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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch




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Evil Buddha vs. Eichendorffs Enkel



Furcht (1917) (als Wurfgeschoß durchs Fenster geflogen)

Dieses Frühwerk liegt mir in einer inoffiziellen Version vor, die offenbar von Privatleuten eingeenglischt und mit einem lustig unpassenden Score versehen wurde, der reichhaltig Gebrauch macht vom Gesamtwerk Modest Mussorgskys, insbesondere den „Bildern einer Ausstellung“ und der „Nacht auf dem kahlen Zwerge“.

Der Protagonist ist ein gewisser Graf Greven, den die Wanderlust durch die Welt getrieben hat. Doch was einst ein fröhliches, lebenslustiges Mannsbild war, kehrt nun zurück als Schatten seiner selbst: Bucklicht und verkrampft huscht er durch die Gegend und drückt sich an den Wänden entlang. Grund für diese lamentable Entwicklung ist eine Buddha-Statue, die er in Indien hat mitgehen heißen. Auf seinen Schultern lastet nun der Fluch von Evil Buddha. Im Schlaf erscheint ihm ein Swami oder Yogi (gespielt von Conrad Veidt), der ihm prophezeit, er werde in exakt sieben Jahren sterben durch die Hand eines Menschen, der ihm lieb ist. In den darauffolgenden Jahren ergibt sich Graf Greven dem Exzeß, säuft, hurt und spielt, was das Leben halt hergibt. Doch die Stunde der Wahrheit naht unerbittlich, und bald steht Yogi Bär wieder im Garten, um seinen Zehnten zu fordern...

Wie man der launigen Zusammenfassung vielleicht schon entnehmen kann, habe ich den Film nicht ganz ernstgenommen! 2 Jahre vor DAS CABINET DES DR. CALIGARI schuf Wiene dieses knallige Melodram, das sich ganz in der Tradition der übernatürlich angehauchten Moralgeschichten deutscher Prägung bewegt, à la DER STUDENT VON PRAG. Auch hier geht es um einen Mann, der – obwohl ihm das Leben Reichtum und Unabhängigkeit zugeschanzt hat – mit seiner Zeit nichts Besseres anzufangen weiß, als herumzureisen und Nippesfiguren zu klauen. Die FURRRCHT, die ihn nach dem Sakrileg überfällt, ist natürlich schon vorher in ihm gewesen. Dies sieht man daran, daß er – wenn seine Tage gezählt sind – einem reinen Egoismus und Sinnestaumel verfällt. Als es schließlich so weit ist, hat er keine rechten Freunde mehr, und so ist es auch klar, wie der Film zu enden hat...

FURCHT ist von der kunstvollen Stilisierung eines CALIGARI noch weit entfernt. Stattdessen bedient er sich des naturalistisch geprägten Bildstils des Kinos der Anfangsjahre, wie auch die Einbeziehung filmischer Elemente noch sehr überschaubar ist. In jenen Jahren ähnelten Filme eher einer Aneinanderreihung theatralischer Tableaus. In FURCHT sieht das z.B. so aus, daß sich die fröhlich überchargierenden Schauspieler (insbesondere der Protagonist, der eine ziemliche Knackwurst ist) ständig zur Kamera neigen, posieren nach Herzenslust. Wenn Graf Greven von seinen Panikattacken gehetzt wird, windet er sich wild grimassierend Richtung Kamera, um nicht in den Bildhintergrund gesaugt zu werden von dem schwarzen Loch, das da vermutlich regiert. Lediglich Conrad Veidt spielt dezent, geradezu steinern, die stechenden Augen im Dienste der Rache in den Hanswurst bohrend. Zieht man das Herstellungsjahr des Filmes, 1917, in Betracht, stellt der Film eine Warnung dar vor dem Chaos, das dem übersteigerten Egoismus folgt. Grevens Schwelgen in ichbezogenen Zerstreuungen ähnelt schließlich einem Tanz in den Untergang, wie ihn die Darstellungen der Reichen in der Weimarer Republik so häufig nahelegten. Der Romantizismus der Deutschen war durch den Ersten Weltkrieg endgültig auf den Hund gekommen, und die Bulldogge lauerte schon um die Ecke...




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