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The retina of the mind's eye - Filmforen.de - Seite 14,3333333333

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The retina of the mind's eye


454 Antworten in diesem Thema

#401 Hick

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Geschrieben 23. März 2009, 09:31

The Fall (Indien/UK/USA 2006, Tarsem Singh) (Cinemax)

Vielleicht ist das jetzt mal eine gute Gelegenheit, die zwei Seelen, die in meiner Brust wohnen, zur Ansprache zu bringen und den Unterschied zwischen rational erwogener Kritik und schwärmerischer Filmliebe darzulegen. (Oft genug finde ich mich nämlich in Auseinandersetzungen wieder, wo mir das eine oder das andere vorgehalten wird, obwohl vermeintlich doch eher das andere oder das eine angebracht gewesen wäre.)

Dass mir die polarisierenden Filme, vor allem diejenigen, bei denen die Meinungen zwischen "Kitsch" und "Meisterwerk" changieren, zumeist besonders gut gefallen, hat sich mittlerweile fast schon zu einem Auswahlkriterium für mich entpuppt. Im Vordergrund stehen da oft mehr subjektive als ästhetische Kriterien - das war bei Tim Burtons "Big Fish" so, bei Haggis' "Crash", bei Aronofskys "The Fountain" und nun auch Tarsem Singhs "neuem" Film "The Fall", der es nach über 2 Jahren endlich in die Kinos geschafft hat.

Anders herum sind die kritischen Einwänden dritter (besonders dann, wenn die Kategorie des "Kitsch" bemüht wird), aber auch nicht immer frei von subjektiven Empfindungen - mehr noch: diese scheinen oft sogar das maskierte Hauptkriterium der Bewertung zu werden, das dann nur - bei Rüdiger Suchsland in telepolis kann man das lesen - lediglich im Mäntelchen der (ja sowieso unmöglichen) Objektivität daherkommt.

Genug der Vorrede: "The Fall" ist für mich bislang der beste Filme des noch nicht alten Jahres 2009. Ob ihm dieser Rang von anderen Filmen (und dann von mir!) streitbar gemacht wird, wird sich noch zeigen müssen. Aber auch in der Vergangenheit ("Eternal Sunshine of the Spotless Mind", "Life and Death of Peter Sellers") hat sich da zumeist wenig getan, wenn ich erst einmal ein solch bedeutungsschweres Vorurteil (gegenüber den nachfolgenden Herausforderern) etabliert habe. Wie es dazu kommen konnte, kann ich mir nur halbwegs erklären - das Nichterklärbare macht sogar den wesentlichen Teil dieser Bewertung aus.

"The Fall" berührt mich zuerst einmal mit seiner Geschichte. Die kann nicht nur unkomplex und frei von Sentimentalität sein, sie darf noch nicht einmal diese Attribute missen, wenn sie bei mir wirken will. Je einfacher eine Story daherkommt, desto eher schafft sie es, den "analytischen Motor" in meinem Bewusstsein abzuwürgen, bevor er überhaupt noch anspringen kann. Dann kommen all die Assoziationsketten, Intertextualitäten und Homologien gar nicht erst zum Vorschein und die Filmerzählung findet ihren Weg "von vorn durchs Auge in die Brust". (Dann lassen mich selbst solche Details wie die kleinen Anspielungen auf die Filmgeschichte in "The Fall", etwa in Form einer durch ein Schlüsselloch hergestellten camera obscura, gleichgültig.)

"The Fall" ist aber auch Kino pur - ein Kino, das vor allem von seinen Bildern lebt. Fast könnte man meinen, die allzu einfache Geschichte vom verletzten Stuntman, der sein Lebensfinale im Tod und des kleinen Mädchens, das seine Glückseligkeit im Happy End einer Geschichte sucht, wären nur ein Vorwand, damit Tarsem diese Bilder einem Kinopublikum zeigen kann, das ja immer noch viel zu sehr auf "Erzähltes" fixiert ist und sich die Filme zumeist nach dem Plot aussucht. (Ein paar Freunde haben genau deshalb abgewunken, mit in "The Fall" zu kommen: "Klingt uninteressant.") Aber die Erzählung korrespondiert schon auf trickreiche und intelligente Weise mit den Bildern. Das war ja schon in Tarsems "The Cell" der Fall.

"The Fall" ist zuerst ein Film der Farben, dann einer der Töne und dann merkt man (bzw. ich), wie sehr er eigentlich ein Film der Synästhesie ist, in dem beide nicht ohne einander auskommen. Denn Krishna Levis Soundtrack liefert stets die akustischen Harmonien zum farblichen Thema. Dass er dabei auf Material aus der Klassik zurückgreift und das Thema des Allegrettos aus Beethovens 7. Symphonie implementiert, eröffnet nur noch einen weiteren Horizont voller gefühle (bei mir wird wie bei vielen das Hören einer bekannten Melodie auch oft zu einer Retrospektive der damit verbundenen Erinnerungen). Über diese Synästhesie von Bildern und Tönen stellt sich dann so etwas wie das "absolute Filmerlebnis" für mich ein, das mehr (das oben angesprochene) unbestimmte Gefühl ist als das bewusste Erlebnis.

Das kann man unmöglich zum Gegenstand einer Kritik machen und man sollte sich hüten es zu objektivieren (damit meine ich nicht: es zu formulieren - ich halte nichts davon, dass ein "Je nais se quoi" zu Sprechverboten gegenüber Kunstwerken führt). Nicht, dass man das Gefühl damit zerstören würde oder dem Film damit ein Leid antäte - das ist Obskurantismus. Nein, man würde nur einen unmöglichen Dialog oder einen Streit provozieren, weil die Minimalbedingung ästhetischer Kommunikation, die intersubjektive "Verständigung", eigentlich nicht greifen kann, wenn es um privates Erleben geht. (-> Wittgenstein)

Darum würde ich über "The Fall" lieber nichts schreiben, was andere davon zu überzeugen versucht, dass das "der beste Film des Jahres" (für mich) ist und es würde anderen selbstverständlich auchnicht gelingen, mich davon zu überzeugen, dass das nicht so ist.

#402 Hick

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Geschrieben 23. März 2009, 11:24

Im Glaskäfig (Spanien 1987, Tras el Cristal, Spanien 1987, Augstí Villaronga) (DVD)

Das neue, noch kleine Label "Bildstörung" mausert sich gerade zu einem der interessantesten Publikationsorte für verschüttete Perlen der Filmgeschichte. Das, was dem "Kino Kontrovers" des Legend-Labels auch zuerst noch gelungen ist, nämlich Filme mit einer Ästhetik zwischen Attraktion und Repulsion in eine Reihe zu stellen, macht "Bildstörung" nun bereits zum vierten Mal in Folge ("Marquis", "Bad Boy Bubby", "Ein Kind zu töten", "Im Glaskäfig").

Mehr: F.LM

#403 Hick

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Geschrieben 24. März 2009, 09:06

The Strangers (USA 2008, Bryan Bertino) (Blu-ray-Disc)

Bezeichnenderweise bricht das Grauen in just dem Moment in das Leben von Kristen und James, als die beiden auf dem Wohnzimmertisch Geschlechtsverkehr ausüben wollen. Es ist nicht nur der intimste Moment eines Paares, sein „tertium non datur“, sondern auch derjenige, der die strukturelle Verflechtung von Privatheit und kulturellem Selbstverständnis am deutlichsten vor Augen führt. Schon in der Renaissance, beim Architekturt-Theoretiker Leon Battista Alberti, war der Leib der Frau und grundsätzlich „offenes Territorium“ und die Funktion des Hauses deswegen zuvorderst, diesen Leib abzuschließen, ihm eine schützende Hülle zu geben, in die es nur einen „legitimen Eindringling“ geben kann: den Ehemann. James ist aber, wie wir kurz zuvor erfahren haben, nicht der Ehemann von Kristen und wird es auch nie sein. In der Hierarchie der Eindringlinge steht er auf derselben Stufe wie jeder andere Mann in ihrem Leben und der Sex, den beide praktizieren wollen, ist kein selbstverständliches Recht mehr, sondern ein Akt der Besitznahme – eine Territorialisierung. Insofern ist James den Fremden, die in das Haus von Kristens Eltern (diese Tatsache fügt sich ebenfalls in die Bedeutungsstruktur!) eindringen wollen, gleichgestellt. Er hat nichts zu beschützen, für dass er sich mit seinem Leben einsetzen könnte, also ist es nur konsequent, dass er es verliert, ohne damit etwas zu bewirken.

mehr: in Kürze

#404 Hick

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Geschrieben 24. März 2009, 09:45

Mikrokosmos (Microcosmos: Le peuple de l’herbe, F/CH/It 1996, Claude Nuridsany & Marie Pérennou) (Blu-ray-Disc)

Dass „Mikrokosmos“ seinen Fundus ästhetischer Fiktionalisierungsstrategien viel deutlicher in den Vordergrund stellt, als andere Dokumentarfilme dies tun – ja, als es ihrer Glaubwürdigkeit gut täte –, könnte seinen Grund darin haben, dass uns der Film in eine Welt einführt, die wir nicht kennen, in der vieles so ganz unvermittelt vielleicht eklig, bedrohlich oder skurril wirken würde. Unser einziger Anker ein Verständnis für die Schönheit dieser Welt zu entwickeln, liegt in der offensichtlichen Inszenierung. Da können dann Mistkäfer, die ihre Kugeln sisyphonisch einen Hügel hinauf rollen, nur, um dann wieder mit ihm hinab zu kullern, zu Slapstick werden, die Bilder zweier Hirschkäfer, die auf einem Ast darum kämpfen, wer zuerst den Weg passieren darf, werden wie in einem Actionfilm montiert oder eine scheinbar endlose Reihe von Raupen, die hintereinander her krabbeln (um von oben für Vögel wie eine Schlange auszusehen), werden beim Zoom-out aus größerer Entfernung als endloser Tati’scher Kreisverkehr enttarnt, bei dem nichts vorangeht und sich alles irgendwann zum Chaos entwickelt. Die kleinen Dramen und Komödien, die das Leben schreibt – das der Insekten ebenso wie das der Menschen – werden immer erst durch den Formwillen zu solchen. Die Aufgabe und Kunst des Films ist es, diese Formen auf die natürliche Ordnung zu projizieren. Dann kann aus dem „Material“ ein Film und aus dem „Ereignis“ vielleicht eine Allegorie werden.

Mehr: folgt

#405 Hick

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Geschrieben 29. März 2009, 12:57

Rough Cuts: Buttgereits Filmlektionen im HAU, Part 1: Monster

http://www.f-lm.de/?p=2019

#406 Hick

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Geschrieben 31. März 2009, 10:01

My Bloody Valentine 3D (USA 2009, Patrick Lussier) (PV Astor Filmlounge)

Nun habe ich ihn doch noch mal in 3D sehen können und es war "ein ganz anderer Film", wie man so schön sagt. Das 3-D-Kino ist schon von seiner Definition her eines der Schauwerte und stellt diese sprichwörtlich in den Vordergrund. Bei "My bloody Valentine" merkt man das besonders daran, dass in der 2-D-Variante (die ja gar keine Variante ist, sondern lediglich nur eines der beiden Bilder zeigt und das andere verschweigt - nur welches ist das richtige?), dass also in der flachen Variante der "Hintergrund" wesentlich deutlicher ist als in der 3-D-Version. Nicht nur verschwimmen hier die optischen Hintergründe nicht mehr so stark, sondern auch die erzählerischen treten klarer hervor. Das ist nicht gut für einen Film mit derartig vielen Plot-Holes, die er durch das, was er zeigt (die Drastik, aber auch die Dreidimensionalität) noch ganz gut verbergen, oder besser kleinreden kann.

Aber das ist natürlich nicht alles, was "My bloody Valentine 3D" auszeichnet. Obwohl ich den Film kannte, war ich in einigen Situationen wirklich überrascht und erschreckt. Ein Schrecken, den ich sonst aus dem Kino nicht kenne und der gänzlich auf den 3-D-Effekt zurückzuführen ist. Es waren nämlich jedes mal Szenen, in denen etwas auf die Kamera zukam. Und die Überraschung rührte auch nicht daher, dass ich das nicht erwartet hätte, sondern im Gegenteil, dass ich es erwarten musste: Wenn der Killer im Prolog der Gruppe der Flüchtenden seine Spitzhacke hinterher wirft und die Kamera dann die Position des anvisierten Zielpunktes (jenseits einer Windschutzscheibe) einnimmt, dann weiß man ja schon, was als nächstes passiert. Und dennoch durchbricht die Spitzhacke den "Reizschutz" wie die Windschutzscheibe und scheinbar dann auch die Leinwand und das ist erschreckend. Eine analoge Szene zeigt der Epilog, in dem sich die Projektile endlich einmal in die entgegengesetzte Richtung, nämlich auf den Killer zu bewegen. In "Bullet-Time" umkreist die Kamera das Projektil, nachdem es die Mündung der Waffe verlassen hat und verfolgt es dieses mal nicht hintendrein, sondern fliegt ihm voraus auf das Ziel zu, den Blick jedoch Richtung Schütze rückwärts gewandt, so dass es abermals ein auf die Leinwand zufliegendes Geschoss ist.

Wenn man 3-D-Kino als ein Kino der Vektoren beschreiben wollte, dann zeigt alles immer nur in die eine Richtung: auf den Zuschauer. Wie trivial! Aber wie wirkungsvoll!

#407 Hick

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Geschrieben 31. März 2009, 11:08

Night of the Hunter (USA 1955, Charles Laughton) (DVD)

Was für ein ungewöhnlicher Film! 11 Jahre nach "Arsenic and Old Lace" erscheint mit "Night of the Hunter" in etwa das genaue Gegenteil: Ein Witwenmörder, der sich im Auftrag Gottes und der gerechten Sache sieht, es - anders als die alten Ladies bei Capra - aber auch auf das Geld seiner Opfer abgesehen hat, gerät an die Frau eines jüngst wegen Raubüberfalls und Mordes hingerichteten Zellengenossen, von dem er erfährt, dass seine Beute versteckt bei ihm zuhause ist. Er beginnt also erneut mit seinem "Witwenschütteln", hat dieses mal jedoch auch die beiden Waisen als Ziel, denn sie wissen, wo das Geld versteckt ist.

Ich habe den Film im Zusammenhang mit einer Artikel-Recherche zur Destruktion von Privatsphäre als Motiv im Nachkriegskino gesehen, für das er ein exzellentes Beispiel ist. Recht schnell bin ich aber von meiner Fährte abgelenkt worden und in den ästhetischen Bann von "Night of the Hunter" geraten. Was den Film so ungewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass er sich einerseits nicht davor scheut, Klischees zu inszenieren (man denke nur an die Tierbilder, die allegorisch durch das Bild ziehen, als die Kinder den Fluss hinabrudern), andererseits diese Naivität der Bildsprache aber auch eine ungeheure Suggestivität mit sich bringt, weil sie so ehrlich wirkt. Laughton streut immer wieder Stereotype in seinen Film ein, die man aus anderen Zusammenhängen zu kennen meint, bewirkt damit aber keineswegs die Suche nach dem Ursprung des Zitats oder der Allusion, sondern bricht vielmehr sein Kriminalstück auf diese Weise auf, um es zu einem Beispiel von Bildsprache jenseits der Worte werden zu lassen. Drei Kader habe ich mal stellvertretend als Beispiele hierfür aus dem Film kopiert:

http://img406.images...06/479/3921.jpg
http://img207.images...7/8611/4408.jpg
http://img207.images...7/4511/5330.jpg

Was mir noch sehr positiv auffiel, ist die Tatsache, dass auch in diesem Horrorfilm gesungen wird. Die Gesangseinlagen fügen sich, ganz wie in "Wicker Man" in den Plot ein, indem sie ihn metaphorisch ergänzen und zusammenfassen. Das ambivalente Verhältnis zur christlichen Religion (das beide Filme für mich besitzen), wird durch die Verwendung zumeist christlichen Liedgutes in "Night of the Hunter" noch kontrapunktisch unterstrichen: Wie verlogen wirkt das Schlaflied mit seinem hervorstechenden "Leaning"-Refrain? Aber noch gruseliger wird es im Duett kurz vor Ende, als die Pflegemutter den vom Killer ausgelassenen Teil "Leaning on Jesus" singend ergänzt.

#408 Hick

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Geschrieben 06. April 2009, 09:39

Cape Fear (USA 1962, J. Lee Thompson) (DVD)

Für eine Artikelrecherche zum Thema "Destruktion von Privatheit" habe ich mir das Original einmal angesehen: Was Thompson sich in "Cape Fear" traut, ist für seine Entstehungszeit schon recht beeindruckend: Mehr noch als im Scorsese-Remake ist die Aggression auf die Tochter konzentriert und die Wahl der damals 14-jährigen Schauspielerin Lori Martin, die zudem dann noch wie eine "kleine Frau" ausgestattet wurde (von der Frisur bis hin zur Kleidung) verschiebt die Handlungen des Vaters schnell von einer bloßen Schutz- zu einer Eifersuchtsmotivation werden.

Schemenhaft erkennt man in Max Cady hier eine Umkehrfunktion des Vaters, ein abgespaltenes, unzivilisiertes reines Lustprinzip, das den Anforderungen des modernen Lebens entgegensteht. Cady ist damit auch der Dämon der bürgerlichen Gesellschaft, der deren Errungenschaften durch Tabubruch umzukehren versucht. Die Machtlosigkeit der "guten" Instanzen gegen ihn zeigt bereits, dass er nur mit seinen eigenen Mitteln geschlagen werden kann. Und erst als der Vater sich seiner "Gerissenheit" (wie es im Film heißt) annimmt, ist er in der Lage, ihn zu besiegen - was gleichbedeutend damit ist, einen Teil von ihm in sich (wieder) zu erkennen. Das kann 1962 als Drama deshalb viel besser als 1991 funktionieren, weil die starren gesellschaftlichen Regeln hier auch noch bis ins Privatleben hineingreifen. Scorseses Remake wirkt im Vergleich mit dem Original daher schon beinahe wie eine Interpretation, in der diese sozialen und psychologischen Strukturen manifest werden.

#409 Hick

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Geschrieben 06. April 2009, 11:25

Death Race (USA 2008, Paul W. S. Anderson) (Presse-DVD)

Von Anderson ist man es ja gewohnt, solide inszeniertes Trash-Kino vorgesetzt zu bekommen. Daher besteht eigentlich auch kein Anlass zur Beschwerde, wenn man weiß, worauf man sich mit "Death Race" einlässt: Der Film erzählt eine einfache, gradlinige Geschichte über einen Ex-Rennfahrer, der im Amerika der Zukunft des Mordes an seiner Frau bezichtigt wird, ins Gefängnis kommt und dort zu einem "Death Race"-Fahrer wird, um wieder freizukommen. Die privatisierte Gefängnisleitung betreibt nämlich ein äußerst lukratives TV-Programm, in dem die Gefängnisinsassen mit aufgemotzten und bewaffneten Autos um ihr Leben und ihre Freiheit fahren. Dass unser Held nicht ganz ohne Verschulden der Gefängnisdirektorin hinter Gittern gelandet ist, macht den dramatical point der Geschichte aus.

Viel mit seiner Vorlage "Death Race 2000" von Paul Bartel scheint der Film nicht zu tun zu haben (ich kenne Bartels Film nicht, aber die Texte dazu lassen etwas ziemlich anderes erwarten). Anderson begrenzt seine Utopie auf einen "medial verseuchten totalen Kapitalismus" wie man ihn schon Filmen wie "Running Man" oder "Millionenspiel" kennt. Weit darüber hinaus reicht der situative Kontext dann auch nicht, also lohnt es sich eher, auf die Inszenierung und die für Andersen typischen "Gadgets" zu achten - und hier gewinnt "Death Race" eindeutig an Fahrt: Sagenhaft inszenierte und montierte Autorenn-Szenen, gefilmt in düsteren, farbarmen Bildern und zu einem brachialen Elektro/Rock-Soundtrack geschnitten. Der Film lässt einem diesbezüglich kaum eine Atempause. Falls man die doch einmal bekommt, fällt vielleicht auf, wie stark "Death Race" von der Videospiel-Ästhetik beeinflusst ist. (Anderson ist seit "Alien vs. Predator" mit dieser Schnittstelle ja bestens vertraut.) Damit sind nicht nur die Aktivierung der Waffen- und Verteidigungssysteme im Rennen gemeint (die Fahrer müssen über leuchtende Flächen fahren, um die "Zusatzfunktionen" ihrer Fahrzeuge freizuschalten), sondern auch die Darstellung des Rennens überhaupt.

Als "Filterung" dient dem Film hier die "doppelte Blick" (A. Islinger) auf die Fernseh-Show, die (folgerichtig) genauso heißt wie der Film: "Death Race". Die Art, wie die Fahrer des Rennens hier vorgestellt werden, erinnert stark an Rennspiele a la "Need for Speed", die Überblicksperspektiven und Kartenfunktionen bilden ebenfalls einen wichtigen Teil der Videospielästhetik der TV-Show und nicht zuletzt mutet das ganze ästhetische Rahmenkonzept der Show das Hauptmenü eines Videospiels an. Nun gibt es natürlich längst ein Spiel, das "Death Race" heißt; das hat mit Andersons Film (wie auch mit dem von Bartel) nur gemeinsam, dass Autos hier wir dort als Waffen eingesetzt werden. (Das ist ja im Übrigen eine schon bei Virilio auftauchende Analogie.) Markant an dieser crossmedialen Verschränkung ist daher, dass das Automobil in deren Zentrum steht und sich mir abermals als ein "Vehikel" zeigt, das gleichermaßen Orte und Diskurse miteinander zu verbinden in der Lage ist.

Zu gegebener Zeit werden ich auf die Frage der Metaphorik von Automobilität in Film und Videospiel noch einmal eingehen (da müssen dann neben "Death Race" natürlich auch andere Hybride wie "Speed Racer" auf der einen und "GTA" und "Burnout" auf der anderen Seite angesprochen werden.)

#410 Hick

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Geschrieben 14. April 2009, 14:25

Schwarze Katze - Weißer Kater (Crna macka, beli macor, Jugoslawien u.a. 1998, Emir Kusturica) (DVD)

Kusturicas Filme sind immer etwas ganze besonderes: Ein chaotischer Spaß voller Sonne, Musik, Vulgaritäten, Romantik, Komik und stets einer Prise grotesker Gewalt; aber auch immer politische Metaphern, Auseinandersetzungen mit der Geschichte des Vielvölkerstaates Jugoslawien und seiner Nachfolge-Länder. Und so ist auch die Gangster-Geschichte aus "Schwarze Katze - weißer Kater" wieder ein Sinnbild für rationale Koalitionen, Zwangsgemeinschaften und Freiheitsbestrebungen, ein Abgesang auf das Vergangene, das doch nicht tot (zu kriegen) ist, eine brisante Mischung aus Schwarz und Weiß und zwischendrin unglaubliche Zigeuner-Musik - dieses Mal aber nicht von Goran Bregovic.

#411 Hick

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Geschrieben 14. April 2009, 14:34

Super Size Me (USA 2004, Morgan Spurlock) (ARTE)

ARTE hat seine Ernährungswoche abgeschlossen und darin ein paar echte Leckerbissen und Kotzbrocken serviert. Zu letzteren gehörte neben dem erschütternden "Unser täglich Brot" auch Morgan Spurlocks Fast-Food-Selbstversuch und man mag von der Intention halten was man will (etwa, dass sie mit linker Zeigefinger-Moralität daherkommt): Der Körpereinsatz des Regisseurs und Hauptdarstellers ist beneidenswert!

Was sich Spurlock da mit seiner McDonalds-Diät antut, steht, wenn die Ärzte das richtig diagnostizieren, in bester Tradition zu den medizinischen Selbstversuchen von Daniel Jeckyll über Albert Hofmann bis Seth Brundle ( ;-) ). Nicht aufzuhören, wenn "die Leber schon am Boden liegt", sondern "auch noch auf sie einzutreten", wie ein Internist das farbenfroh schildert - das wäre eine Künstlermaxime, von der sich Nummer-Sicher-Filmemacher eine Scheibe abschneiden könnten (um im Bild zu bleiben). Was wäre die Filmgeschichte ohne Selbstzerstörer wie Fassbinder oder Ed Wood? Von denen war auch nicht jeder Film ein künstlerisches Glanzlicht. Immer aber ein "Lebenszeugnis".

#412 Hick

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Geschrieben 14. April 2009, 14:44

Ghosted (D/Tw 2008, Monika Treut) (Presse-DVD)

Für einen in Kürze erscheinenden Essay über Privatheitsmotive und -zerstörungen im Film, an dessen Ende der Besessenheitsfilm als die Apotheose des "intimen Einbruchs" steht, habe ich mir "Ghosted" nun noch einmal angesehen (dankenswerterweise hat mir die PR-Agentur, die den Film nächste Woche ins Kino bringt, eine Presse-DVD zukommen lassen).

Immer noch bin ich der Meinung, "Ghosted" ist ein guter Film, eine behutsame Studie kultureller Annäherung, erzählt über die Metapher der Sexualität. Beim zweiten Sehen hat er mir sogar noch eine mögliche Fehllektüre offenbart: Scheinbar hat es den Kontakt zwischen der deutschen Künstlerin und der taiwanesichen Journalistin gar nicht gegeben. Die Aufwach-Szene am Schluss könnte darauf hindeuten, dass der Filmplot nur ein Traum letzterer war. Dann müssten allerdings auch alle übrigen Szenen neu bewertet werden und der Schluss, an dem beide taiwanesische Frauen noch einmal als Geister zu sehen sind, wäre damit vollständig rätselhaft.

Da ich den Film Anfang Mai im Kolloquium in Bonn diskutieren werde, hebe ich mir weiteres Rätselraten lieber auf und protokolliere das Ergebnis dann hier.

#413 Hick

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Geschrieben 14. April 2009, 15:30

Starfight (The Last Starfighter, USA 1984, Nick Castle) (VHS)

Wie ich gerade sehe, ist für nächstes Jahr offenbar ein Remake von "Starfight" angekündigt, bei dem Castle ebenfalls Regie führt. Ein Grund mehr, sich diesen besonderen Film noch einmal zu Gemüt geführt zu haben.

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Wie alle Computer-Filme erzählt auch "Starfight" zwei Geschichten: eine von Menschen und eine von Maschinen. Die erste handelt vom Teenager Alex, der in einer Wohnwagen-Siedlung lebt, aus der er alsbald fortgehen möchte, um etwas in der Welt zu erleben. Die Widrigkeiten des Alltags und die Ängstlichkeit seiner Freundin halten ihn jedoch zurück. Alex ist Hobby-Automatenspieler und beim Videospiel "The Last Starfighter", das in der Wagenburg steht, kaum zu schlagen. Eines Abends erreicht er sogar den High Score und wird von allen Anwohnern dafür bejubelt.

In derselben Nacht landet ein seltsames Gefährt in der Nähe, dessen Fahrer nach Alex sucht. Er nimmt ihn mit zu den Sternen, während ein Double seine Stelle in der Siedlung einnimmt. Alex entdeckt, dass sowohl die Namen und Planeten des Videospiels als auch dessen Hintergrundgeschichte real sind, ja, dass das Spiel offenbar als Rekrutierungsmittel auf die Erde gebracht wurde. Alex findet sich in einem intergalaktischen Krieg wieder, an dessen Front er als Starfighter kämpfen soll. Er hat jedoch Angst und lässt sich zurück zur Erde bringen, während die Armada der Starfighter durch einen Spion vernichtet wird. Alex, als "The Last Starfighter", ist nun auch auf der Erde nicht mehr sicher und entschließt sich kurzerhand, doch für die Gute Sache zu kämpfen.

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Die zweite Geschichte erzählt von der Jugend und ihren Problemen, zu denen vor allem gehört, dass man die Welt der Kindheit loslassen muss. Das Spielzeug hat man als Relikt anzusehen, das nun gegen die Selbstsorge, sexuelle Interessen und den beruflichen Werdegang eingetauscht werden soll. Doch im Zeitalter der Homecomputer ist es nicht mehr so leicht, das Spielzeug als bloßes Kinderspiel abzutun. Firmen wie Atari, Nintendo und Coleco erwirtschaften mit Videospielen schon in den 1980er-Jahren Unsummen und lassen eine ganz neue Branche entstehen. Warum also soll Videospielen kein Beruf oder keine Bestimmung sein? Für Alex wird es eine, denn mit "The Last Starfighter" findet er die Lösung gleich zweier Probleme: Es hilft ihm (im Wortsinne) aus dem Alltag zu fliehen und nimmt ihm die Entscheidung ab, sich einen Lebensweg zu erarbeiten.

Dass ihm beides leicht fällt, liegt an der mimetischen Ähnlichkeit zwischen Alex' Videospiel-Welt und der "Weltraum-Welt", in die er entführt wird. Der Trick, mit dem der Film diese Ähnlichkeit dem Zuschauer glaubwürdig macht, ist gleichermaßen unbewusst wie genial: Alle Szenen, die außerhalb der Erde spielen, sind Computer-Animationen. "Starfight" ist überhaupt einer der ersten Filme, der CGI in größerem Maße einsetzt. Dass Alex beim Kampftraining im Raumschiff also feststellt: "Das ist wie zu Hause!" ist daher mehr als verständlich, weil er mit "zu Hause" eben die Grafik und Bedienung des Videospiel-Automaten meint.

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Abermals ist es also die behauptete Spiel-Grafik, die die Immersion - nun jedoch in umgekehrter Reihenfolge - erst ermöglicht: Alex "lebt in einem Videospiel" und das gelingt ihm nur, weil er ein Videospieler ist. Wer den Film zur Zeit seines Erscheinens gesehen hat, wird sich vielleicht noch daran erinnern, wie verblüffend die Computer-Animationen damals gewirkt haben. Vektorgrafiken mit realistischen Lichteffekten, flüssigen Animationen und das gleich minutenlang! Ich habe Alex damals um seinen Videospielautomaten beneidet, denn meine Version von "The Last Starfighter" auf dem Atari 800 XL sah reichlich anders aus.

http://www.youtube.com/v/hYJhu-jycBU

Das Spiel, das Alex spielt, ist also bereits ein Ausweis für seine futuristische Herkunft gewesen: Die Grafik war "ihrer Zeit weit voraus" - wie es eben Science Fiction manchmal sind. Dass auch hier die Realität die Fiktion (fast gleichzeitig) eingeholt hat, steht auf einem anderen Blatt - passt aber zum Thema (es gab hier genügend Beispiele für die Verknüpfung von Krieg und Spiel im Film).

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#414 Hick

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Geschrieben 15. April 2009, 14:21

Nirvana (It/F/UK 1997, Gabriele Salvatores) (VHS)

Der letzte Film, den ich für den vierten Teil meiner "Computer im Film"-Reihe gesehen habe ... und irgendwie doch nicht, denn ich habe "Nirvana" bereits vor 4 Wochen gesehen und habe zwei Anläufe dafür gebraucht und mehrere Anläufe für einen Filmtagebuch-Eintrag dazu. (Das wäre also auch mal zu ergründen.) Aber gut ...

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Erzählt wird die Geschichte des Spielprogrammierers Jimi Dini, der ein recht realistisch wirkendes Adventure für den Konzern "Okosma Starr" entwickelt hat, welches kurz vor der Markteinführung steht. Als der kürzlich von seiner Freundin verlassene Jimi einsam in seinem Luxus-Appartement sitzt und sowohl das Abendessen als auch ein Schaumbad, das ihm vom Wohungscomputer angeboten wird, ablehnt, entdeckt er, dass mit "Nirvana" - so heißt sein Spiel - etwas nicht stimmt. Eine der Spielfiguren scheint so etwas wie Selbstbewusstsein entwickelt zu haben. Es handelt sich um "Solo", den Helden des Spiels, der sich nicht nur daran erinnert, bestimmte Spielszenen schon einmal "durchlebt" zu haben, sondern auch Kontakt zu seinem Programmierer aufnimmt und von diesem von seiner Misere erfährt. Jimi findet heraus, dass "Nirvana" von einem Virus infiziert wurde, der genau diese Entwicklung verursacht hat. Da er das Spiel bereits an Okosama Starr abgeliefert hat, die verzweifelte Existenz Solos jedoch beenden will, macht er sich auf dem Weg aus seinem Appartement zum Spieleentwickler, um sein Elaborat zu vernichten.

Auf seinem Weg begegnet er zunächst dem Insider "Joystick", der für ihn Autos knackt und ihn mit Kontakten und Informationen versorgt. Beide zusammen suchen die junge Hackerin Naima auf, in die sich Jimi verliebt. Mit ihrer Hilfe findet er auch heraus, warum seine Freundin ihn verlassen hat und dann in eine Art Kloster gegangen ist: Dort wird nämlich ein Bewusstseins-Chip von ihr aufbewahrt, den sich Naima in eine Schnittstelle über der Augenbraue einsteckt und dann auf einmal so ist wie die Exfreundin von Jimi. Das führt zur Klärung der Situation und zu Geschlechtsverkehr zwischen den beiden. Mittlerweile haben auch die Agenten von Okosama Starr entdeckt, dass da jemand an "ihre" Daten will und Agenten losgeschickt, die Jimi an seinem Vorhaben hindern sollen. Es kommt zu einem Showdown, an dessen Ende natürlich das Gute siegt und Solo mit samt dem Spiel gelöscht wird.

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So, und jetzt weiß ich auch wieder, warum ich mich so gesträubt habe, den Film zu Ende zu sehen und den Text zu beginnen: Weil er einfach total wirr erzählt ist und weil er ausschließlich aus Versatzstücken anderer dystopischer Science-Fiction-Filme besteht. Das Beginnt bei der Welt von "Blade Runner" und endet bei der Erzählung von "Welt am Draht". Und dennoch hat "Nirvana" natürlich einiges, was ihn für mein Vorhaben interessant macht. Da wären zuerst "Motivüberlappungen" mit Filmen wie "Brainscan" (ein Computer verwaltet Wohnung und Leben des Users), die hyperrealistische Spielegrafik (Brainscan, Thrillkill, ...) und natürlich so kleine Gimmicks, wie, dass der Ausgang aus der virtuellen Welt mit in diese einprogrammiert wurde: Es ist ein Schrank, durch den man auf eine "Tron"-artige Landschaft blickt.

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Über dies verhandelt "Nirvana" das Thema der künstlichen Intelligenz, die ja gerade bei der Spiel-Entwicklung nicht ganz unwichtig ist, auf gleich mehreren Ebenen. Zum einen wird Selbstbewusstheit als ein Aspekt der KI angesehen - wobei es schon interessant ist, dass diese als Ergebnis eines Virus-Infektes daherkommt. (Das ist ja ein bekannter SF-Topos - man denke an die "Moriati"-Folgen aus "Star Trek" oder an den Film "Short Circuit": "Leben ist doch keine Fehlfunktion!" Ich meine aber, es gäbe auch eine Evolutionstheorie, in der Intelligenz eher als hinderliches Abfallprodukt beschrieben wird. Wäre ja nur konsequent, wenn Intelligent so etwas wie Verhütungsmittel hervorbringt.) Dann haben wir die Frage der möglichen Materialisierbarkeit von Immateriellem, wie dem Bewusstsein, das sich tatsächlich, wie im Falle von Jimis Freundin, vollständig digitalisieren lässt. Und schließlich kommt ein Aspekt zum Tragen, der vielleicht der "biologischste" unter den hier genannten Aspekten ist: Das Programm(segment) Solo versucht sein Umfeld zu verändern, indem er die Spielsituationen variiert, andere Spielfiguren mit "Zweifeln" infiziert und so seiner Existenz zu einer etwas komplexeren Umgebung verhelfen will.

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Man kann das alles natürlich als Naturalisierungsbestrebung sehen, bei der hochgradig abstrakten Vorgängen und Gegenständen (wie sie die Software nun einmal darstellt) eine Visualität und Körperlichkeit zugesprochen wird, um sie einerseits filmisch darstellbar zu machen und sie andererseits zu "entzaubern". Dieser Strategie folgt dann auch etwa die Darstellung des Computerspeichers als Haus, bei dem Jimi durch Räume gehen muss, um zum zentralen Gedächtnis zu gelangen. Der Schrank als Schnittstelle wäre dann auch nur eine solche "Substantivierung".

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#415 Hick

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Geschrieben 21. April 2009, 15:32

WarGames - Kriegsspiele (WarGames, USA 1983, John Badham) (DVD)

Die Mutter aller "Spiel-Filme" habe ich in meiner Reihe natürlich nicht vergessen und das schlechte Gewissen, den Film nun schon einige Jahre nicht mehr gesehen zu haben, ihn im Essay aber dennoch als "Filetstück" zu behandeln, hat ihn mich gestern noch mal reinlegen lassen.

Erfreulich, dass ich mich an das meiste erinnern konnte. Im Zusammenhang mit den anderen Filmen zeigen sich jedoch auch hier narrative Querverbindungen, die für den 80er-Jahre-Computer-Film offenbar unerlässlich waren. Hier wären vor allem wieder alle Darstellungen von Jugend und Videospiel zu nennen. (Alex in "WarGames" übergibt in einer Sequenz das laufende Videospiel an seinen kleinen Bruder, weil er weg muss - eine sehr ähnliche Szene findet sich auch in "Starfight"). Aber auch Fragen von Realität und Virtualität.

Vor allem aber die Polyvalenz des Spiel-Begriffs kommt hier diesbezüglich in "WarGames" zur vollen Blüte. Vom "Shall we play a game?" der quakenden Voicebox des IMSAI bis hin zur entsetzten Feststellung des Generals: "Sombody's playing a game with us", als die Raketen-"Blips"(?) plötzlich wieder von den Monitoren verschwinden. Dass der Krieg für die Maschine ein Spiel ist, betont einer der Wissenschaftler gleich zu beginn, als er gefragt wird, was W.O.P.R. denn so eigentlich hinter seinen blinkenden Lämpchen ausbaldovere: "The W.O.P.R. has already played World War Three as a game." Und zum Schluss entblättern sich die Bedeutungen in einer einzigen, als der Computer die Raketen-Zündung unterbricht, um Tic-Tac-Toe gegen sich selbst zu spielen. Das kann er, wenn man die Spielerzahl "0" eingibt!

Ein Spiel gegen sich selbst spielen - das kann wohl nur ein Computer perfekt, weil er sich nicht selbst betrügen kann. Betrug wäre (nicht nur?) in diesem Zusammenhang eine vorsätzlich herbeigeführte Differenz zwischen dem Realen und dem Virtuellen:

Alex: "Is this a game or is it real?"
W.O.P.R.: "What is the difference?"
Alex: "Oh, wow!"

"Shall we play a Game?"

#416 Hick

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Geschrieben 23. April 2009, 09:03

The Pervert's Guide to Cinema (UK/Ö/NL 2006, Sophie Fiennes) (DVD)

Nun kann man dem "Pervert's Guide" aber leider weder vorwerfen, dass er zu fachwissenschaftlich ist, noch, dass er dasselbe nicht in genügendem Maße sei, denn der Film steht - wie sein Protagonist mittlerweile auch - im Spannungsfeld zwischen einer öffentlichem Schaulust, das gar nicht in den Fachdiskursen steckt noch das überhaupt wünscht, und der akademischen Sphäre, der das Präsentierte viel zu profan und auf Kosten der Nachvollziehbarkeit publikumswirksam aufbereitet ist. Man müsste also Augen und Ohren in beide Richtungen verschließen und sich fragen, was von "The Pervert's Guide to Cinema" eigentlich übrig bleibt, wenn man das Theoretische daraus abzieht. Die Antwort lautet: Slavoy Žižek. Es ist wieder einmal mehr ein Film über ihn als über das Kino. Wenn man sich nicht für Žižek oder die Art, wie er Wissenschaft betreibt, interessiert, dann braucht man auch diesen Film nicht zu sehen - es sei denn, man möchte drei mal 50 Minuten lang Zeuge davon werden, wie jemand die öffentlichen Vorurteile über Geisteswissenschaftler "ins Bild setzt". Denn Lachen kann man über den Hauptdarsteller und das, was er tut, auf jeden Fall.

mehr: F.LM

#417 Hick

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Geschrieben 23. April 2009, 09:24

Sexy Killer (Sexykiller, morirás por ella, Spanien 2008, Miguel Martí) (Festival-Sichtungs-DVD)

Dass Jochen und meine Aufmerksamkeit an diesem vorgerückten Filmabend auf dem Bild geklebt hätten, kann ich nicht gerade behaupten.Das lag aber nur zum Teil daran, dass wir zu später Stunde schon ein bisschen betrunken müde gewesen wären. Der Film selbst trägt die Hauptschuld, denn "Sexy Killer" ist so ziemlich alles, worüber ich mich von 10 Jahren noch gefreut hätte und was ich heute einfach nur noch belanglos finde: Endlose Selbstreflexivität im Plot und auf der Bildebene, derber Splatter und eine auf einmal krude ich die Serienmörderfilm-Handlung einbrechende Zombie-Geschichte a la "Re-Animator". Das sind die Zutaten, die ein Film unbedingt benötigt, der auf dem Fantasy-Filmfest in der "Midnight Madness"-Schiene Szenenapplaus ernten will. Und sowohl Jochen als auch ich wollten keine Wette eingehen, dass er es bis dort hinschaffen wird und im Programmheft dann so etwas steht wie "Cool as Fuck!"

#418 Hick

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Geschrieben 23. April 2009, 09:43

Che - Revolución (F/Sp/USA 2008, Steven Soderbergh) (PV Astor Film Lounge)
Che - Guerilla (F/Sp/USA 2008, Steven Soderbergh) (PV Astor Film Lounge)


Da ich noch zwei längere Filmkritiken zu diesem Film schreiben werde, will ich mich gar nicht ausführlich dazu äußern. Nur ein paar Worte: Soderbergh radikalisiert sein Projekt aus "The Good German" hier offenbar noch weiter, indem er dem Retro-Szenario nun auch noch den Plot vorenthält und "Das Leben selbst" seine Geschichte erzählen lässt. "Che" wirkt wie zerrissen zwischen den Sphären des Dokumentarischen und des Spielfilm-Biopics, sowohl was die verwendeten Techniken der Authentisierung angeht, als auch in Hinblick auf die Erzählrhythmisierung. Gerade letztere wirft mit zunehmender Filmzeit (vor allem im letzten Drittel des zweiten Teils) zusehends Fragen auf. Die Raffung des "Bolivianischen Tagebuchs" auf Spielfilmlänge überspringt immer mehr Elemente, die man sich ausformuliert gewünscht hätte, weil gerade sie ja die Erzählqualität ausmachen: Seitenhandlungen, in denen Mitstreiter ums Leben kommen, Gefahren gemeistert werden etc. Das alles wird geopfert um den Film auf sein allzu bekanntes Ende zu zu treiben. Und als hätte ich es geahnt: Ein derartig vom Charisma seiner Hauptfigur (übrigens sagenhaft gut gespielt von Benicio del Toro) versessenes Erzählkonstrukt kann seine Identifikaion irgendwann nicht mehr verschweigen. Und so findet die Erschießung des Helden dann auch aus seiner Perspektive statt und die Filmkamera stirbt einmal mehr den Tod der Hyperauthentisierung.

#419 Hick

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Geschrieben 28. April 2009, 19:17

The Brøken (USA 2008, Sean Ellis) (DVD)

KOCH veröffentlicht den letztes Jahr auf dem Fantasy-Filmfest gezeigten Mystery-Film "The Brøken" auf DVD und Blu-ray. Die Presse-DVD des Films habe ich mir gestern angesehen und war überrascht, wie sehr die Wirkung der Kinosichtung auf dem TV-Bildschirm nachlässt. Letztes Jahr hatte ich den Film zu einem der Highlights des Festivals erkoren (was nichts über das Festival, sondern etwas über "The Brøken" sagen sollte). Doch bei nochmaligem Hinsehen zeigt sich der Film als zwar exzellent fotografierte, aber leider sehr lückenhaft und monoton erzählte "Body Snatcher"-Variante. Ein Gutes hatte das Wiedersehen jedoch: Ich habe mir jetzt endlich mal einen Korpus an Filmen zum Capgras-Syndrom zusammengestellt, worüber ich in Kürze einen Artikel schreiben werde.

Eine Kritik zu "The Brøken" erscheint bald bei F.LM.

#420 Hick

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Geschrieben 28. April 2009, 19:30

X Men Origins: Wolverine (USA 2009, Gavin Hood) (PV Astor Film Lounge)

Jetzt habe ich ihn doch gesehen und werde mich einer "persönlichen Meinung in Foren o. ä." nicht enthalten (zumal ich nichts unterschreiben musste): Die Sitze im Astor sind exzellent: Sie sind mit Kunstleder bezogen, breit, links und rechts sind Abstellflächen für Getränke. Vor einem ist genug Beinfreiheit, so dass man sich zurücklehnen kann (die Lehne funktioniert ähnlich wie die Rückenlehne wie bei einem Bürostuhl) und man trotzdem nicht mit den Füßen bis an die vordere Reihe kommt. Es gibt eine Speisenkarte an jedem Sitz mit äußert teurem Sekt- und Weinangebot. (Ich gehe davon aus, dass man bei regulären Vorstellungen am Platz bedient wird.) Kurzum: Eines der luxuriösesten Kinos, das ich kenne. Zum Glück musste ich als Pressefutzi noch nie Eintritt zahlen (der soll nämlich ziemlich hoch sein). Ich empfehle also jedem den Besuch dieses Kinos auf dem Berliner Ku'Damm. Welchen Film ihr dort schaut, ist egal - vielleicht ist es ja sogar "X Men Origins: Wolverine". Das Kino macht jede Art cineastischen Ereignisses erträglich.

#421 Hick

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Geschrieben 01. Mai 2009, 09:05

Animal Farm (GB 1954, Joy Batchelor & John Halas) (DVD)

Das hatte sich George Orwell prima gedacht: Eine Fabel über die Geschichte der russischen Revolution bis hin zum Stalinismus, den er als "entarteten Kapitalismus" entlarvt. Wíe bei Fabeln üblich, werden die Tieren ohnehin zugeschriebenen Eigenschaften genutzt, um sie in den fabulösen - hier politisch-ideologischen - Kontext zu integrieren. Dass nun das von Orwell inaugurierte "Schweinesystem" ausgerechnet von der RAF in den späten 1970er als Kampfbegriff gegen den Kapitalismus und Imperialismus ins Feld geführt wurde, ist wohl eher eine der vielen Kuriositäten der ideologischen Häme und muss hier nicht weiter betrachtet werden.

Anders schon der jetzt auch durch die DVD-Veröffentlichung noch einmal manifestierte forcierte Intentionalismus, der ausschließen will, dass man "Animal Farm" auch ganz anders als als Kritik am Stalinismus verstehen darf. Heutzutage, wo der Stalinismus allenfalls ein historisches Phänomen ist (wenngleich in Putin-Russland seit Jahren eine ähnliche Verformung des Demokratiebegriffs stattfindet, wie unter Stalin der Kommunismus redefiniert wurde), ist es verlockend, den Zeichentrickfilm einmal anderen Lektüren auszusetzen um zu schauen, wie strapazierbar die Fabel ist. Wieso also nicht einmal "Animal Farm" unter dem Vorzeichen der Bankenkrise oder der Schweinegrippe neu lesen? Ich versuche das in Kürze mal ...

... dann auf F.LM.

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Geschrieben 01. Mai 2009, 18:45

Star Trek (USA 2009, J. J. Abrams) (PV Cinestar)

Na ja, so originell, die Uhr zurück auf "Null" zu stellen, um in Serien fest etablierten und konstruierten Figuren eine Vorgeschichte zu geben, ist es freilich nicht; dennoch ist die Häufung solcher Versuche in der letzten Zeit schon markant. (So weit wie Rüdiger Suchsland würde ich dann wahrscheinlich aber nicht gehen, das mit der nun ebenfalls scheinbar auf "Null" zurückgedrehten amerikanischen Politik in Verbindung zu bringen.)

Sei's drum. J. J. Abrams legt ein Star-Trek-Prequel vor, das - zumindest von der vierten Reihe aus - nur schwer zu ertragen war. Handkameras in fast jeder Szene, die auch dann wackeln, wenn es gar nichts zu wackeln gibt. - Jetzt folgen nur noch Spoiler! - Dafür wackelt die Story so vor sich hin und profaniert ein ziemlich bedrohliches Raumschiff als schnöde romulanische Weltraumbohrplattform. Seit den Borgs sind meine Ansprüche an unbezwingbare Gegner etwas höher. Einfach mit einem Raumschiff rammen darf nicht reichen. Abrams ist in seinem Null-Film leider nur halb mutig, denn er erzählt gar nicht die Vorgeschichte von Star Trek, sondern nur eine - eine, die in einem weiteren Paralleluniversum spielt.

Ach, ich verrate ja (fast) alles! Wie soll man auch über etwas schreiben, was eigentlich jeder kennt und wo es nur noch darum geht informative Lücken zu schließen. Letztlich ist das ganze Star-Trek-Filmuniversum ja nichts anderes als ein Lückeschließen und wird immer dann besonders interessant, wenn sich einmal - wie in der morgen mal wieder ausgestrahlten Tribbles-Folge - Unstimmigkeiten auftun, die später dann geschlossen werden können.

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Geschrieben 12. Mai 2009, 15:22

Spy Game (USA 2001, Tony Scott) (DVD)

Zugegeben: Viel mitbekommen habe ich nicht von dieser Originalfassung, was wohl teils an meinem Post-Kolloquiums-Kater, teils an der vorgerückten Stunde lag, aber beeindruckt hat mich der Film dennoch. Gerade die Tatsache, dass Scott hier die Action (noch) nicht zum Motor der Bild-Bewegung erklärt und vieles über die Dialoge "motiviert", zeigt, dass er sich im Spionage-Film bestens auskennt. Mit Robert Redford hat er da aber auch wirklich einen alten Hasen!

Erfreulich waren die schon in nuce vorhandenen Bild-Tricks, die Zeitraffungen, wirbelnden Kameras und vor allem die Schrifteinblendungen. In "Spy Game" haben vor allem Orts- und Zeit-Einblendungen den Sinn, dass sie den Anschluss zweier Sequenzen noch einmal verdeutlichen. Man könnte fast meinen, das sei für unaufmerksame Zuschauer für mich gedacht: Eben noch im CIA-Hauptquartier, dann eine Uhrzeiteinblendung, die bis in die nächste Einstellung hineinreicht, welche dann aber in einem chinesischen Folterknast angesiedelt ist. Die Schrift wird hier zur Brücke zwischen den filmischen Räumen. In Scotts nächstem Film - "Man on Fire" - besiedelt sie dann einen eigenen Raum. Da müsste man mal etwas drüber schreiben: Über die Schrifteinblendungen in den Filmen Tony Scotts.

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Geschrieben 12. Mai 2009, 15:50

Ju-On: The Grudge (Jp 2002, Takashi Shimizu) (DVD)
The Grudge (Jp/D/USA 2004, Takashi Shimizu) (DVD)


Auf der Zugfahrt nach Bonn habe ich mir endlich einmal das Original von "The Grudge" angesehen - also den ersten Teil der japanischen Version Shimizus. Es mag am diese Sujets nicht gerade begünstigendem Rezeptionsort "ICE-Großraumabteil" und der Tageszeit (Vormittag) gelegen haben, aber gruselig war das nun gar nicht. Darauf hatte ich es aber auch nicht abgesehen, sondern auf die Frage, in welchen Aspekten sich die beiden Versionen voneinander unterscheiden. Und Kleinigkeiten sind es nun wirklich nicht, sondern die gesamte Dramaturgie des Originals ist anders. Der Film ist wesentlich episodenhafter, verzichtet weitgehend auf einen Spannungsbogen und führt viel mehr (und viel mehr) Facetten des titelgebenden Fluchs vor Augen.

Der wesentliche Unterschied zur US-Fassung ist für mich jedoch die Organizität des Re-Makes, das zwar einzelne Episoden der Ur-Fassung adaptiert (und das sogar zum Preis der narrativen Inkonsistenz, wie sich am Tod der Schwester, der ja weit entfernt des verfluchten Hauses stattfindet, zeigt), sich jedoch wesentlich mehr als "abendfüllender Spielfilm" gibt. Es ist eher diese Tatsache, als dass in "The Grudge" auch westliche Figuren zu sehen sind, die den Reiz und die höhere Affektivität des Films ausmachen. Zwei Übertragungsleistungen kommen also schon einmal zusammen: eine "Interkulturalisierung" durch Plot und Darsteller sowie eine Anpassung an Genremuster und Rezeptionsgewohnheiten des westlichen Kinos.

Und dennoch steckt die Tücke auch hier im Detail und es wäre einmal spannend sich solche Fragen zu stellen wie: Warum ist das Bettlaken der zurückgelassenen Großmutter im japanischen Original mit Kot verschmiert und in der US-Fassung mit Urin? (Ich habe das mal als besonders deutliches Detail stellvertretend für Dutzende andere Minimalveränderungen ausgewählt). Letztlich müsste man sich fragen, welchen Beitrag diese Details leisten, die ja für sich genommen keine besondere (Be)Deutung besitzen, im Gesamtzusammenhang aber vielleicht stimmig wirken und Stimmung erzeugen.

Beide Filme hatte ich wegen des Absolventen-Kolloquiums bei Michael Wetzel gesehen. Das japanische Original im Vorfeld, das US-Remake zusammen mit den Teilnehmern nach dem Vortrag und zur Illustration meiner Geister-These (dass nämlich der Geisterfilm den Endpunkt der Privatheits-Bedrohung darstellt). Und es war schön zu sehen, wie sehr solche Filme auf Zuschauer, die es nicht gewohnt sind, wirken. Wie sehr wünsche ich mir manchmal diese Empfindlichkeit zurück! Und doch: Wenn ich im Kino sitze und einen richtig guten Gruselfilm zum ersten mal sehen, dann packt es mich auch - das war bei "Blair Witch" so, bei "Shutter" und auch als ich zum ersten Mal "The Grudge" gesehen habe ... allerdings die US-Fassung.

#425 Hick

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Geschrieben 15. Mai 2009, 16:26

Briefe eines Toten (Pisma myortvogo cheloveka, UdSSR 1983, Konstantin Lopushansky) (VHS)

Ich hatte den Film ja hier schon eingehender besprochen, ihn gestern aber noch einmal für die Erweiterung des Textes für eine Publikation von Katja ("Die 100 besten russischen Filme") gesehen. Zusätzlich zu den damaligen Beobachtungen eher metaphysischer Art sind mir dieses Mal vor allem zwei Dinge aufgefallen.

Und zwar zwei Motive, die das atomare Wettrüsten seit den 1960er-Jahren bestimmen und sich in etlichen Spielfilmen thematisch niedergeschlagen haben, werden ich „Briefe eines Toten“ vom Professor aufgeworfen und weiter- bzw. zu Ende gedacht: Wie wahrscheinlich ist es, dass die atomare Katastrophe nicht durch einen militärischen Konflikt sondern einen Unfall ausgelöst wurde? Dieses Szenario wird mit Einführung der Abschuss-Automatisierung vor allem der Interkontinental-Raketen sehr wahrscheinlich und wie aus Aktenlagen des Kalten Krieges bekannt ist, sind derartige technisch bedingte Beinahe-Unfälle häufiger vorgekommen, als seinerzeit bekannt wurde. Filme wie John Badhams „War Games“ (USA 1983), in dem ein „durchgedrehter“ Computer beinahe den Atomkrieg auslöst, nehmen sich dieses Themas an. Dass der Mensch selbst wie eine Maschine zu funktionieren hatte, sobald der Befehl zum Druck auf den berüchtigten Roten Knopf kam, beschreibt schon 20 Jahre zuvor Sidney Lumets „Fail Safe“ (USA 1964), in dem sich ein Bomberkommando von seinem Flug nach Moskau nicht mehr zurückhalten lässt.

Das andere Motiv, das ebenfalls vom Professor in den Briefen erwähnt wird, ist spätestens ab den frühen 1960er-Jahren mit der Entwicklung der Neutronen-Bombe eine ernsthafte militärische Strategie-Diskussion gewesen: Lässt sich ein Atomkrieg lokal begrenzen? Die Vermutung, nicht die ganze Welt könne von der atomaren Katastrophe betroffen sein, scheint einerseits Ausdruck der Hoffnung, andererseits Echo dieser auch gezielt in der Öffentlichkeit gestreuten Militärstrategie zu sein. Verglichen mit so genannten „schmutzigen“ Atom- bzw. Kobalt-Bomben, bei denen die Radioaktivität für weitreichende Schäden in der Biosphäre verantwortlich wäre und den mit immer größerer Explosionskraft versehenen Fusions- bzw. Wasserstoffbomben (deren größte, den „Tsar“, im Oktober 1961 gezündet wurde), schien sich mit der Entwicklung der Neutronen-Bombe der Krieg tatsächlich auf kleine Areale begrenzen zu lassen. Die Neutronen-Bombe sollte verhältnismäßig geringe Explosionszerstörungen hervorrufen und nur wenig langfristige Verstrahlungen verursachen. Wahrscheinlich ist die Entwicklung dieser Waffe ab 1958 und deren massenweise Herstellung durch die Amerikaner Anfang der 1980er-Jahre ein Hinweis auf einen immer möglicher werdenden Atomkrieg und damit ein „Beruhigungsmittel“ für die Bevölkerung.

Dass „Briefe eines Toten“ beide Motive aufnimmt, zeigt, dass es Lopushansky keineswegs um eine ausschließlich metaphysische Kodierung des Ernstfalls geht. Auch wenn der Professor und einige der anderen Protagonisten am konkreten Fall des Atomkrieges die conditio humana diskutieren, nimmt der Film konkrete Diskurse auf und etxrapoliert sie auf ein mögliches Szenario, zeigt also eine Dystopie im Wortsinne – einen schrecklichen Ort. An diesem herrscht Angst, Resignation, und eine allein am Pragmatischen orientierte Moralität. Wer leben darf und wer sterben muss, diktiert ein Verwaltungsbeamter, der schon „zu oft“ das Flehen der Menschen gehört hat, um davon noch bewegt zu werden. Alle ideellen Werte sind im atomaren Feuer verbrannt: rauchende und brennende Ruinen, eine mehr und mehr ausgehöhlte Bibliothek, deren Wert sich mittlerweile in der Verfeuerbarkeit der Bücher niederschlägt. Eine Welt, in der die Figuren mehr funktionieren als leben.

#426 Hick

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Geschrieben 15. Mai 2009, 16:49

The Haunting in Connecticut (USA 2009, Peter Cornwell) (PV Odeon)

Das hat man alles schon mal gesehen. Vor allem bei "Amityville" und "The Others". Der Grusel ist auf reine Schock-Momente reduziert, die dann auch jedes Mal von einem Soundtrack-Bumm begleitet werden. Interessant war für mich allenfalls das Haus-Motiv. Ein herbei gerufener Geistlicher (Elias Kotieas), der sich mit verfluchten Häusern auskennt, bemerkt dann auch irgendwann, dass dieses Haus nicht "haunted", sondern "possessed" ist - was die Anthropomorphisierung des Hauses ein weiteres mal forciert.

#427 Hick

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Geschrieben 18. Mai 2009, 16:31

Futureworld (USA 1976, Richard T. Heffron) (DVD)

Der Auftakt zur Roboter-Filmreihe (für den letzten Teil meiner Telepolis-Serie über "Computer im Film"). "Futureworld" ist nicht bloß eine direkte Fortsetzung von "Westworld", sondern spinnt das Robotik-Thema weiter. Aus lebensecht wirkenden Maschinen werden lebende Maschinen, die nicht einmal mehr von ihren Erbauern als solche zu erkennen sind. Hier kreuzt sich der Roboter-Film mit dem Paranoid-SF a la "Body Snatchers".

Dass es nun ausgerechnet ein Journalisten-Paar ist, das da in Delos geklont werden soll, um über seine Kanäle Propaganda für den Freizeitpark zu machen, und so noch mehr Politiker und Industrielle anzulocken, war der zentrale Fehler im Plan. Denn - so will es das Gerücht - niemand lügt perfekter als ein Journalist und deshalb ist er den Robotern nicht nur mehr als gewachsen (weil diese nicht lügen können und lügen nicht verstehen), sondern ein noch viel besserer Roboter, der sein eigentliches Programm im Geheimen ablaufen lassen kann und nur eine unverdächtige Nutzeroberfläche zeigt. In der Schlusssequenz entkommt das Journalisten-Paar aus Delos, weil beide glaubhaft machen können, Roboter zu sein. Sie selbst misstrauen einander zunächst, erkennen sich aber (angeblich) am Kuss. Insofern kann es mit den Lustmodellen, die im Freizeitpark den sexuellen Wünschen der Gäste offen stehen, nicht so weit her sein.

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Es gibt ein paar schöne Einstellungen vom Kontrollzentrum des Parks, die mich an das NORAD-Zentrum aus "War Games" erinnert haben. Und tatsächlich macht man im Übergang von "Westworld" zu "Futureworld" vor, was in "War Games" später auch zur Katastrophe führt: Das Ersetzen menschlicher Bediensteter durch gefühllose Maschinen. An denen kommen windige Hacker und Lügner natürlich problemlos vorbei.

#428 Hick

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Geschrieben 25. Mai 2009, 21:07

Terminator 4 (Terminator Salvation, USA 2009, McG) (PV Cinestar)

Wo entfaltet sich eigentlich eine Intertextualität? Doch nicht im stillen Kämmerlein des Drehbuchschreibers oder am Set beim Filmdreh oder auf der Leinwand im Kino - sie entsteht im Kopf des Zuschauers. Insofern ist das Erkennen von Zitaten eine von Betrachter zu Betrachter unterschiedliche Reise durch die je eigene Filmsozialisation. Ob Intertextualitäten, Zitate, Anspielungen, Inspirationen oder wie man sie auch immer nennen möchte, damit noch zu einem intersubjektiv prüfbaren Qualitätskriterium für einen Film erhoben werden können, muss zumindest hinterfragt werden.

Man kann seine Zeit in "Terminator 4" also gerne damit verbringen, die Text- und Bild-Zitate oder die Homologien zu bereits bekannten Filmen - vielleicht desselben Genres - "aus dem Film" herauszusuchen und dabei doch nur Introspektion betreiben. Die wird schnell zu einem Selbstläufer, der einen narrativen oder ikonografischen Pfad vorzeichnet, auf dem sich die Ereignisse der Leinwand dann auch tatsächlich bereitwillig einfinden und entlangwandern. Doch welchen Film sieht man dann? Und selbst wenn man solche konstruktivistischen Überlegungen ausklammert: Was ist denn überhaupt eine originelle Geschichte? Eine, die noch nie erzählt wurde? Die in allen Facetten noch nie dagewesen ist? Wie kann man denn erzählen ohne selbst erzählt bekommen zu haben?

Ich will keineswegs andeuten, "Terminator 4" würde sich auf Zitate reduzieren lassen, noch sich dem Vorwurf aussetzen müssen, nicht originell zu sein. Beides verbietet schon die Tatsache, dass er ein kombiniertes Sequel und Prequel ist (was man neuerdings "Relaunch" nennt). Er muss sich also notwendigerweise auf seine Vorgänger beziehen. Und weil er nun auch einem traditionsreichen Genre bzw. Sub-Genre, nämlich dem dystopischen Science-Fiction-Film angehört, wird er sich auch, wie jeder Genre-Film, gewissen Regeln, Topoi und paradigmatischen Erzählkonstellationen unterwerfen müssen.

Also: Es ist egal, ob sich "Terminator 4" bei Filmen wie "Matrix", "War of the Worlds", "Mad Max", "Dune" und einigen anderen bedient oder nicht. Am Ende zählt, wie er seine Geschichte erzählt, was er zu zeigen hat und wie man sich als Zuschauer dabei fühlt. Ich bin großartig unterhalten worden an diesem Nachmittag. Ich habe eine Geschichte erzählt bekommen, die gekonnt zwischen Film-Zukunft und filmischer Vergangenheit situiert wurde. Ich wurde von einem ungewöhnlichen, mit bekannten aber verfremdeten Motiven bestückten Danny-Elfman-Soundtrack bombardiert, in den sich die Industrial-Sounds der Effekt-Tonspur wie Percussions angehört haben. Ich habe actiongeladene, bildgewaltige und rasant montierte Sequenzen neben pathetischen Totalen und Momenten voller trügerischer Ruhe in einer postapokalyptischen Welt zu sehen bekommen. Und ich habeeines der besten Production Designs seit "Matrix" genossen und meine Augen nicht mehr von dieser dreckigen, verrosteten und zerfallenen Welt lösen können - außer, wenn wieder einmal die großartig animierten Roboter (oft Puppen, selten CGI) aufgetaucht sind ...

Nur in den ersten paar Minuten habe ich Zeit damit verschwendet mich zu fragen, an was mich das alles erinnert.

#429 Hick

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Geschrieben 26. Mai 2009, 08:58

Ricky (F/I 2009, François Ozon) (Neue Kant Kinos)

Ein ganz kleiner Kinosaal mit etwa 20 Doppelsitzen die in 10 Reihen aufgeteilt und durch einen Gang in der Mitte getrennt sind. Zuerst waren Miriam und ich ganz allein, dann gesellte sich uns noch eine Mutter mit ihrer vielleicht 12-jährigen Tochter zu.*

Mein erster Film von Ozon und ich war regelrecht verzaubert von dieser ganz ungewohnten Art zu erzählen. Halb wie ein bedrückendes Sozialdrama, halb wie eine Groteske, wobei sich beide Hälften ständig befruchten, karikieren und relativieren. Bis klar wird, dass es sich wahrscheinlich um einen fantastischen Film handelt, baut "Ricky" eine ganze Anzahl von bedrohlichen Szenerien auf, deutet an, dass die allein erziehende Mutter ihren Job verliert, deutet an, dass sie und ihre Tochter mit ihrem Motorroller einen Verkehrsunfall haben wird, deutet an, dass die Tochter wegen der neuen Liebesbeziehung der Mutter zu einem spanischen Liebhaber vernachlässigt wird, deutet an, dass dieser Liebhaber seinen neugeborenen Sohn misshandelt ... und lässt diese Andeutungen doch jedes mal - wie das Handke-Gedicht von den "unbenutzten Todesursachen" - links liegen, um doch eine ganz normale Geschichte zu erzählen.

Nun, so normal ist die Geschichte vom geflügelten Baby dann aber doch nicht. Und zuerst wundert man sich vielleicht über ein paar seltsame Jump-Cuts, die die Schwangerschaft überspringen und die die Zeit, in der die Flügel zu voller Größe heranwachsen links liegen lässt ... und dann wird klar, warum das so erzählt ist. Weil der Film nämlich gar nicht vorhatte, (s)eine Lebensgeschichte zu erzählen, sondern weil das Baby Ricky wie eine Metapher, eine Kopfgeburt in diese zerrüttete und vom ständigen Untergang bedrohte Familie hineinschwebt. Es ist eine Beziehungsmetapher, ein "schwebender Sinn". Das wird klar, als die Trennung kommt und sich das Umfeld gar nicht so verhält, wie man es erwartet, wenn ein Baby verloren geht. Ein der letzten Einstellungen, die diese Annahme in die Sichtbarkeit überführt, ist, als sich die Familie wieder zusammengefunden hat, sich alle drei umarmen und sich die Hände der Eltern hinter dem Rücken der Tochter verschränken, als wären sie ihre Flügel.

Selten habe ich einen Film gesehen, der seine Bildsprache so dicht um ein Motiv herum webt, und dies doch mit so großer Leichtigkeit zu verschweigen weiß!

* Der unverkrampfte Umgang mit Liebe und Sexualität, den das fanzösische Kino glücklicherweise pflegt, hat zu interessanten Bestürzungsseufzern der Mutter und interessiertem Nachfragen der Tochter geführt.

#430 Hick

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Geschrieben 01. Juni 2009, 08:57

Tracey's Love Chamber (USA 1987, Ron Jeremy) (VHS)

"It is now the 22nd Century. The final conflict has come and gone. The Men control the planet. The women have been devided into either breeders or harlots. All for men's satisfaction. Except at the organzation called 'Sex World' which is been around for about five years now. I work there. I'm on vacation. My roommate is another exception. She has escaped classification. She lives as an outlaw. Most of us live below the surface. A lot of the air is good now. So if the meter reads safe we can remove our helmets ..."

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In diesem Prolog, den Regisseur und Hauptdarsteller Ron Jeremy einspricht, während er in einem chicen silbernen Fallout-Schutanzug durch irgend eine US-amerikanische Einöde stolpert, wird quasi der komplette Film vorwegerzählt. In seinem Urlaub streunt Ron durch die Gegend und sucht einen mit Gerümpel zugestellten Ort auf, an dem sich sein "old home" befindet. Ein Ort, an dem sich nur Kakerlaken und Ratten aufhalten - zu letzteren unterhält Ron ein angespanntes Verhältnis.

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"Many of my old relics actually survived the conflict", freut er sich angesichts des Sperrmülls, zu dem ein altes Auto, ein "Danger"-Schild, eine mannsgroße Holzfigur, ein leerer Pizza-Karton und ein tragbares TV-Gerät gehören: "I still enjoy going to my old television set and tuning into the sexual stations. It shows how sex used to be before women were classified. When they chose their own partners."Dann guckt er in die Röhre und schaut sich das "Sex World"-Programm an - die Pornodarbietungen seines Arbeitgebers - und das im Urlaub!

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"Tacey's Love Chamber" - der zu einem Drittel so heißt, weil Tracey Adams die Hauptrolle spielt, besteht aus vier Hardcore-Sequenzen, von denen drei im "Sex World"-Studio und eine bei ihm zu Hause (also im Bunker) stattfinden. Dazwischen sieht man Ron, wie geschrieben, durch die Gegend laufen und Off-Kommentare zur Situation abgeben. Irgendwann kurz vor Schluss des Films ist der Urlaub dann wieder vorbei und Ron geht zurück ins Studio. Dort erlebt er eine Orgie mit, die er via Bildschirm verfolgt, und die mit einer netten Ansage des kopulierenden Paares endet: "Ask not what you can do for Sexworld but what can Sexworld can do for you!" So viel Kundenorientiertheit kommentiert Ron abschließend mit: "Sexworld ... I think I'm in the wrong department." Und dann endet der Film.

"Tracey's Love Chamber" macht keinen Hehl daraus, dass er das Setting lediglich "missbraucht", um ein paar Nummern, die - wie Jochen wohl nicht ganz unrichtig vermutete - bei Ron Jeremy zu Hause gedreht wurden, vorzuführen. Die postapokalyptische Atmosphäre entfaltetet sich dementsprechend eher in den steril abgefilmten Hardcore-Sequenzen als im "Dazwischen". Das ist bestimmt von unfreiwilliger Komik und einem Ron Jeremy, der wirklich so aussieht, als wüsster nichts mit sich anzufangen, wenn er mal Urlaub hat. Interessant ist natürlich der Medieneinsatz im Film - es gibt ein paar TV-Monitore, ein TV-Video-Sat-Set (im Bunker-Wohnzimmer) und ein Film-Equipment, das allerdings lediglich aus Pappschachteln, die mit Alu-Folie umwickelt wurden und einem Mikrofon besteht. Das alles dient nur einem Zweck: Die Pornutopie als Zeit/Ort vorzuführen, wo es trotz Zivilisationsende doch noch ganz unterhaltsam zugeht. Dabei hilft natürlich das utopische Paradigma, das die weibliche Population in Mütter und Nutten unterteilt, ungemein ...





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