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Jener Sommer, das ruhigste Meer

Noruberutos zusammengewürfelte Bemerkungen zum Film und die damit zusammenhängenden Gegenstände




Foto

Tanin no kao (The Face of Another) - TESHIGAHARA Hiroshi, J 1966



他人の顔


Das durch einen Unfall verunstaltete Gesicht eines Mannes wird durch das Werk eines plastischen Chirurgen wiederhergestellt; als Vorlage dient das Gesicht eines Fremden. Vorher: Bandagiert, dadurch maskiert, die Umwelt einerseits irritierend, verstörend, andererseits in der anonymen Masse untergehend: Zombie-Walzer. Unerkannt; bereit, zu täuschen.Nachher: Das neue Gesicht, eine Maske. Willentliches Täuschen der Umwelt, zum Eigennutz. Fortan ein Spiel spielend, den anderen (den Bekannten wie den Fremden) etwas vormachend. Und sich selbst etwas vorspielend; doppelte Existenz.

Verdoppelte Existenz, Schauspiel, Täuschungsspiele allenthalben: Die eigene Ehefrau verführen hinter der Maske, als ein Anderer. Täuschungsspiel auch des Chirurgen, was sind die wahren Motive hinter seinem Tun? Massenfertigung der Maskenkunst, massentaugliche Maskierung. Die Maske unter der Maske. Nach und nach (oder plötzlich?): Die Gesichter der Protagonisten erstarren nicht, verwandeln sich in Masken: in jedem Gesicht das Fragezeichen: bist du echt, oder bloß make-up? "Die Maske runter!", naiver Imperativ. Bewusste Täuschung und unbewusstes Getäuschtwerden: "Bekanntes" und "Fremdes" sich verkehrend. Sich bereitwillig täuschen lassen, die Maske aufrecht erhaltend. Bloß nicht das Gesicht verlieren!

Die "Normalen" werden getäuscht, willentlich oder unwillentlich. Die Tochter des Vermieters jedoch, "geistig zurückgeblieben" lässt sich nicht täuschen, kann nicht getäuscht werden. Täuschen, Tausch. Verunstaltete Gestalt. Die wirkliche Identität hinter den Masken erspürend. Der Vermieter selbst: Was für ein Gesicht, welche Ähnlichkeit!

Nach und nach der geschärfte Blick in die Gesichter (auch diejenigen der Statisten springen hervor): welche Maske tragen Sie heute? Individuelle und kollektive Maskierungen.

Extreme Nahaufname: das Gesicht!


Aus dem Walzer von Takemitsu:

Ich schau dir ins Gesicht,
das vor mir steht,
doch erkenn´ ich dich nicht mehr.
Wo bist du? Wo bist du,
von gestern, du?

Einst im Nebel sah ich dich so
wie hinter milch´gen Glas gestellt,
du warst mir nah
und doch weit entfernt

,,,

Identität Anonymität Masken Wahrheit-Lüge Teshigahara



Ich lese mit Interesse in deinem FTB. Kürzlich habe ich mir nach deinem Eintrag "Maboroshi no hikari" besorgt.

Woher stammt denn hier die Übersetzung für den Text zum Walzer und wo kann ich die Zeilen vollständig nachlesen.
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freut mich, wenn mein geschreibsel nicht völlig sinnlos ist.

Der Text ist keine Übersetzung, sondern wird auf deutsch gesungen (übrigens eine der intensivsten Momente des Films). Komplett abgedruckt ist er im booklet zum Film, seinerzeit in der Masters of Cinema Reihe von Eureka! veröffentlicht.
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Danke. Der deutsche Text soll von Iwabuchi Tatsuji, einem Professor für deutsche Literatur (bekannter Übersetzer von Brecht-Stücken) stammen.
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