Apocalypto
Apocalypto – ein nicht-spoilerfreies Gespräch
Inspiriert durch die – freilich viel besseren und unbedingt lesenswerten – Filmgespräche des Männerfilmblogs „Sauft Benzin, ihr Himmelhunde“ (http://belmondosfunk...d.blogspot.com/)
A: Wie ist denn eigentlich die Kritikermeinung zum Film?
H: Sie war recht gut, als der Film nur einigen Kritikern aus Vorpremieren bekannt war, ist aber seit der Veröffentlichung des Films schlechter geworden. Es hat den Anschein als tendiert sie zum Mittelmaß, was in diesem speziellen Fall heißt: Viel Lob von den Einen, viel Kritik von den Anderen. Gibson spaltet die Menge.
A: Wie auf der Leinwand, so auch im wahren Leben, wenn ich mir mal einen Scherz erlauben darf.
H: Du darfst. Fandest du den Film denn zu brutal?
A: Nein, ganz und gar nicht. Ich fand ihn... angemessen brutal. Am Anfang, beim Überfall auf das Dorf, ist der Film fast visuell zurückhaltend. Gemessen an dem, was beispielsweise die amerikanische Kavallerie in „Wiegenlied vom Totschlag“ am Ende im Indianerdorf anrichtet und wie das inszeniert wurde, ist „Apocalypto“ tatsächlich mit Zurückhaltung inszeniert – ohne, dass diese Szenen deswegen ihren Schrecken verlieren.
H: Ja. Dafür ist der Mittelteil, damit meine ich besonders die Ereignisse in der Stadt, natürlich wesentlich deutlicher bebildert, aber das trägt zu der unheimlichen Atmosphäre dieser Szenen bei. Die Fremdheit der Stadt, die Krankheit, der Lärm, die Menschenmassen, ja überhaupt die Moden und Sitten, die man dort sieht – von all dem ist die Gewalt der Opferungsszenen ein Bestandteil, die man subtiler gar nicht darstellen muss. Der Rausch des Widerwärtigen betont die religiöse Verzweiflung der Massen und das dekadente Vergnügen der Oberschicht, die beide mit dem Blutvergießen verbunden sind.
A: Und das Leibermeer, das „Pranke des Jaguar“ überquert als er den Menschenjägern entfliehen kann, wirkt tatsächlich wie ein abschließender Kommentar zu der Stadt, die es produziert hat. Es ist ein Höllenbild, wie es in der christlichen Malerei vorkommen könnte.
H: Gleichzeitig erinnert es mich an eine heute bekannte Geheimrede Himmlers, in der es hieß: „Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Und dies durchgehalten zu haben, und dabei (...) anständig geblieben zu sein“, das sei ein „Ruhmesblatt“ für die Angesprochenen. Anständig bleiben kann aber keine Gesellschaft, die sich für ein auserwähltes Volk hält und der Andere nur als Opfer und Sklaven taugen.
A: So abwegig ist die Idee vielleicht nicht... die Menschenjäger, die da unterwegs sind, sind ja auch keine ganz wilden Räuberbanden. Sie sind im Gegenteil gut funktionierende Auftragsarbeiter, einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Man beachte die Spezialwerkzeuge, wie die an Stöcken befestigten Schlingen, die sie benutzen. Der Überfall auf das Dorf ist kein Akt der Blutfehde, keine Neidhandlung, nichts Spontanes oder ähnliches, sondern gut geplant und von Spezialisten mit gedrosseltem Hang zum Exzess ausgeführt. Sie sind auch nur ein Rad im Getriebe, handeln im Auftrag, nicht aus Impuls.
H: Die Berechnung ihres Handelns zeigt sich übrigens auch in ihrer Übungsanlage, diesem zweckmäßigen Ort an dem Gefangene als bewegte Ziele herhalten müssen. Die Stadt und deren Bewohner sind letztlich ebenso fortschrittlich wie verkommen. Wir sehen eine Hochkultur, die der „primitiveren“ Dorfgemeinschaft moralisch oder im Punkt des Zusammenlebens unterlegen ist.
A: Das taugt vielleicht nicht zur Botschaft, aber unterschwellige Skepsis gegenüber gegenwärtigen Pendants dieser Kultur wird man da durchaus erkennen dürfen. Jedenfalls konnte man ja auch schon in Gibsons Jesus-Film Parallelen zwischen den römischen Legionären und den amerikanischen Soldaten im Irak ausmachen.
H: Und dort wie hier war die jeweilige Hochkultur kein Sieger der Geschichte, was, wenn man die Filme auch als auf die Gegenwart bezogen sehen will, nichts weniger heißen würde, als dass Gibson seine Wahlheimat auf dem falschen Weg sähe.
A: Ja. Noch mal zurück zur Gewalt, da haben wir den Schlussteil noch nicht erwähnt...
H: ...in dem der Film sich noch mal wandelt. Gewährt er erst einen kurzen Einblick in das Leben der Dorfgemeinschaft und wird dann zum Höllentrip, so ist er am Ende ein Actionfilm.
A: Und noch dazu ein sehr klassischer. Ein Mann, allein gegen eine Überzahl. Aber mit Heimvorteil. Für John Rambo war der Wald sein zweites Zuhause, für „Pranke des Jaguar“ ist er schlichtweg das erste.
H: Ja, ein bisschen „Rambo“, erster Teil natürlich, ein bisschen „Auf der Flucht“ – ist die Wasserfallszene eigentlich noch ein Zitat oder schon fester Bestandteil des Actionfilmbausatzes geworden? –, ein bisschen „Predator“...
A: Kurzum: Das ist der Teil des Films, der am wenigsten originell ist, weil er sich merklich aus genretypischen Versatzstücken zusammensetzt. Er ist trotzdem nicht schlecht.
H: Natürlich nicht. Das Ganze ist spannend gemacht und in der Wahl einiger Waffen dann doch wieder originell. Oder von mir aus vielleicht auch nur aus weniger bekannten Filmen übernommen, wer weiß das schon. Im südamerikanischen Ethno-Actionfilm stößt mein ohnehin begrenztes Fachwissen dann doch an seine Grenzen...
A: Traurig, aber verzeihlich.
H: Jedenfalls: Der Schluss des Films gefällt mir. Ich kann aber verstehen, dass er für manche Zuschauer nur das letzte Element ist, das ihnen den Film gänzlich vergällt. Man hätte ja einen anderen Film über diese fremde Kultur machen können und gewalttätige Filme sind ja ohnehin weder Jedermanns Sache, noch Gegenwartstrend. Zumindest sind explizite Gewaltdarstellungen in letzter Zeit eher in der Horrornische zu finden, während sie im Mainstreamkino, speziell dem Actionfilm eher auf dem Rückzug sind.
A: Ja, selbst innerhalb mancher Filme ist dieser Umschwung zu erkennen, wie beispielsweise in „Bad Boys 2“, dessen härteste Szenen ja keine Actionszenen, wie Schießereien und ähnliches, waren, sondern eher diejenigen, die durch unappetitlichen Splatterhumor – man denke etwa an die Szenen im Leichenhaus – auffielen.
H: Unter diesem Aspekt war schon Gibsons „Braveheart“ unzeitgemäß, „The Passion of the Christ“ ohnehin und „Apocalypto“ schert da nicht aus. Da macht sich vielleicht Gibsons Prägung durch das Actionkino der 80er bemerkbar. Mit dem Geist gegenwärtiger Blockbuster und möglicherweise auch des Geschmacks vieler Kinogänger ist das aber nicht unbedingt in Einklang zu bringen. Da kann der Film noch so gut und wenig langweilig inszeniert sein.
A: Gutes Stichwort. Trotz der beachtlichen Laufzeit fühlt sich „Apocalypto“ nicht überlang an, oder?
H: Nein. Es gibt ein paar Dinge, die mir beim ersten Anschauen minimal zu lang vorkamen, oder mir, in Bezug auf die Frau und das Kind, zu oft wiederholt schienen, aber ich muss zugeben, dass sich das beim zweiten Kinobesuch...
A: ... du Irrer...
H: ... erledigt und nicht etwa verschlimmert hat. Die Szenen mit der Frau und dem Kind des Helden legen übrigens noch ein Genre, den Thriller, nahe, stellen also einen weiteren Teil des Films dar. De facto wird da aus der Parallelmontage vom Schicksal der zerrissenen Familie viel Spannung aufgebaut.
A: Diese Szenen sind aber auch drehbuchtechnisch sehr konstruiert. Ihnen wird alles abgemolken, was sie hergeben. Einerseits muss man das vielleicht, wenn man den Film in diesen Szenen nicht bremsen oder diese Szenen nicht ganz herausnehmen will. Letzteres kann man übrigens schon deshalb nicht machen, weil der Zuschauer durch sie immer wieder daran erinnert wird, dass „Pranke des Jaguar“ durchaus noch etwas hat, wofür zu leben sich lohnt.
H: Die Sonnenfinsternis kann man übrigens ähnlich kritisieren und verteidigen. Kritisieren, weil sie dramaturgisch natürlich sehr gelegen kommt und aus naturwissenschaftlicher Sicht zu schnell vonstatten geht. Verteidigen, weil Unterhaltung diese dramaturgische Zuspitzung manchmal braucht um größere Effekte zu erzielen und weil man es so sehen könnte, das Gibson uns den stundenlangen Vorgang der Sonnenfinsternis und ihrer Wirkung auf die Städter hier gnädig komprimiert darbietet.
A: Abschließende Frage: Deine Lieblingsszene?
H: Ausnahmslos alles in der Stadt, von den „weißen Männern“ bis zur schon erwähnten Flucht über die Menschenmüllhalde. Wenn ich nun wirklich eine Szene herauspicken muss: Der Kampf zwischen dem Helden und dem Sadisten aus der Menschenfängerschar, als beide aufeinander zustürmen. Eine sehr gut gemachte Actionszene. Oder... wenn ich etwas ohne Blutvergießen nehmen soll: Besonders schön finde ich auch die Lagerfeuerszene. Aber du siehst – es gibt für mich wegen der schieren Menge keine leicht zu findende Antwort. Eine Gegenfrage: Deine am wenigsten liebste Szene?
A: Schwer zu sagen. Das kranke Mädchen, das den Vorbeiziehenden die Prophezeiung verkündet. Die Kleine ist niedlich, aber überzeugt mich nicht schauspielerisch. Ihr Text klingt zu auswendig gelernt. Kommt noch dazu, dass mir diese Szene eben zu prophetisch ist, wobei man da natürlich einwenden könnte, dass das Mädchen das, was sie da sagt, genauso gut als Legende oder Erzählung gehört haben kann. Dass die einzelnen Bestandteile dieser Worte dann tatsächlich eintreten, stört mich seltsamerweise gar nicht, vielleicht weil sie das Mystisch-Prophetische als Zufälliges outen.
H: Im Großen und Ganzen aber ein Daumen nach oben?
A: Ganz eindeutig, ja. Zu schön, zu spannend und zu faszinierend ist das bei einigen Schwächen gemacht, als dass ich den Film schlecht finden wollte.
H: Sehe ich ähnlich. Vielleicht spielt da auch ein Mut- und Exotenbonus eine Rolle, aber das wird man im laufe der Zeit sehen. Im Moment also: Two thumbs up.
Texte aus kino.de-Zeiten
Apocalypto – ein nicht-spoilerfreies Gespräch
Inspiriert durch die – freilich viel besseren und unbedingt lesenswerten – Filmgespräche des Männerfilmblogs „Sauft Benzin, ihr Himmelhunde“ (http://belmondosfunk...d.blogspot.com/)
A: Wie ist denn eigentlich die Kritikermeinung zum Film?
H: Sie war recht gut, als der Film nur einigen Kritikern aus Vorpremieren bekannt war, ist aber seit der Veröffentlichung des Films schlechter geworden. Es hat den Anschein als tendiert sie zum Mittelmaß, was in diesem speziellen Fall heißt: Viel Lob von den Einen, viel Kritik von den Anderen. Gibson spaltet die Menge.
A: Wie auf der Leinwand, so auch im wahren Leben, wenn ich mir mal einen Scherz erlauben darf.
H: Du darfst. Fandest du den Film denn zu brutal?
A: Nein, ganz und gar nicht. Ich fand ihn... angemessen brutal. Am Anfang, beim Überfall auf das Dorf, ist der Film fast visuell zurückhaltend. Gemessen an dem, was beispielsweise die amerikanische Kavallerie in „Wiegenlied vom Totschlag“ am Ende im Indianerdorf anrichtet und wie das inszeniert wurde, ist „Apocalypto“ tatsächlich mit Zurückhaltung inszeniert – ohne, dass diese Szenen deswegen ihren Schrecken verlieren.
H: Ja. Dafür ist der Mittelteil, damit meine ich besonders die Ereignisse in der Stadt, natürlich wesentlich deutlicher bebildert, aber das trägt zu der unheimlichen Atmosphäre dieser Szenen bei. Die Fremdheit der Stadt, die Krankheit, der Lärm, die Menschenmassen, ja überhaupt die Moden und Sitten, die man dort sieht – von all dem ist die Gewalt der Opferungsszenen ein Bestandteil, die man subtiler gar nicht darstellen muss. Der Rausch des Widerwärtigen betont die religiöse Verzweiflung der Massen und das dekadente Vergnügen der Oberschicht, die beide mit dem Blutvergießen verbunden sind.
A: Und das Leibermeer, das „Pranke des Jaguar“ überquert als er den Menschenjägern entfliehen kann, wirkt tatsächlich wie ein abschließender Kommentar zu der Stadt, die es produziert hat. Es ist ein Höllenbild, wie es in der christlichen Malerei vorkommen könnte.
H: Gleichzeitig erinnert es mich an eine heute bekannte Geheimrede Himmlers, in der es hieß: „Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Und dies durchgehalten zu haben, und dabei (...) anständig geblieben zu sein“, das sei ein „Ruhmesblatt“ für die Angesprochenen. Anständig bleiben kann aber keine Gesellschaft, die sich für ein auserwähltes Volk hält und der Andere nur als Opfer und Sklaven taugen.
A: So abwegig ist die Idee vielleicht nicht... die Menschenjäger, die da unterwegs sind, sind ja auch keine ganz wilden Räuberbanden. Sie sind im Gegenteil gut funktionierende Auftragsarbeiter, einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Man beachte die Spezialwerkzeuge, wie die an Stöcken befestigten Schlingen, die sie benutzen. Der Überfall auf das Dorf ist kein Akt der Blutfehde, keine Neidhandlung, nichts Spontanes oder ähnliches, sondern gut geplant und von Spezialisten mit gedrosseltem Hang zum Exzess ausgeführt. Sie sind auch nur ein Rad im Getriebe, handeln im Auftrag, nicht aus Impuls.
H: Die Berechnung ihres Handelns zeigt sich übrigens auch in ihrer Übungsanlage, diesem zweckmäßigen Ort an dem Gefangene als bewegte Ziele herhalten müssen. Die Stadt und deren Bewohner sind letztlich ebenso fortschrittlich wie verkommen. Wir sehen eine Hochkultur, die der „primitiveren“ Dorfgemeinschaft moralisch oder im Punkt des Zusammenlebens unterlegen ist.
A: Das taugt vielleicht nicht zur Botschaft, aber unterschwellige Skepsis gegenüber gegenwärtigen Pendants dieser Kultur wird man da durchaus erkennen dürfen. Jedenfalls konnte man ja auch schon in Gibsons Jesus-Film Parallelen zwischen den römischen Legionären und den amerikanischen Soldaten im Irak ausmachen.
H: Und dort wie hier war die jeweilige Hochkultur kein Sieger der Geschichte, was, wenn man die Filme auch als auf die Gegenwart bezogen sehen will, nichts weniger heißen würde, als dass Gibson seine Wahlheimat auf dem falschen Weg sähe.
A: Ja. Noch mal zurück zur Gewalt, da haben wir den Schlussteil noch nicht erwähnt...
H: ...in dem der Film sich noch mal wandelt. Gewährt er erst einen kurzen Einblick in das Leben der Dorfgemeinschaft und wird dann zum Höllentrip, so ist er am Ende ein Actionfilm.
A: Und noch dazu ein sehr klassischer. Ein Mann, allein gegen eine Überzahl. Aber mit Heimvorteil. Für John Rambo war der Wald sein zweites Zuhause, für „Pranke des Jaguar“ ist er schlichtweg das erste.
H: Ja, ein bisschen „Rambo“, erster Teil natürlich, ein bisschen „Auf der Flucht“ – ist die Wasserfallszene eigentlich noch ein Zitat oder schon fester Bestandteil des Actionfilmbausatzes geworden? –, ein bisschen „Predator“...
A: Kurzum: Das ist der Teil des Films, der am wenigsten originell ist, weil er sich merklich aus genretypischen Versatzstücken zusammensetzt. Er ist trotzdem nicht schlecht.
H: Natürlich nicht. Das Ganze ist spannend gemacht und in der Wahl einiger Waffen dann doch wieder originell. Oder von mir aus vielleicht auch nur aus weniger bekannten Filmen übernommen, wer weiß das schon. Im südamerikanischen Ethno-Actionfilm stößt mein ohnehin begrenztes Fachwissen dann doch an seine Grenzen...
A: Traurig, aber verzeihlich.
H: Jedenfalls: Der Schluss des Films gefällt mir. Ich kann aber verstehen, dass er für manche Zuschauer nur das letzte Element ist, das ihnen den Film gänzlich vergällt. Man hätte ja einen anderen Film über diese fremde Kultur machen können und gewalttätige Filme sind ja ohnehin weder Jedermanns Sache, noch Gegenwartstrend. Zumindest sind explizite Gewaltdarstellungen in letzter Zeit eher in der Horrornische zu finden, während sie im Mainstreamkino, speziell dem Actionfilm eher auf dem Rückzug sind.
A: Ja, selbst innerhalb mancher Filme ist dieser Umschwung zu erkennen, wie beispielsweise in „Bad Boys 2“, dessen härteste Szenen ja keine Actionszenen, wie Schießereien und ähnliches, waren, sondern eher diejenigen, die durch unappetitlichen Splatterhumor – man denke etwa an die Szenen im Leichenhaus – auffielen.
H: Unter diesem Aspekt war schon Gibsons „Braveheart“ unzeitgemäß, „The Passion of the Christ“ ohnehin und „Apocalypto“ schert da nicht aus. Da macht sich vielleicht Gibsons Prägung durch das Actionkino der 80er bemerkbar. Mit dem Geist gegenwärtiger Blockbuster und möglicherweise auch des Geschmacks vieler Kinogänger ist das aber nicht unbedingt in Einklang zu bringen. Da kann der Film noch so gut und wenig langweilig inszeniert sein.
A: Gutes Stichwort. Trotz der beachtlichen Laufzeit fühlt sich „Apocalypto“ nicht überlang an, oder?
H: Nein. Es gibt ein paar Dinge, die mir beim ersten Anschauen minimal zu lang vorkamen, oder mir, in Bezug auf die Frau und das Kind, zu oft wiederholt schienen, aber ich muss zugeben, dass sich das beim zweiten Kinobesuch...
A: ... du Irrer...
H: ... erledigt und nicht etwa verschlimmert hat. Die Szenen mit der Frau und dem Kind des Helden legen übrigens noch ein Genre, den Thriller, nahe, stellen also einen weiteren Teil des Films dar. De facto wird da aus der Parallelmontage vom Schicksal der zerrissenen Familie viel Spannung aufgebaut.
A: Diese Szenen sind aber auch drehbuchtechnisch sehr konstruiert. Ihnen wird alles abgemolken, was sie hergeben. Einerseits muss man das vielleicht, wenn man den Film in diesen Szenen nicht bremsen oder diese Szenen nicht ganz herausnehmen will. Letzteres kann man übrigens schon deshalb nicht machen, weil der Zuschauer durch sie immer wieder daran erinnert wird, dass „Pranke des Jaguar“ durchaus noch etwas hat, wofür zu leben sich lohnt.
H: Die Sonnenfinsternis kann man übrigens ähnlich kritisieren und verteidigen. Kritisieren, weil sie dramaturgisch natürlich sehr gelegen kommt und aus naturwissenschaftlicher Sicht zu schnell vonstatten geht. Verteidigen, weil Unterhaltung diese dramaturgische Zuspitzung manchmal braucht um größere Effekte zu erzielen und weil man es so sehen könnte, das Gibson uns den stundenlangen Vorgang der Sonnenfinsternis und ihrer Wirkung auf die Städter hier gnädig komprimiert darbietet.
A: Abschließende Frage: Deine Lieblingsszene?
H: Ausnahmslos alles in der Stadt, von den „weißen Männern“ bis zur schon erwähnten Flucht über die Menschenmüllhalde. Wenn ich nun wirklich eine Szene herauspicken muss: Der Kampf zwischen dem Helden und dem Sadisten aus der Menschenfängerschar, als beide aufeinander zustürmen. Eine sehr gut gemachte Actionszene. Oder... wenn ich etwas ohne Blutvergießen nehmen soll: Besonders schön finde ich auch die Lagerfeuerszene. Aber du siehst – es gibt für mich wegen der schieren Menge keine leicht zu findende Antwort. Eine Gegenfrage: Deine am wenigsten liebste Szene?
A: Schwer zu sagen. Das kranke Mädchen, das den Vorbeiziehenden die Prophezeiung verkündet. Die Kleine ist niedlich, aber überzeugt mich nicht schauspielerisch. Ihr Text klingt zu auswendig gelernt. Kommt noch dazu, dass mir diese Szene eben zu prophetisch ist, wobei man da natürlich einwenden könnte, dass das Mädchen das, was sie da sagt, genauso gut als Legende oder Erzählung gehört haben kann. Dass die einzelnen Bestandteile dieser Worte dann tatsächlich eintreten, stört mich seltsamerweise gar nicht, vielleicht weil sie das Mystisch-Prophetische als Zufälliges outen.
H: Im Großen und Ganzen aber ein Daumen nach oben?
A: Ganz eindeutig, ja. Zu schön, zu spannend und zu faszinierend ist das bei einigen Schwächen gemacht, als dass ich den Film schlecht finden wollte.
H: Sehe ich ähnlich. Vielleicht spielt da auch ein Mut- und Exotenbonus eine Rolle, aber das wird man im laufe der Zeit sehen. Im Moment also: Two thumbs up.
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