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The Cronicles of D.C.L. - Reloaded

Immer noch uninteressante Gedanken rund ums Thema Kino, häufig gestört durch geschwätzige Anekdoten und müde Kalauer




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Sag zum Abschied leise "Wichser!", oder: sentimentaler Abgesang auf eine geliebte Filmcommunity



2004 war ich 19 und ein rechter Idiot. Ich hatte gerade mein Abitur gemacht, dümpelte mit einem Deutsch- und Philosophiestudium herum, nachdem ich es erfolgreich geschafft hatte, mich um Bund und Zivi zu drücken und schaffte es einfach nicht, mir das Rauchen abzugewöhnen - Durchschnitt: anderthalb Schachteln pro Tag. Im Internet suchte ich bei Google nach Infos über den neuen Terminatorfilm. Was ich fand war die Kritik eines gewissen "Guy79" auf der Webseite www.kino.de. Ich war angefixt, fing selber an zu schreiben, irgendwann kamen sogar Kommentare zurück.
Ein paar User lernte ich im Verlauf der nächsten Monate persönlich kennen, einer wohnte in meiner Stadt, einer nur ein paar Kilometer weiter. Ein Jahr später war ich auf meinem ersten Berlinaletreffen dabei, lernte dort mehr User kennen und schätzen, wo nicht lieben. Es sollten noch viele Treffen folgen.
Das Forum erlebte derweil Höhen und Tiefen, Trolls kamen und gingen wieder, hitzige Diskussionen um Hitler- und andere "Monster"-Filme wurden ausgefochten, verstiegene Rätsel aufgestellt und gelöst, einmal jährlich gab es die große "Kino.ED"-Wahl. Gegen Ende nahm dies alles schleichend ab, bis zuletzt nur noch ein gewisser Stamm an Usern da war, die regelmäßig Beiträge lieferten.
War dies die Ursache dafür, dass die Community jetzt eingestampft wurde? Vielleicht. Ist dies eine ausreichende Begründung dafür, zehn Jahre Leben mit zigtausend Beiträgen von hunderten von Usern einfach so in die Tonne zu kloppen, als wäre nichts dabei? Scheiße, nein.
Nützt alles nichts, was vorbei ist, ist vorbei.
Heute bin ich 27 und wahrscheinlich immer noch ein rechter Idiot. Ich habe dreißig Kilo abgenommen, bin Vater geworden, habe mein Schauspielstudium abgeschlossen, mein erstes Festengagment am Theater bekommen und es immer noch nicht geschafft, mir das Rauchen abzugewöhnen - wenn auch, es auf durchschnittlich fünf Zigaretten pro Tag zu reduzieren. Es mag melodramatisch klingen, aber Kino.de hat mich begleitet und mir geholfen, das zu werden, was ich heute bin. Und es war ein Halt in guten wie in schlechten Zeiten. Dafür bin ich sehr dankbar.
Den Verantwortlichen für die Abschaltung und Löschung (habe vernommen, dass es sich dabei nicht um die Redaktion handelt) möchte ich ein altbekanntes Joschka Fischer-Zitat ans Herz legen. Ihr wisst schon, welches.

D.C.L.




Hm, mich hat die "Monster"-Diskussion nicht so traumatisiert wie Dich. Ich finde es im Nachhinein bloß unfreiwillig komisch dass wir dort 10 oder so Thread-Seiten lang dieses Filmchen diskutiert haben und in DIN A4 Seiten-langen Postings zu begründen versuchten, warum das Filmchen denn scheiße respektive ein Meisterwerk sei. Albern. Irgendwie aber auch sentimental im Nachhinein betrachtet.
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Traumatisiert ist wohl das falsche Wort. Denke trotzdem noch gerne daran zurück. Ja, weil's albern war. Und wegen der Zeit, in der die Diskussion stattfand.
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Ja, ich stimme zu.
Ich war noch ein bisschen jünger, ich glaube, ich war 16. Ich hatte wenig Ahnung und durchschnittliches Interesse am Medium Film. Heute bin ich 23, und rein Kino-technisch, aber auch journalistisch, hat mich kino.de sehr geprägt. Ich habe interessante Diskussionen geführt, ich habe Filme kennen gelernt, von denen ich sonst bis heute nichts gehört hätte. Inzwischen bin ich zwar kein Filmstudent, aber drehe beinahe jede Woche verschiedene Dinge. Und dahin hat mich auch dieses nun tote Forum gebracht.
Dass sie es abschalten ist die eine Frechheit, die andere und viel größere ist aber, dass sie es nur kurz vorher angekündigt haben. Viele User werden den Weg zu filmforen.de nicht finden.

Schöne Worte DCL,
es grüßt ein alter Bekannter (john shooter)
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Die Allgemeinheit (inklusive mir) kann die Kommentare hier im Thread *nicht lesen*, nur Du als FTB-Besitzer kannst das.

entweder:
die Kommentare freischalten (kleines Kästchen rechts unter jedem Kommentar klicken und aus dem Pop Up wählen).

oder:
unerwünschte Kommentare löschen.

Aber unsichtbare / nicht freigeschaltete Kommentare stehen lassen ist doof und verstopft unnütz die "Neue Kommentare"-Übersicht auf der Startseite von filmforen.de
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Habe mal alle Kommentare freigeschaltet und hier die Wurzel des Problems erklärt!
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Ach der Shooter ist auch hier. Welche Kino.de User wohl noch hier rumgeistern mit anderem Nick, ohne das man (oder Ich) es weiß...

Ein ebenfalls alter Bekannter grüßt auch Dich!
(der alte Dexter)
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Ein schöner und wehmütiger Rückblick, D.C.L.. Mal ganz interessant, zu erfahren, wie Du eigentlich zu kino.de gekommen bist. Bei mir war es so, daß ich bei während eines Computerkurses in den Pausen film.de und kurz darauf kino.de entdeckt hatte, und eigentlich wollte ich mich bei film.de registrieren, aber irgendein Passus in den nutzungsbedingungen behagte mir nicht so recht, und so entschied ich mich für kino.de. Das war noch in der Uraltzeit, als noch die alte Redaktion am Wirken, vor der Übernahme durch EMV. In diesen zehn Jahren war kino.de für mich nicht nur eine Plattform, auf der man sich über ein gemeinschaftliches Interesse austauschen konnte, sondern eine Art von virtueller Heimat, die mitunter, etwa bei Berlinale-Treffen, nicht mal mehr virtuell war. Da sind wir uns ja auch mal begegnet, bei jenem Treffen, das im Regen versank und uns den konfusen "Asylum" bescherte - und trotz Regens und schwachen Films denke ich gern daran zurück.
Schade daß es vorbei ist, und vor allem, daß es so enden mußte - aber ein Trost ist es doch, nun schon recht viele alte Bekannte wiederzusehen. Fein, daß auch John Shooter den Weg hierher gefunden hat.
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Ja, Settembrini (Sam Spade, I suppose?). An das erste Berlinale-Treffen denke ich auch noch sehr gerne zurück. Unter anderem an deine knappe Antwort an mich bezüglich "Asylum", die ich noch wörtlich im Kopf habe: "Ja, das war scheiße." :-)

D.C.L.
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Ubaldo: Habe die Freischaltung deaktiviert. Müsste sich jetzt alles leicht lesen lassen (l-Alliteration!).

D.C.L.
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Kein Thema, lan. Bei mir hat es auch lange gedauert, bis ich die Funktionen und Optionen des Forums zumindest einigermaßen kapiert habe. Die Benutzerführung der Foren-Software ist m. E. nicht wirklich selbsterklärend.
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Ich habe deinen Beitrag auch sehr gern gelesen. Wie ich zu kino.de gekommen bin, weiß ich gar nicht mehr. Ich kann mich an keinen bestimmten "Schlüsselfilm" erinnern. Eventuell könnte es einer meiner Alltime-Favoriten, "Sibiriade", gewesen sein, den ich kurz vor meiner Anmeldung vor reichlich 10 Jahren erstmals sah. Könnte auch sein, dass ich auf Recherche nach meinungsvielfältigen Informationen zu Filmen über das Forum gestolpert und hängengeblieben bin.
Es freut mich, dich hier wiederzulesen.
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Ha, da bin ich doch bei dem Laden hier auch schon Jahre ohne einen einzigen Beitrag angemeldet. Faszinierend! Dann wird es mal Zeit:

D.C.L., ich habe da ähnliche Gefühle. Empfehlung ("Eintrag melden" klickt man dafür wahrscheinlich nicht ;D ) für Deine Worte! Fühle mich tatsächlich eines Teils meines Lebens beraubt. Irgendwie traurig!
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Wenn man so bedenkt, was für geile Threads da über zehn Jahre zusammengekommen sind - seien es wirklich tolle Kritiken und unglaubliche Diskussionen, Deutungsversuche und verblüffendste Gedankenkonstrukte oder aber zig Seiten währender purer Schwachsinn mit der Lizenz zur Unsterblichkeit...

Bei vielen Filkritiken- und Diskussionen ist wirklich allein schon der Content, der m. E. nicht selten qualitativ über vieles, was man in professionellen Medien zum Thema lesen konnte, hinaus ging, bewahrenswert. Gleichzeitig sind aber solche Diskussionen wie auch der hahnebüchene Nonsens, den wir oft so spielend drauf hatten, einfach eine tolle Zeitmaschine. Ich bin die letzten Tage nochmal so ein wenig durch die Trümmer gestreift und konnte an vielen Punkten neben nicht zu verleugnender Wehmut nur denken "wie geil war das denn!".

Wenn man sich vor Augen führt, wie vorbildlich die Unterstütung der Roten lange Zeit lang war, sei es durch die Bereitstellung des Forums selbst, manch qualitativ hochwertigen Beitrag und nicht zuletzt die Unterstützung durch Leberkäse und Obatzten samt exklusiver Preview ("Rickie Böbbie Ei häff kamm 'ihr tu divieht tschu"), so hat das alles doch ein sehr unwürdiges Ende genommen und endet in einem sehr respektlosen Umgang mit dem Gesamtkunstwerk, dass die kino.de-Community seit 2001 geschaffen hat.

Wäre ich Pul, so würde ich jetzt Hermann Hesses "Stufen" zitieren. So richtig die Worte "Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!" auch sein mögen, in der Stunde des Verlusts mögen sie noch nicht so recht trösten.

Dass sich aber bereits so viele der alten Recken hier versammelt haben, zeigt aber auch, dass so mancher schon dabei ist, den nächsten Schritt zu nehmen.
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Ganz recht, D.C.L., ich bin bzw. war Sam Spade. Ich habe heute noch mal jede Menge Zeit im Kritikerboard rumgeblättert, solange dies zumindest noch möglich ist (auch, um mir noch ein paar Rosinen zu sichern), und da kam doch sehr viel Wehmut bei mir auf.

Aber Fast Eddie hat schon recht: es liegt etwas tröstliches darin, daß sich so viele alte Recken hier versammeln; so bleibt zumindest der gemeinsame Austausch, das Wertvollste am alten Forum, noch erhalten.
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Fast Eddie: Und wir sind alle froh, dass du Hesses "Stufen" und nicht moviemasters "Treppenhaus" zitieren würdest. :-)
Auch so eine schöne Erinnerung, wie ich damals im Rechenzentrum meiner Uni saß und einfach nicht mehr aufhören konnte, zu kichern...

D.C.L.
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"Treppenhaus" - mußte ich jetzt erst mal überlegen. Das war eine Kritik zu einem Michael-Mann-Film, oder?
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Ja. Zu "Heat". Und er hat ein Bild genommen (besagtes Treppenhaus) und dann eine ganze Kritik lang nichts anderes mehr beschrieben, bis es am Ende beinahe dadaistisch anmutete. Auf jeden Fall hat irgendwann niemand mehr irgendwas begriffen. Wunderschön.

D.C.L.
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Klingt gut. Hätte ich gerne gelesen. Wayback Machine hat das Filmboard zu HEAT aber offenbar ebenso wenig archiviert wie die "alle Kritiken"-Sektion von moviemasters Userprofil:(. Ebenso kann man nicht auf alle Meisterwerke von Tuvok zugreifen.
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D.C.L. sagte am 12. August 2011, 12:57:

Ja. Zu "Heat". Und er hat ein Bild genommen (besagtes Treppenhaus) und dann eine ganze Kritik lang nichts anderes mehr beschrieben, bis es am Ende beinahe dadaistisch anmutete. Auf jeden Fall hat irgendwann niemand mehr irgendwas begriffen. Wunderschön. D.C.L.

Hat mich mein Gedächtnis also nicht getäuscht! Ich bin mit movie-master immer sehr gut ausgekommen, aber seine rigorose Ablehnung von Michael Mann ist mir stets rätselhaft geblieben (obwohl ich nicht mal ein besonderer Mann-Verehrer bin).
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@D.C.L

Ein wirklich schöner Text!
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