Diesen für Europäer nur sehr schwer nachvollziehbaren Patriotismus der US-Amerikaner bringt wohl kaum einer so auf den Punkt wie Sam Peckinpah, diesem unamerikanischem, in diesem Film ja fast schon anti-amerikanischem, nun ja, Patrioten. "Ich liebe mein Land, aber ich hasse das korrupte Establishment", könnte man dieses Phänomen zusammenfassen, Convoy erzählt von diesem Spannungsverhältnis.

Vordergründig ist das nur eine Art Westerngeschichte, verlegt in die USA der späten Siebziger freilich, mit rauhbeinigen Kerlen, ebenso rauhbeinigen Cops, vielen coolen Sprüchen und auffällig oft eingefangene weite, öde Landschaften. Vordergründig ist das die Geschichte von Rubber Duck und Dirty Lyle, die beide doch Brüder sein könnten ("Es gibt nicht mehr viele von uns", sagt erstgenannter an einer Stelle), die das Schicksal aber auf unterschiedliche Seiten gestellt hat, von wo aus sie sich, wortwörtlich, bis auf's Blut (davon fließt, wie immer bei Peckinpah, reichlich) bekriegen müssen. (Nicht ganz) Am Ende: der Clash, der große Feuerball auf der Mitte der Brücke. Auf beiden Seiten - hier die Frau, dort der Feind - Entspannung, in-sich-zusammensacken. War es das alles wert gewesen?
Doch da ist noch mehr: Die USA haben sich in den späten Siebziger verändert, der Rekurs auf die großen, alten Mythen geht nicht mehr ganz so leicht vonstatten. Was war nicht alles geschehen, was hatte die USA nicht alles im tiefsten Innern erschüttert, zweifeln lassen? Da war Nixon, der tödliche Anschlag auf Kennedy, Attentate auf Sharon Tate und Martin Luther King, Altamont begrub den Traum von Woodstock in einer Blutlache, Pogrome gegen Schwarze, und, nicht zuletzt, das große Trauma Vietnam. Korruption, Mord, Totschlag, Napalm zum Abendbrot. Auf den Bildschirmen, versteht sich. Convoy erzählt von all dem, wenngleich sublim, nicht auf der Handlungsebene. Wenn ein Cop die Trucker über Funk in seine, buchstäbliche, Radarfalle lockt. Wenn sich dieser nahezu vernachlässigbare Konflikt hochschraubt zu einer Krise brisantesten Ausmaßes, wenn Hunderte von Trucks dicht hintereinander quer durchs Land ziehen. Wenn der - wie auch der Politiker aus Taxi Driver quasi parteilos gezeichnete - Gouverneur den Rückhalt der Trucker in der Bevölkerung zum Wahlkamf nutzen will, das Phänomen zu vereinnahmen versucht. Wenn Bullen einen Schwarzen halbtot prügeln, wenn für den Gouverneur das, trotz Silberkehle zuvor, ein einzukalkulierendes Opfer darstellt. Wenn die Nationalgarde dann doch mit schwerstem Geschütz auffährt, den Rädelsführer torpediert und sich der Gouverneur noch nichtmal dafür schämt, eine ekelerrend verständnisvolle Rede auf der imposanten Trauerfeier zu halten. Wenn Lovemachine der Kragen platzt, er wutentbrannt mit seinem Truck, hintendrauf den schwarzen Sarg, vondannen prischt, gefolgt von allen anderen, die die Schnauze voll haben, ein kleines Treppchen armselig stehen lässt. Peckinpah fängt es kurz nur in all seiner verlassenen Erbärmlichkeit ein: Es ist rot-weiß-blau. "Wir haben einen neuen Convoy", heißt es über Funk.
Der Lack ist ab. Von den Mythen, den Erzählungen, den gegenseitigen Versicherungen als "god's chosen people". Ein wehmütiger Abgesang darauf, der sich das Eigentliche, nunmehr pervertiert, irgendwie zurücksehnt, es aber dennoch besser weiß. Notizen aus dem Krisengebiet: USA, Ende der Siebziger, keine Hoffnung in Sicht. Der Backlash, die verhärtende, verdichtende Ära der späten Rambofilme, war noch nicht in Sicht. Für eine kurze Zeit lang kam das aufregendste, in all seiner Brache schönste Kino aus den USA.





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Manhattan Murder Mystery könnte auch, in Anlehnung an Hitchcocks Das Fenster zum Hof, Die Wand zum Nachbarn heißen: Diane Keaton und Woody Allen spielen das Allen-typische New Yorker, liberale Mittelschichts-Paar - vielleicht ist's ja sogar das Paar aus Annie Hall, eben nur 15 Jahre später -, das (mal wieder) in die Krise gerät. Weil: Diane Keaton (eigentlich ist das ja immer herrlich egal, wie die Leute in Allens Filmen heißen, letzten Endes ist's immer Diane Keaton, Mia Farrow und Woody Allen) verdächtigt den Nachbarn direkt nebenan (man merkt schon: über Höfe hinweg zu spionieren ist in den Hochhäusern der 90er nicht mehr möglich), den man lange Zeit nicht gekannt, nunmehr kennengelernt hat, die eigene Gattin umgebracht zu haben, was für Keaton Grund genug für ein wildes, kleines Abenteuer im recht behäbigen Ehealltag der beiden ist. Allen ist von den Theoremen und Schlußfolgerungen gar nicht begeistert, mimt den abwinkenden Griesgram. Es folgen die klassischen Hitchcock-Situationen - in Absenz des Verdächtigen in die Wohnung eindringen etwa, parallel montiert dazu der Nachbar, der sich behenden Schrittes seinem Appartement nähert -, die gekonnt und gewitzt durchgespielt werden. Ähnlich wie beim Großmeister des Suspense ist auch hier die Kamera verschmitzter Komplize des Erzählers: sie täuscht, verbirgt, simuliert die Bewegung aufschwingender Türen, schafft Spannung. Trotz aller Ähnlichkeiten, trotz aller Anlehnungen: Manhattan Murder Msytery ist ein Allen-Film. Er fühlt sich so an, er sieht auch so aus.

"Es ist zu fragen, ob zur Verdichtung von Spannungszuständen unbedingt auch das Ekelerregende mobilisiert werden muss. Die widerlichen Sequenzen mit den Schlangen und Ratten überschreiten die Grenze des Tragbaren. Unnötig auch das breite naturalistische Ausspielen der Morde, wobei die abstossende Grossaufnahme nicht verschmäht wird und mit hartem Schnittwechsel und greller Klangkulisse besonders geschmacklos nach makabren Effekten gehascht wird. Völlig fatal wirkt zwischen Blutrunst und Anstaltssadismus die selbstzweckhaft eingelassene Nacktszene, die dadurch bewerkstelligt wird, dass die Scotland Yard-Kriminalisten in der Anstalt durch den Türspion eine wohlproportionierte Geisteskranke beobachten, die gerade ihrem Striptease-Komplex frönt. Das alles erzeugt teilweise ein Unterhaltungsklima, das wie aus dem Abnormitätenkabinett des Jahrmarkts bezogen wirkt.", kann man dort, nicht ohne Amusement, nachlesen.


Der Filmdienst hätte vermutlich schon längst den Alarmknopf gedrückt und den gewähnten Verrat an der Filmkunst kopfschüttelnd seufzend und unter Zuhilfenahme würdevoller Worte angetadelt. Eigentlich bemitleidenswert, wer in der Tat so denken sollte, denn die Qualitäten des Films liegen, und dies verdeutlicht er ja auch anhand obiger, gerne als "Schwächen" bezeichneter Hinweise, woanders: In den wunderschönen Sets zum Beispiel, die in schönster Farbenpracht erstrahlen und durch bloß ästhetische Reize schon betören. In den liebevoll choreografierten Kampfszenen etwa, die mit Eleganz und viel formal-technischer Fingerfertigkeit inszeniert wurden und sich - zum Glück! - vom Paradigma der Rechtfertigung durch psychologisierende Handlung, wie man sie in westlichen Gefilden, nicht selten recht lustfeindlich, pflegt, befreien. Und dann noch die Gegner unseres Helden, die mit einer Lust am Schrulligen und offensichtlich Unrealistischen konzipiert wurden (eine "Devil Grandma" zum Beispiel), die westlichem Popanz gänzlich fremd ist. Ja, dies ist Selbstzweck und nichts anderes. Ein Narr aber, der letzten Endes im Kinobesuch selbst noch immer etwas anderes sehen möchte als reinen Selbstzweck. Feinde der Kinematografie eigentlich, die dem Film als Kunstwerk und Kulturprodukt nur dann Geltung zugestehen wollen, wenn er jenseits seines Daseins als Film noch Qualitäten aufweise, sei es der Kommentar zum Zeitgeschehen oder eine moralisierende Fabula.
Die Kunst hat sich selbst zum Inhalt. Davon erzählt Magic Blade. Er erzählt auch von einem Kino der anarchischen Freude, des unbekümmerten Spaßes am bloßen Zusehen und sich Ergötzen. Das ist auf schöne Art ehrlich und unverklemmt. Die Freude am Sehen, Staunen und Entdecken. Kein Wunder eigentlich, dass sich - erst im Nachhinein! - herausstellt, dass für diesen wunderbaren, fast schon "reinen" filmischen Film der gleiche Regisseur, Chor Yuen, verantwortlich zeichnet wie zuvor für Intimate Confessions Of A Chinese Courtesan, der ähnlich zu begeistern wusste: Ein neuer Lieblingssregisseur scheint entdeckt.
Der deutsche Film im Siedepunkt zwischen Genre und Trash - meist geht das nicht allzu gut. Entweder man produziert ordentlichen Trash, das dann aber eigentlich schon fast unbeabsichtigt, oder aber man geht an das ganze affektiert und prätentiös ran, dann schafft man maximal belangloses Einerlei, zu gewollt, um Charme zu entwickeln, zu wenig gekonnt, um als Satire, Hommage oder einfach nur als gelungener Zeitvertreib bestehen zu können. Das Resultat solcher Kokettierereien nennt sich dann zum Beispiel Suck My Dick (ein nachgerade bodenloses Beispiel!), 666 - Trau keinem mit dem Du schläfst oder aber, in diesem Falle, Kai Rabe gegen die Vatikankiller, dessen relativ stilsicheres Plakat zumindest kein völliges Totalversagertum in Aussicht stellte. Ich sollte eines Besseren belehrt werden.
In
Zum Freak wurde Vogt nicht noch einmal degradiert. Dafür ist der Film schon viel zu sehr auf Sympathie mit dem Gegenstand aus. Die typisch tappsige Musik des Baiuwaren Haintling, den man "lang scho nimmer g'sehn" hat, unterstreicht die provinzielle Beschaulichkeit, vor allem wenn sie einen dieser alten Landwirte begleitet, die man in jedem Dorf dieser Größenordnung wohl zu jeder Tageszeit in irgendeiner Straße sehen kann, wie sie im Blaumann eine Schubkarre wohin auch immer schieben. Man ist, dies ist in der Tat eigentlich ein Problem, schon fast zu sehr dem klassischen Authentizitätsanspruch der Dokumentation verpflichtet und belässt es bei dem Abfilmen äußerer Phänomene und montiert diese stimmig zusammen. Schon allein Vogts irgendwie ja wirklich sympathischer Modernentrotz scheint diese Vorgehensweise nahezulegen. Warum aber die Jugend, wenn auch unbewusst, die Flucht antritt - entweder sieht man kleine Kinder, die sich im landwirtschaftlichen Idyll noch wohl fühlen, oder aber schwäbelnde Twens, für die es offenbar nur einen einzigen Wunsch gibt: ein eigenes Auto - davon erzählt der Film nicht. Er verschweigt es geradezu. Welche Kommunikationskanäle hinter den Fassaden der Fachwerkhäuser regelmäßig heißlaufen, deutet er nur an: Da scheinen ganz eigene Machtgefüge zu existieren, das graue Eminententum ist in derart unanonymisierten Welten, man weiß das ja, noch stark am Werkeln. Ein Blick hinter die Kulissen jenseits bloßer Beschaulichkeit hätte dem Film gut getan. Vogt selbst ist immerhin ehrlich: Man solle erst gar nicht glauben, dass man hier in einer Idylle lebe. Regelmäßig würden Ehen geschieden - wenn man sieht, welchem Brunftverhalten die Filmemacherinnen oft gegenüber stehen, möchte man eigentlich auch behauten zu wissen, warum - und eine hohe Selbstmordrate gäbe es hier auch. Letzteres wird nur widerwillig zugegeben und ist auch eher Gegenstand von Witzeleien nach dem 11.September: Hier hätte man ja auch seine Selbstmord-Terroristen. Nun ja.









