Zum Inhalt wechseln


Restekiste

Mediale Prokrastination

Foto

The Vengeance of She (Cliff Owen, 1968)


Schlimm wird's im Restestapel immer dann, wenn ich auf einen Film treffe, der mich schon beim Kauf nicht interessiert hat. THE VENGEANCE OF SHE ist einziges Überbleibsel einer Box mit fünf von Hammer produzierten Filmen, das ich noch nicht gesehen hatte. Kaufgründe waren andere Titel (FRANKENSTEIN SCHUF EIN WEIB, YETI DER SCHNEEMENSCH und DAS SCHWARZE REPTIL. Allesamt ein Traum!). Daher erlaube ich mir mit ruhigem Gewissen zum zweiten Mal, einen konsequenzlosen Abbruchjoker zu ziehen und dieses Teil nicht zu Ende zu schauen. Nach vierzig Minuten war der Ofen aus. Mag sein, dass mir die Kenntnis des ersten Films fehlt, doch das Ganze ist derart tranig in Szene gesetzt und undurchsichtig erzählt (der Film geht etwas länger als eineinhalb Stunden und ich hatte nach besagten vierzig Minuten noch keinen Dunst!), dass mich nicht einmal mehr die Aussicht auf eine weitere knappe Stunde des hemmungslosen Angeiferns der Hauptdarstellerin bei der Stange halten konnte. Zunächst hatte ich, aufgrund der recht eindeutig hieran angelehnten Musik, so etwas wie eine schmuddelige Fantasy-Variante von James Bond erwartet, bekam dies aber nicht. Vielleicht muss ich einfach erst erfahren, von wo die Hauptfigur am Beginn des Films hergelaufen und orientierungslos die Straße entlanggetaumelt kommt, um THE VENGEANCE OF SHE würdigen zu können. Die allergrößte Lust zum Nachholen dieser Erfahrung verspüre ich jedoch nicht. Und um nochmal auf einen vorherigen Punkt zurückzukommen: Wenn einzig das gute Aussehen einer Handlungsfigur als Grund für das Weiter- oder Nichtweitergucken eines Films ins Feld geführt wird, dann kann mit dem entpsrechenden Werk etwas Fundamentales nicht in Ordnung sein. Und ich fühle mich wie der letzte Chauvinist.


Foto

True Confessions (Ulu Grosbard, 1981)


Ein Polizist und ein Pfarrer, Brüder. Beide haben sie gesellschaftliche Funktionen inne, die im Idealfall dem Streben nach Gerechtigkeit, Güte und eigener Großartigkeit dienen sollten. Bei beiden aber auch ein bisselchen Dreck am Stecken, so scheint es in TRUE CONFESSIONS immer wieder durch. Eigentlich eine reizvolle Figurenkonstellation, die einen interessanten Film verspricht, doch da dieser Satz mit "eigentlich" begann, möge man sich den Rest selbst denken.

Große Bildkompositionskunst zu Beginn: DeNiro teilt Duvall mit, dass er in Bälde das Zeitliche segne, in den Gegenschuss auf den oberen Teil von Duvalls Oberkörper schleicht sich rechts oben ein Eckbalken des Raums vor die Linse, so das das Bild mit einem Trauerflor versehen scheint. Falls das Absicht gewesen sein sollte: Herzlichen Glückwunsch zu dieser beispiellosen Subtilität! Es scheint leicht, sich über diese Szene lustig zu machen, doch darf dabei nicht vergessen werden, dass im Zweifel das Foto Duvalls (würde man einen Screenshot anfertigen) den Flor tragen würde und nicht das des dem Tode geweihten DeNiros. Und schon wird aus dieser eher peinlichen Station der Geschichte der Bildkomposition ein recht angenehmer Hirnzwirbler.

Ich fürchte mittlerweile, dass ich zum Meister des Schönredens geworden (verkommen?) bin.


Foto

Taste the Blood of Dracula (Peter Sasdy, 1970)


Die Wiederbelebung Draculas als körperliche Grenzerfahrung für alternde Dandys, die im Rahmen ihrer allmonatlichen Exzesse im Londoner East End ja doch schon alles gesehen haben (selbst eine Exotentänzerin, die einer Schlange ein Bussi gibt) und im Trinken des gräflichen Blutes, das süffisanter Weise zunächst in Pulverform gereicht wird, einen neuen Kick suchen, der aber - man mag es sich denken - in bunten Begegnungen mit dem eigenen Lebenssaft, freilich flüssigen Aggregats, enden muss. Feine Allegorie auf Drogengenuss und -missbrauch. Da stört es auch kaum, dass Lee in diesem Serieneintrag mit gefühlten fünf Dialogzeilen davonkommt. Als Entschädigung dafür stirbt er aber gewohnt grandios (diesmal inklusive Epiphanie?).


Foto

The Men of Sherwood Forest (Val Guest, 1954)


Ich bin gerade nicht in Fließtextlaune. Daher ein paar weitgehend zusammenhanglose Stichsätze zu dieser vergleichsweise obskuren Zwischenstation meiner Restereise und gleichzeitig meiner ersten Hammer-Produktion, die nicht im weitesten Sinne dem Horror-Genre zugehörig ist:

Saufende, fette, sprücheklopfende, zuweilen singende und die Mitmenschen stets beim Glücksspiel bescheißende Mönchsfiguren sind ein Gewinner für jeden Film und hätten selbst Renny Harlins Exorzisten gerettet. Think outside the box!

Der Auftakt des Films versprüht zumindest andeutungsweise den Gruselcharme einiger anderer Hammer-Filme. Das Niederschießen des Boten mit Bogen gehorcht noch den inszenatorischen Strukturen des Gruslers. Dass die Reise in THE MEN OF SHERWOOD FOREST aber in eine andere Richtung geht, deutet nicht nur der Titel des Films an, sondern auch der in besagter Szene für Hammer bemitleidenswert niedrige, da nicht vorhandene, Einsatz feinsten Technicolor-Blutes. Nicht, dass das schlimm wäre!

Robin Hood und seine Bande schließen nahezu jede ihrer Aktionen mit schallendem Gelächter ab. Musste kurz an Peckinpah denken, hab's aber schnell wieder gelassen.

Ein fröhlicher Film.


Foto

Swamp Thing (Wes Craven, 1982)


Und dann war da noch dieser Film, an dessen Ende eine Wildsau im Seetangmantel von Excalibur erschlagen wird. Doch nicht so voreilig: Zuvor nämlich zieht eine unattrakive Dauerwellenfrau im Sumpfe blank, einige Zeit nachdem sie auf einen urkelschen Jungen trifft, der eine Tankstelle leitet, nicht ohne vorher jedoch zu beobachten, wie obige Wildsau sich eine Fotomaske vom Gesicht reißt und sich als irgendein Bondbösewicht herausstellt, der auch einen passenden Masterplan in der Hinterhand hat. Weltherrschaft!

Ein elendes Kuddelmuddel ist nicht nur der obige Absatz, sondern auch Cravens Film, der bemerkenswert einfach (aber im Sinne von unverständlich und langweilig) gestrickt ist, mit einer halbgaren Ökobotschaft aufwartet und zum Ende hin mit Ausdauer von der inneren Schönheit des Menschen predigt.

Ehrlich, mir fällt zu SWAMP THING nichts Gescheites ein. Hatte den Eintrag ursprünglich mit Verrissabsicht begonnen, doch konnte ich das der putzigen Holprigkeit des Films einfach nicht antun. Dennoch Zeitverschwendung in Reinform.


Foto

Oliver Stone's America (Charles Kiselyak, 2001)


Zum Ausklang meiner kleinen Stone-Reihe nun diesen Interviewfilm, in dem Stone drauflos und vor allem über sich selbst reden darf. Allzu interesant gestaltet sich die Angelegenheit zwar nicht, doch zumindest einige Äußerungen zur Filmkritik, die ihm unter anderem NBK verrissen habe, weil sie nicht zwischen realistischer und ästhetisierter Darstellung unterscheiden könne, fand ich recht erhellend, wenn auch nicht allzu tiefgreifend. Doch sei's drum: Ein Interview steht und fällt auch immer mit den Fragen und wie sie gestellt werden.

Im Hinterkopf behalten will ich bei einer Wiederbegegnung mit den Filmen Stones in jedem Fall dessen Ausführungen zur griechischen Philosophie, auf die er in seinen Werken immer wieder zu rekurrieren glaubt. Ein kurze gedankliche Retrospektive der letzten Sichtungen belegt mir, dass da durchaus was im Busch sein könnte.

Schönes Zubeißen Stones auch hinsichtlich allwissender Teenager. Herzlichen Dank.

Im Geiste notieren: Endlich mal WALL STREET (und vielleicht den Juligeborenen) gucken.


Foto

Persona Non Grata (Oliver Stone, 2003)


Die kurzen, zwischen israelischer und palästinensischer Seite alternierenden Interviewfetzen vermögen eine wabernde, höchst unangenehme Atmosphäre des Hasses zu erzeugen, der ich als diesem Konflikt völlig entrückter Person nur mit Fassungslosigkeit begegnen kann. Wesentlich stärker als der kürzlich gesehene LOOKING FOR FIDEL.

Einziger Störfaktor ist Stone selbst, der in den unpassendsten Situationen im Gespräch mit Peres und Hamas lacht und letztere mit schelmischen Grinsen fragt, wie teuer ein Panzer auf dem Gebrauchtmarkt sei. Nicht wahr? Unmittelbar bevor in einer der nächsten Einstellungen ein Milizkämpfer an einer Straßenecke durch eine Granate getötet wird. Falls das ein ironischer Kommentar sein sollte, hat er bei mir zumindest nicht gefruchtet.


Foto

Any Given Sunday (Oliver Stone 1999)


Ziemlich starke erste zwanzig Minuten: Der Football beim Filmauftakt stets im Bildzentrum, das rohe Spielgerät, das in diesen wenigen Einstellungen noch nicht als pars pro toto für eine ganze Unterhaltungsindustrie herhalten muss. Nur der Ball und die Körper der Spieler, die in satten Toneffekten aufeinanderprallen. Schön auch, wie ANY GIVEN SUNDAY vom Lombardi-Zitat der Exposition an das Footballspiel immer wieder mit Kriegsschlachten parallelisiert (im letzten Drittel des Films sogar einmal mit Ethno-Mucke, und das zeitlich noch vor GLADIATOR!). Es bietet sich aber auch an: Die klare Struktur des Spiels in eine Aneinanderreihung von Erst- und Vergeltungsschlägen, die Feldherren ähnlich angeordneten Trainer außerhalb des Spielfeldes, die noch weiter hinten und mit Überblick postierten Taktik-Coaches in ihren Boxen, die einem Marinefunker ähnlich ihre Anweisungen durch die gegend senden. Sehr fein.

Schade nur, dass der Rest des Films für meine Begriffe ein wenig zu zahm und extrem vorhersehbar verläuft. Auch und insbesondere der schlussendliche Sinneswandel der Teambesitzerin ist so völlig ohne Biss präsentiert, dass es nur so vor sich hin peinlicht. Ich kann mir nicht helfen, doch es scheint mir so, als könne sich ANY GIVEN SUNDAY nicht zwischen hemmungsloser Glorifizierung von sportlichen Tugenden und nagender Kritik am Establishment, das diese zu unterminieren droht, entscheiden. Alles läuft letztlich einfach zu glatt. Und das stört mich ein wenig.


Foto

Heaven & Earth (Oliver Stone, 1993)


HEAVEN & EARTH ist motivisch eine durchaus interessante Angelegenheit hinsichtlich der verschiedenen Variationen, die er an der Figur des Kriegsheimkehrers und -migranten durchexerziert. Dadurch wird das Gesamtpaket gleichzeitig zu einer Reflexion über ungültige Heimatbilder wie enttäuschter Fluchtgedanken. Ich denke, hier kann eine Menge aus Stones Film rausgeholt werden.

Auf rein affektiver Ebene hat mich das Gesehene (nicht das Erzählte) jedoch selten erreicht. Leider ein ziemlicher Langweiler.


Foto

Looking for Fidel (Oliver Stone, 2004)


'Looking for Fidel' im Sinne von 'Auf Fidel aufpassen' oder 'Nach Fidel suchen'? Im letzteren Fal hätte es sich Oliver Stone relativ einfach machen können, denn besagter Fidel sitzt ihm ja am Tische direkt gegenüber. Dennoch redet Stone wesentlich intensiver mit der Simultanübersetzerin, die auch anwesend ist, redet Castro nur selten direkt an, stellt Fragen in der dritten Person, die aber dennoch direkt an Castro gerichtet sind, an dem ohenhin alles abprallt. Äußerst seltsame Gesprächssituation. Auch die Fragen, die Stone im Laufe der Zeit so stellt, muten höchst seltsam an, die wenigen Wortgefechte bewegen sich auf dem Niveau eines Grundkurses in Praktischer Philosophie. Zeitverschwendung.