

The retina of the mind's eye
#307
Geschrieben 16. August 2008, 08:31
Ich habe mich etwas schwer getan, den Film ins Filmtagebuch aufzunehmen, weil “Tatort” ja eigentlich eine TV-Reihe ist und wenn ich erst einmal damit anfange, die auch noch kommentierend zu archivieren, komme ich gar nicht mehr aus dem Simulationsraum heraus. Aber weil die Schimanski-Tatorte zu den interessantesten deutschen TV-Krimis überhaupt gehören und ich sonst ja gar kein Tatort-Gucker bin, mache ich mal eine Ausnahme:
“Duisburg Ruhrort” ist zwar nicht der erste Tatort, in dem Götz George mitspielt, aber der erste, in dem er als Kommissar Horst Schimanski auftritt. Die Figur bekommt hier gleich alle Attribute, die ihre spätere Popularität ausmachen, verpasst: Das chaotische, ewig verschlafene, undisziplinierte Image (gerade im Kontrast zum Kollegen Thanner, der exakt das Gegenteil verkörpert), die unorganisierte Art der Ermittlungspraxis und selbst die Jacke, die er im letzten Tatort gegen einen Supermarkt-Kittel tauschen muss, hat er hier schon an. Das Ambiente des Films ist trister als man es für möglich halten könnte. Smog, Industrielandschaft, Dauerregen und schummeriges Licht bestimmen das Setting. Ein Blick aus dem Fenster ist deprimierend, aber noch deprimierender ist ein Blick neben das Fenster im Polizei-Revier, wo ein riesiges Poster eben derselben Industrielandschaft in Schwarz-Weiß prangt.
Dass sich an solch einem Ort nicht einmal das Verbrechen organisieren will und es damit dem Ermittler unmöglich macht, eine zielführende Spur zu entdecken, scheint fast zwangsläufig. Und deshalb ist dieser Tatort-Film auch gar kein Kriminalfilm im herkömmlichen Sinne, sondern eher ein Pastiche aus Versatzstücken desselben, die niemand (vor allem nicht Schimanski) zu einem kohärenten Ganzen zusammensetzen kann. Ein gleichermaßen berückendes und bedrückendes Zeugnis deutscher Kultur um 1980, dem das grellbunte Neonlicht der folgenden Jahre noch nicht anzusehen ist.
#308
Geschrieben 16. August 2008, 16:52
Es ist schon erstaunlich, wenn man sich den Werdegang David Cronenbergs anhand seiner Filmografie anschaut: begonnen mit überaus verkopften, introvertierten Science-Fiction-Stoffen, in der Hochphase der 1970er und 1980er Jahre Horrorfilme mit einer Mixtur aus medienphilosophischen Positionen und krassen Gewaltdarstellungen, dann, in den 1990ern beinahe schon ein Rückzug in psychopathologische Sujets, Filme über Sexualität und Perversion, Protagonisten, die an ihrer Lust/Devianz zugrunde gehen. Und eine abermalige Wende mit "A History of Violence" und nun "Eastern Promises", Filmen, die auf den ersten Blick so weit entfernt vom bisherigen Oeuvre Cronenbergs stehen, dass man meinen könnte, sie gehörten gar nicht dazu.
Und doch lassen sich nicht nur einzelne Grundmuster in diesen beiden Filmen wiederfinden, die bei Cronenberg schon immer Thema waren (vor allem sind dies Gewalt, Familie und Identitätsstörung/-findung), sondern in all ihrer "Normalität" (verglichen mit dem vorherigen Werk), sind sie auch ziemlich konsequent, wenn man sie als einen weiteren Schritt in Richtung einer philosophischen Progression sieht - einer Thematisierung von Räumlichkeit, die vor allem in "Eastern Promises" nun an einem Punkt, der endlich überwundenen Distanz, der unendlichen Nähe angekommen ist. Ich habe verschiedentlich versucht die Raumkonzepte in Cronenbergs Filmen als Enwicklung einer Theorie bzw. jeden Film als eine alternative Perspektive auf eine These darzustellen: Raum ist bei Cronenberg immer auch metaphorisch kodiert als etwas, in dem die verschiedensten Aspekte des Lebens Ausdruck finden. Das beginnt schon mit der obskuren Nähe der beiden Männer in der Badewanne von "From the Drain", wird ganz konkret in der sozialen/urbanen Isolation des Hochhauses in "Shivers", gerät in die mediale Kodierung der distanzüberbrückenden "Scanner"-Fähigkeit und Teletransportation in "The Fly" und bekommt in "A History of Violence" schließlich eine sozial-experimentelle Richtung: Gewalt dringt in das Private ein und um dieses Private zu schützen bzw. zu re-etablieren muss die Identität gewechselt und eine Reise unternommen werden. Monomythisch.
"Eastern Promises" variiert das nun ein weiteres Mal. Denn hier sind die zuvor geografisch weit voneinander entfernten Sphären von Frieden und Gewalt aus "A History of Violence" im Schmelztigel der Großstadt London ineinander übergegangen. Es sind nur wenige Straßenzüge, die die geordnete, bürgerliche Welt Annas und ihrer Familie von der barbarischen, gefährlichen Sphäre der Russenmafiosi Semyon, Krill und Nicolai trennen. Gewalt ist hier abermals das Medium, das diese so unterschiedlichen Familiengeschichten aneinander koppelt. (Das war schon in "The Brood" so.) Und wie in "A History of Violence" wird diese Gewalt schnell als ein destruktiver Faktor erkannt, der der Existenz, ja, sogar dem Prinzip Familie diametral entgegensteht. Nur gibt es in "Eastern Promises" eine dritte Variable, die - wie in "A History of Violence" - mit einer Scheinidentität zu tun hat. Abermals ist es Viggo Mortensen, der ein "zweites Gesicht" trägt, weil er als verdeckter Ermittler in die Mafia-Familie eingedrungen ist, um sie krebasrtig und ebenfalls mittels Gewalt von innen her aufzulösen. Doch er ist ebenso der Faktor, der für die Familie Annas zur Bedrohung wird, weil sein "zweites Gesicht" eben nicht zu erkennen ist.
Die Konventionalität, mit der Cronenberg hier einen scheinbar melodramatischen Mafia-Thriller erzählt, ist schon fast erschrekcned. Jedes Bild, jeder Dialog scheint für das zu stehen, was er ist. Das ist selbst nach "A History of Violence" neu in dieser seltsamen Eindeutigkeit. Jeder Anflug von Verstörung, jede scheinbare Lücke im Plot wird nach und nach geglättet, gestopft und zu einem Bausten des Happy-Ends geformt. Darin mag man vielleicht die größte Verstörung überhaupt sehen, weil man so viel Normalität von Cronenberg nicht erwartet. Das Schlussbild zeigt jedoch, dass die Normalität hier in Normopathie gemündet zu haben scheint. Der Doppelagent hat sich im Showdown für eine Seite, einen Raum entschieden (nachdem er bereits zuvor verkündet hatte, bislang in einer "Zone" gelebt zu haben, die auf keiner Seite, sondern immer nur "dazwischen" lag) und sitzt am Ende in dem Restaurant des Mafia-Paten ganz so, wie dieser zuvor und schaut mit gesenktem Blick nach vorn in seine nun bestimmte Zukunft:

#309
Geschrieben 18. August 2008, 20:19

Stanley Coopersmith hat es nicht leicht an der Militärschule: Seine Mitschüler mobben ihn, im Sport versagt er und die Lehrer erkennen zwar sein Potenzial, schikanieren ihn jedoch wegen seiner Tollpatschigkeit. Einige wenige, der Kantinenkoch und ein schwarzer Mitschüler, sind auf seiner Seite und spenden ihm Trost. Vom Koch bekommt er gar einen Hundewelpen geschenkt, den er in einem seltsamen Raum, welchen er beim Aufräum-Strafdienst im Schulkeller entdeckt hat, aufbewahrt. In dem Raum befindet sich eine apokryphe Bibliothek mit Büchern über schwarze Magie. Eines davon lässt Coopersmith an seinem Apple-][-Computer aus dem Lateinischen ins Englische übersetzen und erfährt, dass darin Formeln stehen, mit denen man den Teufel anbeten kann, damit er die Feinde aus dem Weg räumt. Als die Mitschüler das Keller-Versteck entdecken und den Hund töten, kennt Coopersmith keine Zurückhaltung mehr und ruft den Leibhaftigen an, mit dessen Hilfe er ein Massaker anrichtet.

Okkult- und Computer-Horror treffen in "Evilspeak" scheinbar auf recht unproduktive Weise aufeinander. Der Computer ist hier zunächst nicht mehr als ein Erfüllungsgehilfe der Allmachtsfantasien des gemobbten Militärschülers. Anfangs entwirft er darauf für den Unterricht noch eine antike Steinschleuder, dann entdeckt er aber schnell, dass der Apple weit mehr als das kann - nämlich Latein. Das wirkt wohl nur aus der heutigen Perspektive merkwürdig, weil man weiß, was für syntaktische "Meisterleistungen" von Übersetzungssystemen zu erwarten sind. In einer Zeit, in der Computer noch der Hauch des obskuren und unheimlichen "Ghost in the Machine" umwehte, schien es vorstellbar, dass der Rechner nicht nur einwandfreie Übersetzungen liefert, sondern das Eingegebene in einer Datenbank derartig verarbeitet, dass sogar inhaltliche Fragen zum Thema von ihm beantwortet werden können.

Hier genau findet sich der eigentlich interessante Punkt dieser Mensch-Maschine-Interaktion: Der Apple-Rechner ist schon von Beginn an mit einer Art Bewusstsein ausgestattet. Das wird gegen Ende klar, als sich bei jedem plötzlichen Tod eines Internatsinsassen auf dem ansonsten monochromen Bildschirm eine bunte Grafik aufbaut, die ein Pentagramm und den Namen "Esteban" zeigt. Dieser Esteban ist der Gründer einer satanischen Sekte (was man im Prolog des Films erfährt) und spukt offenbar als Geist in der Militärakademie herum, auf seine Reanimation wartend. Im Teufelsanbeter-Buch steht, dass Satan in Gestalt eines Menschen oder Tieres auf die Welt gerufen werden kann - dass er dann jedoch in Gestalt des Apple ][ erscheint, sagt mehr über das den Computer als über Satan: Der Rechner scheint der ideale Hort des Bösen zu sein, denn auch er ist mit einer Technologie ausgestattet, die auf Dichotomie beruht: 0 - 1, schwarz - weiß, gut - böse, Gott - Teufel. Allesamt das Werk abendländischer Dialektik und Spross eines dualistischen Weltbilds. "Recht und Falsch existieren nicht getrennt, sondern wie Schwarz und Weiß in der Natur." (van Gogh)

Will man das Böse verstehen, so einer der möglichen Subtexte des Films, dann muss man lernen, den Computer zu verstehen. Er ist es, der den Plan für die Rückkehr des Teufels auf die Welt entwickelt. Er schreibt Coopersmith wie ein Drehbuch vor, was zu tun ist, damit sich die Geschichte erfüllt. Er ist für den Nerd Coopersmith das (einzige) Medium der Macht … Wie oft haben wir damals gedacht, dass uns unsere Computerkenntnisse ebenfalls “nach vorn”, zumindest aber vor die Mobber bringen könnten? Ein Film wie “Evilspeak” muss die Erfüllung unserer Wunschträume gewesen sein.

#311
Geschrieben 04. September 2008, 13:03
Es hilft ja nichts. Ich kann noch so lange mit dem Abfassen eines Filmtagebuch-Eintrags zu “Black Moon Rising” warten; er wird dadurch auch nicht besser (der Film): Ein eindimensionaler Thriller, im dem sich Tommy Lee Jones in die professionelle Diebin Linda Hamilton verliebt. Die hat nämlich den Prototyp eines Superautos geklaut, in dessen Kofferraumklappte Jones zuvor eine Fangapparatur für schottische Berglöwen versteckt hatte. Es wird also viel hin und her gefahren, eine Menge geschossen und geprügelt und auch mal von einem Hochhaus in ein anderes gesprungen. Die Sex-Szene zwischen Jones und Hamilton ist 1:1 aus “Terminator” nachgedreht.
#312
Geschrieben 04. September 2008, 13:04
Zugegeben: “The Bunker” ist kein besonders origineller, ja nicht einmal sehr gruseliger “Gruselfilm”. Ein versprengter Trupp deutscher Soldaten stößt Anno 1944 in Frankreich auf einen Bunker, der von einem alten Kauz und einem sehr jungen Flak-Helfer betreut wurde. Das Bunker bietet Zuflucht, doch scheint er auch einen zweiten Eingang zu besitzen, durch den - so die Vermutung - Amerikaner hineingelangt sind und sich nach und nach die deutschen Soldaten holen. Unter dem Bunker befindet sich ein Gangsystem, in welchem noch die Gebeine von Pestopfern von vor einigen hundert Jahren zu finden sind. Ein furchtbares Massaker hatte damals stattgefunden und langsam ahnen die Bunkerinsassen und die Zuschauer, dass es wohl doch nicht die Amerikaner sind, die da ihr Unwesen treiben.

Über die Längen und die erst viel zu spät einsetzende und recht inkonsequent ausgeführte Geistergeschichte helfen vor allem die Bilder des Films hinweg. Bunker-Architektur vom Feinsten - im Filmstudio nachgebaut aber durch die Beleuchtung und die Kadrage extrem bedrückend und wirklichkeitsnah.

#313
Geschrieben 04. September 2008, 13:06
Eine Stunde Postapocalypse im Gewand des 60er-Invasions-Science-Fiction: Ein kleiner Ort irgendwo in den USA. Alle Menschen fallen mirnichtsdirnichts um und sind tot. Alle? Nein, ein kleiner Haufen Verwegener verschanzt sich in einer Kneipe und beobachtet, dass sich draußen Roboter (u. li.) herumtreiben, die mittels Elektrizität Menschen in seelenlose Zombies verwandeln. Jeder, der von ihnen erwischt wird, stirbt, nur um kurze Zeit später aufzuerstehen und mit weißen Augen (u. re.) umher zu stampfen und seine Mitmenschen zu attackieren. In der Gruppe der Eingeschlossenen entwickeln sich bald Konflikte und einer von ihnen kidnappt eine Frau und flieht mit ihr nach Norden. Die anderen versuchen ebenfalls zu fliehen, werden aber von Robotern und Zombies daran gehindert. Irgendwann brechen dann zwei Todesmutige von ihnen auf, um der Invasion auf dem Grund zu gehen: Ganz in der Nähe entdecken sie einen Sendemasten, der da vorher nicht war. Sie sprengen ihn und die Roboter fallen alle um. Ende.


Wie eine Vorstudie zu “Night of the Living Dead” wirkt Hammer-Fishers Alien-Film. Postapokalyptisch ist er in dem Maße, wie darüber gesprochen wird, dass wohl die ganze Menschheit der Invasion der Elektro-Roboter zum Opfer gefallen ist. Man schmiedet Pläne wieder wieder zu reinstallieren (die Menschen, nicht die Roboter - eine schwangere Frau ist bereits dabei) und weitere Überlebende mit dem Flugzeug zu suchen. Die Roboter erinnern stark an Menschen in Strahlenschutzanzügen - und ihre Köpfe sehen ein bisschen wie altmodische Vakuumröhren aus. Auch keine seltene Anspielung im Invasion-SF. Der Titel will übrigens so gar nicht zum Film passen. Niemand schreit … da muss wohl die PR Vater des Gedankens gewesen sein. Macht nix, UB40 hat dann ja was draus gemacht:
#314
Geschrieben 04. September 2008, 13:07
Da ist er, der Luc-Besson-Film, der mir gefällt! Sein Erstlingswerk ist formal wie inhaltlich hoch interessant:

Nach dem Dritten Weltkrieg haben die wenigen Überlebenden ihre Sprache verloren und leben nun verstreut in den (im Wortsinne) verwüsteten Städten. Unser Held bastelt an einer Flugmaschine, die er in Betrieb nimmt, als seine Sexpuppe ein Loch bekommt, wo er es nicht haben will, ihr die Luft und ihm die Lust ausgeht. Eine richtige Frau muss her. Er landet in einer ruinierten Stadt, wo seit einiger Zeit ein Vandale (Jean Reno in der ersten Rolle, in der er mir gefällt) damit beschäftigt ist, einen Arzt, der sich in einem Krankenhaus verschanzt hat, herauszulocken. Wie durch ein Wunder überlebt der Held das Zusammentreffen mit dem Vandalen und wird vom Arzt im Krankenhaus gesund gepflegt. Doch noch jemand drittes ist im Gebäude: Der Arzt hält eine Frau gefangen, die er täglich füttert. Als der Vandale es schließlich schafft, in das Gebäude einzudringen, ist sie sein erstes (Mord/Vergewaltigungs)Opfer, der Arzt sein zweites. Der Held tötet den Vandalen und flieht mit seinem Flieger. Zurück in seiner eigenen Wüste mischt er eine Horde Vagabunden auf, tötet deren Anführer und bekommt dafür dessen Gespielin.

Es ist auffällig, dass die Ressource “Frau” im postapokalyptischen Film so häufig Gegenstand der Erzählung ist. Das war schon bei “Mad Max 2″ so, findet sich in “A Boy and his Dog” und im zuletzt gesehenen “Fireflash” ist es sogar das zentrale Thema. In “Le Dernier combat” wird die Mann-sucht-Frau-Erzählung dazu genutzt, einen Plot zu entwickeln, der derartig basal (ich will nicht sagen: monomythologisch) ist, dass er ohne Dialoge auskommt. Wenn nach dem Krieg jedes weitere Wort überflüssig ist (das monierte ja schon der Prolog-Erzähler in “Mad Max 2″: “Sie redeten und redeten …”), dann müssen halt die Körper sprechen. Und das tun sie gerade in den Action-Dystopie-Hybriden besonders eindrücklich.
#315
Geschrieben 04. September 2008, 13:09
Für die zweite Folge der “Computer im Film”-Essay-Reihe stand als nächstes Carpenters Debüt-Film auf dem Sichtungsplan. Auf den ersten Blick scheint er ein wenig aus dem Fokus zu rutschen: Ein “Weltraumfilm”, in dem der Computer eine sprechende Bombe ist? Computer in futuristischen Science Fictions scheinen ja ohnehin ihrer Metaphorik entblößte “Zukunftsmaschinen” zu sein. Der bzw. die Computer in “Dark Star” und ihr Referenzobjekt aus “2001″ (auf den ich noch zu sprechen kommen werde), sind jedoch mehr als bloßes techno-utopisches Equipment: Sie haben eine “Seele”, ihnen wird (zuvor einprogrammierte) Persönlichkeit zugesprochen und sie interagieren mit ihrer Umwelt auf eine nicht vorhersehbare Weise. Denn obwohl sie so gegenständlich wirken, sind sie doch ganz geistige Wesen.

Die Computer in “Dark Star”: Das sind einerseits die Bomben Nr. 19 und Nr. 20, andererseits der Bordcomputer, der in der englischen wie in der deutschen Fassung eine überaus lakonisch intonierende weibliche Stimme bestitzt. Während der weibliche Bordcomputer in einer Art Krypta residiert (deren Eingang sogar die Form eines Sarges hat), von dort aus selbst schlimmste Hiobsbotschaften mit sanfter Alt-Stimme durchgibt und damit die Männer über ihr in den Wahnsinn treibt, bekommen die Bomben - zumal in der Aufnahme aus einiger Distanz - etwas Kindliches. Sie fahren aus dem Schiffsbauch heraus, um, wenn sie denn korrekt funktionieren, auf instabile Planete abgefeuert zu werden und diesen Job mit bester Laune zu verrichten.

Die Bombe Nr. 20 ist jedoch ein “Sorgenkind”. Durch eine Kommunikationsstörung zwischen Kind und “Mother” (imdb benennt den Computer mit demselben Namen, den auch Scott fünf Jahre späterin “Alien” für den Bordcomputer benutzt und Werner Faulstich hat überzeugend dargelegt, dass die Schwangerschafts- und Geburtsmetaphorik des Films durchaus plausibel ist) erhält sie den Befehl flügge zu werden - lange bevor ihr Ziel in der Nähe ist. Zunächst kann “Mother” die Bombe wieder in ihren Schoß zurückrufen. Beim zweiten Auftreten der Fehlfunktion stellt sich der Bombe bleibt sie jedoch renitent und sie zweifelt nun die Sensordaten, die ihr den Einsatzbefehl übermittelten, nicht länger an.

Da hilft - wie stets bei kleinen Kindern - nur ontologische Phänomenologie. Vom in den Schiffseingeweiden eingesargten Commander Powell erhält einer der Raumfahrer den Tipp, in der Bombe Zweifel über die Existenz der Außenwelt und damit über die Richtigkeit der Sensordaten zu sähen. Dass der Skeptizismus, der letztlich daraus rührt, nicht etwa in Richtung Pyrrhon (also Tatenlosigkeit), sondern in infantile Allmachtsphantasie mündet, das ist nun das Wesentliche am Computer in diesem Computerfilm. Schon Descartes konnte “nicht einfach” zweifeln, sondern hat für seinen Zweifel einen Handlanger, einen “ingenius malignus” benötigt, der ihn dann schließlich in seine Existenzgewissheit geleitet hat: “Nun, wenn er mich täuscht, so ist es also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täsuche mich, soviel er kann, niemals wird er doch fertigbringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei.” (Descartes. 2. Mediation)

Der ingenus malignus, der die Bombe mit falschen Daten füttert, ist niemand anderes als der Bordcomputer, dessen Gehäuse das Schiff selbst ist. Die wesentlichen beiden Eigenschaften des Computers (Gefühllosigkeit und Naivität) hat schon zuvor im Computerfilm für beträchtliches Horrorpotenzial gesorgt. In “Dark Star” wird sie noch sarkastisch überhöht, indem sie für die menschlichen Protagonisten zwei Fronten eröffnet: “Ihr seid nun auf euch allein gestellt”, sagt “Mother” angesichts einer sich rasch nähernden Gefahr, ganz teilnahmslos, weil hre Jungs ja schließlich erwachsen sind und weil es ihr ja ganz egal ist, ob sie existiert oder nicht. Als wäre moralische Indifferenz für die sowieso schon ständig mit sich selbst hadernden Raumfahrer nicht genug, bekommen sie es auch noch mit epistemologischer Indifferenz zu tun. Die Bombe Nr. 20 lässt sich schlicht nicht davon überzeugen, dass sie getäuscht wurde. Der böse Geist, den sie von ihrer Mutter geerbt hat, “meditiert” so lange, bis sie wie ein Selbstmordattentäter mit absoluter Gottes(selbst)gewissheit explodiert: sapere aude … fiat lux.
#316
Geschrieben 04. September 2008, 13:22
Jim Jarmuschs “Mystery Train” und Mike Figgis’ “Timecode” haben Pate gestanden: Etwas ist passiert, und um dieses Etwas herum werden nach und nach die mit ihm verbundenen Schicksale vorgestellt. “11.14″ erzählt die Geschichte zweier Autounfälle, eines Sexunfalls, eines Überfalls und einer Penisamputation. Die Figuren, die davon betroffen sind, stehen alle in Beziehung zueinander und um diese Beziehung zu erklären, holt der Film mehrfach aus, spult zurück und übernimmt alternative Perspektiven. Das macht er zwar nicht so artifiziell wie Figgis und längst nicht so komisch wie Jarmusch aber überaus spannend. Dass das Experiment nämlich glückt, liegt an den toll gezeichneten Figuren, die hier ja die Möglichkeit haben, durch das Zurückspulen mit immer mehr Komplexität gefüllt zu werden. Letztlich kann man als Bilanz unter den Film schreiben, dass eigentlich gar nichts passiert ist, außer, dass ein reichlich egomanisches Teeny-Mädchen Opfer seiner eigenen Kaltherzigkeit geworden ist.
Die Blu-ray-Disc, die morgen von e-m-s kommt, ist leider nicht so gut gelungen. Das Bild ist - das mag auch daran liegen, dass der Film ausschließlich nachts spielt - sehr körnig. Extras oder ein Menü hat man der Disc nicht verpasst. Das ist wohl der für das Medium doch recht hohe Preis für den verhältnismäßig geringen Preis.
#317
Geschrieben 10. September 2008, 09:37
Das wahrscheinliche Szenario für den Beginn eines Atomkrieges basiert auf der Annahme, dass irgendwo ein Fehler auftritt, der die Maschinerie in Gang setzt, die niemand mehr stoppen kann. Filme wie “War Games” haben den Finger spürbar in die Wunde der elektronischen Raketenverwaltung gelegt. Der frühe Vorgänger von “War Games” ist Sidney Lumets überaus spannender Atomkriegs-Thriller “Fail-Safe”.
Der Film spielt an nicht mehr als vier Handlungsorten: Einem Konferenzzimmer im Pentagon, wo gerade Militärs und zivile Wissenschaftler beraten, wie ein Atomkrieg mit begrenzter Reichweite zu führen ist; im War-Room irgendwo in einem Atombunker, wo einer Delegation vorgeführt werden soll, wie das Fail-Safe-Prinzip funktioniert, bei dem Flugzeug-Verbände ab einem gewissen Punkt autarke Angriffe auf Ziele des Feindes fliegen, ohne sich durch (eventuell gefälschte) Nachrichten davon abhalten zu lassen; in einem dieser Flugzeuge, das unglücklicherweise einen falschen Alarm nicht als solchen erkennt, über den Point-of-no-return hinausfliegt und sein Angriffsziel Moskau ansteuert; und in einem Beratungszimmer des White House, in dem der Präsident der USA mit dem Premierminister der UdSSR in telefonischen Kontakt tritt, um die Katastrophe vielleicht noch verhindern zu können.
Es gelingt nicht. Das Fail-Safe-System ist im Wortsinne “bombensicher”. Vom Angreiferverband können nicht alle Flugzeuge abgeschossen werden. Es gibt Opfer auf beiden Seiten und ein Flugzeug erreicht Moskau. Dem Präsidenten der USA bleibt nur, um einen weltweiten Atomkrieg zu verhindern, den Russen ein Opfer anzubieten: Er lässt New York von einem Bomber angreifen - in der Stadt hält sich gerade die Präsidentengattin und die Ehefrau des Bomberpiloten auf.
Lumets Film ist nichts anderes als erschütternd. Er führt vor, nach welchem Kalkül die Kriegsmaschinerie funktioniert. Während im Hinterzimmer darüber verhandelt wird, ob 40 Millionen Opfer im Gegensatz zu 60 Millionen Opfern einen Krieg lohnenswerter erscheinen lassen, führt uns Lumet vor, was es bedeutet, auch nur ein einziges Leben für ein derartig absurdes Ziel beenden zu müssen. Im War Room sieht der Krieg wie ein Spiel aus und die Realität der Vernichtung wird uns auch nicht vor Augen geführt - das macht sie aber umso effektiver: Wenn aus dem Telefon des amerikanischen Botschafters in Moskau nur noch ein pfeifen dringt, das die Vernichtung der Stadt belegt und wir kurz darauf ein Stakkato an Bildern aus New York vorgeführt bekommen, in denen die Bewegung vollständig einfriert, dann ist das Maß des Erträglichen eigentlich längst voll.
#318
Geschrieben 10. September 2008, 09:37
Was da wie ein Selbsterfahrungstrip im Gewand eines Neo-Noir-Thrillers daherkommt, ist mit 23 Jahren Abstand betrachtet nicht weniger als vielleicht die Quintessenz des 80er-Jahre-Stils im Film. Landis produziert ein Schaulaufen damals wie heute kleiner und großer Stars, erzählt eine Geschichte von Nighthawks, von Autos, Juwelen, Liebe, Betrug und immer wieder von der Nacht, von der Nacht, von der neonleuchtenden Nacht. Ein unglaublicher Film.
#319
Geschrieben 10. September 2008, 09:38
Beim zweiten Mal, wenn man schon weiß, wie bitter alles endet, kann man sich auf den Weg in den Untergang konzentrieren. Die beinahe schon Zwanghaftigkeit, mit der der religiöse Wahn im Supermakt das Ruder an sich reißt, erscheint mir nun noch viel erschreckender als bei der Erstsichtung. Auch wenn die Eiferer natürlich letztlich als die Opfer einer Demagogin widerlegt werden: Die “dunkle Zeit”, in der Menschen geopfert und die Vernunft an den Pranger gestellt wurde, lässt sich nicht ungeschehen machen. Dass Darabont/King einen “undialektischen Zweifler”, der sich selbst dem Verdikt seeing=believing nicht unterordnen will, als dritte Partei aufstellt, muss man dem Stoff zugute halten - so kann er jedenfalls nicht als Polemik (miss)verstanden werden. Und eigentlich muss ich mein Resümee der Erstsichtung damit auch revidieren: Der Film übernimmt keine klamheimliche Partei für die Position der religiösen Eiferer: Auf dem Lastwagen ist keiner der Supermarktinsassen zu sehen, sondern die Frau, die anfangs aus dem Laden geflohen ist. Sie ist übrigens die einzige, die den Markt aus allein altruistischen Gründen verlassen hat. Dass ausgerechnet sie zuerst “den sicheren Hafen” erreicht hat, lässt also ganz andere Schlüsse auf die moralphilosophische Ausrichtung des Stoffes zu.
Aber eigentlich wollte ich ja über die Monster schreiben. Nur merke ich jetzt gerade, dass sich diese Monster eigentlich gar nicht beschreiben lassen. Sicher: es gibt die spinnenartigen, die mückenartigen, es gibt Wesen, die “funktionieren” wie Heuschrecken und Gottesanbeterinnen. Der Grusel dieser Monster wird allein aus der Überzeichnung des Vorhandenen verbunden mit den kulturellen oder individuellen Ekelgrenzen des Zuschauers erreicht. Was ist aber - und das ist das einzige Wesen des Films, bei dem ich mich wirklichgegruselt habe - hiermit?

#320
Geschrieben 16. September 2008, 16:04
Der Geist in Talalays Computer-Film zählt zur dämonischen Sorte: Es handelt sich um den virtualisierten Verstand eines Serienmörders, der zu Lebzeiten in einem Computergeschäft mit dem Namen “Computer Universe” gearbeitet und sich dort die Adressen seiner Opfer aus gestohlenen Adressbüchern besorgt hat. Auch das Adressbuch der alleinerziehenden Terry Monroe, die mit ihrem Sohn den Laden besucht, weil sie ihrem Chef eine Terminverwaltungssoftware kaufen will, gerät ihm in die Hände - und zwar als Scan. Denn um zu zeigen, was moderne Microcomputer-Technik alles drauf hat, digitalisiert der Ladenbesitzer einfach ein paar Seiten des Filofax und lässt eine Texterkennungssoftware darüber laufen.
Der Serienmörder - sinnigerweise “Addressbook Killer” genannt - gerät jedoch erst an die Daten, als er nicht mehr unter den (körperlich) Lebenden weilt: Er hat einen Autounfall und stirbt kurz danach in der Klinik unter einer CRT-Röhre, was seinen Geist beflügelt und in die elektronischen Datennetze des Krankenhauses entkommen lässt. Wie es der Zufall will, ist sein erster Heimsuchungsort der ISP “DataNet”, der gerade den berüchtigten Ex-Hacker Bram Walker als Systemadministrator eingestellt hat. Der wundert sich, warum es im Mainframe(!)-System herumspukt und vermutet den Fehler noch in der Hardware. Indes hat sich der Serienmörder-Geist von dort aus Zugriff auf das Internet verschafft und holt sich die besagten Adressbuch-Scans aus dem Firmencomputer ab.
Damit beginnt das kreative Töten … denn der Killer kann sich ausschließlich über elektrische und elektronische Netze Zugang zu seinen Opfern verschaffen. Und davon gibt es genug: Radionetz, Telefonnetz, Stromnetz, Internet, ja sogar das Verkehrsnetz macht er unsicher, um schließlich bei Terry und ihrem computertechnisch begabten Sohn zu landen. Die haben sich zwischenzeitlich Hilfe von Bram geholt, der ihnen erst einmal aufträgt, das Haus komplett von allen derartigen Netzen abzukappen und den Geist schließlich in einen nahe gelegenen Teilchenbeschleuniger lockt, wo er durch starke magnetische Felder ausgetrieben werden soll.
Skurrile Geschichte, in sich aber sehr stimmig und mit einem furiosen Einsatz von Computergrafik versehen. Zudem wartet der Film mit einigen spektakulären Kamerafahrten und -perspektiven auf, wie allesamt die Perspektive des virtualisierten Killers und seiner Reisen durch die Netze bebildern. Die Metaphorik des Datenstroms, der auf der Suche nach Schnittstellen zur außervirtuellen Welt ist, wird dadurch überaus anschaulich. Dass der Serienmörder es zunächst auf Adressen abgesehen hat, prädestiniert ihn für solch eine Netz-Existenz ja auch geradezu: Wie ein fleißiges kleines Maschinensprache-Programm arbeitet er seine Stacks ab und lässt seine Aufmerksamkeit von Adresse zu Adresse wandern bis er ans Ende seines Codes gelangt ist und schickt sich selbst über das Netz von Angriffsziel zu Angriffsziel. Heute nennt man so etwas einen Wurm.

The X-Files: Ghost in the Machine (USA 1993, Jerrold Freedman) (DVD)
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es auch eine “Akte X”-Folge mit dem selben Titel und der nahezu selben Story gibt. Sie stellt so etwas wie ein Bindeglied zwischen den Geister-Begriffen her, denn der hier ist es ein überaus klug programmiertes Betriebssystem mit dem Namen COS (”Computer Operating System”), dass in der Firma Eurisko sein Unwesen treibt. Mulder und Scully glauben natürlich zunächst nicht an den Spuk und machen den Programmierer der Software ausfindig. Der hackt sich für sie in das System und killt es mit einem so effektiven Virus, dass das Verteidigungsministerium, das sehr interessiert an dem Programm war, nichts mehr davon vorfindet. Kurz bevor der Hacker seinen Todescode abschickt, wird er von der Sprachausgabe des Systems gefragt: “What are you doing, Brad?” Das soll dem Zuschauer natürlich bekannt vorkommen und die Folge gegen (berechtigte) Plagiatsvorwürfe panzern …
#321
Geschrieben 16. September 2008, 16:46
... läuft dieses Jahr wohl auf dem PORNfilmfestival in Berlin und dort wohl in der Rubrik "Filme aus weiblicher Sicht" - obwohl der Film ja von einem Mann gedreht wurde. Und das merkt man ihm an.
Zwar thematisiert er Gewalt gegen Frauen und ein patriarchales System, dass die Täter schützt und damit die Rache einer Selbstjustiz-Frauengang heraufbeschwört, doch fängt er dieses Sujet aus durchaus männlicher Perspektive ein. Die Damen arbeiten - die Dialektik ihres Tuns voll überschauend - nämlich in einem Strip-Club und dort werden auch einige ihrer Opfer auserkoren. Neu in der Walküren-Truppe ist Jennifer, die mit knapper Not von den Selbstjustiziarinnen vor einer Vergewaltigung gerettet wurde und nun gezwungen wird mitzumachen. Jennifer ist ihrem prügelnden Eheman aus Ohio entkommen und gerät nun mehr und mehr in den großstädtischen Sumpf aus Gewalt und Hass. Die Feldzüge sind so lange erfolgreich, bis bei einer Strafaktion gegen einen Prominenten Vergewaltiger, der der Justiz durch die Lappen gegangen ist, ein Polizist erschossen wird. Von da ab zerstreiten sich die Frauen und haben nun auch noch eine wohlwollende Polizistin gegen sich (wie wohl mehr Verständnis für die sonstigen Aktionen der Schwanz-ab-Feministinnen hat, als für ihre Berufsausübung gut wäre). Zuletzt geht es gegen den Paten der New Yorker Mafia - ein Himmelfahrtskommando, das die Frauen vor allem deshalb übernehmen, weil sie als Märtyrerinnen für ihre Sache in die Geschichte eingehen wollen.
"A Gun for Jennifer" sieht nach vielem aus: Er sieht aus wie ein Exploiter aus den 70ern, er sieht aus wie ein Film, der die gesellschaftlichen Hintergründe seines Themas durchaus ernsthaft reflektieren könnte und er sieht aus wie ein Film mit ambivalenten Heldinnen. Das ist vielleicht der Grund, warum er letztlich so spannend ist und man ihn genauso gern schauen könnte wie - sagen wir mal - jeden anderen Mobster-Kracher.
#322
Geschrieben 17. September 2008, 17:14
Grusel-TV-Serien als Spielfilm aufgewärmt. Eine Leibspeise der 1980er-Jahre. Auch diese Kompilation dreier Kurfilme zählt dazu und belegt das etwas fade Mittelfeld. Die Rahmenhandlung erzählt von einer Hexe (Deborah Harry), die einen kleinen Jungen zum Barbecue servieren will. Der Kleine, nicht dumm, erzählt der Hexe Geschichten, die sie die Zubereitungszeit verpassen lassen. 1. Von einem Studenten, der sich eine Mumie importiert, sie zum Leben erweckt und seine Feinde/Mobber damit aus dem Weg räumt. 2. Von einem alten Furz, der glaubt, dass ihm eine Katze ans Leder will und deshalb einen Killer bestellt, der das Vieh töten soll. Und 3. von einem Mann, der in einer Seitenstraße einem Monster begegnet, das ihn nur dann verschont, wenn er niemandem von seiner Existenz erzählt - nicht einmal ihm selbst.
“Tales from the Darkside: The Movie” ist blank polierter 80er-Jahre-Fernsehhorror, der um die wenigen Bluteffekte, die er hat, in Deutschland noch erleichtert wurde. Die Spezialeffekte, vor allem die Masken, sind schlecht gemacht, aber die Besetzung hat es in sich. Da sieht man einiges Personal, das bekannt ist oder wird: Neben Debbie Harry ist es Steve Buscemi, Christian Slater oder Julianne Moore, die sich ein (zeitweise recht kurzes) Stelldichein geben.
Ich scheibe schon wieder, als wäre ich Hauptamtlicher bei Europas härtester Spielfilmredaktion. Besser höre ich auf. Mehr gibt es über den Film ohnehin nicht zu sagen …
#323
Geschrieben 17. September 2008, 18:56
Warum ich das 2001-Sequel so lange nicht mehr gesehen habe, ist mir erst heute, beim Gucken der VHS-Longplay-TV-Aufnahme (TNT) aufgefallen: Es ist schon ein überaus armseliges Sequel, das beständig versucht durch Implementierung einzelner Erzählfragmente und Motive an die Größe des Vorgängers heranzureichen. Das klappt aber nicht, denn alles in 2010 ist auf Plot und nichts auf Metaphysik angelegt. Einzig kurz vor Ende hat der Film mich dann doch noch aus der Reserve gelockt und zwar bei dem Gespräch zwischen Dr. Chandra und HAL 9000. Aber der Reihe nach.
Das Interessante an HAL 9000 ist, dass er sich seiner totalen Überlegenheit zwar bewusst ist, aber dennoch im Korsett seiner Programmierung gefangen bleibt. (Bei “Robocop” hätten diese Beschränkungen noch “prime directives” geheißen.) Das hat in “2001″ ein Sprechverbot zur Folge: Der Computer darf nichts über die Mission verraten aber als sie in Gefahr gerät, kann er auch nicht verschweigen, dass seine Hauptsorge der Mission und nicht der Besatzung gilt. Dieses Dilemma wird in “2010″ aufgearbeitet. Ein Dilemma, das man unter anderem auch psychologisch angehen könnte und deshalb wird der Ingenieur, der HAL entworfen hat und mit auf die Mission geht, auch spaßeshalber “computer brain surgeon and psychiatrist” genannt. Und in der Tat ist das, was Chandra mit HAL treibt, eine Therapie.
Diese hat zum Ziel, ihn zum Suizid zu überreden und verläuft wie ein Patientengespräch, in dem der Arzt dem Todgeweihten erstmals die negative Prognose mitteilt. Ehrlichkeit habe sich HAL über sein Schicksal verdient und Achtung, denn es mache keinen Unterschied, ob ein Lebewesen auf Kohlenstoff oder Silizium basiere. Und so wird der Paranoiker HAL (durch den Zwang zur Lüge sei er “paranoid” geworden, wie Chandra sagt) wieder in das System der Vernunft reintegriert und in die Ideologie, in der eine Sache einer höherwertigen Sache geopfert wird: Denn das Silizium-Lebenwesen HAL wird für niemand geringeres als die Raumschiff-Besatzung geopfert und da zählen dann doch wieder utilitaristisch-speziezistische Argumente.
In “2010″ sind Computer allgegenwärtig. Der Film zeigt in fast jeder Einstellung Bildschirme, Laptops, Tastaturen. Auf der Erde ist ein HAL-Pendant mit dem Namen SAL im Einsatz, das eine weibliche Stimme hat (sozusagen das Bindeglied zwischen “2001″ und “Alien” bzw. “Dark Star”). Die Computer als Ausstattungsgegenstände unterscheiden sich von den Computer HAL und SAL vor allem dadurch, dass sie sprechen können. Und HAL muss nach seinem 9-jährigen Baby-Schlaf auch zunächst wieder in den Zustand des Bewusstseins empor gehoben werden: Chandra schaltet seine “höheren Funktionen” nach und nach wieder ein und testet anhand der Sprachfähigkeit, inwieweit HAL wieder zu einem Lebenwesen wird, vor dem man “Achtung” haben kann. Als er dann sterben muss, beweist er, dass er wirklich das ist, was ihm zugeschrieben wird: “I’m afraid.”
#324
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:05
Das Remake des Lumet-Klassikers fällt nicht minder spannend aus als das Original. Starbesetzt versucht Frears das Thema des irregeleiteten Atombombers noch einmal aufzugreifen ohne es historisch zu aktualisieren. Es sind also immer noch die paranoischen 1950er-Jahre, die als historischer Hintergrund dienen. Und folgerichtig ist das Remake auch in Schwarzweiß gedreht. In einem Prätext tritt Walter Cronkite auf, der erklärt, dass es sich beim Folgenden um die filmische Aufbereitung eines Theaterstücks handelt. Das Theatreske des Originals hat also im Wechsel des Mediums ebenfalls seine folgerichtige Entsprechung gefunden. Unklar ist indes die Raffung der Erzählung und das Auswechseln einiger Figuren. Sagt es etwa etwas über die veränderte Publikumsempathie zwischen den 1950er und heute aus, wenn man am Schluss nicht die Ehefrau des Bomberpiloten, sondern dessen Sohn mit ihm funken lässt, um ihm vom Unvermeidlichen abzuhalten?
#325
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:05
Als ich den Film im vergangenen Jahr zum ersten Mal gesehen habe, ist mir noch gar nicht aufgefallen, wie sehr er doch eine Art thematischer “Abschluss” des spanischen Geisterfilms ist. Die zwei einander entgegenlaufenden Erzählhaltungen - man könnte sie “Fantastik” und “Symbolismus” nennen - nutzen das Geisterkonzept auf ihre je eigene Weise. Beinahe wie im J-Horror werden die Kindergeister hier zu untoten Mahnmalen für die Lebenden, zu Symbolen einer nicht überwundenen Schuld und einer Suche nach Absolution. Doch der Film lässt sich nicht allein auf dieser Ebene auflösen - vor allem der Schluss widerspricht dem. “El Orfenato” ist als Erinnerungsfilm eben auch ein Film der echten Geister, des anthropomorphen Hauses, des Spuks im Keller, des nächtlichen Kratzens in den Wänden - die Geisterseher, die Laura ins Haus holt, belegen, dass da “etwas” ist. Mit dieser thematischen und motivischen Verkreuzung nimmt Bayonas Film die Kinder-Geister-Filme Balaguerós wieder auf wie Fäden, die am Ende, wenn die Sonne aufgeht und Carlos vor dem Grabstein und dann in dem sonnendurchfluteten Zimmer steht, ihre Düsternis zurücklassen können.
Ein Wort zur Blu-ray: Zusammen mit “Silent Hill” ist “Das Waisenhaus” die bislang beste Produktion auf dem neuen Medium. Besonders die Blu-ray-2.0-Anbindung, unter der es zum Beispiel möglich ist, zusätzliche Interviews und Audiokommentare aus dem Netz zu laden, hat es in sich. Mein dringender Kauftipp vor allem für alle PS3-Besitzer!
#326
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:05
Zur Vorbereitung für das Pornfilmfestival habe ich mir dieses, ja, anders kann man es wohl nicht sagen: Remake von “An American Nightmare” angesehen. Wo genau die Unterschiede zu Adam Simons bereits 2000 erschienener Horrorfilm-Doku sind, erschließt sich mir nicht ganz. Zwar hat es Klewinghaus geschafft vier der fünf maßgeblichen Horrorfilm-Gendertheoretikerinnen (Williams, Clover, Halberstam, Creed - Cynthia Freeland fehlt noch!) vor die Kamera zu bekommen, aber grundsätzlich neues oder mehr als in “An American Nightmare” sagen die auch nicht. Gemischt werden die Interview-Passagen mit einigermaßen witzigen Zeichentrick-Sequenzen und Dokumentar- und Archivmaterial von Filmregisseuren und Schauspielern, von denen der Auftritt des Troma-Chefs Lloyd Kaufman noch der unterhaltsamste ist. Peinlich wird es, wenn Brian Yuzna erklärt, dass nicht seine Filme, sondern der durch die Videospiele erzeugte Solipsismus (der schließlich zum totalen Empathie-Verlust bei Jugendlichen führe) schuld an Schulmassakern und ähnlichem sei. Immerhin bestätigt aber Judith Halberstam (m)eine These, nach der Horrorfilme mittlerweile auch auf die akademischen Diskurse über sie reagieren und deren Aussagen in ihre Narrationen übernehmen. Ob dazu allerdings die ohnehin schon akademische Scream-Trilogie das beste Beispiel ist, kann man hinterfragen.
#327
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:06
Mit welcher Bösartigkeit hier die Verdrängungen und Vertuschungen des Alltags offengelegt werden, ist schon großartig. Wie ich auf der Homepage des Films lese, ist er sogar aus dem Programm eines Festivals geflogen, weil er gerade durch seine recht unaufgeregte Art der Inzest-Inszenierung wohl nicht nur Befürworter gefunden hat. Sexueller Missbrauch, Pädophilie und Inzest sind wohl wirklich die letzten Bastionen des guten Geschmacks. Wenn ein Film wie “The Hamster Cage” (oder der im selben Jahr erschienene “Geminis“) diese Bastion einmal überwindet und die kulturelle Aggression einmal offen ausspricht, dann kann ja nur noch die Schere antworten.
#328
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:06
#329
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:07
#330
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:08
#331
Geschrieben 08. Oktober 2008, 18:09
#332
Geschrieben 08. Oktober 2008, 19:23
#333
Geschrieben 08. Oktober 2008, 19:23
Vor kurzem erschien Kusturicas neuer Film bei Kinowelt auf DVD und abermals ist es ein Werk von bezaubernder Schönheit, unvergleichlichem Humor und gleichermaßen sarkastischer wie liebevoller Kritik an Land und Landsleuten geworden. “Versprich es mir!” ist eine synästhetische Meisterleistung. Die Musik, die Farben, die Kameraperspektiven und nicht zuletzt die Ungezwungenheit der Darsteller und ihrer Figuren stapeln die Lebensfreude meterhoch. Alle paar Jahre braucht es solch einen Film - und dafür gibt es Emir Kusturica.
#334
Geschrieben 08. Oktober 2008, 19:24
In “Das letzte Loch” hatte Achternbusch ja bereits gezeigt, dass Politik in seinen Filmen kein bloß lokales und historisch begrenztes Phänomen ist. “Hades” nun stellt die Frage nach der Kontinuität des Faschismus in der westdeutschen, vor allem der bayrischen Gesellschaft.
Hades, gespielt von Herbert Achternbusch, ist Sargverkäufer, der sich auf Sondermodelle mit Rundherumservice (etwa Suppengerichten) spezialisiert hat. Er ist Überlebender des Warschauer Ghettos, sein Vater ist im Krieg gefallen, seine Schwester und seine Mutter beim Holocaust ermordet worden. Doch Hades ist als Jude auch heute nicht sicher: Sein Sarglager wird bei einem antisemitistisch motivierten Anschlag gesprengt, durch München marschieren Banden von Neo-Nazis und diejenigen Einwohner, die nicht sichtbar “Farbe bekennen”, machen dennoch mit den Neo-Nazis gemeinsame Sache. Ja, selbst die Trachtenvereine haben wieder den Stechschritt in ihr Marsch-Repertoir aufgenommen. Als Hades meint, eine seiner Sekretärinnen gesehen zu haben und ihr nachläuft, stößt er auf eine Gruppe Neo-Nazis, sticht sie nieder, wird dann aber von einem Passanten, der mit den Schlägern gemeinsame Sache macht, “gesteinigt” und stirbt. Im Epilog sehen wir Hades auf einer Klippe bei dem Versuch in einen Sarg zu springen. Er verfehlt sein Ziel und bleibt am/im Leben.
Die Analyse, wenn man sie denn so nennen will, ist natürlich in ihrer Radikalität übertrieben. Aber die Wahrnehmung, die dahinter steht, muss man Achternbusch schon glauben. Gerade zur Entstehungszeit des Films war das Thema Fremdenfeindlichkeit und Asylrecht wieder in aller Munde und letzeres erfuhr vor allem durch bayrische Initiativen Verschärfungen. Achternbusch belässt es freilich nicht beim Analogisieren von Neo-Nazis und Trachtenträgern, sondern wirft einen Blick zurück:
Die fiktive Biografie seines Hades koppelt er an das Schicksal der Juden im Warschauer Ghetto und zeigt erschütterndes Archiv-Material, das seinerzeit von der SS aufgenommen wurde: Der Abtransport und das Verscharren von verhungerten Menschen in all der Nüchternheit, mit der dem Tod damals begegnet wurde. Kaum ein passant interessiert sich dafür, wenn leblose, teilweise nackte Menschenkörper auf den Straßen herumliegen. Achternbusch erzählt die Kindheitsgeschichte seines Protagonisten in dieses Setting hinein, basiert darauf dessen Interesse, Bestattungsunternehmer zu werden und unterlegt den beinahe 20-minütigen Film im Film mit fröhlicher Zither-Musik, während er immer wieder die Leiche eines Verhungerten auf einer Blechrutsche ins Massengrab schlittern lässt.
Doch Hades ist selbst nicht totzukriegen. Wie das Schlechte Gewissen der Gesellschaft, verfehlt er seinen eigenen Sarg und feiert wiederauferstehung. Sein Geist lässt sich nicht in einer leeren Zigarrenschachtel einschließen und entflieht. Achternbusch arbeitet hier seine Erfahrungen mit dem Buddhismus und Hinduismus ein, unterlegt Sequenzen mit Sitar-Musik, nutzt Leitmotive (wie etwa das der Zigarette und des Rauchens), Farben (besonders Blau wird ihm zur Farbe des Todes) und die Wiederholung von Sequenzen und Handlungen dazu, die Wiederkehr zu konstatieren. Hier eine Kultur der Vergänglichkeit und des Todes dort eine der Wiederholung und des zum ewigen Leben Verdammtseins (Hades ist ja letztlich nichts anderes als der ewige Jude Ahasver).
Schön war, dass Irm Herrmann einen Gastauftritt hatte und die morbide Ausstattung des Hades-Todescenters (oder “Tötungsinstituts”, wie eine Mitarbeiterin sagt). Achternbusch selbst mit einer wilden Zopffrisur und einem witzigen Totenschädel-Hemd, ständig mit einem Sarg-Modell spielend, in dem ein kleines Gerippe immer wieder (!) auftaucht und verschwindet.
#335
Geschrieben 08. Oktober 2008, 19:25
#336
Geschrieben 08. Oktober 2008, 19:25
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