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Muh und Mäh

Smergos Filmtagebuch




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Die Stadt ohne Juden (1924)



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Die Stadt ohne Juden
(Österreich 1924, H.K. Breslauer)

Das Volk der Republik Utopia (unverkennbar Österreich) ist aufgebracht. Die Wirtschaftslage ist schlecht, die Menschen protestieren. In den Wirtshäusern meinen geifernde Antisemiten den Grund für die schlechte Lage zu kennen: die Juden. Anfangs noch zögerlich schließt sich auch der Bundeskanzler bald dieser Meinung an. Ein Gesetz wird verabschiedet, wonach alle Juden das Land unverzüglich verlassen müssen. Doch damit verlassen auch Finanz, Handel und Kultur das Land. Übrig bleibt "exklusive Mittelmäßigkeit und feiste Gemütlichkeit" (Bert Rebhandl im Klappentext der DVD).

DIE STADT OHNE JUDEN scheint mir mehr als historisches Artefakt denn als Film interessant. (Obwohl, kann man das eigentlich so trennen?) Basierend auf dem gleichnamigen Buch von Hugo Bettauer - das man HIER findet - zeigt der Film einerseits eine unheimliche Voraussicht auf kommende Ereignisse. Jüdische Bewohner, die von Uniformierten aus den Wohnungen gezerrt werden und mit ihren Habseligkeiten unterm Arm die Straße hinab zum Bahnhof wandern sind sehr beklemmend. Andererseits ist die Geschichte um den jungen Leo, der mit Witz das Gesetz umgeht um bei seiner verehrten Lotte bleiben zu können (und dabei auch noch quasi im Alleingang schafft, dass das Gesetz wieder abgewählt wird), eher mittel inspiriert.
Etwas eigenartig ist, dass der Film - trotz seiner pro-semitischen Einstellung - viele jüdische Klischees der Zeit auffährt. Interessant ist auch eine, aus dem Rahmen fallende kurze Szene, die deutlich von DAS CABINET DES DR. CALIGARI beeinflusste ist, in der der antisemitische Rat und Säufer Bernart (Hans Moser in einer frühen Rolle!) im Wahn von Davidsternen verfolgt wird. Sogar das Ende, dass leider nicht mehr voll erhalten ist, nimmt anleihen bei CALIGARI und enthüllt die ganze Geschichte als einen Traum (übrigens eine Erfindung des Drehbuchs).

Magical History Tour Stummfilm Nationalsozialismus Expressionismus



Schwierig, die Sache mit den Klischees. Wie macht man seinem Publikum allgemeinverständlich klar, was gezeigt wird, ohne zumindest in der Exposition auf Klischees zurückzugreifen?
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Ja, schon. Ich glaube, ich hätte besser "Vorurteile" schreiben sollen. Ich bezog mich dabei auf konkrete Vorurteile, die auch später von den Nazis immer wieder eingespannt wurden (wenn auch stark verschärft). Das Handlungskonstrukt des Films basiert ja großteils darauf, dass die Weltwirtschaft von Juden kontrolliert wird.
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