bekay sagte am 30. Juni 2011, 00:07:
Also: (1) Es ist verboten, andere zu verstehen.* (2) Andere interessierte Diskutanten sind für das empfundene Fehlverhalten eines Diskutants abzustrafen. (3) Argumente zuspitzen darf nur eine Person.
Notiert.
* Ein Missverstehen habe ich nicht beabsichtigt: Du betonst sehr stark die Plastizität als Wesensmerkmal von Film und hast m.E. deutlich gemacht, dass du meinst, diese sei mit Computereffekten nicht zu erreichen. Ein unintentionales Missverstehen meinerseits kannst nur du aus der Welt schaffen.
1) Nein, aber man darf sich ruhig etwas mehr anstrengen, das Missverstehen zu vermeiden. Du kennst mein altes FTB hier, vielleicht auch andere Texte von mir, insofern sollte dir klar sein, dass ich nicht CGI per se ablehne und es zahlreiche Filme mit Computerffekten gibt, die nicht nicht bloß "trotzdem" gut finde. Das einfach auszublenden, finde ich schon ziemlich ... frech.
2) Wieso strafe ich dich ab? Du antwortest auf meinen Beitrag, der in erster Linie eine Antwort auf Bastro und Johannes war, mit einem langen Sermon (und weiteren Einträgen), in dem du mir (mehr oder weniger) unterstellst, Kulturpessimist zu sein, eine unzulässige "wesenhafte Filmbestimmung" vorzunehmen, steile Thesen aufzustellen und einigen weiteren Blödsinn, der für mich den Eindruck erweckt, du wollest jede meiner (möglicherweise überspitzt formulierten Aussagen) so weit ins Extrem treiben, bis sie nichts mehr mit dem zu tun haben, was ich ursprünglich sagen wollte, damit ich möglichst doof dastehe. Wahrscheinlich ist das mein Fehler, weil ich ungenau war. Aber ich bin doch erstaunt, für wie blöd und verbohrt du mich tatsächlich zu halten scheinst.
3) Nein. Aber ich möchte dich mal darauf hinweisen, dass sich meine Formulierungen nicht auf eine Person, sondern auf eine Sache bezogen haben. Ist dir mal aufgefallen, dass deine gebetsmühlenartig wiederholten Lieblingsargumente von der unzulässigen Wesensbestimmung (oder an anderer Stelle der Intentionalität) gut dazu geeignet sind JEDE Form von Kritik im Keim zu ersticken? "Der Film xzy hat metergroße Logiklöcher." - "Wer sagt denn, dass Film keine haben dürfe?" - "Der Film xyz hat mich nicht berührt, weil ich die Charaktere ungalubwürdig fand." - "Wer will Film denn so weit einengen, dass Filmfiguren unbedingt glaubwürdig sein müssen?" - "Die Effekte sehen aus, wie in den Film gemalt, es findet keine spürbare Interaktion zwischen ihnen und den Schauspeilern statt." - "Das ist eben ein ästhetisches Mittel." Versteh mich nicht falsch: Alle diese Antworten KÖNNEN die richtige Reaktion auf diese Vorwürfe sein, aber sie sind es nicht per se. Es gilt, den Rahmen genauer zu bestimmen, so wie Johannes das getan hat. Allein daran, dass ich mich auf ihn bezog und ihm beigepflichtet habe, hättest du schon erkennen können, dass ich nicht der Meinung bin, CGI seien per se schlecht oder minderwertig, sondern dass ihre besonderen Eigenschaften von vielen Filmemachern nicht weiter berücksichtigt, sie einfach als gleichwertiger Ersatz für "handgemachte" Effekte verwendet werden. Und das funktioniert meiner Ansicht nach aus den genannten Gründen nicht. Du erwähnst richtigerweise, dass es visuelle Effekte schon immer gegeben hat (Film selbst ist ja nichts anderes als ein visueller Effekt). Aber dass eine Entwicklung stattgefunden hat, lag gewiss nicht daran, dass Kritiker mit dem Vorwurf, fortschrittsfeindlich zu sein, abgebügelt wurden, sondern daran, dass es Menschen gab, die das Optimum anstrebten und sich nicht aus nackter Fortschrittsbegeisterung mit dem abgefunden haben, was gerade da war.
Der Ausgang der Diskussion war eine Aussage Punis zu BRAIN DAMAGE, im weitesten Sinne ein Splatterfilm. Zwar beziehe ich mich nicht mehr ausdrücklich auf solche (auch wenn ich mit MACHETE ein eigentlich eindeutiges Beispiel heranziehe), aber in erster Linie ging es mir um solche. Im Splatterfilm geht es um Körperlichkeit (ich hoffe darauf können wir uns einigen und du wirfst mir nicht vor, den Splatterfilm unzulässigerweise zu limitieren), um eine gewisse Haptik, etwas Fühl- oder eher Anfass- und Greifbares. Ich habe noch keinen einzigen Splattereffekt aus dem Rechner gesehen, der etwa das, was Tom Savini in DAWN oder DAY OF THE DEAD oder selbst anatomisch weniger genaue Effekte, meinetwegen von Gianetto De Rossi, in seiner Wirkung übertroffen hätte (eine subjektive Einschätzung, sicherlich, aber eine, die ich begründen kann). Natürlich gibt es Beispiele für gelungene CGI-Splattereffekte, ich denke da an STARSHIP TROOPERS, die aber ganz anders geartet sind, weil sie nicht so sehr im Zentrum des Bildes stehen (etwa wenn die Soldaten von den Arachniden in der Luft zerrissen werden). Ich bezweifle auch, dass CGI in Splatterfilmen heute verwendet werden, weil man glaubt, sie seien besser: Sie sind einfacher zu produzieren (bedenke den DTV-Markt, auf dem es vor Billig-CGI-Tierhorrorfilmen nur so wimmelt), sehr wahrscheinlich billiger und vor allem - haha, Wortwitz - berechenbarer: Wenn einer nicht gut aussieht, ändert man einfach ein paar Parameter und fertig ist die Laube. Das funktioniert eben nicht, wenn man am Set mit Schauspielern und echtem Material arbeitet. Außerdem muss bei einem CGI-Effekt hinterher niemand den Dreck wegräumen - und ich wage auch zu behaupten, dass die Zensur/Freigabe Computereffekte eher durchwinkt, weil sie eben eine ganz andere visuelle Qualität haben, weniger materiell sind. (Weil sie eben schlicht immateriell sind. Das ist ein Fakt und keine Verbohrtheit meinerseits. Bedenke etwa, wie Gewalt anders bewertet wird, wenn sie in einem erkennbar fantastischen Rahmen und nicht in der "Realität" angesiedelt ist.)
Zu den Berührungen: Hast du BEOWULF gesehen? Es ist erstaunlich, wie Haut- und Haartexturen mittlerweile im Rechner simuliert werden können. Was aber noch nicht gelingt, ist spontan agierendes Leben zu simulieren. Wenn Beowulf sein Liebchen küsst und liebkost, sieht man einfach, dass keine Berührung stattfindet, die Hautoberflächen nicht dem Druck des anderen Körpers nachgeben, sondern einem Programm folgen. Das macht in Animationsfilmen, die einen cartoonesken Rahmen für ihre Geschichte aufbauen (Pixar, Dreamworks etc.), gar nichts, weil man dort akzeptiert, dass diese Welt nach anderen Gesetzen funktioniert und sie darin vor allem kohärent ist. In einem Film wie BEOWULF, der die Tatsache, dass er Animationsfilm ist, vergessen machen möchte, aber eben nicht. Da hatte ich im Kino tatsächlich Angst, dass der Liebe Gott ins Kino einen Blitz für diese Blasphemie und Hybris einschlagen lässt.
In deinem Schlägerei-Beispiel interpretierst du mein Argument zu eng. Auch wenn die Schauspieler sich nicht wirklich boxen, setzen sie doch ihren Körper ein, sie schwitzen, sie müssen sich konzentrieren, ihr Körper hat ein Gewicht, dass sie kontrollieren müssen, Gegenstände in ihre Umgebung werden von ihnen beeinflusst. Auch in einer punktgenau durchchoreografierten Schlägerei bleibt Raum für den Zufall und wenn das nur der Faltenwurf in der Kleidung des Stürzenden oder der Blick des innocent bystanders ist.
Vielleicht lässt sich das mit dem Vergleich Synchro/O-Ton vergleichen: Nimm das Geschrei von Marilyn Burns am Ende von TEXAS CHAINSAW MASSACRE. Sie wird nachts von Gunnar Hansen als Leatherface durch den Busch gehetzt. Sie schreit, ist außer Atem. Auch wenn sie weiß, dass sie in einem Film agiert, hört man ihr den Stress an, wie sie um Atem ringt, weil sie rennt, man hört ihre Belastung. Jetzt stell dir die Synchrosituation vor: Eine Sprecherin (idealerweise selbst Schauspielerin) muss dies in einem Tonstudio simulieren. Wenn sie gut ist, kann sie sich in die Lage versetzen und ihre Stimme entsprechend modulieren, den Stress "simulieren". Es bleibt aber simulierter Stress und die Verbindung zwischen ihrer Stimme und dem Körper im Film ist eine vermittelte.
EDIT: Denk daran, wei John Travolta in BLOW OUT den perfekten Schrei für einen Horrorfilm findet: Er muss auf einen echten Todesschrei warten.
Das ist ungefähr das, was ich mit der Spontaneität meine. Während echte Körper in Bewegung spontane, genuine Wirkungen erzeugen, die direkt mit der Bewegung zusammenhängen, spuckt der Computer das aus, was vorher eingegeben wurde. Die Wirkung ist nie unmittelbar.
EDIT 2: Du schriebst:
Zitat
The Redactedes Ausführungen sind allesamt für eine gewisse Art von Film richtig und interessant, aber man kann doch nicht generell sagen, dass FILM nur so funktionieren würde:
Ich schrieb:
Zitat
Ich glaube, man muss hier CGIs von CGIs unterscheiden.
Was ist daran eigentlich nicht klar gewesen?
Bearbeitet von The Redacted, 30. Juni 2011, 10:47.