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171 Antworten in diesem Thema

#61 bateman23

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Geschrieben 03. Januar 2004, 00:52

„Übrig bleibt nur eine Wüste.“

Gefährliche Geliebte (Haruki Murakami)
(1.1.2004 - btb)


„Wir waren, sie ebenso wie ich, noch fragmentarische Geschöpfe, die gerade erst begannen, die Existenz einer unerwarteten Wirklichkeit zu erahnen, die wir uns noch würden aneignen müssen, die uns ausfüllen und vervollständigen würde. Wir standen vor einer Tür, die wir noch nie zuvor gesehen hatten.“ – So die Worte von Hajime, dem Protagonist und Ich-Erzähler zu Beginn dieser Geschichte. Schon in frühster Kindheit erzählt er, übten Jazz-Platten und das „undefinierte Etwas, das von manchen Angehörigen des anderen Geschlechts ausgeht“ eine besondere Anziehungskraft auf ihn aus. „Die hundertprozentige Frau: Sie hört in diesem Werk auf den Namen Shimamoto und wird sich im Laufe des Romans mehr und mehr als Gefährliche Geliebte erweisen. Vorerst aber ist sie ein zwölfjähriges Mädchen "mit ausdrucksvollen Gesichtszügen" und einem steifen linken Bein; und diese Spätfolge einer Kinderlähmung kann Haruki Murakami eben wirklich so beschreiben, als ob Gehfehler von jeher der Inbegriff der Erotik wären!“ (1) Die beiden werden sich erst zwanzig Jahre später wieder sehen. Er Ende Dreißig, verheiratet, zwei Töchter, und Besitzer eines erfolgreichen Jazzclubs. Sie mysteriös, geheimnisumwoben, ohne Vergangenheit – wie ein Traum aus vergangenen Tagen. Sie erscheint immer an regnerischen Abenden, und weckt mit ihrem süßen Lächeln verloren geglaubte Gefühle…

Ein Buch, das ganz tief in mein Innerstes eingedrungen ist. Kein Wunder – wer ist nicht schon einmal einem ganz besonderen Menschen begegnet, der einen unauslöschlichen Einfluss ausübte, das eigene Leben unwiderruflich veränderte. - „Irgendwann müssen wir erkennen, dass Gefühle soviel maßgeblicher sind als die Ratio, und gleichzeitig, dass Träume manchmal besser solche bleiben sollten.“ – Murakami sinniert über diese Träume, über verpasste Gelegenheiten und das „Was wäre wenn“ – über Liebe im Konjunktiv.

Glitzernde, bunte Neon-Reklametafeln, deren Schein sich auf nassen Straßen spiegelt. Ruhige, regnerische Herbstabende. Sanfter, leiser, hypnotischer Regen. Sanfter, leiser, hypnotischer Jazz. Langsam wird man hinein gesogen in die melancholische, phantastische Welt von Haruki Murakami. Und man kommt nicht mehr davon los, bevor man nicht die letzte Seite umgeblättert hat, bevor nicht das letzte Wort verklungen ist. Und man zurückgelassen wird in einer Trance, in einer ebensolchen unwirklichen Wirklichkeit, in der sich die Protagonisten befinden – und es dauert lange ehe man wieder aufwacht. Schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so fasziniert und gefesselt, konnte ich in Worten so versinken. So Abtauchen in Melancholie…
Und damit wären wir beim Grund, warum ich mein „Filmtagebuch“ für solch einen Eintrag „missbrauche“. Sonst passiert mir so etwas nämlich vornehmlich bei Filmen von Wong Kar-Wai, und ein bisschen habe ich mich auch hier an diese erinnert gefühlt: Geheimnisvolle Frauen, mit Regenmänteln und Sonnenbrillen, deprimierte Gestalten, die in Bars rumlungern und Whiskey trinken. – Fehlt nur noch das Verzehren von Ananas.

„Nach all den Jahren ließ mich der bloße Gedanken an Shimamoto noch immer am ganzen Leib erschaudern. Eine leicht fieberhafte Erregung, als stöße ich, irgendwo tief in mir, behutsam eine Tür auf.“ Gefährliche Geliebte (Haruki Murakami)

PS
Japaner scheinen nicht nur fantastische Filme zu drehen, sie schreiben auch gute Bücher. Vielleicht sollte ich es mir zur Lebensaufgabe machen, dieses Werk nochmals im Original zu Lesen. Japanisch lernen kann doch nicht so schwer sein ;)




(1) amazon.de

#62 bateman23

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Geschrieben 10. Januar 2004, 20:45

“I wasn’t looking, but somehow you found me.”

Lost in Translation
(6.1.2004 / 8.1.2004 Atlantis)




Das sind sie! – Ganz genau das sind sie! Um ein wenig präziser zu werde: In meinem Eintrag zu Herr der Ringe habe ich geschrieben: „Mir fehlen die Momente, in denen ich im Kinosessel erstarre, Tränen in den Augen, mit der Gewissheit großes zu erleben. (…) Für mich sind die Großen Momente des Kinos eher die unscheinbaren. Die wenigen Worte, die kurzen Blicke, die Szenen, bei denen sich die Nackenhaare aufstellen, und man eine Gänsehaut bekommt.“ – Wovon ich damals gesprochen habe, ganz genau das durfte ich nun wieder erleben. Ganz genau diese Momente gibt es nämlich in „Lost in Translation“, und zwar mehr als nur einmal. Doch der Reihe nach.

Bob Harris – Alternder Hollywood-Star in den besten Jahren, seine Karriere ist längst vorbei. Doch ein gutes hat es: Jetzt kann er sich sein Geld leichter verdienen. Mit einträgigen Werbespots zum Beispiel. Und so verschlägt es Bob nach Tokio, wo er einen Spot für Whiskey drehen soll.
Charlotte – Bei der Frage, was sie in Tokio macht, zögert sie. Denn sie weiß es selbst nicht so recht: “My husband's a photographer, so he's here working. I wasn't doing anything so I came along.”

Beide scheinen zuerst einmal verloren in dieser fremden Stadt, verloren in den fremden Sitten, überfordert mit der Sprache – in gewisser Weise „Lost in Translation” („Is that everything? It seems like he said quite a bit more than that” fragt Bob verwundert die Übersetzerin, als diese den Redeschwall des Regisseurs lapidar in der Aufforderung zusammenfasst, er solle doch bitte nach rechts schauen, aber mit „intensity“). Doch es ist mehr, als nur das: Weitaus einfacher, als in der glitzernden, bunten, rasanten Neon-Welt Tokios verliert man sich nämlich in seinem eigenen Leben: Ob es der „Weg zur Bestimmung“ ist, den man nicht findet. Die „Was soll aus mir werden Depression“ oder die Lethargie, die von einem 25-jährigen unerfüllten Eheleben ausgeht. - „I’m stuck“, diese drei kurzen Worte bringen das Gefühl der Protagonisten auf den Punkt. Ein im Leben gestrandeter Mid-fünfziger, der mit der Midlife-Crisis zu kämpfen hat. Ein Twen, der schon ihr kurzes Leben nichts mehr zu bieten hat. Zwei verlorene Seelen, denen ihr eigenes Leben fremd geworden ist. Beide isoliert, alleine. Alleine inmitten einer Millionen-Metropole, verloren in der urbanen Anonymität. Und wenn Charlotte am Fenster ihrer Suite sitzt, ihre Blicke über die nächtliche Skyline schweifen, dann spürt man diese Einsamkeit regelrecht.
Diese Strauchelnden, deren erste Begegnung von einem scheuen Blick, einem sanften Lächeln bestimmt ist, kommen sich langsam näher, ziehen gemeinsam durch das nächtliche Tokio. Sie versinken gemeinsam in der fremdartigen Welt der Widersprüche. Zwei Taumelnde, die sich treffen und einander Halt geben. „Die Fremdheit der Umgebung, die Einsamkeit bringt beide Figuren immer stärker dazu, sich mit ihrem Leben auseinanderzusetzen. Charlotte mit der Zukunft ihrer junge Ehe, Bob mit den Trümmern der seinen.“ Doch ist der geplante „Gefängnisausbruch“ wirklich so einfach, wie Bob ironisch scherzt: „Aus der Bar, aus der Stadt, aus dem Land“? – Man meint man würde ihn leise sagen hören: „Aus dem bisherigen Leben.“

Ein wunderbarer Film über die vielen flüchtigen Begegnungen im Leben, die sich unauslöschlich in unsere Erinnerung graben. Ein Film auch, der ohne viele Dialoge auskommt. Die Bilder sprechen für sich. Einzig durch den beeindruckenden Soundtrack werden sie unaufdringlich unterstützt, wird das Geschehen wundervoll kommentiert. Ob nun „Alone in Kyoto“ von Air, den langsamen Spaziergang durch eben solche Ortschaft untermalt, „Fuck the Pain away“ im Strip-Club läuft, oder „So into you“ alles Unausgesprochene benennt. An wenigen Stellen sogar, leiht die Musik den Protagonisten direkt ihre Stimme. Beim Karaoke können sie frei ihre Gefühle artikulieren - „The music translates.“
Was jedoch immer wichtiger erscheint als Dialoge oder Musik, das sind die Blicke, die Gesten, ein Lächeln. - Liebe braucht eben nicht viele Worte. Und so bleiben auch die letzen Sätze, die Bob leise in Charlottes Ohr flüstert ungehört. Genauso wie die Protagonisten selbst, gehen sie unter im Strom der Menschen, verlieren sie sich in den Massen. Der Zuschauer wird alleine mit seinen Gedanken zurückgelassen - „lost in translation“. Und doch sagt, wie bereits zu Anfang, das simpelste Lächeln mehr aus als tausend Worte. Liebe kann man nun einmal nicht übersetzen…


#63 bateman23

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Geschrieben 20. Januar 2004, 20:37

„Die Katze hat ein neues Kätzchen.“

To catch a thief
(15.01.2004 - TV)



Ein gellender Schrei durchschneidet die lautlose, schwarze Nacht. Der angstverzerrte, schockierte Gesichtsausdruck einer älteren Dame lässt schlimmes erahnen. Und tatsächlich: Die Reichen der französischen Riviera werden von einem Unglück heimgesucht. Und das größte Unglück ist nun einmal, wenn man verliert, was einem lieb und teuer ist. – So auch in der Schicki-Micki-Gesellschaft. Ganz nach dem Song von Marilyn Monroe ist ihnen das teuerste und natürlich auch das liebste die Diamanten und Juwelen. Und das Unglück kommt hier in Form eines gewieften Diebes, der sein Unwesen treibt. Noch tragischer als für die Bestohlenen ist dies allerdings für John Robie: Der einstige Meisterdieb hat sich zur Ruhe gesetzt. Doch als sich jetzt die neuen Verbrechen ereignen, fällt der Verdacht sofort auf ihn.

Ich fasse mich kurz, denn der Film hat mich wirklich enttäuscht. Das soll ein Hitchcock sein? Das ganze ist so eintönig, langweilig – ja irgendwie Standard. Lieblos herunter gefilmter Hollywood-Einheitsbrei. Selbst typische Hitchcock’sche Merkmale wirken blass und gesichtslos, ob es der Cameo ist, oder die obligatorische schöne Blonde. Eine mehr als seichte Krimikomödie – mir persönlich zu „leicht“, locker-lustig. Spätestens als das Philosophieren über Diamanten vor der Kulisse des schön schmalzigen Feuerwerks auf die bereits lange im Raum stehende Metaebene abgleitet, wundere ich mich doch ein wenig. - Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich hier eine Auftragsarbeit gesehen habe – ohne Herz, ohne Motivation und ohne Hitchs Handschrift.


#64 bateman23

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Geschrieben 22. Januar 2004, 22:13

„Rettet die Kinder? – Ich hasse Kinder!“

Jackie Chan ist Nobody
(17.01.2004 - TV)


Jackie Chan – der Name steht wie kaum ein anderer für Personalunion beim Filmschaffen. Auch in diesem Film betätigte er sich als Hauptdarsteller, Regisseur, Drehbuchautor und Stuntchoreograf zugleich. Ebenso steht der Name für eine einzigartige Kombination aus Action und Komödie. Und auch „Jackie Chan ist Nobody“ ist geprägt von diesem typischen Chan-Flair, lebt - wie seine übrigen Filme auch - hauptsächlich von Chans Charisma und Charme. Die Story ist wieder einmal reine Nebensache, dient nur als Aufhänger für eine temporeiche One-Man-Show. „Bei einem Einsatz im afrikanischen Dschungel gerät Jackie Chan mit seinen Kollegen in einen Hinterhalt. Dank der Hilfsbereitschaft der Bewohner eines Eingeborenendorfes überlebt er als Einziger. Doch kann er sich an nichts mehr erinnern. Wieder in der Stadt macht er sich daran seine Identität wieder zu finden, muss aber erst einmal in haarsträubenden Verfolgungsjagden seine Widersacher abhängen. Und langsam beginnt er sich wieder zu erinnern.“

Beim Schauen kam richtig Freude auf: Es macht einfach Spaß Jackie in Aktion zu sehen. Hirn aus, Augen auf und durch. Und genauso wie ein Gegenspieler im Film fragt man sich des Öfteren „Wie hat er das nur gemacht?“ – Allerdings beantwortet dies die Werbezeile ebenso treffend wie ungenügend: „Fight now. Ask questions later.“ - Zuviel Story oder Logik sollte man nicht erwarten. Doch befolgt man als Zuschauer obige Anweisung in abgewandelter Form, kann man sich an der Nonstop-Action, den tollen Stunts und einer Brise (Selbst)-Ironie erfreuen. Nur eins hat mich leicht verwirrt: Der Soundtrack, bzw. die Main-Theme scheint eine Variation von Smetanas Moldau zu sein, und das passt irgendwie nicht so ganz…


#65 bateman23

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Geschrieben 24. Januar 2004, 23:10

„...und eine klitzekleine Briese Zyankali dazu.“

Arsen und Spitzenhäubchen
(17.01.2004 - TV)


Cary Grant zum Hundertsten. Dieses mal in einem seiner erfolgreichsten Film: Arsen und Spitzenhäubchen. Eine wunderbare Komödie über nette, alte Damen, deren mörderisches Hobby, und einen verschwundenen Bruder…

Der Theaterkritiker Mortimer steht an einem Wendepunkt in seinem Leben – er will den heiligen Bund der Ehe eingehen. Vor den Flitterwochen noch schnell einen kurzen Abstecher zu den netten Tanten gemacht. Doch während die sich in der Küche um Kaffee und Kuchen kümmern, entdeckt Mortimer durch Zufall in einer Truhe eine Leiche. „Von den freundlichen Damen erfährt er, dass sie schon mehrere alte Herren mit vergiftetem Holunderbeerwein umgebracht und im Keller bestattet haben, um ihnen ein böses Alter zu ersparen. Doch Mortimer muss nicht nur versuchen, die beiden Wohltäterinnen von weiteren Gnadenakten abzuhalten. Auch der verrückte Bruder, der sich für Theodor Roosevelt hält, und begeistert am Panama Kanal im Keller werkelt, macht ihm zu schaffen. Als dann auch noch der zweite verrückte Bruder und gesuchte Massenmörder Jonathan auftaucht, verzweifelt Mortimer endgültig.
Eine grandiose, rabenschwarze Groteske. Eine skurrile Geschichte gepaart mit ebenso verrückten Charakteren. Situationskomik und ein einmaliger Cary Grant, der alleine durch seine Mimik und Gestik für Lacher sorgt. – Irgendwie eine Mischung aus Louis de Funes und Jerry Lewis, und damit seiner Zeit voraus…


#66 bateman23

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Geschrieben 29. Januar 2004, 21:11

„Jay und silent Bob sind, wenn überhaupt, nur in kleineren Dosen genießbar.“

Jay und Silent Bob
(23.01.2004 - TV)


Kevin Smith hat mit „Clerks“ einen wundervollen Film geschaffen, und auch die beiden anderen Teile der New-Jersey-Trilogie „Mallrats“ und „Chasing Amy“ muss man wohl zu seinen besseren zählen. Zumindest bin ich nach dem Genuss von „Dogma“ zu diesem Schluss gelangt. Und nun werde ich nach „Jay und Silent Bob“ in meinem Urteil bestätigt.

Diesen zwei Randfiguren, die in seinen früheren Filmen immer wieder auftauchten – eben Jay und Silent Bob – widmet Smith nun einen eigenen Film. Die Story erschient wie eine Mischung aus „Cheech and Chong“, „3 Engel für Charlie“ und in gewisser Weise auch „Adaption“. Die beiden Protagonisten erfahren, dass Miramax plant einen Film über sie zu drehen, ärgern sich über die Hasstiraden im Internet und beschließen nach Hollywood zu pilgern, um das Entstehen dieses Machwerks zu verhindern. – ich wünschte, es wäre ihnen gelungen.
Zwar entlockten mir die Anspielungen auf unzählige Kinofilme das ein oder andere Lächeln, doch damit 120 Minuten füllen zu wollen ist mehr als gewagt. Auch die übermäßige Selbstironie und Verweise auf eigene Filme Smiths reißen da nichts mehr raus. Nur ein wirklich gutes kann ich dem Film abgewinnen – dass er sich absolut treffend selbst charakterisiert: „Gestalten, die sich hauptsächlich auf irgendwelche Penis, Gras und Furzwitze konzentrieren.“ Und ein „90 Minuten langer Schwulenwitz.“

Wenn ich es nicht besser wüsste, müsste ich - wieder einmal in Anlehnung an ein Zitat aus dem Film selbst – fragen: Herr Smith „Haben sie echt nichts besseres aufm Kasten?“

P.S.
„Und wieder ein Lobgesang auf die Adoleszenz des Mannes und seine Weigerung erwachsen zu werden.“ – vielleicht gerade deshalb für mich, als halbwegs erwachsenen Menschen eine Zumutung.


#67 bateman23

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Geschrieben 22. Februar 2004, 16:21

„Das Fahrrad ist das Werkzeug, mit dem ihr eure Reisschüssel verdient.“

Beijing Bicycle
(11.2.2004 - VHS)


China gilt nicht nur als „Land des Lächelns“, sondern auch als „Land der Fahrräder“. Und in keiner anderen Stadt stimmt dieses Bild von überfüllten Straßen, von zig-tausenden von Fahrrädern, die in einem undurchsichtigen Gewusel und Chaos die Stadt überfluten so sehr wie in Beijing. – In diesem schnelllebigen Beijing ist die Geschichte von „Beijing Bicycle“ angesiedelt. Und schon mit der Anfangssequenz, wenn in weichzeichnerischen, verwaschenen, ockerfarbenen Tönen Fahrräder in extremen Closeups und in Zeitlupe durchs Bild rollen, wird eines deutlich: Diese Fahrräder, die so das Bild Beijings bestimmen, und die so alltäglich erscheinen, stellen doch für viele etwas Besonderes dar. Sie sind Symbol ihrer Träume und Hoffnungen. Ikone des Aufbruchs und Synonym für die Chance, für den Weg aus der Armut.
Wie viele seiner Landsleute sieht auch Guei auf dem Land keine Zukunft – ihn zieht es in die Stadt, angetrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben. Und tatsächlich bekommt er hier seine Chance - als Fahrradkurier. Zwar vorläufig noch ohne eigenes Fahrrad, aber auch das soll nach einigen Monaten harter Arbeit ihm gehören und ihm den Lebensunterhalt sichern. Oder wie sein Chef anmerkt: „Das Fahrrad ist das Werkzeug, mit dem ihr eure Reisschüssel füllt.“ Nicht sehr verwunderlich, dass für ihn eine Welt zusammenbricht, als sein Fahrrad gestohlen wird. Also macht er sich auf, sein Gefährt wieder zu finden. Macht sich auf, sich die Grundlage seiner Existenz zurück zu holen…

Ebenfalls existentiell – zumindest aus seiner Sicht – ist das Fahrrad für den Schüler Jian – Es verschafft ihm Anerkennung in der Clique, ist Statussymbol und Mittel die Frauenwelt zu beeindrucken. – Umso tragischer, dass er eigentlich kein Fahrrad besitzt, eigentlich…

Xiaoshuai Wang betrachtet in seinem Film die Schicksale zweier Jugendlichen - ihren erbitterten Kampf ums Überleben und ums „Leben“. Fremde Welten, in denen „auf der Toilette Musik spielt“ – Den allgegenwärtigen Konflikt zwischen Arm und Reich, zwischen Tradition und Moderne, und zwischen Schein und Wirklichkeit – Wie bei der geheimnisvollen Schönheit, die in scheinbar unüberwindbarer Distanz von einem Kleid ins nächste schlüpft, und dabei niemals lächelt. Auch hier ist es wie sich herausstellen wird weniger Leben als Überleben.


#68 bateman23

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Geschrieben 25. Februar 2004, 20:33

„Ich habe mich verliebt. Was soll ich nur tun? Es tut so weh, doch ich mag diesen Schmerz.“

Lovers Concerto
(14.2.2004 - DVD)



„Am Anfang dachte ich noch an sie.
Am ersten Tag 100 mal, dann 99 mal, 98 mal, 97 mal und irgendwann zählte ich nicht mehr.
Eines Tages wusste ich nicht mehr, welche Farbe ihre Haare hatten. Ob ich sie überhaupt jemals mochte. Ich vergas sogar, ob sie je wirklich real war, oder ob ich sie mir nur eingebildet hatte.“



#69 bateman23

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Geschrieben 25. Februar 2004, 20:37

„Einer von der Sorte läuft auf jeder Party rum.“

Der Party Schreck
(14.2.2004)

Noch was lustiges zur Aufmunterung hinterher. Das Erfolgsduo Blake Edwards und Peter Sellers glänzte nicht nur in der Pink Panther Reihe, auch hier haben sie einen netten Film geschaffen.
Der Schauspieler Hrundi Bakshi (Sellers) verwüstet versehentlich das komplette Set einer Hollywood-Produktion. Aufgrund eines Missverständnisses wird er daraufhin jedoch nicht gefeuert, sondern auf eine große Schicki-Micki Party eingeladen – und richtet dort gleich nochmal ein ordentliches Chaos an...

Tati meets Pink Panther. Mr. Bean vermengt mit Pierre Richard. Situationskomik at it’s best.


#70 bateman23

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Geschrieben 29. Februar 2004, 12:01

City of God
(19.2.2004 - Lux)

Zum wiederholten Male im Kino gesehen. Und eigentlich kann mein Review von letztem Jahr so auch heute noch stehen bleiben...

#71 bateman23

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Geschrieben 29. Februar 2004, 15:48

„Es heißt, wir verlieren 21 Gramm, wenn wir sterben. Aber wann verlieren wir die 21 Gramm? Und wie viel gewinnen wir?“

21 Grams
(27.2.2004 – Cineplex MA)


Ein Verkehrsunfall im Zentrum der Erzählung. Ein tragischer Vorfall, der das Leben von 3 Personen verändert und ihre Schicksale miteinander verbindet. Wenn mit solch einer Geschichte dann auch noch der Name Alejandro González Iñárritu verbunden ist, dann zucke ich schon ein wenig zusammen und schüttle ungläubig den Kopf. Das habe ich doch schon einmal gesehen – genau genommen vor drei Jahren, als mir der Debütfilm von eben jenem Regisseur den Atem raubte. Was jetzt hier in den Kinos läuft ist leider weniger atemberaubend und lässt mich eher ein wenig enttäuscht zurück…

Der Ex-Knacki Jack (Benicio del Toro) versucht sein Leben durch Gottesfürchtigkeit in den Griff zu kriegen. Trotzdem scheint Jack wie Hiob einer schweren Prüfung nach der anderen ausgesetzt, während sich seine Familie über den religiösen Eifer langsam Sorgen macht. Der todkranke Paul (Sean Penn) hofft auf ein rettendes Spenderherz, und passt irgendwie nicht mehr in sein altes Leben. Und dann ist da noch Christina (Naomi Watts), die Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Ihr Leben scheint in glücklichen Bahnen zu verlaufen. Bis ihr eines Tages die gesamte Familie entrissen wird…

Mit schnellen Schnitten und kurzen „Fetzen“ überrollt Iñárritu den Zuschauer. Szenen, die kaum länger sind als eine Minute, reihen sich scheinbar wahllos aneinander. Sie zeigen Momente aus dem Leben der Protagonisten, die so viel, und doch noch nichts über sie verraten. Die kurzen Einblicke in das Gefühlsleben der drei Hauptpersonen werden in Einblendungen vorgestellt, die in der Zeit vor- und zurückspringen und noch keine Zusammenhänge verraten, sondern nur bruchstückhaft den Blick auf ein Gesamtbild freigeben. Doch genauso, wie die Szenen mit der Zeit länger werden, so ergeben auch alle diese Bruchstücke im Verlauf des Films einen Sinn. Was am Anfang wie lose, unzusammenhängende Fragmente erscheint, fügt sich langsam in einen Kontext ein. Immer deutlicher zeichnet sich die Szenerie einer Katastrophe ab, die das Leben der drei entscheidend verändern wird.

Das auffälligste am Film, und vielleicht auch das bemerkenswerteste ist eben diese Auflösung der Zeit. Obwohl sich die Szenen mit Fortschreiten des Films in einen Gesamtzusammenhang einordnen lassen, bleiben sie immer auch (!!) losgelöst von einer narrativen Struktur. Bleiben bloße Stimmungen, Erinnerungen, Momente. Wenn und Aber, vielleicht und eventuell. Jenseits von jeglicher Chronologie befinden sich die Figuren in einem „Dämmerzustand“, in einer Art Trance - …im Konjunktiv.
„Du hast dich verändert.“ wirft seine Freundin Paul an einer Stelle vor. An einer anderen Stelle treffen sich zwei Protagonisten. Und beide Male fragte ich mich: Wann genau findet diese Szene denn jetzt statt. Doch vielleicht tut das gar nichts zur Sache, wann sie stattfindet. Vielleicht ist es einfach nur wichtig dass sie stattfindet…

Genauso, wie sich die Story erst allmählich zusammenfügt, so formen sich auch die Charaktere, denen man anfangs noch recht teilnahmslos gegenüber steht, erst allmählich. – taucht man nur langsam ein in ihre Psyche, in ihre Umgebung, in ihre Milieus. Dass man das überhaupt tut, ist hautsächlich ein Verdienst der grandiosen Darsteller: Watts, Penn und nicht zuletzt del Toro spielen sich hier gegenseitig an die Wand.

Zum Glück tischt uns Iñárritu – entgegen meinen Erwartungen – kein zweites Amores perros auf. Ob er allerdings mit seinem ersten Hollywood-Film etwas Neues geschaffen hat, darüber bin ich mir auch noch nicht ganz im Klaren. Zwar ist die Auflösung der Zeit und der Einsatz von Farben und „Körnung“ interessantes Stilmittel, trotzdem wirkt das ganze wie ein Potpourri aus Altbekanntem, aus Teilen, die man so ähnlich schon einmal irgendwo gesehen hat. Nur alles ein wenig schneller, ein wenig wirrer, um ein, zwei Oktaven gepitcht. Vom Stil her ein extremeres „Amores perros“ (oh je, schon wieder dieser Vergleich), von der Erzählstruktur wie ein zerstückelteres „Pulp Fiction“ und von der Thematik her, wie ein krasseres Magnolia oder Levity. Was dabei herauskommt ist ein dramatisches Puzzle über Trauer und Tod, eine Reflexion über Schuld und Sühne, Vergebung und Sinnsuche. Was davon übrig bleibt ist die Erkenntnis, dass das Leben nur scheinbar linear verläuft, letztendlich eine reine Abfolge von Momenten ist. 1) Vielleicht ist das auch das große Manko des Films: Zuviel Tragödie, zuviel Dramatik, zuviel Zerrissenheit und zuviel Schein - und letztendlich von all dem doch zuwenig…





1) Diesen Satz bitte unter Vorbehalt verstehen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob man das so stehen lassen kann – eine zweite Sichtung ist zur Klärung unabdinglich…
Was ich eigentlich damit meine ist, dass einige Momente unseres Lebens breiteren Raum in unserer Erinnerung einnehmen als andere (Dehnung / Raffung / Sprünge der Zeit – vgl. Stilmittel im Film) – das geht sogar soweit, dass wir uns nur selektiv erinnern. Das wirft jetzt die Frage auf: Ist dadurch unser Leben (rückblickend) weniger linear? – Mathematiker und Philosophen vor…


#72 bateman23

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Geschrieben 02. März 2004, 20:24

„Nur in der Bewegung, so schmerzlich sie sei, ist Leben.“

Der Lauf der Dinge
(29.2.2004 - TV)


Da zappt man nichts ahnend durchs Sonntag-nachmittag-Programm und bleibt bei einem Juwel hängen. – Und das meine ich durchaus wörtlich. Schon lange bin ich nicht mehr so am Fernseher gehangen, habe mit offenem Mund das Geschehen auf der Mattscheibe verfolgt, habe so mitgefiebert, gehofft und gebangt…
Das wird umso erstaunlicher, wenn man bedenkt bei was ich da mitgefiebert habe. Was da auf dem Bildschirm zu sehen war, war nämlich…. Physik. - Ja richtig: Physik. Das was man in der Schule hasst, das was niemals klappt.

In diesem Werk der beiden Schweizer Peter Fischli und David Weiss aus dem Jahre 1987 klappt es, und es fesselt ungemein. „In einer Lagerhalle wurde mit verschiedenen Gegenständen ein labiles Gebäude aufgebaut, linear, 20-30 Meter lang. Wird dies in Bewegung gesetzt, läuft eine Kettenreaktion ab. Feuer, Wasser, Schwerkraft und Chemie bestimmen den Lauf der Gegenstände, der Dinge. So entstand eine Erzählung über Ursache und Wirkung, Mechanismen und Artistik, Unwahrscheinlichkeit und Präzision.“ Und obwohl man ganz genau weiß, wie das Geschehen ausgeht, wie es voranschreitet, wie eins zum anderen führt, führen muss – wir reden hier ja schließlich von physikalischen Gesetzen – fiebert man mit: Was passiert als nächstes? Wie wird die Kausalkette weitergeknüpft, wie geht „der Lauf der Dinge“ weiter? Und gleichzeitig behält man immer im Hinterkopf: Was ist wenn es nicht weitergeht? Was, wenn plötzlich die Kugel nicht weiterrollt oder das Feuer ausgeht? Eine Möglichkeit, die eigentlich ausgeschlossen erscheint in diesem abgeschlossenen Versuchsaufbau, die nicht eingeplant ist, die das ganze „Experiment“ zerstören würde. Man fiebert also mit, man hofft und bangt. Und man kann dreißig Minuten lang seinen Blick nicht vom Fernseher abwenden. Beeindruckend!


#73 bateman23

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Geschrieben 08. März 2004, 21:31

„Jede Zeit ist um so kürzer, je glücklicher man ist.“1)

L’ Auberge espagnole
(4.3.2004 – Lux Wiesloch)


„This is the true story of seven strangers, picked to live in a house to find out what happens when people stop being polite and start getting real.“ - „The real world“ heißt eine Reality-Soap, die im Moment auf MTV läuft. 6 Jugendliche aus der ganzen Welt, zusammengewürfelt in einer Stadt. Sich bisher völlig Unbekannte wohnen für einige Monate gemeinsam in einer WG – Sie teilen sich ein Haus, sie arbeiten zusammen, leben zusammen...
So seltsam es erscheint, ich verfolge diese „Serie“ mit wachsender Begeisterung. – Weshalb ich auch freudig überrascht war, als ich feststellte, dass L’Auberge espagnole wieder im Kino läuft. Ist es doch so, dass die Grundlage dieses Films ein ganz ähnliches Szenario bietet: Xavier, Wirtschaftsstudent aus Paris zieht – nach tränenreichen Abschied von Freundin Martine – für ein Jahr nach Barcelona. Im Rahmen des Austauschprogramms Ersamus will er dort sein Studium abschließen und sein Spanisch aufpolieren. Also bricht er zuhause seine Zelte ab, steigt ins Flugzeug und macht sich auf in die Ungewissheit, in die Fremde. Er zieht in eine gesamteuropäische WG, dessen Bewohner aus Italien, England, Dänemark, Belgien, Deutschland und Andalusien kommen und alle das gleiche „Ziel“ verfolgen wie er: feiern, leben, lieben – und nebenher noch ein bisschen studieren.

Damit wäre auch schon die gesamte Rahmenhandlung des Films dargestellt. Was folgt ist Lebenslust und –frust. Die Schilderung eines Lebensgefühls, einer Lebens“abschnitts“-Stimmung...
Hierbei findet der Film eine gelungene Balance zwischen Komödie und „Drama“, und kann sich dabei sogar Stilbrüche bzw. Szenen leisten, die ich eigentlich als Fauxpas angesehen hätte. (Ich denke da vor allem an die Party-Szene, als alle nahezu andächtig „No woman no cry“ singen und im Hintergrund ein Engländer auf den Marktplatz kotzt...) Und selbst wenn nicht – wie hier - in einer Szene vereint, so wechseln doch immer wieder Szenen von brüllender Situationskomik mit emotionalen, nahezu tragischen. Somit spiegelt der Film in sehr schöner Weise die ambivalenten Gefühle der Protagonisten wider – Freude, Party, Lust, Aufregung, Angst, Trauer,... eben wie das wahre Leben. „The real world“. Das Zerrissensein im Schatten des Erwachsenwerden. Emanzipation von Zuhause, Fernweh und die Suche nach dem eigenen Weg und einer eigenen Identität...

Und am Ende – und damit ist hoffentlich nicht zuviel verraten - scheint sich die anfänglich aufgestellte These zu bewahrheiten: „Diese Straßen, die einem jetzt noch so fremd erscheinen, die Häuserfassaden, ohne Vergangenheit, sie alle wird man kennen lernen, mit Leben füllen. Man wird hier leben, Teil der Stadt und ihrer Bewohner sein.“ Und so banal diese Aussage auch erscheint, sie ist tiefgründiger als man denkt. Und sie gilt nicht nur für den Film, für die Reise in die Ferne oder für das Austauschprogramm Erasmus. Lebensabschnitte kommen und gehen, reihen sich wie Episoden aneinander. Erst Kindergarten, dann Schule, Abitur, Zivildienst, Studium,... Und vielleicht vermisst man immer den Ort, die Zeit und die Menschen am meisten, die man gerade hinter sich gelassen hat...


Nachtrag:
Jetzt muss ich bei imdb sehen, dass der Regisseur Cédric Klapisch auch den tollen Film „... und jeder sucht sein Kätzchen“ gedreht hat. – Sehr schönes Gefühl, wenn man zwei Filme unabhängig voneinander in sein Herz geschlossen hat und dann feststellt, dass sie vom gleichen Regisseur sind...




1) Plinius d.J. (um 61 bis um 113), röm. Politiker, Redner u. Schriftsteller


#74 bateman23

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Geschrieben 14. März 2004, 13:59

„Wenn du mit ihr über Eiscreme und kleine Hündchen redest, dann musst du dich nicht wundern, wenn das ganze auf der Freundschaftsschiene endet.“

Swingers
(12.3.2004 - VHS)


„Zuerst wirst du so tun, als würdest du sie vergessen, du rufst sie nicht an und das alles, aber dann, irgendwann, dann vergisst du sie wirklich. Und irgendwie schaffen sie es gerade dann zurückzukommen, wenn man sie gerade vergessen hat.“

...und ganz genau darum wird es die nächsten 90 Minuten gehen. Mike wurde von seiner Freundin verlassen. Das ist natürlich nicht leicht zu verkraften, erst recht nicht, wenn die Beziehung sechs Jahre gedauert hatte. Also stürzt er sich in gepflegtes Selbstmitleid und genießt die Freuden des klassisch, melancholischen Liebeskummers. Dass er dabei den Kontakt zur Außenwelt seit Monaten praktisch abreißen lässt, sich in seiner Wohnung vergräbt und das Dunkel seines Zufluchtsortes nur durch den offenen Kühlschrank beleuchtet wird, stört in dabei recht wenig. Auf jeden Fall weniger, als seine Freunde. Die sind davon nämlich ziemlich genervt und setzen alles daran ihn von seinen Schmerzen abzulenken. Dabei scheuen sie vor nichts zurück, nicht einmal vor einem spontanen Trip nach Las Vegas. Denn was wäre besser geeignet auf neue Gedanken zu kommen als die neongrelle, glitzerbunte, Glamour-Welt der Wüstenstadt...

Der Dialog vom Anfang (siehe oben) steht beispielhaft für den ganzen Film. In dessen Verlauf wird nämlich unheimlich viel geredet, man könnte fast soweit gehen zu sagen: es wird unheimlich viel philosophiert. Dabei schwankt der Sinngehalt immer zwischen hochwissenschaftlichen Analysen zwischenmenschlicher Beziehungen und unsäglich belanglosem Smalltalk. Es ist ja nichts neues was man hier hört, es ist plattes Gemeingut, genauso wie die leeren Phrasen und gut gemeinten Ratschläge, die vom sprechenden Anrufbeantworter Mikes gegeben werden. – Die Frage, wie viele Tage man wartet bis man eine Frau anruft, oder wann man auf einer Party erscheint...
Und trotzdem: man hängt den Figuren an den Lippen, saugt regelrecht auf, was sie zu sagen haben. Irgendwie baut der Film dabei eine nette, beschwingte Atmosphäre auf. – Swingers, wird seinem Titel auf jeden Fall gerecht. Dazu die ausgewogene Mischung aus „Realitäts-Komik“ und jazzziger Melancholie, angereichert mit Anspielungen auf Scorsese und Tarantino. Eine abstruse Mischung aus „Sex and the City“ für Männer, „American Psycho“ light und „Hier spricht Denise“ auf Speed. Das alles gewürzt mit dem typischen 90er Flair. – Großartig.


#75 bateman23

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Geschrieben 21. März 2004, 20:47

„Impossible is nothing...“

Shaolin Soccer
(15.3.2004 – Cineplex MA)


Der Titel deutet es bereits an: Asiatische Shaolin-Mönche spielen Fußball. Asiatische Kampfkunst meets europäischen Massensport. Eigentlich hätte so was – zumindest bei mir – tierisch in die Hose gehen müssen. Ich mag das Genre des Martial Arts nicht sonderlich und dem deutschen heiligsten Volkssport kann ich nun überhaupt gar nichts abgewinnen. Aber so sehr mich doch diese beiden Dinge für sich genommen abschrecken, so wunderbar funktionieren sie in der Kombination auf der Leinwand. Stephen Chow kombiniert diese beiden „Künste“ in seinem Film wie Ying und Yang. Sie bilden eine gelungene Symbiose und formen einen spaßigen Partyfilm, der darüber hinaus auch den Beweis dafür liefert, dass man Computer-Tricks und CGI-Power durchaus „sinnvoll“ einsetzen kann.

Ein Wehrmutstropfen allerdings bleibt: Der Film wirkt an einigen Stellen nicht ganz so „rund“, was aber durchaus damit zusammenhänge könnte, dass Miramax „Shaolin Soccer“ nur um zwanzig Minuten gekürzt ins Kino bringt. Auch die Tatsache, dass der Film mit gut 3 jähriger Verspätung bei uns eintrifft, deutet darauf hin, dass man dem deutschen Kinogänger nicht zu viel zumuten will, und sich der Reaktion des Publikums nicht 100%-ig sicher war, gar Angst hatte der Film könnte floppen. Und so ungern ich das sage, wenn ich bedenke dass ich ganz alleine im großen Cineplex saß, könnte die Angst Miramax gar nicht mal so unbegründet sein...


#76 bateman23

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Geschrieben 28. März 2004, 12:51

„Man kennt nicht die Last, die man noch nicht getragen hat.“ (Afrikanisches Sprichwort)


Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling
(23.3.2004 – Gloria HD)


Kim Ki-Duks Filme sind brutal. Sie sind schonungslos, „hoffnungslos“, wie ein Schlag in die Magengrube. Und das wage ich zu sagen, obwohl – oder gerade weil - ich es noch nicht geschafft habe einen seiner Filme zu Ende zu schauen. Sowohl „The Isle“, als auch „Address Unknown“ stehen weiterhin ungesehen in meinem Regal. Bei keinem Film habe ich es länger als zwanzig Minuten ausgehalten. – Die deprimierende Stimmung und die Ausweglosigkeit, die von den ersten Frames an, im Raum schwingt und die immer weiter anschwillt, sich immer mehr verfestigt und dabei trotzdem gar keine Anstalten macht in irgendeiner Weise zu kulminieren und den Zuschauer zu erlösen: Kim Ki-Duk scheint es zu genießen, den Zuschauer mitleiden zu lassen…
Mit „Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling“ nun setzt Kim Ki-Duk einen Gegenpol zu seinen sonst so „körperlichen Filmen“. – Spirituell oder meditativ sind Attribute, die eher auf sein neustes Werk passen könnten. Oft vernimmt man auch das Adjektiv kontemplativ bei der Charakterisierung seines aktuellen Streifens.

Das schwere Holztor, die Pforte zur Abgeschiedenheit, schwingt knarrend auf und zeigt eine kleine Hütte, mitten in einem paradiesischen See gelegen. Sie gibt den Blick frei auf die Szenerie, an der der Film spielen wird, und damit zugleich auf die Bühne des Lebens. Das „Theater“ des Daseins kann beginnen…
„In malerischen Einstellungen erzählt Kim Ki-Duk die Geschichte eines Eremiten und eines Novizen, die in der hermetischen Abgeschlossenheit eines kleinen Tempels auf einer winzigen Insel leben.“ „So wie die vier Jahreszeiten sich abwechseln, so verläuft auch unser Leben. Wir machen Fehler, werden uns ihrer bewusst und doch begehen wir sie aufs Neue. Das ist zutiefst menschlich, und genau das habe ich versucht, zum Ausdruck zu bringen.“, sagt Kim Ki-Duk. Und so können sich auch die beiden Mönche nicht dem Lauf der Zeit und dem äußeren Wandel entziehen, machen Fehler, zeigen Gefühle und Emotionen. Auch sie werden von den Begierden und Leiden heimgesucht, die die profane Welt bietet. Dabei bleibt sich Kim nun auch in seinem aktuellen Film treu, wenn die Last des Lebens die Protagonisten erdrückt, „Hass“ ein treibendes Motiv wird, und Gewalt die unausweichliche Konsequenz ist.
Der Film hat mich, nicht nur wegen der Anfangssequenz, enorm an Akira Kurosawas Dreams erinnert, erreicht aber leider nicht dessen Eindringlichkeit. Trotz alldem bleibt „Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling“ ein schöner Film, vielleicht Kim Ki-Duks „schönster“ Film. Eine meditative Parabel über das Leben, eine Reflexion über Liebe und Leide, Schuld und Sühne, Weisheit und Tod – über den Kreislauf des Lebens.


#77 bateman23

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Geschrieben 12. April 2004, 16:44

“No, I like you very much. Just as you are.”

Bridget Jones’s Diary
(11.4.2004 - TV)

Schon bevor ich „Bridget Jones’s Diary“ überhaupt gesehen hatte stand ich diesem Film sehr zwiespältig gegenüber. Auf der einen Seite die zuckersüße Renee Zelweger, auf der anderen Seite der nervige Hugh Grant. Nachdem ich nun dem Film zum zweiten Mal gesehen habe, muss ich sagen: Es hätte vielleicht klappen können. Und so ist es auch nicht die Schuld der Hauptdarsteller, dass ich dem Film nicht viel abgewinnen kann. Es liegt vielmehr an dem unsäglich einfallslosen Plot, den überaus platten Witzen und nicht zuletzt der fehlenden Romantik. Das alles ist natürlich bei einem Vertreter dieses Genres äußerst fatal…
Dabei beginnt der Film recht viel versprechend: Renee Zelweger kommentiert aus dem Off ihr frustrierendes, einsames Singleleben. Wie nun einmal so üblich tritt die Einsamkeit besonders an Weihnachten zu Tage. Die unausweichlichen Fragen der Verwandten nach dem Liebesleben und die übereifrigen Verkupplungsversuche der Mutter häufen sich am Festtag: „Bei einer dieser Parties stellt sie ihr den Anwalt Mark vor, doch das kann er nicht sein, der Traumtyp. Da gefällt Bridget ihr Chef Daniel (Hugh Grant) schon besser. Der ist charmant, gut aussehend, aber - leider - ein Weiberheld. Als er sich für Bridget zu interessieren beginnt, ergreift sie dennoch die Gelegenheit und fängt eine Affäre mit ihm an. Sollte das der lang ersehnte Fahrschein ins Glück sein?“

Der anfänglich noch recht witzige Off-Kommentar verkommt ziemlich schnell zu einem telegraphenhaften, selbstbemitleidenden Gesabbere, das nur noch nervt. Wenn sich dann dazu noch der penetrant, pseudo pointierte Einsatz von Musik gesellt, gleitet der Film langsam aber unaufhaltsam in die ach so archetypischen Gefilde der hollywoodschen Kitsch-Schnulzen ab. Bloß ergibt sich bei diesem Exemplar das abstruse Phänomen, dass selbst dieser Kitsch nicht gefühlvoll oder gar romantisch wirkt. Und trotzdem ähnelt der Film leider zu sehr „Notting Hill“ und „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und erinnert zu wenig an „Nurse Betty“, um mir gefallen zu können. Oder wie sagt „Schnitt“ so schön: „Die Grundfesten der Romantic Comedy bringt auch Bridget Jones nicht ins Wanken, und so geschieht es, dass sich gleich zwei Männer um Bridget prügeln, bevor das obligate Happy End alle Widrigkeiten des Lebens unter sanft fallenden Schneeflocken begräbt.“


#78 bateman23

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Geschrieben 16. April 2004, 23:05

“When there’s no more room in hell, the dead will (still) walk the earth”

Dawn of the Dead (Remake - 2004)
(16.4.2004 – Cineplex MA)


George Romero zählt zu den ganz Großen. Mit seiner Dead-Trilogie schuf er zweifelsohne Meilensteine des Horror-Genres. Und so mussten nahezu zwangsläufig irgendwann Remakes dieser Werke auftauchen. Von „Night of the Living Dead“ gibt es dieses schon länger. Das Remake zu dem zweiten Teil „Dawn of the Dead“ schafft es nun im Jahre 2004 auf die Leinwand. – 26 Jahre nach der Veröffentlichung des Originals. Dass sich Hollywood so viel Zeit gelassen hat, mag damit zusammenhängen, dass das Original Kultstatus genießt, es eine große Fangemeinde gibt, und folglich viel auf dem Spiel stand. Doch der neue Film schmälert den Mythos des Originals nicht - und das ist durchaus im positiven Sinne zu verstehen. Ich wage gar zu sagen: Das ist das Beste was „Dawn“ hätte passieren können – die 2004er Version ist ein wahrhaft würdiges, respektvolles und innovatives Remake…

Irgendwann, irgendwo in Amerika. Über Nacht verwandelt sich ein kleiner, gemütlicher Vorort in die Hölle. Chaos, Orientierungslosigkeit, Schlachterei. Doch nicht nur hier, überall auf der Welt scheint das geregelte, normale Leben ein Ende gefunden zu haben. Aus ungeklärten Gründen finden die Toten keine Ruhe, erwachen zu neuem „Leben“ und gieren nach Menschenfleisch. Einige Überlebende flüchten in ein riesiges Einkaufzentrum, wo sie sich dem scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Untoten stellen – Endlich wieder „Zombies im Kaufhaus“…

Schon zu Beginn schlägt der Film neue Wege ein. Während wir uns bei Romeros Version von Anfang an mitten in der Apokalypse befinden, lässt es Snyder gemütlich angehen. Doch auch bei ihm hält die Sorglosigkeit nicht lange an, wird sie recht bald abgelöst durch Horror, Chaos und Blutvergießen. Und dieses Blutvergießen kommt gewaltig…
Schnelle Schnitte, harte Musik, straighte Story – das sind die Kennzeichen des neuen Dawn. Insgesamt ist alles schneller, härter und straighter. Die Zombies rennen plötzlich und stolpern nicht mehr von einem Bein auf das andere. Die gemütliche, friedliche Kaffe-und-Kuchen-Atmosphäre des Originals vermisst man ebenso, wie die gepflegte Lethargie und ausgeprägte Konsumgier der Eingeschlossenen. Stattdessen Aufbruchsstimmung und Tatendrang wohin man schaut. Selbst wenn der Weg in die Freiheit nicht über einen realen Hubschrauber auf dem Dach führt, sondern nur über eine vage Vision einer weit entfernten Yacht, spürt man hier nie Resignation oder endgültige Hoffnungslosigkeit. Man könnte fast so weit gehen und dem Film eine gewisse Abenteurer- oder Survival-Camp-Stimmung attestieren. Trotz alldem gibt es genügend Reminiszenzen an das Original, sei es die bekannte Bett-Szene oder die Spielereien mit Lastwagen.

Der Film macht keine Kompromisse – und das macht ihn sympathisch. Er ist eigenständig, entwickelt seinen eigenen Charme, bleibt aber dennoch von der Grundidee und den Eckpfeilern her nahe am Original. Zack Snyder hat es geschafft ein zweites „Dawn“ zu drehen, das 180 Grad anders ist. Ein Remake und dennoch ein eigenständiger Film. Ein Movie das Spaß macht und zugleich Vorfreude weckt auf ein wiederholtes sehen des Originals… Und etwas Besseres kann einem Mythos gar nicht passieren, etwas Besseres kann ein Remake gar nicht erreichen.

P.S.
Sarah Polley nach „Mein Leben ohne mich“ in „Dawn“ zu sehen, ist schon ein schönes Gefühl.

#79 bateman23

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Geschrieben 25. April 2004, 15:35

„…aka mummy“


Kill Bill Vol.2
(23.4.2004 – Cinemaxx MA)


Ziemlich genau ein halbes Jahr nach dem ersten Teil, bekommt die Öffentlichkeit nun endlich auch den zweiten Teil von Quentin Tarantinos viertem Film zu Gesicht. Und man mag kaum glauben, dass der Streifen den man da sieht den Titel „Kill Bill“ trägt…

Wieder einmal muss „The bride“ leiden. Das schwarz-weiße Close-Up ihres blutüberströmten Gesichts bildete bereits den Auftakt zum ersten Teil. Ihre flehenden Worte verhallen zum wiederholten Male ungehört, die letzten Atemzüge verstummen, das laute Wummern eines Schusses und eine schwarze Leinwand markieren Ende und Anfang. - Bilden den Brückenschlag zum vorherigen Teil und bezeichnet gleichzeitig die Marschrichtung des Folgenden.
Die Bilder werden eine ganze Weile schwarz-weiß bleiben, die ruhige und doch zugleich unheilgeschwängerte Stimmung wird sich nicht verflüchtigen… Mit einer tiefen Verbeugung vor Film-Noir, Spaghetti-Western und Kung-Fu-Flicks, werden dem Zuschauer die genaueren Zusammenhänge und vermeintlich tieferen Hintergründe des Rachefeldzuges näher gebracht. War das Hauptcharakteristikum in Teil 1 unreflektierte, fulminante Rache und tosende, bildgewaltige Ästhetik, ist es im zweiten Teil knisternde Spannung und philosophisch-poetische Reflexion. Dabei kann man „Kill Bill Vol.2“ die Ästhetik keinesfalls absprechen: Close-Ups von faltigen, zerfurchten Gesichtern, funkelnden, strahlenden Augen. John Ford und Sergio Leone lassen Grüßen. - Wiedersehen im staubigen Wüstensand und High Noon im Kinderzimmer.

Mit gemächlicher Langsamkeit, ja nahezu stoischer Ruhe, inszeniert Tarantino die Begegnung zweier charismatischer Individuen, bereitet er die unausweichliche Konfrontation zweier Charaktere vor. - Die namenlose Braut bekommt einen Namen, der Widersacher Bill ein Gesicht – die Figuren mehr Tiefe. Und man spürt die Hass-Liebe zwischen beiden förmlich. Eine enorme Spannung baut sich auf. Und jedes Mal wenn Variationen von Nancy Sinatra’s „Bang, Bang“ ertönen, erwartet man die Kulmination, das Bersten der aufgestauten Wut. Doch man muss lange warten, sehr lange. Denn dieses Mal ist nicht die Gewalt künstlerisches Gestaltungsmittel, dieses Mal wird man nicht meterhohe Blutfontänen zu Gesicht bekommen, bleibt der comichaft-übertriebene Stil außen vor. Und trotz dieses „Mangels“ an expliziter Gewaltdarstellung ist der Film nicht weniger „brutal“. Die Brutalität tritt hier eher hintergründig, sadistischer zu Tage. Und so will sich auch die naive, infantile Freude, die Teil 1 bereitete, dieses mal nicht einstellen. Selbst wenn sich diese Momente durch die musikalische Untermalung und Farbgebung anzudeuten scheinen, werden sie sofort im Keim erstickt. Es fehlt die Coolness einer Lucy Liu, die zu energiegeladener Musik durch das „House of Blue Leafes“ stolziert, es fehlt eine Uma Thurman, die, im gelbem Bruce Lee-Trainingsanzug, durchs nächtliche Neon-Tokio braust.

Auf keinen Fall sollte man – anders als es der Film suggeriert – ein zweites Kill Bill erwarten. Die fehlende Reflexion aus Teil eins ist hier im Übermaß vorhanden. Nun heißt es nicht mehr „Style over Substance“. An die Stelle des kompromisslosen Gemetzels aus Teil 1 tritt ein „Psychodrama“, das dem Motto „weniger ist mehr“ gehorcht. Ein Kammerspiel a la „Reservoir Dogs“.
Und damit bleibt sich Tarantino treu, wenn er mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers spielt. Das jedoch innerhalb eines Films zu tun ist mehr als nur gewagt. Als Gesamtwerk betrachtet wirkt Kill Bill daher auch relativ unausgewogen: Die ersten 90 Minuten gehen – salopp formuliert – ab wie Schmidts Katze, die folgenden 120 Minuten bestehen größtenteils aus Dialogen, die jedoch selten die Qualitäten eines „Viertelpfünders mit Käse“ erreichen. Im Moment muss ich ein wenig enttäuscht konstatieren: Diese „Fortsetzung“ gibt den Figuren „Tiefe“, dem Film einen „Sinn“, nimmt ihm aber zugleich seine atemberaubende, unglaubliche Geschwindigkeit…
„Kill Bill“ verliert an Kompromisslosigkeit, Schwung. Tarantino nimmt ihm die „naive, infantile Freude“, die den Vorgänger ausgezeichnet und so einzigartig gemacht hat. Und so wirkt „Kill Bill Vol. 2“ – obwohl ein Tarantino Werk durch und durch – erstaunlicherweise wie ein ganz normaler, unspektakulärer Film.


#80 bateman23

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Geschrieben 02. Mai 2004, 12:19

„Gestern war ich noch nicht reif dafür. Erst heute habe ich mich dazu entschlossen, wieder mit den Menschen zu leben.“


Spiel zu zweit
(25.4.2004 - VHS)


Die ersten Aufnahmen der New Yorker Skyline muten an, wie auf einem Foto von Henri Silberman. Schwarz-Weiße Straßenschluchten, Brücken, die sich bis ins Unendliche zu erstrecken scheinen. Tausende funkelnde Lichter und tief schwarzes Nichts zugleich. Und inmitten dieser Weiten der urbanen Anonymität ein einsamer, trauriger Mann. Er steht in Gedanken oder Erinnerungen verloren auf der Brooklyn Bridge und schaut hinaus in die Weite, die ins Nirgendwo zu führen scheint. Er dreht sich langsam und, und wird vom Dunkel verschlungen.
„Out of town“ – das war sein Leben, seine Liebe. Doch Jerry ist geflüchtet, konnte nicht mehr, wollte nicht mehr. Was erhofft er sich von dieser Flucht? Vielleicht genau das, was sein Bekannter so freudig herausposaunt: „New York hat mich in Schwung gebracht. Ich weiß nicht, was in Nebraska aus mir geworden wäre.“ Doch irgendwie klappt es nicht so recht: Die steinernen Skulpturen im Museum sehen ihm gar nicht so unähnlich und auch auf der Party, zu der er sich fast widerwillig schleicht, bleibt er fremd, alleine. Er will nicht so recht hineinpassen, in die vermeintliche High Society, bleibt immer dezent im Hintergrund. - „Wenn sie den Hut weglegen, merkt niemand dass sie auf der falschen Party sind.“ Die Flucht zurück in die Einsamkeit der vier Wände ist ein nahe liegender, allgegenwärtiger Gedanke. Eine niemals artikulierte Option, die so leicht zu ergreifen scheint, und doch unendlich schwer fällt. Denn „zuhause“ erwarten ihn nur der noch nicht ausgepackte Koffer und ein halbleeres Zimmer. Und so greift er sobald er sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen hat, zögernd den Telefonhörer: „Ich rief an, weil ich es vor Einsamkeit nicht mehr aushalten konnte. Ich rief an, weil ich Kontakt mit einem Menschen bekommen möchte, der dem schwachen Geschlecht angehört.“ Die erste Kontaktaufnahme zu Gittel ist nicht unbedingt das, was man unter „konventioneller Annäherung“ verstehen würde, und auch im weiteren Verlauf vertraut Jerry nicht auf die üblichen Gepflogenheiten. Doch trotz all dieser Widrigkeiten entwickelt sich eine Beziehung zwischen den ungleichen Personen…

Robert Wise hat mit „Spiel zu zweit“ ein sehr schönes Liebesdrama gedreht. Ein – und dieses Attribut schoss mir als erstes durch den Kopf – präzises und klares Werk, immer an der Grenze zwischen Komödie und bitterem Melodram inszeniert. Omipräsente Gegenpole zu den atmosphärischen schwarz-weiß Aufnahmen und dem deprimierenden Thema, sind wieder einmal Robert Mitchum and Shirley MacLaine. Und so können auch die von mir verfassten einleitenden Worte nicht annährend die Stimmung dieser ersten Minuten des Films wiedergeben, und stellen ebenso wenig das Kernelement dieses Streifens dar. Allerdings hatten gerade diese ersten, oft wortlosen Szenen die größte Wirkung auf mich. – Vielleicht, weil ich mich selbst so oft in ihnen wieder erkannt habe. Ich, der ich auch ein Mensch bin, der zu oft Entschlüsse nur mit dem Kopf fasst. Ein Film über die Angst loszulassen. Ein Film über die Angst festzuhalten. „Wer ist auf wessen Gefälligkeiten angewiesen?“ fragt einer der Protagonisten, und diese Frage ist stellvertretend für das Gefühl, das bei beiden den ganzen Film über vorzuherrschen scheint. „Liebe“ als Gefälligkeit, Beziehung als Gefahr, Einsamkeit als Schutzschild. Und am Ende die Erkenntnis, auch wenn man sich im Kreis zu drehen scheint, gerade „mit den falschen Schritten kommt man manchmal weiter…“


#81 bateman23

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Geschrieben 06. Juni 2004, 14:19

Ich hätte nie gedacht, dass ich mein FTB mal so vernachlässige, und vor allen Dingen, dass ich so wenige Filme schaue. Hier mal ein kurzer Überblick:

12.5. Cinema Quadtrat – Hiroschima mon amour
„You know nothing about Hiroshima“ - Genial – DVD on order

14.5. DVD – Versus und The Rock
Resümee: Leinwand, Beamer und 5.1–Sound rockt, genauso wie die „Filme“, wobei ich mir bei Versus mittlerweile nicht mehr sicher bin, ob ich dieses Werk wirklich weiterhin als Film bezeichnen kann…

2.6. DVD – Der Pate Teil 3
Nach 3 Jahren habe ich es endlich geschafft alle drei Teile einmal gesehen zu haben. Doch schon recht langatmig das ganze. Muss ich definitiv noch mal schauen, die Frage ist nur wann. @Zera: Vorher kommt auf jeden Fall Alien an die Reihe ;)

#82 bateman23

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Geschrieben 06. Juni 2004, 14:48

Sodale, gut vier Wochen nicht mehr ernsthaft einen Film geschaut, gestern auf der DVD-Börse gewesen, und was schaue ich… eine TV-Serie. Tztztz – wo soll das noch enden.


- Loving You (ep 1)
(3.6.2004 - Rip)



Eine absolute Premiere: Ich schaue eine TV-Serie. Ja richtig, so was wie GZSZ oder „Verbotene Leibe“, oder wie der ganze Kram sonst so heißt. Eigentlich schenke ich diesem Genre keine Beachtung, und erhasche nur selten einige Minuten des täglichen Herz-Schmerzes. Nämlich dann wenn ich beim zappen zufällig bei ARD oder RTL vorbeikomme. Der Grund, der mich dazu bewegt hat, nun doch eines dieser Fließband-Produkte zu konsumieren heißt ““ – oder auf English: „Loving You“. Soll angeblich eine der erfolgreichsten koreanischen Fernsehserien sein, und da ich Korea und Asien allgemein doch irgendwie ziemlich mag, muss ich mir natürlich selbst ein Bild davon machen. Schon der Titel lässt eigentlich Schlimmes erahnen. Und – wie nicht anders zu erwarten – werden die „Befürchtungen“ recht schnell bestätigt: Trauer, Herz-Schmerz, Liebe und Triebe. Alles komprimiert zusammengepackt und mit schmalziger Musik unterlegt. Natürlich dürfen auch die archetypischen, äußerst hippen, flippigen, sexy Hauptdarsteller nicht fehlen, die zwar verdammt gut aussehen, denen aber jegliches schauspielerisches Talent irgendwie abhanden gekommen sein muss.

Trotz all dieser Genre-immanenten Widrigkeiten hat mich die erste Eposode volle 40 Minuten lang erstaunlich gut unterhalten. – Lag vielleicht am ständigen Oszillieren zwischen abartig schnulziger Handlung und teils erstaunlich guten Kamerafahrten und Aufnahmen. Zwischendurch dann noch hier und da ein Weichzeichner oder eine Farbverfremdung eingebaut. Respekt, das schaut teilweise besser aus als so mancher Spielfilm, ich habe schon auf Shootouts in Zeitlupe gewartet… - Einen tieferen Sinn sollte man hinter diesen technischen Spielereien nicht suchen, doch Sinnsuche ist bei TV-Serien wohl sowieso fehl am Platz. Nach der ersten Episode muss ich erstaunt konstatieren: (Noch) kein Tearjerker – das ist man ja aus Korea gar nicht gewohnt. Die Serie hatte den erwarteten „Tiefgang“, und war trotzdem ganz nett – genau das richtige für einen langweiligen Donnerstagabend. Und alleine schon den Darstellern zuzuhören ist ein Genuss, ganz egal was sie denn da sagen. Die koreanische Sprache ist imho eine der schönsten und wohl-klingensten auf der Welt.


#83 bateman23

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Geschrieben 13. Juni 2004, 11:56

“The system wanted them to become soldiers. One soldier just wanted to be human.”

Tigerland
(5.6.2004 - TV)


Tigerland – ein „Miniatur-Vietnam“ der US-Armee. In diesem Ausbildungslager werden in den 70ern tausende junge Männer auf den realen Einsatz im Feindesland vorbereitet. Sie werden von den Ausbildern gnadenlos gedrillt und gedemütigt. Die Rekruten gehen mit dem Stress auf unterschiedlichste Weise um: „Der sensible Paxton hasst den Krieg, möchte aber als überzeugter Patriot für sein Land kämpfen. Zugführer Miter will seine Männlichkeit unter Beweis stellen.“ Und der aggressive Wilson brennt darauf in den Krieg zu ziehen. Einzig der Rebell Bozz geht aktiv gegen das System vor. Er legt sich mit seinen Vorgesetzten an, wo es nur geht und handelt sich mit seiner Respektlosigkeit jede Menge Ärger ein.

Und das ist auch schon mein Hauptkritikpunkt am Film: Der omnipräsente Bozz. Mir scheint als wäre die Handlung mehr auf ihn gerichtet, als auf eine Charakterisierung der anderen Personen, geschweige denn auf ihr unterschiedliches Verarbeiten der ungewöhnlichen Situation. Das ganze verkommt zur One-Man-Show, bei der alles andere zu Statisten degradiert wird. (Anmerkung: Da mich das auch schon bei „Phone Booth“ so genervt hat, befürchte ich ja langsam fast, das liegt entweder an Joel Schumacher oder an Colin Farrell). Durch den aufsässigen Hauptdarsteller, der seine Kollegen (ich sage mit Absicht nicht Kameraden) so mir nichts, dir nichts aus der Armee raushaut, wird dem gesamten Szenario die Schärfe und die Ausweglosigkeit genommen. – Wird der eigentlich interessante Ansatz aufgeweicht und verliert sich im unmotivierten Einsatz der verwackelten Handkamera. Das ganze wirkte für mich streckenweise eher wie ein Homevideo eines Abenteuerurlaubs, wie ein Kurztrip in die Hölle – Rückfahrschein inklusive. Einen positiven Effekt hatte der Genuss des Films aber dann doch noch: Jetzt weiß ich es endlich zu schätzen, dass Kubrick sein „Full Metal Jacket“ nicht nur im Ausbildungscamp angesiedelt hat.


#84 bateman23

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Geschrieben 17. Juni 2004, 19:52

„All the sex and violence on the screen has gone too far for me. I’m fed up with it.”

They live
(12.6.2004 - DVD)


Der arbeitslose Landstreicher John Nada (btw: genialer Name) streift durch die Straßenschluchten LAs. Er ist auf der Suche nach dem Glück, oder zumindest erst einmal nach einem Job. Was er findet ist jedoch etwas ganz anderes. Als ihm eine mysteriöse Sonnenbrille in die Hände fällt, sieht er die Welt plötzlich mit anderen Augen…
Eigentlich behandelt John Carpenter in seinem Science-Fiction-Film „They live“ etwas Allgegenwärtiges. – Manipulation und Propaganda. Dabei schwankt der Film immer zwischen Konsumkritik und Actionfilm. Leider verschiebt sich dieses Gleichgewicht gegen Ende zu sehr in Richtung Letzteren, wodurch das ganze ein wenig plakativ und plump wirkt. Nichts desto trotz ein kleiner, netter Film mit dem typischen Charme der Achtziger. - Und die Anfangssequenz begeistert mich auch heute noch…


#85 bateman23

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Geschrieben 17. Juni 2004, 20:03

„Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“

Halloween
(12.6.2004 -DVD)


Halloween : \Hal'low*een"\ (h[a^]l'l[-o]*[=e]n"), n.
The evening preceding Allhallows or All Saints' Day (November 1); also the entire day, October 31. It is often marked by parties or celebrations, and sometimes by pranks played by young people. [Scot.] --Burns. [syn: Halloween, Hallowe'en, Allhallows Eve]
(http://www.wordiq.co.../Halloween.html)


Diese Nacht scheint prädestiniert, als Schauplatz eines Horrorfilms. Und so ist gleichnamiger Vertreter auch zweifelsohne ein Klassiker des Genres. Der Film, der Jamie Lee Curtis zur Scream-Queen krönte und den Slasher-Film populär machte. Und ich muss zugeben: Halloween ist ganz nett, schade dass er so lange an mir vorüber gegangen ist. Vor allen Dingen auch deshalb schade, da man praktisch keine Chance hat unvorbereitet und unvoreingenommen in den Film herein zu gehen. – So etwas mag ich ja eigentlich gar nicht, was wiederum dazu führte, dass ich das Schauen immer wieder aufschob, … und so weiter: Ein Teufelskreis. Wie dem auch sei, nun habe ich es endlich geschafft diese filmische Bildungslücke zu schließen

Und noch bevor die virtuos inszenierte erste Sequenz über den Bildschirm flimmert, lief es mir eiskalt den Rücken herunter und stellten sich die Nackenhaare auf. Die von Carpenter selbst komponierte, minimalistische Theme lässt den Schrecken und Horror schon ohne visuelle Unterstützung langsam aber beständig aus dem Fernseher kriechen. Die bereits ins Gemeingut eines jeden Cineasten eingegangenen Akkorde lassen schlimmes erahnen. Noch bevor die ersten Bilder zu sehen sind schwebt der Finger abwechselnd zitternd über Pause und Vorspul-Taste. – Das ambivalente Tremble zwischen Neugierde und Angst wird auf die Spitze getrieben, als man Michael aus der Egoperspektive ums Haus schleichen sieht. – Generell ein sehr schönes Stilmittel, dass man den „schwarzen Mann“ selten frontal zu sehen bekommt. Aber nicht nur der Protagonist wird selten gezeigt - generell gibt es wenig explizite Szenen zu sehen, der Gore-Faktor ist minimal. Dafür steigert sich der Suspence in Hitchcocksche Sphären. Am Ende erst einmal alle Lichter im Haus angemacht und Baldrian geschluckt. Es ist nur ein Film… Nur ein Film…


#86 bateman23

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Geschrieben 19. Juni 2004, 13:58

“How happy is the blameless vestal's lot!
The world forgetting, by the world forgot.
Eternal sunshine of the spotless mind!
Each prayer accepted, and each wish resign'd.” 1)




Vergiss mein nicht!
(15.6.2004 – Schlosskino HD)


Wer kennt es nicht, dieses Gefühl der Wut, der Trauer und der Angst. Die Zeit nach einer gescheiterten Beziehung vereint alle diese dem Menschen verhassten Gefühle in einem Moment. Und jedes Mal auf Neue möchte man diese Zeitspanne, und vor allem die Zeit davor am liebsten vergessen. Möchte die Erinnerungen an die damals noch so schönen, sonnigen Zeiten einfach aus dem Gedächtnis tilgen. Jeder Gedanke führt unwillkürlich auf sie zurück. Die Erinnerung wird zur Qual. In „Vergiss mein nicht!“, dem neuen Film von Michel Gondry, ist der „Wunschtraum“ des Vergessens Wirklichkeit geworden. Wenn der Liebeskummer zu stark auf die Seele drückt, vereinbart man eben mal schnell einen Termin beim Onkel Doktor und am nächsten Tag sind die unliebsamen Erinnerungen ausgelöscht. Eben diesen Weg beschreitet Joel, der so seine verflossene Clementine vergessen will. Doch das Vergessen ist gar nicht so einfach, „und als sich Joel nach seinem Eingriff erneut in Clementine verliebt, ist endgültig klar, dass er diese Frau niemals aus dem Kopf kriegen wird...“

Es gibt Filme, die besitzen die Magie, mir ein breites Grinsen und ein seliges Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Es gibt Filme, die schaffen genau das, trotz ihrer immanenten Melancholie. – und die gab es in letzter Zeit sogar gar nicht einmal so selten. Da wären z.B. „Mein Leben ohne mich“, „Punch Drunk Love“ und „Lost in Translation“. Oder eben jetzt „Vergiss mein nicht“. Der Film beginnt durchaus unspektakulär, alltäglich. Ein Mann – noch im Halbschlaf – auf dem Weg zur Arbeit. Er wartet am Bahnsteig auf den morgendlichen Zug. Inmitten unzähliger anderer Pendler fällt er nicht weiter auf. Wir scheinen Beobachter aus sicherer Distanz, und zugleich Leidensgenosse, ganz nahe bei ihm. Dann plötzlich, als wäre er aus einem tiefen Schlaf aufgewacht, kämpft er sich durch die wartenden Massen, stürzt auf den gegenüberliegenden Bahnsteig. Erwischt den abfahrenden Zug gerade noch rechtzeitig. Den Zug in die andere Richtung…
Genauso wie dieses „Erwachen“ verwandelt sich die anfängliche „Normalität“ im Verlauf des Films immer mehr in eine Mischung aus (Sur)Realität und Phantasie. Gedankenspiele werden zum Psychotrip. Michel Gondry kann mit visuellen Effekten glänzen und man sieht seine frühere Profession als Video-Clip-Filmer für Björk oder Chemical Brothers durchschimmern. Und trotz all dieser Spielereien bleibt „Vergiss mein nicht“ ein typischer Kaufmann – wenn es denn so was überhaupt gibt. – Darsteller, die in Gehirnen spazieren gehen, sich im Unterbewusstsein verstecken, oder einfach nur über sich selbst reflektieren. Jedoch bleibt der Film immer im Hier und Jetzt verankert, woran die Protagonisten einen nicht unerheblichen Anteil haben. Sowohl Kate Winslet, als auch Jim Carrey erweisen sich als Glücksgriff. Ich habe beide zuerst gar nicht wieder erkannt (sowohl optisch, als auch schauspielerisch – und das ist vor allen Dinge bei Carrey überaus positiv gemeint). – Die Schauspieler wirken real, sie erscheinen als Persönlichkeiten mit Ecken und mit Kanten…

Warum mir der Film so gut gefallen hat? Vielleicht liegt es daran, dass der Film mein Lieblingsthema in abgewandelter Form behandelt, oder vielleicht an dem sympathischen Understatement des Werks. Vielleicht an der melancholischen Romantik oder einfach nur an der genialen Idee. Ein wenig hat mich das Ganze an „Spiel zu zweit“ von Robert Wise erinnert. Auch in diesem Film verlässt man das Kino mit der beruhigenden Gewissheit, dass - wenn Erinnerung das einzige ist, was bleibt -, man wenigstens diese genießen und fest umschlossen halten sollte. Man sollte sich auf das jetzt konzentrieren, um sich morgen an gestern erinnern zu können….



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Alexander Pope (1688-1744) - Eloisa to Abelard


#87 bateman23

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Geschrieben 04. Juli 2004, 16:27

„Das ist hier immerhin meine Ecke“

Smoke
(22.6.2004 - DVD)


„Brooklyn Cigar“, der kleine, unscheinbare Tabakladen in Brooklyn. Das ist die Welt in die uns Paul Auster und Wayne Wang entführt. Doch hier werden nicht nur Glimmstängel verkauft, hier treffen Charaktere aufeinander, die alle eine Geschichte zu erzählen haben. Und so ist dieser Mikrokosmos eher eine Begegnungsstätte als nur ein Tabakladen. Ist Besitzer Auggie nicht nur Verkäufer, sondern Beobachter und Geschichtenerzähler. Genauso wie wir in diesem Film immer weniger Zuschauer, als viel mehr zum Zuhörer werden. Wir erleben Depression und Inspiration. Wir werden Zeugen ungewöhnlicher Freundschaften und Begegnungen. Da ist zum Beispiel der Schriftsteller Paul Benjamin, dessen Frau erschossen wurde und der seither keinen Satz mehr zu Papier bringt. Oder der schwarze Jugendliche Rashid, der auf der Suche nach seinem Vater ist…

Die Episoden erinnern dabei irgendwie an die schwarz-weiß Fotos, die Auggie jeden Morgen von „seiner Ecke“ schießt. Jeden Morgen der gleiche Blickwinkel und trotzdem jedes Mal neue Perspektiven, Momentaufnahme und Charakterstudie zugleich. Alle diese Geschichten entfalten trotz ihrer Statik eine gewisse Dynamik. Allerdings resultiert diese Dynamik nicht aus der Inszenierung, die sehr ruhig und gemächlich daherkommt. Sie weckt unwillkürlich Assoziationen mit dem gemütlichen Sitzen vorm Kamin. Wenn man mit einem guten Glas Wein oder einer Zigarre in einem Buch schmökert oder einer Geschichte lauscht. Die Geschichten spielen sich weniger auf der Leinwand ab, als vielmehr im Kopf. Ein typisches „Mind-Movie“. Und dabei, und gerade der Abspann macht das deutlich, viel klarer und aussagekräftiger, als das eine ausgefeilte visuelle Darstellung sein könnte.


#88 bateman23

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Geschrieben 05. Juli 2004, 17:45

“You licked my ear. I'd have bought a dog if I wanted my ear licked.”

Willbur wants to kill himself
(24.6.2004 – Lux Kino Wiesloch )


Meilenweit entfernt von ihrem vorherigen Film “Italienisch für Anfänger” und doch so ähnlich…
Nach ihrem Ausflug in Dogma-Gefilde schlägt Lone Scherfig in ihrem neuen Film „Wilbur wants to kill himself“ inszenatorisch einen ganz anderen Weg ein. Von Verzicht auf musikalische Untermalung und Authentizität der Schauplätze ist hier nicht viel zu spüren. So verfehlt es auch durchaus nicht seine Wirkung, wenn Alice im sterilen, kalten Licht des Krankenhauses Blut vom Fußboden wischen muss, oder andererseits Harbour im goldgelben, warmen Licht des heimeligen Buchladens über seine Kindheit grübelt. Zur Story muss nicht viel gesagt werden, schließlich lässt der Titel der Fantasie wenig Spielraum. Und so versucht Wilbur – wie erwartet – sich andauernd das Leben zu nehmen. Dabei geht er, zum Leidwesen seines Bruders, äußerst kreativ vor, muss er ihn doch des Öfteren retten. Doch wie das Schicksal es so will wird diese Routine eines Tages jäh unterbrochen, als Alice in das Leben der beiden Brüder tritt. Von nun an ist alles anders... zumindest fast alles.
Der Film findet eine gelungene Balance zwischen Komödie und Tragödie. Er verbindet die brisanten Themen leichtfüßig mit Esprit und Humor. – vielleicht ist das Galgenhumor in Reinkultur. Auf jeden Fall macht es ziemlich Spaß. Leider habe ich mich nicht so richtig „mitten drin“ gefühlt, was vielleicht an den zu perfekt wirkenden Kulissen und der etwas zu konstruierten Story liegt. Eine Identifikation mit den Figuren blieb gänzlich aus. Nichts desto trotz habe ich mich manchmal dabei ertappt, dass ich meine Sitznachbarn im Kino einfach umarmen und ganz fest drücken wollte. – Übrig bleibt der Vorsatz den Film unbedingt noch einmal mit adäquater „drückbaren Kuschel-Begleiterin“ zu schauen…

P.S
Der Synchrosprecher von Wilbur spricht auch Jeff aus Coupling – kam mir zumindest so vor, und hat mich ganz schön genervt.


#89 bateman23

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Geschrieben 06. Juli 2004, 19:38

„Selbst mit weit geöffneten Augen sehe ich nicht das Geringste.“

Zatoichi
(29.6.2004 – Gloria HD)

Nachdem sich in letzter Zeit zunehmend Hollywood um das Genre des Samuraifilms gekümmert hat, holt nun Takeshi Kitano dieses japanische Stück Kultur zurück ins Ursprungsland. Er erzählt in seinem elften Film eine typische, alte, japanische Legende. Die Geschichte des blinden Samurai Zatoichi. Dabei stört es ihn auch nicht, dass dieser Stoff schon in zig Variationen auf die Leinwand gebracht wurde. Das liegt vielleicht daran, dass er den Stoff äußerst frei interpretiert und zugleich nah an seiner typischen Thematik bleibt. Er holt seine Gangesterballaden zurück in die Vergangenheit und stellt seinen traurigen Figuren einen Rächer an die Seite. Kombiniert hier Komik mit wortloser Gewalt – Kunstblut spritzt bereits in den ersten Minuten literweise…

„Japan im 19. Jahrhundert. Zatoichi ist ein blinder Wanderer, der sich seinen Lebensunterhalt mit Glücksspiel und Massagen verdient. Doch hinter der bescheidenen Fassade versteckt sich ein meisterhafter Schwertkämpfer, der blitzschnell und mit unfassbarer Präzision zuschlägt…“ Der Film enthält, nicht nur aufgrund der direkten Storyline zahlreiche Referenzen auf Kurosawas „Die Sieben Samurai“ oder „Yojimbo“. Wenn die Bauern auf den Feldern im Takt der Musik das Getreide mähen, oder im Rhythmus der Score ein Haus zimmern, dann erinnert das sogar ein wenig an Triers „Dancer in the Dark“… Am Ende bin ich mir ziemlich sicher: Zorro war in Wirklichkeit ein blinder Samurai.


#90 bateman23

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Geschrieben 08. Juli 2004, 20:25

“Sei zu Besuchern freundlich, auch wenn du beschäftigt bist.” (Tsunetomo Yamamoto – Hagakure)

Duel Project –Aragmi
(25.6.2004 – Cinema Quadrat)


The Duel Project – ein Film-Projekt, bei dem zwei Regisseure aufeinander treffen. Sie stehen sich, genauso wie ihre Protagonisten gegenüber. Mann gegen Mann, der klassische Zweikampf. Die Regeln: Sieben Tage Drehzeit, die Beschränkung auf einen einzigen Handlungsort, die Handlung: Ein Duell bis zum Tod. Alle anderen Parameter sind den Regisseuren frei überlassen. Ryuhei Kitamura siedelt seine Realisierung dieser Vorgaben in dem typischen, klassischen japanischen Genre des Samuraifilms an.
Der schwer verwundete, namenlose Samurai findet sich nach einer verlorenen Schlacht in einem kleinen Tempel mitten im Wald wieder. In der unheimlichen, meditativen Stille des Gotteshauses trifft er seinen Retter. Dieser gibt sich zuerst äußerst gastfreudig und leert zusammen mit dem „Gast“ ein Glas nach dem anderen. Jedoch gibt er nicht viel über sich selbst preis. Erst als der Samurai aufbrechen will, lüftet der vermeintliche Priester sein Geheimnis und fordert seine Wiedergutmachung ein…

Den ruhigen, philosophischen Tönen vom Anfang folgen von da an hipp choreographierte und rasant geschnittene Kampfszenen. Und wie bei Kitamura so üblich, wird das ganze mit wummernder, treibender Elektro- und E-Gitarren-Musik unterlegt. Dadurch wird allerdings leider auch die vorher sorgsam aufgebaute Atmosphäre, die durch eine dunkle Ausleuchtung beherrscht wird, zerstört. Was wie klassisches Theater begann wird zum Techno-Spektakel. Ein bisschen scheint es, als wolle der Regisseur auf Teufel komm raus den Stil seiner Erstlingswerke beibehalten und mit Inhalt und Tiefgang anreichern. - Rashomon meets Versus. Trotz dieses allgegenwärtigen, immer wiederkehrenden Stilbruchs, strebt Aragami ständig der Klimax entgegen, partiell unterbrochen durch die meditative Ruhe. Dass dieses Ende dabei genauso vorhersehbar ist, wie archetypisch den Kino-Konventionen gehorcht, lässt mich ein wenig mit den Zähnen knirschen – Umso mehr freue ich mich auf den zweiten Teil des „Duel Projects“: 2LDK






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