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The Cronicles of D.C.L. - Reloaded

Immer noch uninteressante Gedanken rund ums Thema Kino, häufig gestört durch geschwätzige Anekdoten und müde Kalauer




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Django Unchained...



...ist Tarantinos rundester, geradlinigster, und ja, doch, bester Film bislang. Mit großem Witz, erstaunlich großer Empathie und gewohnt großer Kompromisslosigkeit vermischt er das Genre des Spaghetti-Westerns mit dem Schicksal der Schwarzen im US-amerikanischen Süden vor dem Bürgerkrieg zu einem erstaunlicherweise gar nicht krude wirkenden Gesamtkunstwerk. Das hätte enorm schiefgehen können, stattdessen wird der Film auch und gerade von den allermeisten Nachkommen der afroamerikanischen Sklaven in den USA gefeiert. Will man die Gründe dafür erforschen, fällt zu allererst auf, dass dies der erste Tarantino ist, welcher zwei eklatant unterschiedliche Inszenierungsformen von Gewalt aufweist. Wenn es gegen die Täter geht, ist man in der üblichen katharsischen "Kill Bill"-Comic-Optik, die voll draufhält, und bei der das Blut fontänenweise gegen Baumwollflocken und protzige Herrenhaus-Inneneinrichtungen spritzt. Wird die Tortur der Opfer geschildert, ist die Gewalt viel realer, härter, aber auch in dem, was man sieht, deutlich sparsamer eingesetzt, wird viel weniger gezeigt, stellt sich der Horror in den Köpfen der Zuschauer und in den Blicken der Geschundenen dar. Die schwarzen Opfer werden nicht einmal in drei Stunden vorgeführt, sie behalten ihre Würde, im Gegensatz beispielsweise zu den fast schon in "Großer Diktator"-Manier zur Kenntlichkeit entstellten tumben Vollpfosten des KKK, die unter ihren Kutten nicht nur nicht mehr denken, sondern auch nichts mehr sehen können, wodurch der Angriff auf Django und Dr. Schultz zu einer Slapstickeinlage mit Pferden und tödlichem Ausgang verkommt. Ja, "Django" ist bisweilen unerhört komisch, wie er es sich auch hin und wieder erlaubt, fast schon melancholische Wildwestromantik in freier Natur darzustellen und eine klassische "Held rettet seine große Liebe"-Geschichte zu erzählen, er ist aber, wenn es darum geht, den grausamen Alltag der Sklaven zur damaligen Zeit zu schildern, auch zum Heulen beklemmend. Dass dies alles funktioniert und zusammenspielt liegt natürlich zunächst an einem gereiften Tarantino, welcher trotz gewohnt hoher Dialogdichte auf jegliche Geschwätzigkeit verzichtet und zielgenau weiß, was er wann wo warum erzählen will, und dann selbstredend an den fantastischen Darstellern, wobei sich hier letzten Endes auch das einzige kleine Manko des Filmes auftut. Jamie Foxx ist hervorragend als Django. Die Hauptfigur ist er trotz Titelrolle seltenst. Umringt von allerhand schillernden Figuren ist er die Projektionsfläche des Zuschauers, der Haltepunkt inmitten ambivalenter Gestalten, die allesamt mehr Geschichte zu haben und - und hier wird es schwierig - zu erzählen scheinen, als er. Christoph Waltz treibt mit großer Lust und Energie die Handlung vor sich her, die umwerfende Kerry Washington schafft es, fast ausschließlich mit Blicken eine große Liebesgeschichte zu erzählen, Leonardo di Caprio gibt als einer der ekelerregendsten Antagonisten der Filmgeschichte sehr viel von den subtilen und weniger subtilen Täterstrukturen, die in uns allen schlummern, preis und der von den Kritikern und Preisverleihern unverständlicherweise hier unerhört unterschätzte Samuel L. Jackson spielt in einer der besten, mutigsten Rollen seines Lebens eine so kontroverse und ambivalente Figur, dass allein das innere Ausloten dieser tragischen Existenz Material für drei weitere Filme bieten würde. Und Jamie Foxx ist hingegen halt der Siegfried, welcher inmitten dieser enorm vielschichtigen Auseinandersetzung mit menschenverachtenden, rassistischen Strukturen und ihren Protagonisten auf der Täter- und der Opferseite eigentlich nichts anderes will, als seine Brunhilde zu retten, was ihn für Dreiviertel des Filmes komplett in den Hintergrund drängt, da er selbst in den Szenen, die von Liebe erzählen, mehr wie ein Beobachter des Innenlebens der hinreißenden Madame Washington wirkt. Das tut der Brillanz des Filmes freilich keinen Abbruch.

D.C.L.