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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch




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Ein Leben auf Schienen



Scherben (TV)

Ein Schrankenwärter (Werner Krauß) lebt zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in einem kleinen Häuschen neben dem Schienenstrang. Sein ganzes Leben besteht daraus, immer wieder am Geleise entlangzulaufen und nach Schäden Ausschau zu handeln. Das Leben erscheint stabil und unabänderlich. Wie zerbrechlich das Ganze jedoch ist, wird deutlich, als ein Inspekteur der Bahnbehörde vorbeikommt und die Tochter des Schrankenwärters verführt...

SCHERBEN von Lupu Pick ist ein kleiner, großer Film, sehr im Stile der späteren Filme, die von Carl Mayer geschrieben wurden, der einer der einflußreichsten Drehbuchautoren des deutschen Kinos war. Wie in DER LETZTE MANN verzichtet Mayer fast vollständig auf Dialoge, auf unterbrechende Titelkarten. Das hat zum einen den Effekt, daß der Zuschauer ständig „mitarbeitet“, die Vorgänge und die Motive der Protagonisten zu ergründen versucht. Zum anderen entspricht die Sprachlosigkeit dem engen Leben der Hauptfiguren, deren ganze Existenz in ewig gleichen Bahnen verläuft, während direkt daneben die Züge ins große Leben vorbeirauschen. Es ist unsagbar traurig, dem Schrankenwärter dabei zuzusehen, wie er seine abstumpfende Arbeit Tag für Tag versieht. Er geht die Schienen entlang, auf denen er förmlich festgeschweißt ist. Sie führen alle irgendwohin, doch wohin, wird er niemals herausbekommen. Die Tochter ist natürlich nicht zufrieden mit diesem engen Leben. Als der Inspekteur kommt, scheint ihre Stunde gekommen. (Großartige Szene: Sie kniet auf der Treppe und wischt die Stufen; der Inspekteur erscheint auf der nächsthöheren Stufe, sie betrachtet seine Stiefel, blickt an ihm hoch, zu ihm auf in sein herrisches Gesicht.) Doch die Möglichkeit zur Loslösung erweist sich als trügerisch – Tod und Tragödie sind die Folge. Die Menschen sind nur in der Lage, das zu tun, was sie gelernt haben. Versuchen sie, sich darüber zu erheben, setzt die Hochmut ihren Niedergang in Fahrt. Ebenfalls wie auf Schienen. Das expressive Spiel der Schauspielerin Edith Posca ist sehr bemerkenswert. Sie war mit dem Regisseur Lupu Pick verheiratet. Als jener 1931 starb, setzte sie kurz darauf ihrem eigenen Leben ein Ende, mit gerade 38 Jahren. In der restaurierten Fassung, die vor geraumer Zeit mal im Fernsehen lief, ist der Film knappe 60 Minuten lang. Trotzdem schafft er es, auf engstem Raum und mit denkbar unspektakulären Figuren eine große Tragödie zu inszenieren.




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