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Neuschnees Filmtagebuch - Filmforen.de - Seite 2

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Neuschnees Filmtagebuch


81 Antworten in diesem Thema

#31 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:26

Michael Haneke – Caché ÖS/D/F/I 2005 (Auteil, Binoche)

Der Vorspann gefällt als einzige statische Einstellung mit fortlaufendem Buchstabenband, so dass die kompletten Credits nach und nach die gesamte Bildfläche ausfüllen. Diese erste Einstellung ist wiederum Bild im Bild, ein inhaltlich wie formal tragendes Element der Geschichte, ein Bild nämlich aus dem Video, das die beiden Protagonisten anonym geschickt bekommen haben und nun mit dem Zuschauer zusammen anschauen. Nachdem einige kommentierende Sätze aus dem Off zu hören sind – die Stimmen von Auteil und Binoche – wird auch schon das Video vor- und zurückgespult, das Kinobild wird als „Fiktion“ entlarvt, es ist also nicht Filmbild, sondern Videobild innerhalb der Filmfiktion.
Mit dieser Unentschiedenheit der Bilder, die auf diese Verunsicherung des Zuschauers direkt zu Beginn folgt, spielt Haneke auch weiterhin in diesem Film: Wann betrachten wir gemeinsam mit den Filmfiguren ein Video, wann beobachten wir das ganze Filmgeschehen aus unserer „wahrhaftigeren“ Zuschauerperspektive? So wird beim Zuschauer eine latent unruhige Atmosphäre erzeugt, er muss beständig die Zugehörigkeit der Bilder und die Zuverlässigkeit seiner Perspektive hinterfragen.
Diese Publikumsverunsicherung durch mediale Unzuverlässigkeit ist sicherlich nicht von Haneke erfunden worden, doch variiert und perfektioniert er diesen „Stil“ nun schon seit etlichen Jahren, erstmals mit Der siebente Kontinent und Bennys Video, den ersten Höhepunkt in Funny Games findend. In den flirrenden Film Caché bricht im letzten Drittel ein Akt von Brutalität, gleichsam als Einbruch der Realität in die filmische Fiktionswelt. Durch die Möglichkeit der Revision der Bilder, indem der Zuschauer sie immer wieder verschiedenen Ebenen zu ordnen muss, also durch die Unentschiedenheit der Bilder, ihr Vagabundieren zwischen den einzelnen Fiktionsebenen (Video, Traum, Filmrealität, Rückblende) und den dramaturgisch konsequenten Aufbau der Spannung durch Verzögerung der Klimax und Katharsis trifft dieser Schockmoment den Zuschauer fast völlig unvorbereitet, schutzlos und schmerzhaft. Diametral zu Funny Games, in dem die mediale Verunsicherung erst nachdem die Gewaltspirale schon die Schmerzgrenze überschritten hat eingesetzt wird (und so einen Moment der Erlösung vorgaukelt), wird hier der Zuschauer vom ersten Bild an die „Unentschiedenheit“ der Bilder gewöhnt, so dass der Einbruch einer „absoluten Entschiedenheit“ ihn besonders hart trifft.

#32 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:27

Fritz Lang – M- Eine Stadt sucht einen Mörder D 1930 (Lorre, Gründgens, Lingen)

Was überrascht sind in der Razzia-Szene der „freche“ Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit (die man wenn überhaupt so eher in den späten Sechzigern vermutet hätte) und die radikale Systemkritik durch Gleichsetzung von Polizei und Verbrechern. Besonders beeindruckend natürlich die Sequenz in der Fabrikhalle: das Tribunal mit den Verbrechern und dem „normalen Volk“ als faschistoide Ankläger und Lorre als bemitleidenswerte Kreatur, für die als Kindermörder der Zuschauer zuvor nur Abscheu aufbringen konnte. Lorre spielt fantastisch, die Verteidigung durch den eigentlich unwilligen Advokaten ist erstaunlich aufgeklärt und humanistisch.
Toller Film, der das Individuum gegenüber der Institution und der Masse, das Menschenrecht vor rassistisch-faschistischer Lynchjustiz verteidigt, die moderne, humane Psychologie propagiert und so in der Verbrechergruppe die Nazimentaliät spiegelt und sich ihr entgegen stellt. Mutig.

#33 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:29

Oskar Roehler – Elementarteilchen D 2005

Einzig Ochsenknecht weiß in seiner kleinen Gastrolle zu überzeugen, die nicht vorhandene Gesichtsmaske lässt eine großartige Altschauspielervisage erahnen, die Reduziertheit seines Spiels ist brutal, das ganze ist gepaart mit viel Lebensweisheit. Dieser Auftritt lässt hoffen, endlich einen würdigen George-Nachfolger im deutschen Fernsehspiel zu haben. Ansonsten lässt sich Martina Gedeck für ihr sympathisches Wesen danken, die anderen Schauspieler (ein enttäuschender Ulmen, ebenso Potente, recht passabel ausnahmsweise Bleibtreu) hätte man sich sparen können.
Etwas über die Umsetzung der Vorlage von Houellebecq zu sagen, erübrigt sich. Das ganze ist von Eichinger und Oliver Berben sehr auf internationalen (europäischen) Standard hin produziert mitsamt Arthouse-Musik, die sich wie ein Michael Nyman-/ Philip Glass -Verschnitt anhört und von schmissigen Hippie-Popstücken unterbrochen wird.

#34 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:30

Charlie Chaplin – The circus USA 1928

Neben den bekannten Nummern und Slapstick–Einlagen (Chaplin als Seiltänzer, im Löwen-Käfig) sind besonders einige eher leise Szenen besonders schön. So stellt sich z.B. eine berückend natürliche Atmosphäre ein, wenn Chaplin die hungrige Zirkusdirektortochter ermahnt, nicht so schnell zu essen und er dabei plötzlich wie ein ernsthafter, junger Mann wirkt, der sich um ein Mädchen sorgt. Oder wenn er davon träumt, seinen Rivalen umzuhauen, um einmal im Leben über die Starken und Schönen zu siegen. In the circus gehört nicht zu den besten Chaplins, ist aber allemal ein sehr schöner und lustiger Film, den man ebenso gesehen haben muss, wie alle anderen Chaplin-Filme auch.

#35 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:32

Wes Anderson – The Life Aquatic with Steve Zissou (Die Tiefseetaucher) USA 2004 (Bill Murray, Angelica Huston, Cate Blanchett, Willem Dafoe)

Hommage an Cousteau und gleichzeitig Persiflage seiner Abenteuer-Doku-Filme. Trotz wirrer Dramaturgie und mittelprächtiger Story ist der Film ein großer Spass (tolle rote Mützen, Querschnitt durchs Expeditionsschiff ist sehr schön (erinnert irgendwie an Was-ist-Was-Illustrationen o.ä.)). Jeff Goldblum ist als narzistischer Widersacher und Konkurrent gut (auch wenn hier ein Schwulenklischee ein wenig überstrapaziert wird), Bill Murray zeigt sich in Hochform beim Durchnagen der Handfesseln.

#36 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:35

Thomas Vinterberg – Dear Wendy Denmark 2005

Film über Macht und Mythos der Waffen und damit über Amerika. Wirkt wie ein Kammerspiel, Vinterberg gewährt selten dem Zuschauer Totalen oder Aufsichten, das meiste spielt sich in Innenräumen von Wohnhäusern und Ladenlokalen oder der unterirdischen Bergbauanlage ab. Außenaufnahmen zumeist im Dunkeln, nur der zentrale Platz des namenlosen (?) Ortes, der irgendwo in Amerika liegt, der „Electric (?) Place/Park“ wird am Tage (und auch ab und an von oben) gezeigt.
Der Protagonist, ein junger und introvertierter Mann, weigert sich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Bergbauarbeiter zu werden. Adressat der aus dem Off von dem Protagonisten als Brief erzählten Geschichte ist eine Pistole namens „Wendy“. Diese Pistole erwarb er - im Irrglauben, dass es sich dabei um eine Spielzeugpistole handelt - als Geburtstagsgeschenk für einen Nachbarsjungen. Als er diese aber doch nicht verschenkt und von einem Freund erfährt, dass sie eine scharfe Waffe ist und von dem waffenkundigen Außenseiter in die Schiesskunst eingewiesen wird, erwacht sein Interesse. Die respekteinflößende Macht einer Schiesswaffe stärkt sein Selbstvertrauen und er versammelt die „Loser“ des Ortes um sich und gründet einen Geheimclub mit dem Namen „Dandies“. Der Waffenbesitz wird konstitutives Moment der Gruppe, eine kultische Verehrung und Personalisierung (durch Namensgebung) der Waffe und der Schwur, sie nie einzusetzen, sind die Regeln des Clubs. Ein „Pfadfinderdienst“ der Gruppe eskaliert dann natürlich in einer Gewaltorgie.
Vinterberg behauptet mit dieser einfachen Geschichte, dass der Besitz einer Waffe und der scheinbar daraus resultierenden Selbstwertsteigerung zwangsläufig zu einem Gewaltakt führen muss – trotz der intellektuellen und pazifistischen Grundeinstellung der Protagonisten. Nur der junge Mann, der bereits einen Menschen erschossen hat und in einer resozialisierenden Maßnahme in die Obhut des vermeintlich integeren und moralisch gefestigten Hauptprotagonisten gestellt wird, scheint verstanden zu haben, dass Waffen auch benutzt werden, wenn sie einmal da sind. Wenn man da Illusionen gehabt hat, dann ist der Film wohl desillusionierend.
Das ganze hat was von Gangfilmen wie den „Warriors“, ist zeitlich bewusst unbestimmt gehalten (so wirken die Protagonisten besonders in ihrer Dandy/ie-Tracht antiquiert zwsch. Cowboy und Hippie, die Kleinstadt wirkt wie in den Fünfzigern stehen geblieben, die Musik (Zombies u.a.) ist aus den Sechzigern, nur die Staatsmacht (die Polizei) und der jugendliche Delinquent stammen erkennbar aus der Gegenwart.

#37 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:37

May Spils – Zur Sache, Schätzchen BRD 1967 (Werner Enke, Uschi Glas)

Die Kritik vorweg: Die für die bundesrepublikanische Komödie der Sechziger und Siebziger so typische biedere Schlüpfrigkeit ist auch in Spils Film vorhanden. Der Sexismus wird aber auch als solcher ausgestellt, die männlichen Figuren sind ambivalent angelegt, selbst der sympathische Enke ist in seinem Umgang mit Frauen zuweilen etwas widerwärtig. Die Frauenfiguren sind hingegen leider etwas zu stereotyp, nur die Glas wirkt überlegen.
Aber der Film strahlt eine sonst im deutschen Kino schmerzlich vermisste Selbstironie und Leichtigkeit aus, die Gesangs- und Accordeon-Einlage von dem alten Lüstling Bock ist großartig (man beachte das ausgereifte Spiel seiner Mimik!), Uschi Glas ist richtig nett und hat ein riesiges Dekoltée, der Freddy Quinn-Verschnitt schmierig wie nett, das ganze wirkt manchmal ein bisschen wie A bout de souffle auf deutsch (siehe auch dass Ende, das an Belmondos Abgang erinnert) und zeigt, dass auch in Deutschland jenseits der schweren Autorenkost unverkrampfte und unpeinliche Filme gemacht werden konnten. Ein in der deutschen Filmgeschichte zu wenig gewürdigter Film, zumal es sich ja hier um eine Regisseurin in der doch neben Trotta & Co. an Frauen recht armen deutschen Filmlandschaft (oder liegt das eben an der Filmgeschichtsschreibung?) der Sechziger und Siebziger handelt. Am Schluss ist man richtig enttäuscht, dass der Film schon zu Ende ist. Werner Enke und seine Sprüche („Das wird alles ein böses Ende nehmen!“) sind wirklich grandios.

#38 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:40

Billy Wilder – One, two, three (Eins, zwei, drei) USA 1961

Sehr interessante, weil ambivalente Screw-Ball-Komödie von Wilder, die man zunächst rein äußerlich zu Hollywoods anti-kommunistischen Propaganda-Filmen rechnen könnte. James Cagneys kapitalistisch-pragmatisch-individualistisch-egozentrischer Charakter kommt nicht gut weg, Horst Buchholz` naiv-idealistischer wird zwar sympathisch gezeichnet, wird aber zum Schluss doch korrumpiert (ähnlich zu Lubitschs Ninotschka, ohne jedoch die gleiche Überzeugung wie bei der Garbo zu leisten). Letztlich kommen beide Seiten nicht gut weg, genauso wenig wie die Deutschen in der Coca-Cola-Niederlassung West-Berlins (allen voran der großartige Hanns Lothar mit Hackenschlag) oder die ohnehin geheim-kapitalistisch-denkenden Sowjets. Transportiert abgesehen von diesen mutig-provozierenden Indifferenzen natürlich altertümliche Frauenbilder (Lilo Pulver darf sich für die kapitalistische Sache ein wenig prostituieren), vielleicht handelt es sich dabei aber auch um Wildersche Ironie. War wohl, wie mir erzählt wurde, zunächst verboten.

#39 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:41

Fulvio Bernasconi – La Diga (Der Damm des Teufels) SUI 2003

Nach zwei kurzen Anfangssequenzen beginnt der eigentliche Vorspann: Die Kamera zeigt aus der Vogelperspektive einen Wagen, der in den Bergen auf einer Serpentinenstrasse kurvt, dazu ein sehr unheilvoller Score - eine sehr stark an Kubricks The shining angelehnte Anfangs-Sequenz. Dann Schnitt in das Wageninnere, wo Mutter und achtjährige Tochter sich Lieder gegenseitig vorsingen und raten um welche es sich handelt – eine Szene, die an Hanekes Anfangssequenz von Funny Games erinnert. Shining bleibt Bezugspunkt (shine, Zwillingsmädchen etc.), hinzu tritt, was besonders die Kameraästhetik und auch die Geschichte anbelangt, Lars von Triers Serie The kingdom.
Dabei wirkt der Film immer als Film aus der Fan-Perspektive, die Anleihen und Zitate sind zu deutlich (achja, Blair Witch Project-Schamanismus-Mystery ist auch a bisserl dabei), das Ganze könnte – ohne die Regeln einzuhalten (aber wer hat das schon) – ein Dogma-Film der späten oder mittleren Neunziger sein. Er schafft es nicht wirklich eigenständig zu wirken.
Nichtsdestotrotz ein ganz netter Film, zumal es sich um Bernasconis Spielfilm-Debüt handelt (etwas wirklich interessantes erwartet man aber nicht von diesem Regisseur). Eine einigermaßen vielversprechende Hauptdarstellerin (Giorgia Senesi).

#40 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:43

Thomas Wartmann – Between the lines D/IND 2005 (Laxmi, Rhamba, Asha, Anita Khemka)

Sehr guter Dokumentarfilm über die sogenannten Hijras – eine Außenseiter-„Kaste" der indischen Gesellschaft, bestehend aus zumeist unfruchtbaren Männern, die sich häufig kastrieren lassen oder kastriert wurden. Inwieweit es sich im wesentlichen um Hermaphroditen, Transsexuelle oder „nur" Transvestiten handelt, ist nicht klar. Die Hijra-Kaste scheint ein Sammelbecken für viele gesellschaftlich nicht akzeptierte Sexualitäten zu sein, die Hijras begreifen sich selbst als drittes Geschlecht, weder Mann noch Frau.
Die indische Fotografin Anita Khemka begleitet in Bombay drei Hijras in ihrem Alltag, konfrontiert sie mit ungemein offenen Fragen zu ihrem familiären Hintergrund, zu Prostitution und Sexualität. Asha wird beispielsweise von Anita auf offener Strasse gefragt, wie er/sie denn pinkeln würde, wie eine Frau oder wie ein Mann und erhält zur Antwort, dass sie natürlich wie eine Frau durch ihre nicht wesentlich als ein Streichholzkopf-große Öffnung urinieren würde. Die durch gender-Theorie bedingte Offenheit Khemkas steht einer extrovertierten Offenheit der Hijras gegenüber, die den Zuschauer verblüfft zurück lässt. Alle vier Protagonisten sind unheimlich sympathisch, Riedelsheimer (Rivers and Tides) stand hinter der Kamera.

#41 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:44

Jean Genet – Un chant d'armour F 1950

Der sehr schön in S/W photographierte, von der Ästhetik an Cocteau erinnernder Kurzfilm,ist der einzige von Genet realisierte Film. Ein Verbot wg. Pornographie und Darstellung der Staatsgewalt (sadistische Gefängnis-Wärter) führte dazu, dass der Film erst Ende Sechziger auf einem New Yorker Filmfestival von Jonas Mekas öffentlich aufgeführt wurde (Polizei unterbrach wohl die Vorstellung und verhaftete Mekas).
Sexuelle Begierde und Sehnsucht nach Zärtlichkeit zweier schwuler Häftlinge und ihre Annäherungsversuche inklusiver sadistischer Strafaktionen durch den Wärter sind Inhalt des Films. Bilder bleiben haften.

#42 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:46

Pier Paolo Pasolini – Il Vangelo secondo matteo / Das 2. Evangelium – Matthäus I 1964

Ein faszinierend schwebender Film mit einem großartigen Jesus-Darsteller, besonders dessen Rede-Sequenzen begeistern.
Hier geht für mich (erstmals in Gänze) Pasolinis Konzept von Neo-Realismus inkl. Laiendarstellern und improvisierter Kameraführung auf – der Film wirkt irgendwie seltsam authentisch. Im Übrigen verwendete Pasolini kein Drehbuch sondern folgte „einfach“ der Bibeldarstellung. Guter Film.

#43 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:47

Wieland Speck – Westler BRD 1985

Sehr charmante schwule Liebesgeschichte zwischen einem Ostler und einem Westler in Berlin zu Zeiten der Mauer. Die Szenen in Ostberlin wurden mit versteckter Kamera gedreht, da das Team keine Drehgenehmigung bekam – diese mit anderem Filmmaterial gedrehten Sequenzen unterscheiden (ungewollt) auch in bildtechnischer Hinsicht Ost und West. Die Darsteller wirken sehr natürlich, der ganze Film ist sehr unverkrampft und auch heute noch frisch; angenehm dass die Problematik der Geschichte nicht direkt mit der Homosexualität der Protagonisten zu tun hat – letztlich einfach ein schöner Liebesfilm.

#44 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:49

Michel Gondry - Science of sleep F 2006

Netter Film, dessen visuelle Einfälle wie z.B. die Animationssequenzen gefallen. Die Traumsequenzen hingegen (u.a. die Kochsendung, die Rächer-Szene im Werbebüro) sind leider etwas flach, man merkt dass der Trickser Gondry die durchaus nette Geschichte zu häufig als Vehikel für seine SFX-Einfälle missbraucht - er bleibt eben der hyperkreative Clip-Regisseur, der seine Filme mit Visuellem überfrachtet und dabei Dramaturgie etc. aus dem Auge verliert; die Zeitmaschine, die nur jeweils eine Sekunde in die Vergangenheit bzw. in die Zukunft springen kann, ist nett, aber auch an dieser Idee und ihrem Einsatz zeigt sich das Problem des Films: die Überdrehtheit schwankt immer zwischen charmant und zu albern. Die Liebesgeschichte und die Thematik des Lebens im Traum (und vice versa) sind schön. Wie sein Kollege Spike Jonze tut sich Gondry mit der Film-Narration schwer, überzeugt aber zuletzt doch durch seine überdreht-naive Art Filme zu machen.

#45 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:53

Ulrike Ottinger – Die Betörung der blauen Matrosen BRD 1975
Schön schrecklicher Film, der 75/76 im Nachtprogramm zusammen mit Smith's Pink Flamingos und Angers Fireworks (als Matrosen-Film-Reihe) lief, erinnert in seinen guten Momenten entfernt an Maya Deren; mit balinesischer Musik; Gute Ton-Bild-Korrespondenz (nachvertont) (FFF Köln 2007)

Rosa von Praunheim – Die Bettwurst BRD 1970
Beim zweiten Mal fällt auf, dass der Film bei aller Improvisation und Trash-Ästhetik doch ziemlich durchdacht und durchkonstruiert ist, tolle Macbeth-Reziation.

James Bigood (Anonymous) – Pink Narcissus USA 1971
schöne Stoffblumenanimation

Mike Kuchar – The sins of the fleshapoids
USA 1965
Charmanter Camp à la Bigood oder Waters

John Donne - Alice in Acidland USA 1968
Sexploitation als Antidrogen-Lehrfilm (Off-Kommentar) mit Psychedelic-Jazz und psychedelischen Schluss. Mit Alice in Wonderland nicht so viele Anknüpfungspunkte.

#46 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:54

John Maybury – Love is the devil UK 1998 (Derek Jacobi, Daniel Craig)

Biopic über Francis Bacon und seine Beziehung zu dem Kleinkriminellen George Dyer in den 60ern kurz nach seinem Durchbruch. Durch verschiedene optische Verfremdungen versucht die Kamera Bacons Bilder filmisch nachzuvollziehen – so die häufigen verzerrten Aufnahmen, die durch Gläser, Flaschen etc. gedreht wurden; diese Ästhetik nervt ausgesprochen auf Dauer, auch wenn man sie als inhaltlich zusätzlich durch die psychotischen Anwandlungen Bacons motiviert sieht. Ansonsten typisch britisches Kammer-Fernseh-Spiel der 90er. Bacons Person und Lebensgeschichte scheinen einem Klischee entsprungen. Schade, mit den Schauspielern hätte man einen wirklich guten Film machen können.

#47 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:56

Douglas Sirk – Written on the wind USA 1956 (Rock Hudson, Lauren Bacall, Robert Stack, Dorothy Malone)

Die narrative Struktur ist interessant: Das Ende wird zuerst erzählt, so also die Katastrophe vorweggenommen, die eigentliche Geschichte dann in einer Rückblende erzählt – das Ende schließt wieder an die Anfangssequenz zu einem Rondo. Beginnt die Geschichte nun wieder von vorn?! Hudson wirkt ein wenig wie unter Cortison. Guter Film Noir in Technicolor.

#48 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:57

Mitsuru Keike - Hatsujô kateikyôshi: sensei no aijiru (The Glamorous Life of Sachiko Hanai ) J 2003

Obskurer „Pink"-Film (=japanischer Softcore) um eine Prostituierte, die von dem diabolischen Klonfinger George W. Bushs „in Besitz" genommen wird und die post mortem Abenteuerliches erlebt. Es wird während der Soft-Porno-Sequenzen viel von Noam Chomsky gesprochen, gegengeschnitten sind Doku-Szenen vom militärischen Manövern etc. Ziemlich verblüffend das ganze.

#49 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:58

Billy Wilder – Sunset Boulevard USA 1950 (William Holden, Gloria Swanson, Erich von Stroheim, Cecil B. deMille, Buster Keaton)

Gloria Swanson ist großartig, von Stroheim spielt wunderbar den devoten Hausdiener und ehemaligen Ehemann und Regisseur von Norma Desmond. Der Erzähler- Protagonist (Holden) erzählt die Geschichte beginnend mit seinem eigenen gewaltsamen Tod, tolles Setting in der Desmond-Villa, Psycho-Pic über das Scheitern eines Stummfilmstars. Ein Wilder-Noir.

#50 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:17

Mania Akbari – 20 angshot / 20 Fingers IRAN 2004 (Akbari, Bijan Daneshmand)

Ein großartiger Film der jungen iranischen Regisseurin und Schauspielerin Mania Akbari, der hoffentlich einen Verleih findet. Es wird die Geschichte eines jungen Paares in Teheran erzählt. Der Film ist im Wesentlichen in Nahaufnahmen gedreht, erinnert so an Dreyer und auch an Cassavetes, großartige Kamerafahrt in der 3. Sequenz. (35. Festival International du Film de La Rochelle 2007)

#51 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:21

Germaine Dulac – La souriante Madame Beudet / Madame Beudets sonniges Lächeln F 1923
Ein erstaunlich fortschrittlicher Film über eine Frau und ihre Mordphantasien, erzählt mit avantgardistischen Mitteln.

Frank Tuttle – Love'em and leave'em / Das Party Girl USA 1926
Eine hübsche Komödie aus dem „Schaufenstergestalter-Milieu“ (Angestellte vs. Künstler) mit Louise Brooks

Guy Debord – Réfutation de tous les jugements, tant élogieux qu'hostiles, qui ont été jusqu'ici portés sur le film 'La société du spectacle' F 1975

Guy Debord – Hurlements en faveur de Sade F 1952
Ein weißes Bild, es werden Artikel verlesen, u.a. „La cinema est mort“.

Bruce Nauman – Torture of a clown USA 1987 /Feed me USA 1993
(Ausschnitte aus den Installationen) Der schreiende Clown setzt einem zu.

Nash Edgerton – Spider AUS 2007 9 `
Eine feinfühlige und nuancierte Inszenierung eines Beziehungsmomentes ist hier gepaart mit brutalem Schockhumor. Gut bis unentschieden.

#52 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:23

Claude Sautet – Les choses de la vie / Die Dinge des Lebens F/I/SUI 1970 (Romy & Michel, Léa Massari)

Der Film ist natürlich unheimlich sentimental, très francais, ziemlich verraucht und verkörpert exemplarisch viel Lächerliches was den französischen Film ausmacht (touristisches Inventar, Franzosenkitsch), aber er ist auch sehr schön und berückend. Piccolis Weg ins Jenseits überzeugt und der Film schafft es das schwierige Thema existenziell zu fassen.

#53 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:25

Vera Chytilová – Sedmikrasky / Tausendschönchen CSSR 1966 (Ivana Karbanová, Jitka Cerhová )
Schöner Film, tolles production design, kubistisches Gemetzel, ästhetisch auch heute noch innovativ

Chris Marker – La Jetée F 1963
Großartig. Fantastisch die „bewegte“ Sequenz mit schlafender Frau inmitten der statischen Bilder. Wiedergeburt des Kinos.

Jean-Luc Godard (Dziga Vertov Group) – Ici et ailleurs F 1976
Gleichermaßen erhellend wie langweilig. Die Betrachtung / Verarbeitung der Nah-Ost-Problematik ist zeitlos und deswegen aktuell. Relativ simple Message transportiert via Kunstfilm.

Robert Bresson – Au Hasard Balthazar F/S 1966
Passionsgeschichte eines Esels, sehr spröder und trauriger Film. Sehr schwedisch, ein wenig surreal, seltsam distanziert.

#54 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:35

Miklós Jancsó – Csillagosok, katonák / The Red and the White HUNG/SU 1967

Einer der besten Anti-Kriegsfilme, unglaublich bittere Auseinandersetzung mit den Grausamkeiten des Krieges. Ungarische Kommunisten im Kampf mit den Bolschewiki gegen die Zarentreuen Weißen. In der häßlichen Fratze des Krieges verschwimmen Gut und Böse, jede positiv eingeführte Identifaktionsfigur wird demontiert, die Macht und die Ausnahmesituation entfalten ihre Kraft. Die verrohende Auswirkung von Krieg auf das Individuum wird in Jancsós Film sehr präzise - wie sonst selten - dargestellt . No more heroes!

#55 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:37

Alexander Kluge – Abschied von gestern D 1966
Ein sehr guter Film, die deutsche Nana S.-Geschichte, aber trotzdem sehr eigenständig, begeisternd.

Alexander Kluge – Gelegenheitsarbeit einer Sklavin D 1973
Fantastischer Film – so poetisch, humorvoll, sexy und unterhaltsam kann ein Essay-Film sein.

Alexander Kluge – Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos D 1968
Guter Film, der Essay tritt vor den Spielfilm, kurz Jürgen Becker im Bild (Gruppe 47)

Alexander Kluge – In Gefahr und größter Noth bringt der Mittelweg den Tod D 1974
gut

#56 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:39

Fatih Akin – Auf der anderen Seite D 2007
Akin ist wieder ein guter Film gelungen, aber sein Vokabular ist jetzt ausformuliert, das Rohe ist endgültig weg.

Ann-Kristin Reyels – Jagdhunde D 2007 (Josef Hader)
Der (Debut-) Film ist eigentlich ganz nett, aber letztlich doch nur Mittelmaß. Der Schluss verärgert sogar; das ganze wirkt einige Male wie ein Musikvideo und zudem strahlt diese typisch deutsche Sentimental-Metaphysik á la Absolute Giganten durch.

Todd Haynes – I'm not there USA 2007
Die Idee ist im Prinzip gut, der Film relativ langweilig.

Julian Schnabel – Schmetterling und Taucherglocke F 2006
Eine berückende Geschichte (was sonst) und ein eher enttäuschender Film, außer der point-of-view-Kamera-Erzählweise/ subjektiven Kamera des Anfangsdrittels ziemlich konventionelles Arthouse

Pierre Morel – Banlieue 13 F 2004
Ein gut gemachter Actionfilm auf internationalem Niveau mit politisch gemeinter, sozialkritischer Stoßrichtung (noch vor Sarkozys Kärcher-Eklat). Wirklich Spaß machen aber nur zwei Szenen, in denen Traceur-Star David Belle zeigt, was er kann.

Bettina Blümner – Prinzessinnenbad D 2007 gut

Aki Kaurismäki – Lichter der Vorstadt F 2006
Ein schwacher Kaurismäki, Liebesgeschichte ein wenig an „North by Northwest“ angelehnt, die starke Farbigkeit überrascht

#57 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:40

Werner Herzog – Rescue Dawn USA 2006

Herzog schielt auf die Oscars. Erstaunlich konventionelles Genre-Kino, die ungebrochene Heldenerzählung verärgert, die Vietnamesen sind allesamt unmenschliche Bestien, der deutschstämmige Protagonist brilliert mit den urdeutschen Skills der Uhrmacherei (Umgang mit Feininstrumenten) und des unbeugbaren Willens. Beeindruckend der Torture Garden des laotisch-vietnamesischen Dschungels und der Diäterfolg Christian Bales. Ein Bruch mit (m)einer Erwartung.

#58 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:41

Pier Paolo Pasolini – Teorema I 1968

Zum zweiten Mal; der Score ist interessant eingesetzt, z.T. kontradiktorisch zum Bild; eine Frage taucht zum ersten Mal bei einem Pasolini-Film auf: Vielleicht steckt da doch irgendwo Humor drin? Ist Pasolini-Land doch nicht ironie-frei?! Seine Phallus-Ikonographie wird er aber im jeden Fall ernst gemeint haben; Beim ersten Mal viel schon auf, wie antonioniesk Teorema fotographiert ist: Strenge Symmetrie, starke formale Gestaltung der Bildkadrierung, sehr überlegte und choreographierte Kamerabewegungen – alles sehr wenig Pasolini, es steht ihm aber gut.

#59 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:44

Lisandro Alonso – Los Muertos ARG 2004 (Argentino Vargas)
Ein erstaunlicher, sehr guter Film – eine Art „Dokufiction“ mit unglaublicher Ruhe und Authentizität, so noch nicht gesehen. Sehr gute „Nicht-“ Kameraarbeit / „Nicht-“ Inszenierung.

Matthew Barney – Drawing Restraint 9 USA/J 2005
Der neue Barney ist gleichermaßen faszinierend wie nervtötend. Langsam vermisse ich den Humor bei ihm. Oder ich versteh ihn einfach nicht.

Viking Eggeling – Symphonische Diagonale D 1924

Fernand Léger/ Dudley Murphy - Ballet Mécanique F 1923/24

Hans Richter – Film ist Rhythmus D 1921-23

René Clair – Entr'acte F 1924 zum 2. Mal, wunderbar

Walter Ruttmann – Opus 2,3,4 D 1921/24/25 besonders Opus 3 und 4 großartig

Ludwig Hirschfeld-Mack – Reflektorische Farbenlichtspiele: Sonate und Kreuzspiel D 1922/23

#60 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 15:45

Agnès Varda – Cléo de 5 à 7 F 1962

Auch wenn das gängige Kriterium (dass der Debütfilm zwsch. 1958-60 entstand) nicht erfüllt ist, gehören Agnès Vardas frühe Filme stilistisch definitiv zur Nouvelle Vague. Dieser zweite Spielfilm ist mehr oder minder ein Echt-Zeit-Film, der seine Protagonistin zwei Stunden durch Paris begleitet.
Er beginnt mit einem ästhetisch gelungenen Vorspann: Aus der Aufsicht gefilmt sehen wir die Hände zweier Frauen, die auf einem Tisch Tarot-Karten legen. Aus dem Off hören wir ihre Stimmen, die der Kartenlegerin und Handleserin und die der Protagonistin Cléo. Sowohl Karten als auch Lebenslinie verraten nichts Gutes, Cléo wird gar ein baldiger Tod prophezeit. Auf einem Tisch im Hintergrund steht eine kleine Uhr, die ungefähr fünf nach fünf zeigt. Aufgelöst verlässt sie die Wahrsagerin und läuft durch Paris, nun vollends davon überzeugt, dass der ärztliche Befund auf den sie wartet, ihr den befürchteten Krebs diagnostizieren wird.
Bemerkenswert ist hier der Wechsel zwischen Farbe und S/W: die Aufsichten beim Tarot sind in Farbe, alle anderen (und im Übrigen der Rest des Films) in S/W gedreht. Warum der Film derart verfremdet beginnt und ein weiterer Wechsel nicht mehr stattfindet, bleibt rätselhaft. Die Verfremdung korrespondiert aber zumindest mit der surrealistisch-mystischen Einfärbung des Films: die vielen Spiegel, die immer wieder scheinbar zufällig im Bild auftauchen und Todes-Symbolik à la Cocteau oder Deren assoziieren lassen (s. auch die explizite Deutung Clèos des zerbrochenen Spiegels); die Unheil evozierenden afrikanischen oder ozeanischen Masken in den Schaufensterauslagen; die Passanten, die Clèo wie eine Ausgewählte oder auch Aussätzige anstarren; die Nebengespräche, ob im Café oder auf der Strasse, die plötzlich in den Vordergrund treten, und man die Sprechenden im Bild erst suchen muss, bevor die Kamera schon weitergezogen ist; auch die Uhren, die zumindest zweimal im Bild ebenfalls scheinbar zufällig zu sehen sind und das unaufhaltsame Fortschreiten der Zeit (Cléos Zeit) anzeigen, lassen sich mit dem Wechsel in Verbindung bringen. Ein Deutungsmöglichkeit wäre ein objektiver Beginn in Farbe (Schicksalsverkündung) und ein subjektiver weiterer Verlauf (der subjektiv empfundene Schicksalsverlauf, schwankend zwsch. Fatalismus und Hoffnung) in S/W.
Cléo, die eine erfolgreiche Sängerin zu sein scheint, läuft also durch Paris, passiert verschiedene Stationen (der Film ist in Kapitel eingeteilt, benannt nach Protagonist und Uhrzeit); zunächst im Café und einem Hutgeschäft mit ihrer Freundin und Haushälterin, dann zu Hause, wo sie von ihrem Komponisten (Michel Legrand) und ihrem Texter besucht wird. Später fährt sie mit einer Freundin, die als Akt-Modell in einem Bildhauerkurs arbeitet, zu einem Kino, in dem sie sich durch den Vorführ-Raum einen Stummfilm anschauen. Nachdem ihre Freundin sich verabschiedet hat, fährt sie weiter mit einem Taxi in die Tuillierien, wo ihr ein junger Soldat begegnet, mit dem sie ins Hospital fährt, um den Arzt aufzusuchen und die Diagnose entgegen zu nehmen.
Dieser Streifzug durch Paris ist fantastisch gefilmt, besonders die Kamerafahrten sind bemerkenswert – wie Cléo in Dorothées (Dorothée Blank, dem Aktmodell) Wagen, dem Taxi und dem Autobus durch die Kamera begleitet wird, ist zum Teil wirklich grandios. Auf der Fahrt mit dem Bus zum Krankenhaus wird beispielsweise der Transport eines Neugeborenen in einem Brutkasten über die Strasse eingefangen, ein Schwenk aus dem Bus heraus und wieder zurück, ganz ohne Schnitt. Auch inhaltlich überzeugt diese Szene, die den Bewußtseinswandel Cléos, der mit der Begegnung mit dem Soldaten (Antoine Boursellier, wunderbarer Schauspieler) ausgelöst wird, mit einer symbolischen Aufladung (das Neugeborene als Neuanfang während sie zu ihrer Krebsdiagnose fährt) unterstreicht. Am Ende steht also trotz der all ihre Ängste bestätigenden Diagnose Hoffnung und ein möglicher Neuanfang. Zwischen Cléo und dem an einen melancholischen Clown erinnerenden Soldaten scheint kurz so etwas wie eine beginndende Liebensbeziehung aufzublitzen – im Schlussblack vermutet man sogar einen möglichen Kuss der beiden.
Interessant ist auch der Film-im-Film (der Stummfilm): In ihm treten u.a. Anna Karina, Godard, Eddie Constantine, Georges de Beauregard, Jean-Claude Brialy und Sami Frey auf. Wenn mich nicht alles täuscht spielt Godard einen jungen Mann, der sich auf einer Brücke von seiner Geliebten verabschiedet. Die Anna genannte Geliebte verdoppelt sich aber urplötzlich, ist in zweifacher Gestalt vorhanden, eine schwarze und eine weiße Anna. Die schwarze Anna verunglückt auf recht seltsame Weise, der junge Mann kann ihren Abtransport durch eine Leichenwagen nicht mehr verhindern. Der weißen Anna (Anna Karina) scheint spiegelbildlich im direkten Anschluß ein ähnliches Unglück auf der anderen Seite des Flusses zu ereilen, hier schafft es der Mann aber sie aus den Fängen des Todes zu befreien. Der Film schließt mit einem Happy-End und einem Kuss des Paares auf der Brücke.
Die Stummfilm-Geschichte (die im Übrigen auch an René Clairs Entr`acte erinnert) scheint die Geschichte Cléos aufzugreifen und gleichzeitig vorwegzunehmen. Die Beziehung Cléos zu einem blasierten Arzt (kurz eingeführt am Anfang des Films, es wird klar, dass der Arzt ihre Ängste nicht ernst nimmt) scheitert, und die aufkeimende Beziehung zum Soldaten gibt ihr wieder neue Hoffnung, lässt sie ihr Leben trotz Krebsdiagnose neu erleben.
Ein großartiger, wunderbar fotographierter Film, der in Nichts den frühen Godards nach steht, im Ggs. zu Godard sogar mit ausgesuchteren Settings arbeitet und in den Straßenszenen stärker inszeniert ist, dabei aber nichts von der Nouvelle Vague-typischen Frische und Spontanität einbüßt. In gewisser Hinsicht ist Cléo ein Pendant zu den Karina-Filmen (bes. Vivre sa vie); wo bei Godard ein manchmal sadistisch anmutender Umgang mit dem Schicksal der Protagonistin exerziert wird, steht bei Varda aber Wandlung und Neuanfang. Varda lässt ihre Protagonistin handelndes Subjekt werden, Godard hingegen belässt seine Protagonistinnen im Status des (er-)leidendenden Subjektes (Godards Überzeugung entsprechend, dass man in Paris respektive der westlichen Welt gezwungen wird, sich in einer Weise zu prostituieren). Vielleicht klagt Godard Emanzipation ein, Varda lässt sie in ihrer Cléo aufscheinen.





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