PAT GARRETT & BILLY THE KID
[Pat Garrett jagt Billy the Kid]
|Sam Peckinpah|USA 1973|
"It feels like… times have changed."
"Times maybe. Not me."
Eine Western, mit einem wehmütigen, pulsierenden, dichtenden Herzen. Getränkt in Melancholie und Pulverdampf. Viele Tote, viel Poesie. Something to do with death. Ein wunderschöner, ein großer Film.
Die Szene, in der Slim Pickens angeschossen am See sitzt, seine Frau (Katy Jurado) halb zu ihm rüber kriecht, weint, während Dylans Knockin' on Heaven's Door von irgendwo heranweht, ist Melancholie, Reue, Liebe und Tod in allen Western und Welten zugleich.
Eigentlich war Peckinpah ein Sentimentalist und Western-Romantiker wie Ford. Peckinpah hätte mit John Wayne einen großen Film machen können, aber das hätten sie wohl beide nicht in ihre Köpfe gekriegt.
James Coburn spielt in diesem Film um sein Leben. Für seinen Pat Garrett ist der ganze Film ein langes Atemholen und Ausatmen vor der Tat, die er begehen zu müssen glaubt und für die er sich doch schon vorab verachtet. "We're after men. And I wish to God I was with them", darf Robert Ryan in The Wild Bunch sagen und wie bei ihm ist auch bei Coburns Garrett trotz Vernunft und Pflicht eigentlich alles Wehmut. Und wie Ryan sitzt auch Coburn nach getaner Arbeit einfach stundenlang herum und stiert in sich hinein, bis es Morgen ist.
Dass Peckinpah hier viele Motive noch einmal verwendet, scheint nicht nur seiner Präokkupation mit bestimmten Themen, sondern auch dem Western an sich und seiner ureigenen Attraktivität geschuldet: Ford konnte nicht von seinen Standards lassen, auch der sonst so umtriebige Howard Hawks drehte Rio Bravo gleich drei Mal. Western ist Herzensangelegenheit, nicht rational, nicht abschließbar; eine alte Liebe, zu der man gern zurückkehrt und die einen jedes Mal wieder warm in die Arme schließt; sentimentaler Eskapismus, auch wenn es schmutzig und hart zugeht wie bei Peckinpah.
Die Szene, in der Bob Dylan im Hintergrund monoton und stockend Konservendosenetikette entziffert, während Coburn ein paar Gauner in Schach hält, würde in ihrer skurrilen Lakonie jedem Italowestern zur Ehre gereichen.
Bemerkenswert übrigens, wie Dylan immer angeschrägt wirkt, als gehöre er nicht wirklich dazu, auch wenn er mit der Attitüde der anderen durchaus was anfangen kann und sie auch sehr mag. Seine ist es eben nicht so sehr wie ihre, die nicht mehr darüber nachdenken müssen. Er kennt die Stimmung, die sie zu ihrem Lebensstil gemacht haben, sozusagen "lexikalisch" und manchmal wäre er selbst gern so, aber dafür ist er einfach zu anders gestrickt. Vergleichbar mit dem Problem, das Woody Allen in Play it again, Sam hat. Er weiß viel darüber, wie Bogey ist, kann aber nicht so sein. Er scheint, als wisse Dylan all das und fände sich an diesem Ort mit all den eingeschworenen Tough-Guy–Melancholikern in ihrer Peckinpah-Kommune, fehl am Platze, das zugleich aber ganz privat amüsant, weil es genau so ist, wie er es sich vorgestellt hat. Zu direkt und verbindlich für ihn, dessen Instinkt schon immer das Ausweichen und Wegducken war. So ähnlich hätte er sich wohl auch am Set eines John-Ford-Westerns gegeben: Als würde er die raue, aufrichtige Simplizität der Männer um ihn herum mit der Distanz eines Fremden bewundern. In diese Gesellschaft geraten wie ein Wechselbalg.
Peckinpah, vom Studio (MGM) bei diesem Streifen noch mehr in den Arsch gefickt als üblich, musste im Grunde gegen MGM filmen, mal heimlich, mal nur mit Freunden, und pflegte das durch auch für seine Verhältnisse beachtliche Alkoholexzesse zu verarbeiten. Das Set war lebensgefährlich, machmal jedenfalls. Als Harry Dean Stanton und Bob Dylan mit einer Joggingtour den Drehplan versauten, der vorsah, eine Szene während eines bestimmten Moments des Sonnenaufgangs zu drehen, damit es im Film aussieht wie Sonnenuntergang, kackte Peckinpah Stanton an. Der meinte, er sei da ganz Cheffes Meinung und sei deshalb Dylan hinterher gerannt - um ihn wieder einzufangen. Peckinpah warf schweigend ein herumliegendes Messer nach Stanton, das vibrierend in der Wand neben ihm steckenblieb. So war das damals. Bei anderer Gelegenheit musste des Nachts erst Kristofferson aus dem Bett geklingelt werden, damit der Peckinpah mit einfühlsamer Gewalt eine Knarre aus den fuchtelnden Händen windet. By god, I love it so.
APPALOOSA
|Ed Harris|USA 2008|
"You believe him over me?"
"That is correct."
Western. Ed Harris und Viggo Mortensen gegen Jeremy Irons und Lance Henriksen. Kann nicht schief gehen. Rumpelt zwar strukturell etwas, und die Begeisterung für Renee Zellweger in Hollywood kann ich auch hier nicht im Ansatz verstehen (ist wohl so eine alte-Männer-Sache). Hätte also besser sein können, aber trotzdem ziemlich gut. Ruhig, respektvoll, bedächtig, angenehm unterspielt, realistische eruptive, schnelle, dreckige Shootouts ("That was quick." - “Everyone could shoot.”). Werde ich mir bei Gelegenheit gerne nochmal ansehen und wie einen Kumpel begrüßen.
MY DARLING CLEMENTINE
[Faustrecht der Prärie]
|John Ford|USA 1946|
"Stop by the schoolhouse?"
"Yes, ma'am, I sure will."
Hier sieht man, wo Ed Harris mit Appaloosa und Kevin Costner mit Open Range hinwollten – und warum.
In allen drei Filmen wird mehr Zeit auf die zögerliche, sentimentale, aber aufrichtige Assimilation der Westerner in die Zivilisation verwendet - auf Lakritze kaufen, tanzen, auf Stühlen wippen, pokern und Häuser bauen -, als auf den Konflikt mit den Schwarzhüten. Der wird nur mal am Anfang etabliert, man befasst sich damit, wenn man muss, wenn er das Dorfleben unterbricht, hat aber eigentlich besseres zu tun.
Sogar Walter Brennans Old Man Clanton wirkt hier eher amtsmüde. Es scheint ihm schon länger keinen Spaß mehr zu machen, dieses erpressen und hinterrücks erschießen Business. Wie war das mit "Print the legend"? John Ford hat die Geschichte vom Gunfight at the OK Corral noch von Wyatt Earp persönlich gehört. Ahnt Clanton, dass man sich diese Geschichte noch lange erzählen wird, und dass er darin der Böse sein wird?
Je braver und langweiliger und manirierter die Frau, desto größer die Anziehungskraft für den Cowboy. Als Zuschauer zuckt man da eher mit den Schultern und kann das Gewese um ausgerechnet die Braut hier (Cathy Downs) ebenso wenig nachvollziehen wie bei Renee Zellweger, bescheidet sich aber damit, dass man wohl anders dächte, wäre man dreihundert Tage im Jahr mit nichts als seinen Brüdern, seinem Pferd und ein paar Rindern unterwegs.
Henry Fonda (erste Rolle nach dem Weltkrieg) schafft es bemerkenswert gut, seinen Earp aus dem üblichen Schatten des in Verfilmungen eigentlich immer unterhaltsameren Doc Holliday (Victor Mature) zu holen und ihn im Zusammenspiel, aber auch allein, mindestens gleichwertig zu machen. Ein Verdienst, der ebenso Mature und Ford gebührt. Mature hat eine wundervolle, klassische Szene, als er Hamlets "To be or not to be" – Monolog für einen von den Clantons eingeschüchterten Schauspieler zu Ende bringt; Fonda kippelt auf der Veranda. Zwei Eindrücke, für die jeder Western seine Seele verkaufen würde, werden hier ganz lässig aus dem Ärmel geschüttelt. Gemütlicher, und gerade deshalb großer Western.
WARLOCK
|Edward Dmytryk|USA 1959|
"An dir selbst liegt dir nicht viel. Aber Clay liegt dir am Herzen. Und wenn er erst tot im Staub liegt, werde ich dich ansehen und dir ins Gesicht lachen."
Wie es auch aussehen kann, wenn zwei renditeorientierte Gunmen in ein Dorf kommen um sich um die Schwarzhüte zu kümmern. Fein, wie Warlock nicht nur die Figuren ambivalent sein und sicher geglaubte Allianzen zerstören lässt, sondern auch mit den Bildern seiner Stars selbst spielt. Ein Vorbild für Leone?
Fonda, ikonisch als der gerechte Mann des Volkes, sagt den Leuten hier von Beginn an, sie werden ihn für die Macht, die sie ihm geben, verachten. Und so kommt es dann auch. Wyatt Earp hätte das nie gesagt und nie getan. Anthony Quinn diese über jeden Zweifel hinwegfegende Naturgewalt, als blonder, latent schwuler, selbsthasszerfressener Krüppel. Und Widmark, in seinem Wesen ein Darsteller des Unbequemen, des Angespannten, des auf der Kippe Stehenden, des "Dazwischen", gibt aus eigener Moral heraus seine gefürchtete Position bei den Banditen auf, wechselt die Lager, wird zum Deputy und ist plötzlich tatsächlich der anständigste Mann in ganz Warlock.
Vorzüglicher Western.
THE HIRED HAND
[Der weite Ritt]
|Peter Fonda|USA 1971|
»Es ist alles nur eine Frage der Zeit, Ma'am. Auf irgendeine Art.«
Peter Fondas Regiedebüt ist ein Western, der seinem Vater gefallen hätte. Weil Fonda (Peter) seinen Kameramann Vilmos Szigmond bewundernd in den weiten Himmel, dem er oft drei Viertel des Bildes einräumt, in das Wasser und die Bäume blicken lässt; weil er eigentlich eine Geschichte darüber erzählt, warum Fondas (Henry) Wyatt Earp so gern wippend auf dem Stuhl auf der Veranda sitzt.
Ja, da sind Spielereien wie freeze frames, gemächliche Überblendungen, da wird schmutzig gestorben, da sind schreiende Verwundete und close-ups der Wunden; da ist auch eine starke, kluge, klarsichtige Frauenfigur, die die Männerbünde der Western durchschaut und dekonstruiert, eine die auch von Jane Fonda gespielt hätte werden können. Einmal sagt sie zu ihrem Mann, er hätte statt Warren Oates' Arch Harris ebenso gut eine andere Frau mitbringen können, mit der er sieben Jahre zusammen war, und verlangen, dass sie mit ihnen unter einem Dach lebt.
Ein großer Unterschied zu dem wohlerzogenen, passiven Püppchen aus My Darling Clementine.
Aber insgesamt ist das eine sentimentale, auch affirmative Geschichte vom Suchen und Finden der Heimat von einem, der lange davor weggelaufen ist.
Peckinpah Fonda Western
[Pat Garrett jagt Billy the Kid]
|Sam Peckinpah|USA 1973|
"It feels like… times have changed."
"Times maybe. Not me."
Eine Western, mit einem wehmütigen, pulsierenden, dichtenden Herzen. Getränkt in Melancholie und Pulverdampf. Viele Tote, viel Poesie. Something to do with death. Ein wunderschöner, ein großer Film.
Die Szene, in der Slim Pickens angeschossen am See sitzt, seine Frau (Katy Jurado) halb zu ihm rüber kriecht, weint, während Dylans Knockin' on Heaven's Door von irgendwo heranweht, ist Melancholie, Reue, Liebe und Tod in allen Western und Welten zugleich.
Eigentlich war Peckinpah ein Sentimentalist und Western-Romantiker wie Ford. Peckinpah hätte mit John Wayne einen großen Film machen können, aber das hätten sie wohl beide nicht in ihre Köpfe gekriegt.
James Coburn spielt in diesem Film um sein Leben. Für seinen Pat Garrett ist der ganze Film ein langes Atemholen und Ausatmen vor der Tat, die er begehen zu müssen glaubt und für die er sich doch schon vorab verachtet. "We're after men. And I wish to God I was with them", darf Robert Ryan in The Wild Bunch sagen und wie bei ihm ist auch bei Coburns Garrett trotz Vernunft und Pflicht eigentlich alles Wehmut. Und wie Ryan sitzt auch Coburn nach getaner Arbeit einfach stundenlang herum und stiert in sich hinein, bis es Morgen ist.
Dass Peckinpah hier viele Motive noch einmal verwendet, scheint nicht nur seiner Präokkupation mit bestimmten Themen, sondern auch dem Western an sich und seiner ureigenen Attraktivität geschuldet: Ford konnte nicht von seinen Standards lassen, auch der sonst so umtriebige Howard Hawks drehte Rio Bravo gleich drei Mal. Western ist Herzensangelegenheit, nicht rational, nicht abschließbar; eine alte Liebe, zu der man gern zurückkehrt und die einen jedes Mal wieder warm in die Arme schließt; sentimentaler Eskapismus, auch wenn es schmutzig und hart zugeht wie bei Peckinpah.
Die Szene, in der Bob Dylan im Hintergrund monoton und stockend Konservendosenetikette entziffert, während Coburn ein paar Gauner in Schach hält, würde in ihrer skurrilen Lakonie jedem Italowestern zur Ehre gereichen.
Bemerkenswert übrigens, wie Dylan immer angeschrägt wirkt, als gehöre er nicht wirklich dazu, auch wenn er mit der Attitüde der anderen durchaus was anfangen kann und sie auch sehr mag. Seine ist es eben nicht so sehr wie ihre, die nicht mehr darüber nachdenken müssen. Er kennt die Stimmung, die sie zu ihrem Lebensstil gemacht haben, sozusagen "lexikalisch" und manchmal wäre er selbst gern so, aber dafür ist er einfach zu anders gestrickt. Vergleichbar mit dem Problem, das Woody Allen in Play it again, Sam hat. Er weiß viel darüber, wie Bogey ist, kann aber nicht so sein. Er scheint, als wisse Dylan all das und fände sich an diesem Ort mit all den eingeschworenen Tough-Guy–Melancholikern in ihrer Peckinpah-Kommune, fehl am Platze, das zugleich aber ganz privat amüsant, weil es genau so ist, wie er es sich vorgestellt hat. Zu direkt und verbindlich für ihn, dessen Instinkt schon immer das Ausweichen und Wegducken war. So ähnlich hätte er sich wohl auch am Set eines John-Ford-Westerns gegeben: Als würde er die raue, aufrichtige Simplizität der Männer um ihn herum mit der Distanz eines Fremden bewundern. In diese Gesellschaft geraten wie ein Wechselbalg.
Peckinpah, vom Studio (MGM) bei diesem Streifen noch mehr in den Arsch gefickt als üblich, musste im Grunde gegen MGM filmen, mal heimlich, mal nur mit Freunden, und pflegte das durch auch für seine Verhältnisse beachtliche Alkoholexzesse zu verarbeiten. Das Set war lebensgefährlich, machmal jedenfalls. Als Harry Dean Stanton und Bob Dylan mit einer Joggingtour den Drehplan versauten, der vorsah, eine Szene während eines bestimmten Moments des Sonnenaufgangs zu drehen, damit es im Film aussieht wie Sonnenuntergang, kackte Peckinpah Stanton an. Der meinte, er sei da ganz Cheffes Meinung und sei deshalb Dylan hinterher gerannt - um ihn wieder einzufangen. Peckinpah warf schweigend ein herumliegendes Messer nach Stanton, das vibrierend in der Wand neben ihm steckenblieb. So war das damals. Bei anderer Gelegenheit musste des Nachts erst Kristofferson aus dem Bett geklingelt werden, damit der Peckinpah mit einfühlsamer Gewalt eine Knarre aus den fuchtelnden Händen windet. By god, I love it so.
APPALOOSA
|Ed Harris|USA 2008|
"You believe him over me?"
"That is correct."
Western. Ed Harris und Viggo Mortensen gegen Jeremy Irons und Lance Henriksen. Kann nicht schief gehen. Rumpelt zwar strukturell etwas, und die Begeisterung für Renee Zellweger in Hollywood kann ich auch hier nicht im Ansatz verstehen (ist wohl so eine alte-Männer-Sache). Hätte also besser sein können, aber trotzdem ziemlich gut. Ruhig, respektvoll, bedächtig, angenehm unterspielt, realistische eruptive, schnelle, dreckige Shootouts ("That was quick." - “Everyone could shoot.”). Werde ich mir bei Gelegenheit gerne nochmal ansehen und wie einen Kumpel begrüßen.
MY DARLING CLEMENTINE
[Faustrecht der Prärie]
|John Ford|USA 1946|
"Stop by the schoolhouse?"
"Yes, ma'am, I sure will."
Hier sieht man, wo Ed Harris mit Appaloosa und Kevin Costner mit Open Range hinwollten – und warum.
In allen drei Filmen wird mehr Zeit auf die zögerliche, sentimentale, aber aufrichtige Assimilation der Westerner in die Zivilisation verwendet - auf Lakritze kaufen, tanzen, auf Stühlen wippen, pokern und Häuser bauen -, als auf den Konflikt mit den Schwarzhüten. Der wird nur mal am Anfang etabliert, man befasst sich damit, wenn man muss, wenn er das Dorfleben unterbricht, hat aber eigentlich besseres zu tun.
Sogar Walter Brennans Old Man Clanton wirkt hier eher amtsmüde. Es scheint ihm schon länger keinen Spaß mehr zu machen, dieses erpressen und hinterrücks erschießen Business. Wie war das mit "Print the legend"? John Ford hat die Geschichte vom Gunfight at the OK Corral noch von Wyatt Earp persönlich gehört. Ahnt Clanton, dass man sich diese Geschichte noch lange erzählen wird, und dass er darin der Böse sein wird?
Je braver und langweiliger und manirierter die Frau, desto größer die Anziehungskraft für den Cowboy. Als Zuschauer zuckt man da eher mit den Schultern und kann das Gewese um ausgerechnet die Braut hier (Cathy Downs) ebenso wenig nachvollziehen wie bei Renee Zellweger, bescheidet sich aber damit, dass man wohl anders dächte, wäre man dreihundert Tage im Jahr mit nichts als seinen Brüdern, seinem Pferd und ein paar Rindern unterwegs.
Henry Fonda (erste Rolle nach dem Weltkrieg) schafft es bemerkenswert gut, seinen Earp aus dem üblichen Schatten des in Verfilmungen eigentlich immer unterhaltsameren Doc Holliday (Victor Mature) zu holen und ihn im Zusammenspiel, aber auch allein, mindestens gleichwertig zu machen. Ein Verdienst, der ebenso Mature und Ford gebührt. Mature hat eine wundervolle, klassische Szene, als er Hamlets "To be or not to be" – Monolog für einen von den Clantons eingeschüchterten Schauspieler zu Ende bringt; Fonda kippelt auf der Veranda. Zwei Eindrücke, für die jeder Western seine Seele verkaufen würde, werden hier ganz lässig aus dem Ärmel geschüttelt. Gemütlicher, und gerade deshalb großer Western.
WARLOCK
|Edward Dmytryk|USA 1959|
"An dir selbst liegt dir nicht viel. Aber Clay liegt dir am Herzen. Und wenn er erst tot im Staub liegt, werde ich dich ansehen und dir ins Gesicht lachen."
Wie es auch aussehen kann, wenn zwei renditeorientierte Gunmen in ein Dorf kommen um sich um die Schwarzhüte zu kümmern. Fein, wie Warlock nicht nur die Figuren ambivalent sein und sicher geglaubte Allianzen zerstören lässt, sondern auch mit den Bildern seiner Stars selbst spielt. Ein Vorbild für Leone?
Fonda, ikonisch als der gerechte Mann des Volkes, sagt den Leuten hier von Beginn an, sie werden ihn für die Macht, die sie ihm geben, verachten. Und so kommt es dann auch. Wyatt Earp hätte das nie gesagt und nie getan. Anthony Quinn diese über jeden Zweifel hinwegfegende Naturgewalt, als blonder, latent schwuler, selbsthasszerfressener Krüppel. Und Widmark, in seinem Wesen ein Darsteller des Unbequemen, des Angespannten, des auf der Kippe Stehenden, des "Dazwischen", gibt aus eigener Moral heraus seine gefürchtete Position bei den Banditen auf, wechselt die Lager, wird zum Deputy und ist plötzlich tatsächlich der anständigste Mann in ganz Warlock.
Vorzüglicher Western.
THE HIRED HAND
[Der weite Ritt]
|Peter Fonda|USA 1971|
»Es ist alles nur eine Frage der Zeit, Ma'am. Auf irgendeine Art.«
Peter Fondas Regiedebüt ist ein Western, der seinem Vater gefallen hätte. Weil Fonda (Peter) seinen Kameramann Vilmos Szigmond bewundernd in den weiten Himmel, dem er oft drei Viertel des Bildes einräumt, in das Wasser und die Bäume blicken lässt; weil er eigentlich eine Geschichte darüber erzählt, warum Fondas (Henry) Wyatt Earp so gern wippend auf dem Stuhl auf der Veranda sitzt.
Ja, da sind Spielereien wie freeze frames, gemächliche Überblendungen, da wird schmutzig gestorben, da sind schreiende Verwundete und close-ups der Wunden; da ist auch eine starke, kluge, klarsichtige Frauenfigur, die die Männerbünde der Western durchschaut und dekonstruiert, eine die auch von Jane Fonda gespielt hätte werden können. Einmal sagt sie zu ihrem Mann, er hätte statt Warren Oates' Arch Harris ebenso gut eine andere Frau mitbringen können, mit der er sieben Jahre zusammen war, und verlangen, dass sie mit ihnen unter einem Dach lebt.
Ein großer Unterschied zu dem wohlerzogenen, passiven Püppchen aus My Darling Clementine.
Aber insgesamt ist das eine sentimentale, auch affirmative Geschichte vom Suchen und Finden der Heimat von einem, der lange davor weggelaufen ist.
Peckinpah Fonda Western
Möchte dir in allem zustimmen, außer der Frauenfigur. Fords Western lebt hier so markant wie keiner seiner anderen vom tautologischen Chiasmus. Die Frau aus dem Osten ist gebildet, kultiviert und findet den linkischen Westerner faszinierend. Der Westerner weiß um seine Tolpatschigkeit und ist dankbar, dass ihm die überlegene Frau alles verzeiht (siehe seine Unbeholfenheit beim Kirchgang).
Der kultivierte Doc Holliday, einst ein angesehener Arzt und Mann der feinen gesellschaft, möchte lieber die mexikanische Hure mit dem unmöglichen Namen (Chihuaha) und mit ihr von einem Rausch in den nächsten.
Seltener lagen Hoffnung und Untergang näher. Holliday operiert noch einmal und es bringt den Tod, folglich geht er auch in den Tod. Die Liebe dieser Figuren wird ins nächste Reich transzendentalisiert.
Nicht mal Earp und Clementine haben eine klare Linie. Clementine wird dem Westen Zivilisation bringen, Earp zieht weiter und weiß nicht, ob er wiederkommt. Ford wollte nicht mal den kurzen, verschüchterten Kuss drehen., aber dass war Zanuck zu viel an Indifferenz. Trotzdem filmt Ford aber immer noch den Weidezaun als unüberbrückbare Trennlinie zwischen den Beiden.
Ein wirklich niederschmetternder Film in all seiner Melancholie, oder ein wunderschön melancholisch-poetisches Werk, in all seiner Düsternis.