Сталкер // Andrej TARKOWSKIJ // UdSSR 1979
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Ein namenloser Stalker, eine Art eigentümlicher Fremdenführer, führt zwei ebenfalls namenlose Personen, genannt Professor und Schriftsteller, in die Zone - ein seltsames Sperrgebiet, bestehend aus verfallenen Gebäuden und Relikten menschlicher Zivilisation, wo vor einigen Jahren ein außergewöhnliches Ereignis stattgefunden hat. War es ein Meteorit, oder doch der Kontakt mit einer außerirdischen Intelligenz? In der Zone soll es irgendwo ein spezielles Zimmer geben, ein Ort, wo der geheimste Wunsch des Besuchers in Erfüllung gehen soll. Das ist das Geschäft des Stalkers - er führt Interessierte auf seltsamen Wegen - die Zone erscheint als ein verwirrendes, komplexes System von Fallen, in dem es keine geraden Wege gibt - zu eben diesem Zimmer. Der Weg dorthin ist beschwerlich und voller Gefahren, und nicht alle, die in die Zone hineingehen, kommen auch wieder heraus.
Während der Expedition werden die Protagonisten im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt reden, debattieren und monologisieren, sich über ihre Motive, die Zone zu besuchen, rechtfertigen, den Zusammenhang ihrer jeweiligen Existenz mit dem großen Ganzen in Frage stellen. Und dann, als das seltsame Zimmer, als dem Ort der Wunscherfüllung, erreicht ist - ein jäher Umbruch, und die Rückkehr zurück in die Zivilisation, die sich im Grunde noch trostloser zeigt als das Sperrgebiet der Zone. Der Stalker kehrt desillusioniert zu seiner Frau und seiner Tochter zurück, dem Äffchen, das, stumm und verkrüppelt, aber dafür mit offensichtlich nichtmenschlichen Fähigkeiten begabt ist - nur eine der Auswirkungen der Zone auf die Menschen.
Der nach Motiven von Picknick am Wegesrand, einem Roman von Boris und Arkadi Strugatzki, die auch das Drehbuch für den Film verfasst haben, gedrehte Film konzentriert sich im Vergleich zur Romanvorlage ganz auf die existentiellen Fragen der Protagonisten, welche in der außerordentlichen Fremdartigkeit der Zone aufgeworfen werden. Die Ursprüngliche Science Fiction Grundannahme eines Besuchs einer außerirdischen Intelligenz auf der Erde, die sich in mehreren Zonen manifestiert, in denen seltsame außerirdische Artefakte aufgefunden werden, die von den Stalkern oder Schatzgräbern gesucht und unter größten Mühen - für den eigenen Profit - aus der Zone herausgeschafft werden, wird volllkommen ausgeklammert. Tarkowskijs Film konzentriert sich auf einige wesentliche Elemente der ursprünglichen Geschichte - haben die Strugatzkis in ihrem Roman jede konventionelle Science Fiction mit allen typischen Anthropomorphismen bewusst unterlaufen, so sind ihr Drehbuch und die filmischen Bilder unter der Regie Tarkowskijs eine nochmalige Abstraktion und Reduktion auf den Kern der Sache: letztlich die klassische Frage nach dem Wesen des Menschen.
Auch schafft der Film gewissermaßen eine Umkehrung der Verhältnisse - es ist nicht mehr oder zumindest nur teilweise die Zone, welche die Menschen beeinflusst, als vielmehr die jeweiligen Menschen mit ihrem Bewusstsein, ihren Überzeugungen, Wünschen und Hoffnungen, die beeinflussen, was in der Zone passiert - und was dadurch wieder mit den Besuchern der Zone geschieht... War Tarkowskijs Verfilmung von Solaris so schon eine Abstraktion von herkömmlicher Science Fiction á la Star Trek, so ist Stalker gewissermaßen eine Abstraktion einer Abstraktion. Das filmische Bilder eben vollkommen anders funktionieren als das geschriebene Wort, wird hier wohl wieder einmal deutlich - deswegen ist es aber andererseits wohl auch ungemein wichtig, bei literatischen Vorlagen (welche eben NICHT gleichbedeutend Literaturverfilmungen sind) auch diese immer miteinzubeziehen. So es auch bei Stalker in den Motiven, welche aus Picknick am Wegesrand aufgegriffen wurden, einige Elemente gibt, die ohne der Kenntnis des Buchs nicht verstanden werden können bzw. ohne diese Kenntnis eben ganz anders interpretiert werden: Stachelhaut oder Stachelschwein, der Fleischwolf, die geworfenen Schraubenmuttern, um den richtigen Weg zu finden, die Bar (im Buch Umschlagplatz für die aus der Zone geschmuggelten Artefakte) am Anfang und Ende des Films...
Zur filmischen Gestaltung selbst: Ein ganz eigentümlicher Wechsel von Schwarzweiß bzw. Sepiafarben und Farbe bestimmt die Erzählung, in der sich die über weite Strecken wie Schlafwandler agierenden Protagonisten bewegen. Langsame Kamerafahrten und Zooms sind spärlich eingesetzt. Der filmische Raum ist eine unwirkliche Mischung aus einer üppig sprießenden Vegetation und Wasser, Sumpf, Feuer und Regen, welche sich mit Resten menschlicher Zivilisation bzw. Abfall mischen. Am Beginn und am Ende der Blick auf eine Fabrik und / oder einen Atommeiler, welche noch eine ganz andere Interpretationsebene des Films eröffnet. Dazu der Soundtrack: eine Mischung aus monotonen Synthesizerklängen gepaart mit Auszügen aus klassischen Werken von Beethoven, Wagner und Ravel. Die Tonspur bewusst unrealistisch gehalten, fast wie bei Bresson, manche Geräusche bewusst verstärkt, abgeschwächt oder verfremdet.
Dazu die Protagonisten alles andere als Stars: abgewrackte Männer mit schütterem Haar und zerfurchtem Gesicht, dreckig und müde - Science Fiction Helden sehen anders aus! Aber Stalker ist eben kein, oder wenn dann nur in einer Überabstraktion, Science-Fiction Film, auch wenn in der jüngsten Vergangenheit der Film bzw. die Romanvorlage als Hintergrund für eine erfolgreiche "postapokalyptische" Computerspielreihe gedient hat. Der Film ist eben etwas ganz anderes, so wie es schon etwa Solaris oder Andrej Rubljow waren. Eine Abstraktion der filmischen Bilder,die nicht naturalistisch ist. Für einen Regisseur wie etwa Kiyoshi Kurosawa hat sich Stalker offensichtlich als Inspirationsquelle erwiesen, speziell bei seinem Film Charisma oder auch bei Loft drängt sich diese Interpretation auf.
Der letzte Film Tarkowskijs, der in der Sowjetunion (durch das Studio Mosfilm) entstanden ist. Die Sichtungen des Films beziehen sich auf die deutschsprachige Version in der Synchronisation der DEFA. Unbedingt zu empfehlen ist, neben ihren anderen Werken, die Lektüre von Picknick am Wegesrand von Boris und Arkadi Strugatzki. Stanislaw Lem (selbst wohl alles andre als zufrieden mit Tarkowskijs Solarisinterpretation) hat einen scharfsinnigen Essay dazu verfasst.
Tarkowskij Fremdartigkeit Was ist der Mensch? Devianz Natur vs. Kultur Strugatzki Filmischer Raum Hoffnung
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Ein namenloser Stalker, eine Art eigentümlicher Fremdenführer, führt zwei ebenfalls namenlose Personen, genannt Professor und Schriftsteller, in die Zone - ein seltsames Sperrgebiet, bestehend aus verfallenen Gebäuden und Relikten menschlicher Zivilisation, wo vor einigen Jahren ein außergewöhnliches Ereignis stattgefunden hat. War es ein Meteorit, oder doch der Kontakt mit einer außerirdischen Intelligenz? In der Zone soll es irgendwo ein spezielles Zimmer geben, ein Ort, wo der geheimste Wunsch des Besuchers in Erfüllung gehen soll. Das ist das Geschäft des Stalkers - er führt Interessierte auf seltsamen Wegen - die Zone erscheint als ein verwirrendes, komplexes System von Fallen, in dem es keine geraden Wege gibt - zu eben diesem Zimmer. Der Weg dorthin ist beschwerlich und voller Gefahren, und nicht alle, die in die Zone hineingehen, kommen auch wieder heraus.
Während der Expedition werden die Protagonisten im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt reden, debattieren und monologisieren, sich über ihre Motive, die Zone zu besuchen, rechtfertigen, den Zusammenhang ihrer jeweiligen Existenz mit dem großen Ganzen in Frage stellen. Und dann, als das seltsame Zimmer, als dem Ort der Wunscherfüllung, erreicht ist - ein jäher Umbruch, und die Rückkehr zurück in die Zivilisation, die sich im Grunde noch trostloser zeigt als das Sperrgebiet der Zone. Der Stalker kehrt desillusioniert zu seiner Frau und seiner Tochter zurück, dem Äffchen, das, stumm und verkrüppelt, aber dafür mit offensichtlich nichtmenschlichen Fähigkeiten begabt ist - nur eine der Auswirkungen der Zone auf die Menschen.
Der nach Motiven von Picknick am Wegesrand, einem Roman von Boris und Arkadi Strugatzki, die auch das Drehbuch für den Film verfasst haben, gedrehte Film konzentriert sich im Vergleich zur Romanvorlage ganz auf die existentiellen Fragen der Protagonisten, welche in der außerordentlichen Fremdartigkeit der Zone aufgeworfen werden. Die Ursprüngliche Science Fiction Grundannahme eines Besuchs einer außerirdischen Intelligenz auf der Erde, die sich in mehreren Zonen manifestiert, in denen seltsame außerirdische Artefakte aufgefunden werden, die von den Stalkern oder Schatzgräbern gesucht und unter größten Mühen - für den eigenen Profit - aus der Zone herausgeschafft werden, wird volllkommen ausgeklammert. Tarkowskijs Film konzentriert sich auf einige wesentliche Elemente der ursprünglichen Geschichte - haben die Strugatzkis in ihrem Roman jede konventionelle Science Fiction mit allen typischen Anthropomorphismen bewusst unterlaufen, so sind ihr Drehbuch und die filmischen Bilder unter der Regie Tarkowskijs eine nochmalige Abstraktion und Reduktion auf den Kern der Sache: letztlich die klassische Frage nach dem Wesen des Menschen.
Auch schafft der Film gewissermaßen eine Umkehrung der Verhältnisse - es ist nicht mehr oder zumindest nur teilweise die Zone, welche die Menschen beeinflusst, als vielmehr die jeweiligen Menschen mit ihrem Bewusstsein, ihren Überzeugungen, Wünschen und Hoffnungen, die beeinflussen, was in der Zone passiert - und was dadurch wieder mit den Besuchern der Zone geschieht... War Tarkowskijs Verfilmung von Solaris so schon eine Abstraktion von herkömmlicher Science Fiction á la Star Trek, so ist Stalker gewissermaßen eine Abstraktion einer Abstraktion. Das filmische Bilder eben vollkommen anders funktionieren als das geschriebene Wort, wird hier wohl wieder einmal deutlich - deswegen ist es aber andererseits wohl auch ungemein wichtig, bei literatischen Vorlagen (welche eben NICHT gleichbedeutend Literaturverfilmungen sind) auch diese immer miteinzubeziehen. So es auch bei Stalker in den Motiven, welche aus Picknick am Wegesrand aufgegriffen wurden, einige Elemente gibt, die ohne der Kenntnis des Buchs nicht verstanden werden können bzw. ohne diese Kenntnis eben ganz anders interpretiert werden: Stachelhaut oder Stachelschwein, der Fleischwolf, die geworfenen Schraubenmuttern, um den richtigen Weg zu finden, die Bar (im Buch Umschlagplatz für die aus der Zone geschmuggelten Artefakte) am Anfang und Ende des Films...
Zur filmischen Gestaltung selbst: Ein ganz eigentümlicher Wechsel von Schwarzweiß bzw. Sepiafarben und Farbe bestimmt die Erzählung, in der sich die über weite Strecken wie Schlafwandler agierenden Protagonisten bewegen. Langsame Kamerafahrten und Zooms sind spärlich eingesetzt. Der filmische Raum ist eine unwirkliche Mischung aus einer üppig sprießenden Vegetation und Wasser, Sumpf, Feuer und Regen, welche sich mit Resten menschlicher Zivilisation bzw. Abfall mischen. Am Beginn und am Ende der Blick auf eine Fabrik und / oder einen Atommeiler, welche noch eine ganz andere Interpretationsebene des Films eröffnet. Dazu der Soundtrack: eine Mischung aus monotonen Synthesizerklängen gepaart mit Auszügen aus klassischen Werken von Beethoven, Wagner und Ravel. Die Tonspur bewusst unrealistisch gehalten, fast wie bei Bresson, manche Geräusche bewusst verstärkt, abgeschwächt oder verfremdet.
Dazu die Protagonisten alles andere als Stars: abgewrackte Männer mit schütterem Haar und zerfurchtem Gesicht, dreckig und müde - Science Fiction Helden sehen anders aus! Aber Stalker ist eben kein, oder wenn dann nur in einer Überabstraktion, Science-Fiction Film, auch wenn in der jüngsten Vergangenheit der Film bzw. die Romanvorlage als Hintergrund für eine erfolgreiche "postapokalyptische" Computerspielreihe gedient hat. Der Film ist eben etwas ganz anderes, so wie es schon etwa Solaris oder Andrej Rubljow waren. Eine Abstraktion der filmischen Bilder,die nicht naturalistisch ist. Für einen Regisseur wie etwa Kiyoshi Kurosawa hat sich Stalker offensichtlich als Inspirationsquelle erwiesen, speziell bei seinem Film Charisma oder auch bei Loft drängt sich diese Interpretation auf.
Der letzte Film Tarkowskijs, der in der Sowjetunion (durch das Studio Mosfilm) entstanden ist. Die Sichtungen des Films beziehen sich auf die deutschsprachige Version in der Synchronisation der DEFA. Unbedingt zu empfehlen ist, neben ihren anderen Werken, die Lektüre von Picknick am Wegesrand von Boris und Arkadi Strugatzki. Stanislaw Lem (selbst wohl alles andre als zufrieden mit Tarkowskijs Solarisinterpretation) hat einen scharfsinnigen Essay dazu verfasst.
Tarkowskij Fremdartigkeit Was ist der Mensch? Devianz Natur vs. Kultur Strugatzki Filmischer Raum Hoffnung