten fließt. Der Graf und seine engste Gefolgschaft wird zum Ende im Meer ersäuft.

Wäre "Jonathan" nicht so holprig inszeniert und mit derartig kitschiger Musik (endlos repetitive Arien schmiegen sich an Gassenhauer aus der Klassik-Boutique) untermalt, es wäre ein wirklich guter Film geworden. Die blassen Bilder, die Ausstattung, die Spezialeffekte (Splatter im Deutschen Film der 1970er!), die Verformung der Stoker-Erzählung. Das alles hat seinen Reiz. Von Vampiren wird nirgendwo gesprochen und um sich sicher zu gehen, dass man seinen Film nicht als Horrorfilm missversteht, lässt Geissendörfer seine Blutsauger am hellichten Tag in Jagdgesellschaften über die Felder streifen und Bauern abschießen. Irgendwie wirkt "Jonathan" beklemmend und zeigt, wie wichtig ideologisch-politische Subtexte im deutschen Kino der 1970er-Jahre einmal gewesen sind. Aber man muss schon in der Stimmung für solch einen Film sein - und zu dieser gehört eben auch das Wohlwollen, über die Schwächen einfach hinwegzusehen.

#385 Hick

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Geschrieben 21. Januar 2009, 14:14

The Wicker Man (GB 1973, Robin Hardy) (DVD) (Kino- und Dir.-Cut-Fassung)

Als Zuschauer stehen wir dem Treiben in The Wicker Man seltsam neutral gegenüber; so recht will uns der Protest des Sergeant gegen die von ihm so vehement kritisierten Heiden nicht einleuchten. Zu harmonisch scheint deren Lebenspraxis, zu sehr bekommen sie recht durch ihren speziellen Gemeinschaftssinn. Lord Summerisle verlacht die naiven, von bloßer Indoktrination geprägten Überzeugungen des »christlichen Invasoren«, und dieser selbst sieht sich mit seinem Moralkodex mehr und mehr auf verlorenem Posten – bis zu dem Zeitpunkt, als ein Menschenleben in Gefahr ist, denn hier greift eine Ethik, die über bloßer Religionspraxis steht. Und genau hier ist auch der »Horror« des Films angesiedelt – zugegeben: ein nur noch sehr kleines Refugium für einen Film dieses Genres, wenn The Wicker Man denn überhaupt ein Horrorfilm ist. Er erscheint uns vielmehr als ein Hybrid aus Heimatfilm, Musical und ethnologischer Fiktion. Gerade die den Plot immer wieder begleitenden Gesangs- und Tanzeinlagen beschwichtigen, ja bezirzen den Zuschauer nahezu.

mehr: Schnitt

#386 Hick

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Geschrieben 23. Januar 2009, 09:28

Breath (Soom, Süd Korea 2008, Kim Ki-duk) (DVD)

Eine Variation zum bekannten Thema: Die Konfligierung von buddhistischer Tradition und modernem Selbstverständnis. Dieses Mal verlegt Kim es in ein Gefängnis. Dort sitzt ein junger Mann in der Todeszelle, der seine gesamte Familie ermordet hat. Zusammen mit drei anderen Delinquenten wartet er auf seine Hinrichtung. Ob nun aus dem Willen zur Autonomie über das eigene Ende oder aus Reue vor der Tat: Er versucht sich mehrfach selbst zu töten; ein Akt von dem jedes Mal die Medien berichten. Auf diese Weise erfährt auch eine verheiratete Bildhauerin davon und entschließt sich, den Mann im Gefängnis zu besuchen. Dabei gestaltet sie das Besuchszimmer jedes mal nach einer Jahreszeit, erzählt dem schweigenden Gefangenen von sich, singt ihm etwas vor und beginnt eine zärtliche Annäherung, die schließlich in der körperlichen Vereinigung irgendwo zwischen Sex und Mord gipfelt. Voneinander getrennt, versucht das Paar seinen Alltag zu leben: Sie in ihrer offensichtlich unbefriedigenden Ehe, er in der steten Eifersucht seiner Zellengenossen. Am Ende der Erzählung kann nur der Tod der Beziehung und der Tod des Mannes stehen - darüber lässt der Film keine Zweifel.

Wie es Kim nach "Bin-jip" abermals gelingt, eine Metaphysik der Zweisamkeit in eine Welt der Vereinzelung zu transportieren, ist meisterhaft. Langsam gerät man als Zuschauer in die Kreisbewegung der Erzählung hinein, sieht sich mehr und mehr mit den Figuren identifiziert und lernt mit ihnen zusammen die eigentlich bittere Lektion (nämlich loslassen zu müssen) als eine Transzendenz-Bewegung zu verstehen. Was die Frau mit dem Mann macht (und vielleicht er auch mit ihr) ist nichts anderes als ein rituelles Abschiednehmen; den Tod anerkennen ohne ihn zu fürchten oder herbeizusehnen - eine ars moriendi.

Und wieder einmal hängt das Gelingen der Erzählung an den drei Achsen Kamera, Erzählrhythmus und Schauspiel. Ist der Stoff bei Kim manchmal auch noch so banal (wie etwa in "Samaria" oder "Hwal"), so ist es die Ausführung niemals. Fast ist man zu Tränen gerührt angesichts des nahen Beieinanders von Kitsch und aufrichtigem Gefühl - etwa beim sehr amateurhaften Vortrag der Jahreszeiten-Lieder der jungen Frau. Dass die Affektproduktion nicht überzogen oder gar kalkuliert wirkt, liegt an der Kamera, die genau in diesen Momenten eben nicht bloß mimetisch mitfilmt (oder schlimer: mit tanzt), sondern die Situation ganz bewusst bricht, indem sie eine zweite Kamera filmt - die Überwachungskamera des Besucherraums - und damit zeigt, dass es ein Film ist, den wir sehen, dass dieser Ritus vor Fototapeten stattfindet, dass die Musik aus einem kleinen Kofferradio kommt. Und trotzdem ist da mehr, nämlich das Mehr, das zwischen den beiden Figuren entsteht und durch das diese Inszenierung (in der Inszenierung) authentisch wird.

#387 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 07:50

Café Flesh (USA 1982, Stephen Sayadian) (DVD)
Café Flesh 2 (USA 1997, Anthony R. Lovett) (DVD)


Über den ersten Teil der mittlerweile dreiteiligen Reihe wird es in Kürze ein Filmgespräch auf postapocalypse.de geben, weswegen ich mich hier gar nicht mit ihm befassen werde.

Der zweite Teil zerrt mit seinen mehr als zwei Stunden Laufzeit schon gewaltig am Nervenkostüm des bloß auf die Diskurse konzentrierten Zuschauers. Ich hatte ungute Remeniszenzen an die alt.vivid-Produktionen vom letztjährigen PornFilmFestival, denn die durchaus interessanten Motive und Settings wurden durch überlange Rammelszenen so voneinander getrennt, dass ich mehrfach das Gefühl hatte, zwei ganz verschiedene Filme zu sehen.

Zu loben an "Café Flesh 2" ist jedoch, dass die SF-Elemente wesentlich deutlicher herausgearbeitet wurden, als beim Vorgänger. Neben Außenaufnahmen, die die vom Atomkrieg zerstörte Welt (wenn auch etwas schematisch) zeigen, gibt es ein Evil Mastermind, das natürlich als Gehirn im Wassertank lebt, es gibt eine Jungfrau (die letzte überhaupt), die den Atomkrieg kryogenisch überlebt hat und nun aufgetaut zur begehrten Handelsware wird (Sie vergewissert sich selbst mehrfach, dass Oralverkehr ihrer Virginität keinen Abbruch tut). Und dann natürlich das aus dem ersten Teil bekannte Sex-Positiv/-Negativ-Thema, das hier durch Verwendung von "Safer Sex" mit Kondomen eine ganz neue Konnotation erfährt.

#388 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 08:19

Be kind rewind (USA 2008, Michel Gondry) (DVD)

Über Gondrys letzten Film wurde eine Menge geschrieben und noch mehr wurde dazu gefilmt. Dass es ein Film über ein aussterbendes (Träger)Medium ist (ja ja, ich weiß) und damit auch über eine aussterbende Volkskunst-Gattung (nämlich das analoge Home-Video), erzählt der Film von sich aus. Er verhandelt überdies Themen wie Urheberrechte vs. Kreativität, filmische Konstruktion von (historischer) Wirklichkeit und nicht zuletzt auch die Themen Elektrizität und Magnetismus.

Da hat sich Gondry wirklich etwas besonderes einfallen lassen, als er Jack Black in das nachbarliche Umspannwerk einbrechen und dort durch einen Hochspannungsschlag magnetisch hat werden lassen. (Man weiß ja, dass das normalerweise andere Konsequenzen hat.) Seine neu gewonnene Polarität hat dann gleich Einfluss auf die komplette Umwelt: Er magnetisiert Videobänder, fühlt sich von metallischen Gegenständen angezogen und hat jenen Effekt auf die Kathodenstrahlröhre, den ich als Kind so gern auf dem elterlichen Fernseher mit einem Spielzeugmagneten verursacht habe und für den ich, weil es damals noch keine "Entmagnetisierungsfunktion" gab auch regelmäßig bestraft wurde.

#389 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 08:37

Die Fürsten der Dunkelheit (Prince of Darkness, USA 1987, John Carpenter) (DVD)

Dass ich den Film nicht mehr gesehen habe, seit ich dieses Weblog führe, wundert mich ein wenig, weil es nach wie vor mein Lieblings-Carpenter ist. Anlässlich Patricks Vortrag über "Diskursinszenierung in John Carpenters Prince of Darkness" im Absolventen-Kolloquium hatte ich aber nun wieder Gelegenheit und finde mein seit der Erstsichtung 1988 in einem kleinen Einbecker Kino gewonnenes Urteil bestätigt.

Zwar verfügt der Film schon aus Mangel an Produktionsmitteln über nur wenige Spezialeffekte, das kompensiert Carpenter jedoch einerseits durch eine - wie der Vortrag völlig plausibel gemacht hat - eine konsequente Raum-Inszenierung, die die verschiedenen Diskurse (und übrigens auch Geschlechter!) im Heterotopos "Kirche" zusammenführt. Andererseits ist wie oft bei Carpenter-Filmen es abermals der Soundtrack, der hier nur an ganz wenigen Stellen des Films nicht zu hören ist, der einen sagenhaften, ja, soghaften Effekt nach sich zieht. Was vielleicht durch den Plot an dramatischer Steigerung nur schwer nachvollziehbar ist, durch die Filmmusik wird es spürbar.

Es würde mal wieder Zeit, die alte Soundtrack-LP aus dem Schrank zu holen - oder noch besser, die neue Doppel-CD (die es geben soll) zu bestellen.

#390 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 09:15

Sex, Lügen und Video (Sex, Lies, and Videotape, USA 1989, Steven Soderbergh) (DVD)

Über Soderberghs Erstling habe ich wirklich schon einige Zeit gebrütet und mit jeder Sichtung tut sich mir ein neuer Bedeutungshorizont auf. In meiner Übung "Elektrische Medien im Film" habe ich ihn in der Kategorie "Inszenierung von Video im Film" verhandelt - in das "Telefon"-Modul hätte er aber ebenso gut gepasst.

Telefoniert wird viel in "Sex, Lies, and Videotape", aber eines ist bei allen Telefonaten gleich: Beide Stimmen, sowohl die desjenigen Telefonierers, der im Bild ist, als auch die desjenigen, der "in der Leitung" ist, sind klanglich gleich. Der Effekt der technischen Verzerrung der Telefonstimme (bei der vor allem die Höhen und Tiefen beschnitten und die Mitten stärker betont werden), welcher es dem Zuschauer erst möglich macht, akustisch zu unterscheiden, welcher Telefonierer welcher ist; dieser Effekt fehlt. Dadurch erhält die Stimme aus der Leitung nicht nur einen seltsamen acousmetrischen Effekt, sondern das Telefon wird zu einer medialen Metapher, die den Plot ergänzt: Geht es in "Sex, Lies, and Videotape" um die Restrukturierung des Privaten durch die Medien (mit positiven wie negativen Konsequenzen), dann ist es das Telefon, das für den Eindringling den Zugang verschafft.

Das erste Telefonat findet zwischen John und Graham statt. Graham ist der Fremde, der in die Dreiecks-Beziehung von John, Ann und Cynthia eindringt, diese Beziehung aufbricht bzw. -klärt und neu strukturiert. Seine Herkunft ist ebenso ungewiss wie sein Ziel. Das einzige, was ihn auszeichnet, ist seine mediale "Fixiertheit": Sein Sex-Leben findet nur mit Videokassettten statt, seine Mutter hat er "an das private Fernsehen verloren" und Ann meint er ebenfalls "schon einmal im Fernsehen gesehen" zu haben. Als Ann ihrer offenbar nymphomanischen Schwester Cynthia von Graham erzählt und was für ein besonderer Mensch er ist (er sondert ständig Sinnsprüche ab, die die frigide Ann an einen gefühlvollen Menschen glauben lassen), will sie seine Telefonnummer haben. Ann erwidert ihr daraufhin: "Er telefoniert nicht gern."

Lässt man das Telefonat zwischen Graham und John zu Beginn außen vor, so stimmt dies: Er ist die einzige Figur des Films, die nicht (mehr) telefoniert. Warum? Hat es damit zu tun, dass er als Video-Enthusiast mit einem Echtzeitmedium wie dem Telefon nichts anfangen kann - oder damit, dass ihm hier nur imaginierte Bilder zur Verfügung stehen? Hat es damit zu tun, dass man am Telefon besser als vor der Kamera und viel besser als Vis a Vis lügen kann? Die Lüge ist ja nicht zufällig Bestandteil des Filmtitels und der einzige Ort, an dem nie gelogen wird, ist die Wohnung Grahams - dort, wo die Videokamera läuft.

Graham und seine Videokamera stehen damit gegen das Triplet Ann, Cynthia, John und ihre Telefon(at)e. Graham bekommt die Funktion eines Katalysators (katálysis - Auflösung), seine Wohnung fungiert gleichermaßen als Beichtstuhl wie als Reaktionstigel (und übrigens auch Psychotherapie-Praxis, schaut man sich einmal die Konstallation der Möbel und ihre Funktionalisierung im Miteinander der Figuren an). Das Medium Video erhält im Verlauf des Films den Nimbus eines "Mediums der Wahrheit", obwohl doch gerade dieses Medium (zumal die analogen Video-8-Bänder Grahams) wie kaum ein anderes damaliges von Möglichkeiten der Manipulation bedroht ist.

Beim letzten, entscheidenden Videoscreening verwendet Soderbergh dann einen Trick, um sich diesen Nimbus für seinen Film zu "borgen": Er zeigt John, der auf den Videomonitor schaut, dann den Videomonitor mit all seinen medialen Eigenschaften (Interlinear-Streifen, Störungen, Lautsprecherton), um dann dasselbe zu machen, das er von Beginn an mit dem Telefon angestellt hat: Das Videobild wird zum Filmbild, die typischen medialen Eigenschaften des ersten werden durch die des zweiten getauscht. Der Blick ist jetzt (scheinbar) nicht mehr medial getrübt, er ist dabei, mit im Raum. Es wird sogar die Videokamera, die das Bild ja eigentlich produziert, in diesem Bild gezeigt. Die Räume sind miteinander verschmolzen, die Immersion ist perfekt: John dreht durch, als er vor dem Monitor sitzend von den Geständnissen seiner Frau auf/über Video erfährt. Die Beziehungsstrukturen lösen sich nun vollends auf. Der Film "Sex, Lies, and Videotape" hat sein Ziel/Ende erreicht und kann nur noch in einem Schluss "auslaufen", der der Meisterschaft Antonionis in nichts nachsteht:

Ann: Ich glaube, es wird regnen.
Graham: Es regnet ja schon.

#391 Hick

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Geschrieben 09. Februar 2009, 16:09

Mein Berlinale-(Film-)Tagebuch findet sich hier:

http://www.blog-3.epd-film.de/

#392 Hick

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Geschrieben 05. März 2009, 19:10

Ein paar Kurzeinträge lasse ich weg. Wer die lesen will, kann das in meinem Blog tun.

Hier geht es weiter mit:

#393 Hick

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Geschrieben 05. März 2009, 19:13

Thrillkill (Kanada/USA 1986, Anthony D'Andrea & Anthony Kramreither) (VHS)

Die Geschichte ist einfach und geht so: Die Spieledesignerin Carly verdient sich nebenher ihre ersten drei Millionen Dollar, indem sie von zu Hause aus mit ihrem Computer in Banken einbricht und dort mit Hilfe eines als Spiel getarnten Virusprogramms Gelder von Firmenkonten auf ein eigenes Konto transferiert. Als ihr Chef in der Spielefirma auf ihr Treiben aufmerksam wird, ohne jedoch genau zu wissen, was sie da treibt, zieht sie die Reißleine und beendet ihr Hobby - nicht jedoch ohne zuvor das Geld in einem Schließfach zu deponieren, dessen Standort sie in ihrem Computer mit Hilfe eines Passworts ("Firelight") verschlüsselt.

Das macht sie deshalb, weil eine Gruppe kriminell gewordener Banker, mit denen sie konspiriert hat, ebenfalls hinter dem Geld her sind. Ihnen fällt sie schließlich zum Opfer, schreibt das Passwort aber vorher noch auf eine Zigarettenschachtel von der sie ihrer unbedarften Schwester Bobby erzählt, die nun ob dieses Wissens nach und nach von den Gangstern verfolgt, unter falscher Identität angebaggert und zur Passwortherausgabe gezwungen wird. Besonders der Schein-Polizist Gilette hat es ihr angetan und als sie herausbekommt, dass auch er zu den Gangstern gehört, weiß sie nicht so recht, ob sie ihn nicht trotzdem ein bisschen lieb haben soll.

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"Thrillkill" macht - wie später "Hackers" und "eXistenZ" - den weiblichen Computerfreak zum Hauptgegenstand seiner (Ver)Handlung. Eine Frau, die sich für Computer interessiert, sich damit auskennt und sogar selbst Spiele programmiert (Carlys Schöpfung ist ein Ego-Shooter mit dem Titel "Thrillkill" - daher der Filmtitel): Das war in den 1980ern ein Ding der Unmöglichkeit und feuchter Traum von 8-Bit-Nerds wie mir. Als sie nach etwa 20 Minuten ermordet wird, ersetzt der Film sie deshalb durch eine "normale" Frau, die sich mit all dem nicht auskennt (für sie ist Mikroelektronik sogar Magie - zwei Mal bewegt sich der Computer in ihrer Gegenwart wie von Geisterhand), aber ein Gespür für Recht und Unrecht, Liebe und Intrige besitzt. Dennoch geht sie dem stets aalglatt rasierten Gilette auf den Leim und verbringt mit ihm schließlich eine Nacht vor Carlys Computer, weil beide ahnen, dass das Zugangspasswort für das Geheimnis "irgendwo im Speicher" sein muss - sie vermuten, dass es sich offenbart, wenn sie "Thrillkill" durchgespielt haben.

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Das wirkt alles recht konventionell erdacht und der Computer in "Thrillkill" scheint bloß ein modernes Requisit zu sein, um diese Erzählung auf die Höhe der Zeit zu bringen. Dem Strukturalisten drängt sich vielleicht jedoch ein anderes, ein zweites Bild auf. Die Frage nach der Identität wird nicht nur im Plot selbst aufgeworfen, wenn Bobby Gilette fragt "Wer sind 'sie'?" - und damit die Identität der sie verfolgenden Gruppe erfahren will. Überhaupt spielt jeder in diesem Plot dem anderen vor, jemand anderes zu sein und konstruiert sich ein scheinbar makelloses Trugbild (quasi einen Avatar) der simulierten Persönlichkeit. Vielleicht ließe sich das Identitätsthema sogar bis auf die Ebene der Namen verfolgen, wenn man bedenkt, dass die Kosenamen "Carly" und "Bobby" zwar weiblichen Protagonisten gehören, jedoch männlichenUrsprungs (Carl, Robert) sind.

Was nährt eine solche Lektüre noch? Es ist das Computerspiel, das Carly programmiert hat. Zunächst bleibt es eine Black Box für den virtuellen Schlüssel zum Geld. Man sieht Carly zu Beginn an ihrem Computer programmieren und sich in die Bankkonten einhacken, dann erreicht sie die quasi erpresserische Nachricht ihres Chefs:

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Als sie kurz darauf die Panik bekommt und die sensible Information im Code zu vergraben beginnt, bekommt der Computer-versierte "Thrillkill"-Gucker beim Blick auf ein Standbild des allzu eilig vorbeiscrollenden Codes folgendes zu sehen:

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Das ist simples BASIC und macht nichts anderes als die Erpresserbotschaft mit einer Verzögerungsschleife auf dem Bildschirm auszugeben. Mutig gedeutet könnte man also behaupten: Der Filmplot ist selbst so etwas wie die Visualisierung eines Codes (und genau genommen ist er das als Adaption eines Drehbuchs ja tatsächlich) - aber eben eines Maschinencodes. Und wie um zu bestätigen, dass wir es hier mit einer verkehrten Welt zu tun haben, bekommen wir, als Bobby und Gilette das von Carly programmierte Spiel Thrillkill spielen, folgendes zu sehen:

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Das vermeintliche Spiel zeigt eine Realszene, die in ein Setting, das man in den 80ern wohl für virtuell generiert gehalten haben könnte, verlegt ist. Eine Frau in einem futuristischen Ganzkörper-Anzug läuft durch einen Gang, der mit Vektor-Elementen (bzw. Balken) verziert ist, auf den Spieler zu und schießt Lichtstrahlen auf diesen ab. Der Spieler muss nun mit Hilfe der Tastatur und einer am Computer angeschlossenen Lichtpistole ebenfalls den Bildschirm durchschießen, um das Vorwärtskommen der gegnerischen Figur zu stoppen. Das Reale und das Virtuelle (die ja vorher die Rollen getauscht haben) bewegen sich hier also aufeinander zu und stoßen, wenn beide schlecht zielen, an der Membran des Bildschirms aufeinander.

In "Thrillkill" changieren Virtualität und Realität ganz offensichtlich: Der Film, bzw. das Spiel in ihm, wirbt mit dem Slogan "The Game that plays you!" Die Handlungswelt der Protagonisten zeigt sich als ein Raum, in dem man jederzeit die Identität wechseln, Geld per Tastendruck verdienen kann und in dem die gescripteten Dialoge mit der typischen 80er-Jahre-Oneliner-Ironie punktgenau aufeinander abgestimmt sind. Hätte man damals doch bloß nur so gute Film-Spiele programmiert, wie dieser Spiel-Film es vormacht ...

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#394 Hick

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Geschrieben 08. März 2009, 16:35

My Bloody Valentine 3D (USA 2009, Patrick Lussier) (Cinemax, FFF-Nights)

Eine Grubengas-Explosion überlebt nur ein Mann, der im Koma liegt, dann plötzlich zum Valentins-Tag erwacht und das Gesamte Krankenhauspersonal und die Patienten abschlachtet. Er wird von der Polizei bis in jenen Kohlebergwerksstollen verfolgt, in dem das Unglück geschah, ange- oder erschossen und dann für weitere 10 Jahre vergessen. Eines seiner Beinahe-Opfer, das den Ort des Schreckens verlassen hat, kehrt zurück und gleichzeitig beginnen die Morde erneut. Wer da nicht an Zufall denkt!

Ein Film, der seine Schauwerte im wahrsten Sinne des Wortes in den Vordergrund stellt. Vieles vom Plot ist nämlich überaus schlecht konstruiert und wird nur sehr unbefriedigend entwickelt. Die Hoffnung, dass die überbordende Gewaltdarstellung zusammen mit den 3D-Effekten darüber hinwegtäuschen oder -trösten wird, könnte bei den Produzenten durchaus berechnet gewesen sein. Dumm nur, dass der Film auch in einer 2D-Variante zu sehen ist. In der fallen nicht nur besagte Lücken ins Auge; auch wird man von den auf die Dreidimensionalität angelegten optischen Effekten ordentlich genervt.

Dennoch: "My Bloody Valentine" wird seiner Vorlage gerecht und bietet einen überaus unangenehmen Serienkiller, bei dem - wie schon in der Originalversion - die Ausstattung mit Gasmaske und Spitzhacke den Großteil des Terrors ausmacht. Den Rest erledigen dann weggerissene Unterkiefer, durchbohte Augen, an der Decke festgepickelte Kleinwüchsige und das übrige Splatter-Spektakel.

Sehr bemerkenswert und von einer fast schon erschütternden Tragik ist Auftritt von Betsy Rue, die eine Szene komplett nackt spielt. Ihr Auftritt geht von einer Sexszene in die wütende Verfolgung ihres sie demütigenden Liebhabers und dann in ihre Ermordung durch den Miner über. Dabei wirkt sie aber nicht zuvorderst "verwundbar" (wie es sich für das Genrestereotyp des weiblichen Opfers gehört), sondern im Gegenteil stark: Mit ihrer Nacktheit stellt sie ihre Menschlichkeit aus und straft durch ihr starkes Schauspiel jeden voyeuristischen Blick, der von ihrem Gesicht nach unten wandert, ab. Eine derartige Szene habe ich in noch keinem Horrorfilm zu Gesicht bekommen.

#395 Hick

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Geschrieben 08. März 2009, 17:27

Dead Snow (Død snø, Norwegen 2009, Tommy Wirkola) (Cinemax, FFF-Nights)

Die Kongruenz von Zombies und Soldaten im Film ist schon eine eigenartige, aber in "Dead Snow" durchaus nicht zum ersten mal behauptete. Ihre Geschichtelässt sich von "Zombie Lake" über "The Supernaturals" bis "Homecoming" verfolgen. Ich erinnere mich an einen Film, den ich in den 1980ern gesehen habe, und der "Die Nacht der Zombies" hieß: Auch da haben wie in "Dead Snow" untote Wehrmachtsoldaten eine verschneite Einöde unsicher gemacht.

Dass es stets tote Soldaten und oft solche verlorener Kriege sind, die aus den Gräbern zurückkehren, ist auffällig und "Homecoming" hat vielleicht auch schon erklärt, warum das so ist: Mehr noch als im "normalen" Zombiefilm bekommen die Untoten hier die Funktion eines antropomorphen "schlechten Gewissens". Nun kann man sich aber fragen, welches schlechte Gewissen eine untote SS-Truppe im verschneiten Norwegen zum Leben erweckt? Norwegen zählte ja nun nicht gerade zu den Verbündeten der Deutschen und im Film wird auch die Sage von überaus grausamen Besatzern erzählt, die ein ganzes Dorf terrorisiert haben, bis sie von der Bevölkerung in den Kältetod gejagt wurden. Dabei muss versehentlich oder absichtlich ein Nazi-Schatz im Besitz der Terrorisierten geblieben sein, weshalb es die Zombies gibt, die diesen zurück haben wollen. Wollte man in "Dead Snow" nicht ein Fanal gegen den Retributivismus sehen, müsste man wohl die These vom "schlechten Gewissen" fallen lassen.

Der Film hält sich allerdings auch gar nicht lange mit Begründungsmythen und Schuldzuweisungen auf, sondern zwingt seine jugendlichen Protagonisten recht bald in ihren Überlebenskampf gegen die Zombies. Dieser wird extrem blutig und schwarzhumorig inszeniert, angereichert mit Norwegen- und Nazi-Witzen. Leider ist dem Kameramann nur eine einzige Möglichkeit Überraschungen zu inszenieren eingefallen und die hat er sich auch noch aus "Halloween" abgeguckt: Sukzessive Verringerung der Einstellungsgrößen und Vergrößerung der Brennweiten, so dass der Hintergrund aus dem Blick gerät, in welchem dann natürlich das Unheil unbemerkt seinen Lauf nehmen kann. Nach der fünften derartigen optischen Überraschung (die jeweils mit Soundtrack-Bumm garniert wird), hat man sich dran gewöhnt und kann sich ganz auf abgewickelte Därme und viergeteilte Snowmobile-Fahrer konzentrieren. Die grimmig dreinschauenden und mit für ihr alter noch recht frisch wirkenden SS-Uniformen ausgestatteten Zombies gibt es als Augenfänger in der ansonsten sehr schön fotografierten norwegischen Winterlandschaft obendrein.

#396 Hick

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Geschrieben 08. März 2009, 18:59

Terminal Entry (USA 1986, John Kincade) (VHS)

Wenn die Kriegsspiele immer besser, das heißt realistischer werden, dann kann es - so eine Dystopie des Computerfilms - irgendwann dazu kommen, dass man Spiel und Krieg miteinander verwechselt. Die Kausalbeziehung, dass das Krieg-Spielen am Computer zum Kriegspielen in der Realität (ver)führt, ist eine altbekannte Warnung der Medienkritik. Der umgekehrte Fall ist in Filmen wie “War Games” und “Terminal Entry” zu bewundern.

In letzterem verbringt eine Gruppe Jugendlicher ein kommunikationsfreies Wochenende auf dem Lande, das heißt: Dort gibt es kein Fernsehen, kein Radio, kein Telefon, wohl aber einen Computer, der “am Netz” angeschlossen ist (was ohne Telefon in den 80ern wohl die größte technische Utopie des Films gewesen sein dürfte - aber sei’s drum). Die Jugendlichen haben sich nämlich vorgenommen, dass sie - während sie einander sexuell näher kommen - ein Videospiel durchspielen, das “Terminal Entry” heißt. Dabei handelte es sich ihrer Meinung nach um ein Netzwerkspiel mit mehreren Teilnehmern, in welchem Terroranschläge auf Einrichtungen ihres Landes und Politiker verübt werden sollen. Sie steuern dabei über ein Menü “Schläfer”, die dann Selbstmordattentate begehen.

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Was sie nun nicht wissen, und das ist der Gag des Films, ist, dass sie sich unbemerkt in ein Terror-Netzwerk (so oder so verstanden) eingeklinkt haben, dessen Koordination sie nun übernehmen. Weil sie durch ihre selbst gewählte mediale Isolation nicht mitbekommen, welchen realen Auswirkungen ihre virtuellen Spielaktionen haben, richten sie dabei erheblichen Personen- und Sachschaden an. Ihr Spiel bleibt jedoch stets unbefangen, sie genießen die Macht des Spielers und freuen sich über jeden erfolgreich ausgeführten Auftrag. Der Spaß endet, als einer von ihnen eingibt, ein Kommando solle den Ort, an dem sie sich gerade befinden, von sechs dort anwesenden Jugendlichen “reinigen” und sie kurz darauf erfahren, dass ihre Aktionen keineswegs bloß virtuell waren und sie sich nun selbst auf der Abschussliste der Terroristen befinden. Sie sind damit ebanfalls zu “Selbstmordattentätern” geworden.

Der andere Erzählstrang des Films gehört nicht zum Genre der “Highschool-Computernerd-Romance”, sondern ist ein handfester Actionfilm. Dieser erzählt von einem Soldaten, der damit beauftragt ist mit seiner Truppe das islamistische (!) Netzwerk eines gewissen Mahadi auszuheben, der für eine Reihe von Terroranschlägen in den USA verantwortlich ist. Das Militär hat nämlich das Netzwerk angezapft und bekommt die Anweisungen der jugendlichen Hacker an die Terroristen Detail für Detail mit. Hier ist das Unwissen jedoch umgekehrt: Das Militär kennt die realen Auswirkungen der Anweisungen, nicht aber ihren virtuellen Ursprung. Erst als die Kids die Terroristen auf sich selbst lenken, kommen der virtuelle und der reale Raum zur Deckung und alle Parteien treffen sich in, wie man heute so schön sagt, RL.

Der “heilige Krieg” (sic!) der Terroristen richtet sich übrigens vor allem gegen die Informationsstrukturen der USA; gekämpft wird mit der “dritten Waffengattung” (Virilio), den Kommunikationswaffen. Überhaupt ist “Terminal Entry”, was sein Terrorismus-Bild angeht, beunruhigend luzide. Und auch die Selbsteinschätzung des Militärs gegen Ende findet nur 15 Jahre später ihren Reflex in der politischen Wirklichkeit der USA: “Mag sein, dass wir die erste Generation sind, die amerikanische Interessen von amerikanischem Boden aus verteidigen muss”, sinniert der siegreiche Kriegsheld gegenüber einem der Jugendlichen.

Aber zurück zu den Videospielen. Wie in “Thrillkill” hat auch hier (im Wortsinne) die Wirklichkeit Pate gestanden, was die simulatorische Finesse der Games angeht. Zu Beginn des Films spielt einer der Jugendlichen ein Spiel, in dem eine reale Frau in einem (dieses Mal wirklich computer generierten) Vektorraum einkopiert ist:

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Das Spiel mit der leicht bekleideten Frau kann er als in sexuellen Dingen noch unerfahrener Computer-Nerd (seine Unschuld verliert er erst später im Landhaus an eine “Computermaus”) nur verlieren. Aber auch in einem anderen Genre, mit dem er und einer seiner Freunde sich beschäftigen, droht er zu verlieren, wie das Bild daneben zeigt. Es ist ein Adventure, in dem die Spielfigur von einem Mad Scientist gefangen wird und nur wenig Zeit und viele Optionen hat, sich zu befreien. Er wählt zunächst die falsche; erst als sich die Mädchen (rechts) dem Treiben zugesellen, gibt es einen Ausweg, denn eine von ihnen erkennt, dass der falsche Lösungsweg doch der richtige ist, man ihn nur konsequent zuende gehen muss.

Da wird schon vieles von dem Terror-Spiel, das sie später spielen werden, vorweggenommen. Die eindeutig als computergeneriert markierten Räume der Spiele zeigen jedoch, dass hier noch keine wirkliche Gefahr besteht. Das ändert sich, als im “Terminal Entry”-Programm (und hier wird gewitzt mit der Polysemie des Titels gespielt) auf einmal fotorealistische Bilder auf dem Monitor des Apple II auftauchen:

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Da bekommen Aussagen, die zuerst auf die erotische Wirkung ihrer Mitspielerinnen bezogen waren (”Nichts ist schärfer als die Realität.”) auf einmal einen verunsicherten Einschlag: “Das Spiel ist mir ‘ne Nummer zu echt.” Die Spieler wissen also, wann sie das “uncanny valley” durchschritten haben und die Simulation augenscheinlich verlassen - nämlich dann, wenn ihr ungutes Gefühl es ihnen sagt. Dann brechen sie das Spiel ab. Damit befinden sie sich immerhin auf einer moralisch höheren Stufe als so manche andere Cyber-Krieger ihrer Zeit, werden aber genauso wie diese am Schluss nicht für ihre Handlungen verantwortlich gemacht: Sie haben Milliarden-Schäden verursacht und hunderte Menschenleben ausgelöscht, aber ihr Gewissen ist rein, denn sie haben ja nur einen Knopf gedrückt.

#397 Hick

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Geschrieben 14. März 2009, 08:33

Gegenschuss - Aufbruch der Filmemacher (D 2008, Dominik Wesely) (DVD)

Als Bestandteil der Arthaus-Box "Filmverlag der Autoren" ist Wesselys Dokumentarfilm über die Geschichte des sich selbst finanzierenden, produzierenden und verleihenden Neuen Deutschen Films so etwas wie das "Sahnehäubchen" der Edition. Hier kommen noch einmal etliche Protagonisten der Bewegung zu Wort und werfen einen Blick zurück auf die filmbewegten Spätsechziger und Frühsiebziger. Es werden Ausschnitte aus damaligen Pressekonferenzen und Filmen gezeigt, die kulturelle und politische Situation der Bundesrepublik zu jener Zeit noch einmal unter diesem Aspekt beleuchtet. Wie viel Wehmut aber auch Wut damals wie heute in den Beteiligten gewesen ist, lässt der Film in manchen Momenten ahnen, denn, obwohl einige der Regisseure mit Hilfe des Filmverlags die "Selbstständigkeit" gelernt haben, wird die Institution doch von allen vermisst. Und dass sie nicht hätte untergehen müssen, wären nicht Gewinnsucht und Narzissmus ins Spiel gekommen, darüber sind sich fast alle im Film einig.

Der DVD liegen sämtliche Verleihkataloge des "Filmverlags der Autoren" als PDF-Dateien bei. Schade, dass es nur die Listen und nicht die tollen illustrierten Kataloge sind (von denen ich noch einige wenige in meiner Sammlung habe).

#398 Hick

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Geschrieben 15. März 2009, 11:00

Gran Torino (USA 2008, Clint Eastwood) (Kino am Hackeschen Markt)

Nach dem Fiasko, das die letzten von mir gesehenen Regie-Arbeiten Eastwoods für mich bedeutet haben, war ich überaus skeptisch und hätte mir "Gran Torino" am liebsten auch gar nicht angesehen. Da ich aber langsam mal anfangen sollte, einige cineastische Vorurteile abzubauen, habe ich mich also überreden lassen und bin froh über die Entscheidung (obwohl ich den "neuen" Tarsem noch liebe gesehen hätte).

Eastwood überträgt die Struktur des klassischen Westerns auf die sozialen Verhältnisse in einer sich ethnisch stark segregierenden Vorortsiedlung einer Stadtirgendwo im "mittleren Westens". Der alternde Eastwood spielt einen Witwer und Korea-Veteran, der sich plötzlich als Minderheit in einer von Laoten besiedelten Gegend wiederfindet. Nach anfäglichem "fremdeln" schließt er Freundschaft mit den neuen Nachbarn, die ihn ob seiner handwerklichen Fähigkeiten und Vorbildfunktion für den desorientierten Sohnemann auch gleich zu schätzen wissen. Nur eine Gangster-Bande, die den Jungen mit in den Untergrund ziehen will, mach Probleme. Probleme, denen sich Eastwood annimmt.

Mit welchem Feingefühl Eastwood hier einerseits das Westerngenre (und auch den Bandenkriegs-Actionfilm der 70er/80er-Jahre) und andererseits sich selbst als Helden-Stereotyp reflektiert, ist bewundernswert. Die konservativen und rassistischen Ausfälle seiner Figur werden beständig ins Lächerliche gezogen und als totale Anachronismen und Angstreaktionen entlarvt. Auf der anderen Seite ist vom Heldenimage, das bei dem mittlerweile 79-jähirgen Eastwood schon etwas Patina angesetzt hat, auch nicht mehr viel zu halten in einer Welt, die eben nicht wie ein Western funktioniert. Dass Eastwood diese Figur in "Gran Torino" im wahrsten Sinn des Wortes zu Grabe trägt, nachdem er ihr noch einmal eine Hommage an ihre eigene Entwicklungsgeschichte widment, ist nicht anders als als großartig zu bezeichnen. Wenn es denn tatsächlich (wie angekündigt) der letzte Film Eastwoods ist, dann ist es ein perfekter Abschlussfilm unter seiner Filmografie.





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