Terje Vigen (SWE-DVD)
Den Schweden Victor Sjöström kennt man heutzutage am ehesten wegen seines prachtvollen FUHRMANN DES TODES und seines Auftrittes als alter Mann in Bergmans WILDE ERDBEEREN. Da es sich bei ihm um einen der wahren Pioniere des skandinavischen Kinos handelte, ist es doppelt schade, daß so wenige seiner Frühwerke noch erhalten sind. Selbst die Zeit, die er in Hollywood verbrachte, ist filmisch kaum noch dokumentiert. TERJE VIGEN entstand 1917, zu einem Zeitpunkt, als er bereits mehr als die Hälfte seiner 55 Filme abgedreht hatte. Er selbst spielt darin einen alten Seemann, der ständig zwischen Weib und Kind auf der einen und der stürmischen See auf der anderen Seite pendelt. Eines Tages kommt es zum Krieg. Die Engländer errichten eine Seeblockade, die in Norwegen zu einer fürchterlichen Hungersnot führt. Um die Seinen zu retten, durchbricht Terje die Blockade, gerät dabei aber in Gefangenschaft. Als der Krieg aus ist, muß er feststellen, daß seine Familie inzwischen in einem Armengrab gelandet ist. Einsam und verbittert lebt er weiter. Doch das Schicksal führt ihm jenen britischen Offizier zu, der ihn einst gefangennahm, und Hohn und Spott sollen nun vergolten werden...
Der erst vor wenigen Jahren komplettierte und restaurierte Film stellt eines der wenigen mir bekannten Exemplare eines verfilmten Gedichtes dar. Die Ballade von Henrik Ibsen erzählt von nationalem Leiden, von persönlichem Leiden, vom Ausharren und von Vergebung. Sjöströms Film verzichtet auf schmückendes Beiwerk, beschränkt sich gänzlich auf die vom Gedicht vorgegebene Handlung. Der bizarre Umstand, daß hier ein Schwede ein norwegisches Nationalgedicht verfilmt, wird dadurch plausibel gemacht, daß Sjöström sich auf die menschliche Komponente konzentriert. Die Menschen fristen ihr Dasein inmitten einer kargen und häufig unfreundlichen Natur. Sie selbst verzagen, bekriegen sich und verspotten den Verlierer. Wenn einer mal Edelmut zeigt, so muß er damit rechnen, daß sich seine Großherzigkeit in Wahnsinn und Rachsucht verwandelt. Was das Ende aber deutlich macht: Nur wenn man in der Lage ist, sich von der Natur der Welt und der Natur der Menschen nicht kleinkriegen zu lassen, wenn man der seelischen Zerstörung widersteht, kann die Geschichte weitergehen. Dem Film geht jedes falsche Pathos ab. Die sprühenden Wogen, die umgischteten Riffe lassen nicht zu, daß sich Sentimentalität einschleicht. Die Zwischentitel bestehen zur Gänze aus Auszügen von Ibsens Gedicht, die ebenso schlicht wie kraftvoll bebildert werden. Teilweise hatte ich selber so viel Wasser in den Augen, daß ich die Zwischentitel kaum lesen konnte. Keine moralische Predigt erwartet hier den Zuschauer, kein Tränendrüsenattentat, wie es in den amerikanischen Filmen der Zeit zweifellos zu erwarten gewesen wäre. Nur ein schlichter, prachtvoller Film, der gerade einmal 55 Minuten dauert und auch heute noch sehr beeindruckt. Am Schluß hat der alte Mann nur noch seine Hütte und die sprühende Gischt, aber er ist jetzt im Frieden mit sich und den Menschen, die er verloren hat. Das ist tieftraurig, aber auch mutbringend. Denn was immer man sich im Laufe seines Lebens auch in den Kopf hineinreden mag – die Möwe lacht drüber. Eine andere Nation zu besiegen, ist unwichtig. Sich selbst zu besiegen, die wirkliche Herausforderung. Terje Vigen schafft das schließlich, und er lebt in Frieden.
Leben heißt - dunkler GewaltenSpuk bekämpfen in sich.Dichten - Gerichtstag haltenüber sein eigenes Ich.(H.I.)
P.S.: Die DVD besitzt gute englische Untertitel, die scheinbar einer professionellen Übersetzung des Gedichtes entlehnt sind.
Den Schweden Victor Sjöström kennt man heutzutage am ehesten wegen seines prachtvollen FUHRMANN DES TODES und seines Auftrittes als alter Mann in Bergmans WILDE ERDBEEREN. Da es sich bei ihm um einen der wahren Pioniere des skandinavischen Kinos handelte, ist es doppelt schade, daß so wenige seiner Frühwerke noch erhalten sind. Selbst die Zeit, die er in Hollywood verbrachte, ist filmisch kaum noch dokumentiert. TERJE VIGEN entstand 1917, zu einem Zeitpunkt, als er bereits mehr als die Hälfte seiner 55 Filme abgedreht hatte. Er selbst spielt darin einen alten Seemann, der ständig zwischen Weib und Kind auf der einen und der stürmischen See auf der anderen Seite pendelt. Eines Tages kommt es zum Krieg. Die Engländer errichten eine Seeblockade, die in Norwegen zu einer fürchterlichen Hungersnot führt. Um die Seinen zu retten, durchbricht Terje die Blockade, gerät dabei aber in Gefangenschaft. Als der Krieg aus ist, muß er feststellen, daß seine Familie inzwischen in einem Armengrab gelandet ist. Einsam und verbittert lebt er weiter. Doch das Schicksal führt ihm jenen britischen Offizier zu, der ihn einst gefangennahm, und Hohn und Spott sollen nun vergolten werden...
Der erst vor wenigen Jahren komplettierte und restaurierte Film stellt eines der wenigen mir bekannten Exemplare eines verfilmten Gedichtes dar. Die Ballade von Henrik Ibsen erzählt von nationalem Leiden, von persönlichem Leiden, vom Ausharren und von Vergebung. Sjöströms Film verzichtet auf schmückendes Beiwerk, beschränkt sich gänzlich auf die vom Gedicht vorgegebene Handlung. Der bizarre Umstand, daß hier ein Schwede ein norwegisches Nationalgedicht verfilmt, wird dadurch plausibel gemacht, daß Sjöström sich auf die menschliche Komponente konzentriert. Die Menschen fristen ihr Dasein inmitten einer kargen und häufig unfreundlichen Natur. Sie selbst verzagen, bekriegen sich und verspotten den Verlierer. Wenn einer mal Edelmut zeigt, so muß er damit rechnen, daß sich seine Großherzigkeit in Wahnsinn und Rachsucht verwandelt. Was das Ende aber deutlich macht: Nur wenn man in der Lage ist, sich von der Natur der Welt und der Natur der Menschen nicht kleinkriegen zu lassen, wenn man der seelischen Zerstörung widersteht, kann die Geschichte weitergehen. Dem Film geht jedes falsche Pathos ab. Die sprühenden Wogen, die umgischteten Riffe lassen nicht zu, daß sich Sentimentalität einschleicht. Die Zwischentitel bestehen zur Gänze aus Auszügen von Ibsens Gedicht, die ebenso schlicht wie kraftvoll bebildert werden. Teilweise hatte ich selber so viel Wasser in den Augen, daß ich die Zwischentitel kaum lesen konnte. Keine moralische Predigt erwartet hier den Zuschauer, kein Tränendrüsenattentat, wie es in den amerikanischen Filmen der Zeit zweifellos zu erwarten gewesen wäre. Nur ein schlichter, prachtvoller Film, der gerade einmal 55 Minuten dauert und auch heute noch sehr beeindruckt. Am Schluß hat der alte Mann nur noch seine Hütte und die sprühende Gischt, aber er ist jetzt im Frieden mit sich und den Menschen, die er verloren hat. Das ist tieftraurig, aber auch mutbringend. Denn was immer man sich im Laufe seines Lebens auch in den Kopf hineinreden mag – die Möwe lacht drüber. Eine andere Nation zu besiegen, ist unwichtig. Sich selbst zu besiegen, die wirkliche Herausforderung. Terje Vigen schafft das schließlich, und er lebt in Frieden.
Leben heißt - dunkler GewaltenSpuk bekämpfen in sich.Dichten - Gerichtstag haltenüber sein eigenes Ich.(H.I.)
P.S.: Die DVD besitzt gute englische Untertitel, die scheinbar einer professionellen Übersetzung des Gedichtes entlehnt sind.
Von Sjöström ist imho noch The Wind sehr bekannt. Womit sich mein Fundus an Sjöström-Filmen auch schon erschöpft hätte.