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Nomadologie im Zusammenhang mit 'Yojimbo' und 'Per un pugno di dollari' - Filmforen.de

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Nomadologie im Zusammenhang mit 'Yojimbo' und 'Per un pugno di dollari'


4 Antworten in diesem Thema

#1 Kirillow

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Geschrieben 10. Oktober 2011, 15:31

Eine Hausarbeit, die im Rahmen eines Seminars über Demarkation und Repräsentation entstanden ist.


Einleitung

1927/28 erschien im Black Mask Magazine in Serienform der Roman The Cleansing of Poisonville von Dashiell Hammett. Er beschreibt die Verwicklungen eines Detektivs, der zwei feindliche Banden in einer kleinen Stadt gegeneinander ausspielt nachdem diese von der korrupten Verwaltung in die Hände des organisierten Verbrechens gespielt wurde. 1961 entstand mit Yojimbo von Akira Kurosawa und 1964 als Per un pugno di dollari von Sergio Leone zwei lose auf diesem Stoff basierende Verfilmungen, an deren Unterschieden ein paar politische wie filmtheoretische Aspekte erkennbar werden. Diese sollen, im Zusammenhang mit dem Begriff der Nomadologie, wie ihn Gilles Deleuze und Felix Guattari in ihrem 1980 erschienen Buch Milles plateaux geschaffen haben, untersucht werden.

Die Orte des Geschehens

In beiden Filmen lernen wir mit dem Protagonisten zusammen die jeweilige Stadt kennen, in die er aus einem undefiniertem Raum, der weiten Wüsten-und Gebirgslandschaft kommt. Die Orte sind in beiden Fällen sehr simpel, den Anforderungen des Plots gemäß aufgebaut: ein breite Hauptstraße mit Bande A auf dem einen und Bande B auf dem anderen Ende. Die Achse ist in der Mitte geteilt von dem Inn, in das der Protagonist absteigt und von dem aus das ganze Geschehen überblickt werden kann. Hier entfaltet sich auch zuerst die Sitation; der neutrale Besitzer klärt Clint Eastwood, respektive Toshiro Mifune über die desolate Situation auf, es gibt zwei Banden, beide haben sich verschiedene Teile des öffentlichen Dienstes (wie Sakebrauer oder Bürgermeister) einverleibt, handeln mit unterschiedlichen Gütern und schaffen einen Zustand permanenten Krieges, der, bis auf den Sargbauer, bisher für niemanden erfolgreich ausgegangen ist.
In Yoshimbo bedeutet dies eine Tragödie für den Rest der Anwohner, da die kriminelle Struktur nicht nur Handel und Produktion in ihrer Hand hat, sondern darüber auch die Zünfte zusammenbrechen, wenn nun Leute ihre tradierten, nutzlos gewordenen Tätigkeiten aufgeben um mit anderen Markteilnehmern etwa im Seidehandel in Konkurrenz zu treten. In Yojimbo ist das Zwei-Bosse-System eine Plage, die ausgerottet werden muss, und gibt so dem hinzugekommenen Samurai einen moralischen Überbau für sein eigentlich opportunistisches Handeln. Es ist das Bild einer Periode „when a rising business class threatened the logic of existing social relations as the economy shifted to money, not rice, and to ties mediated by the exchange of commodities and the rationalizations of profit, not personal allegiances and obligations. Samurai became dependent on the money economy, and many fell into debt. “1
In Leones Western gibt es neben Verbrechern und angeheuerten Killern höchstens noch ein paar Witwen, die wie untote Geister aus dem Halbdunkel der Fenster schauen, als Clint Eastwood vorübergeht. In dem Ort San Miguel sind längst alle Hoffnungen auf legale Prosperität aufgegeben, was es hier noch zu holen gibt ist Geld - für Mord. Den letzen Außenseitern in San Miguel geht deshalb das schwere Gemüt der einfachen Leuten des Ortes in Yojimbo ab, stattdessen herrscht ein fröhlicher Zynismus, der die Anspannung lockert und der Clint Eastwood, wenn er auf dem Balkon steht und seinen Plan ausmalt, jeden gerechtigkeits- und ordnungsschaffenden Status, wie er wohl einem Revolvermann in einer Stadt voller Verbrecher, andernorts beschienen wäre, abspricht.

Hauptfigur und Nebenfiguren

Wenn zwei absolut verfestigte Positionen in ihrem lethargischen und aussichtslosen Kampf nichts weiter produzieren als immer mehr Tote, die komplementär mit immer mehr Söldnern ersetzt werden, fungiert nun der Protagonist beider Filme wie ein Agens, das das Gleichgewicht durcheinander bringen muss, indem es mit einer Fremdlogik operiert – eine Logik, welche die klassische Westernfigur selbst unterwandert und eher, in Rücksicht auf Dashiel Hammetts Roman, der Zeit der Depression und dem Film-Noir Milieu zuzurechnen ist. Mifune/Eastwood demonstrieren gleich nach der Einführung ihre Qualitäten, indem sie - mit einer erstaunlichen Überlegenheit - vier Mitglieder der einen Gang mit Leichtigkeit töten.
Diese Überlegenheit ist der erste Aspekt, der sie von dem gewöhnlichen Verbrechertum trennt und damit befähigt, die Situation zu verändern. Zweitens ihre Intelligenz; diese richtet sich auf den Erwerb von Geld, wie es auch das Interesse der restlichen Akteure ist, allerdings sind sie nicht loyal gebunden: die angeheuerten Mörder beiderseits pflegen immerhin ein emphatisches Verhältnis zu ihren Auftrags- und Geldgebern, die Protagonisten jedoch lassen sich von einer Gang bezahlen, nur um fünf Minuten später das Vertragsverhältnis zu kündigen; sie verkaufen Informationen an die eine Seite und kurz darauf dieselben Informationen, an die andere. Sie gleichen dabei Schachspielern, die, teilweise die Demarkationen selbst schaffend, die Figuren beider Parteien so in Stellung bringen, dass es zu einem Konflikt kommen muss.
Ihre Unberechenbarkeit ist dreifacher Art: für die Mitglieder und Bosse der Banden, die keine Einsicht in das Treiben der Protagonisten haben, für die Situation selbst, die zwar, wie beschrieben, durch das Kalkül entsprechend zu einem Ergebnis hin geformt wird (z.B. wenn in Per un pugno di dollari die beiden Parteien durch die Hauptfigur auf dem Friedhof zusammengebracht werden um dort um zwei tote Kavalleristen zu kämpfen), die allerdings immer noch einen Rest an Kontingenz bewahrt, die der Leerstelle entspricht, welche die Hauptfigur mit ihrem Handeln nicht ausfüllt; und schließlich ist sie unberechenbar für den Zuschauer des Films, der, jenseits der Diegese, mit seiner Passivität die Spannung zusammenhält, als der einzige, der den Überblick über die Konsequenzen aller Handlungen hat.

Die Hauptfigur als Nomade

An dieser Stelle kann man fragen, ob es sich bei Eastwood/Mifune im Deleuzschen Sinne um Nomaden handelt. Ein Nomade zeichnet sich dadurch aus, dass er sich in einem ständig sich verschiebenden Territorium bewegt, sein eigenster Lebensraum ist gerade der unter seinen Füßen. Ein glatter Raum ohne feste Grenzen der, im Gegensatz zum gekerbten Raum, nicht von symbolischen, physischen und politischen Linien wie Staatsgrenzen oder Straßen durchzogen ist, der also, bis auf seine natürliche Merkmale wie etwa der Beschaffenheit, keine Interessen, Funktionen oder Rechtstitel repräsentiert. Nun stößt der Nomade auf den Staat bzw. auf die Gangs, die einen festen Raum am jeweiligen Ende der Straße bewohnen, demarkiert durch Grenzen, deren Überschreitung unausweichlich Konsequenzen nach sich ziehen, die symbolisch die Ordnung aufrecht erhalten (am Anfang der beiden Film überschreitet der Protagonist unwissentlich die Linie, die Herrschaftsverhältnisse werden daran demonstriert).
Was passiert, wenn nun der Nomade in Kontakt, in Konflikt mit dem staatsähnlichen Apparat gerät? Deleuze und Guattari beschreiben den Nomaden als mit einer Kriegsmaschine verwoben, d.h., die Möglichkeit des Krieges ist supplementär mit der nomadischen Lebensorganisation verbunden: seine Art, überall präsent sein zu können, sein Verhältnis zum Boden und seiner Bewirtung, die Weise der intensiven Geschwindigkeit, die nicht an einen externen Befehl gebunden ist, sondern spontan auf Gefahren reagieren kann und die Trajektorie seiner Waffenführung (die selbst Pferde und Krieger als zu einem Affekt verbunden mitbegreift) sind Merkmale einer genuin nomadischen Kriegsmaschine. Wenn sich der Staat die Kriegsmaschine im großen Stil aneignet, wird sie zum Selbstzweck: innerhalb administrativer Ausdifferenzierung und Aufgabenteilung gerinnt sie zu einer Spezialabteilung innerhalb der Organisation des Staates und kann von da an gezielt zur Zerstörung eingesetzt werden.2
In den hier besprochenen Szenarios aber entspinnt sich das Drama der Aneignung nur um eine Person, die allerdings mit diabolischer Intelligenz ihre Eingliederung ad absurdum führt: anstatt an die Spitze der Kampfhandlungen einer von zwei Armeen gestellt zu werden, entziehen sie sich ihrer Verpflichtung immer wieder um die Seite zu wechseln, demnach auf keiner Seite wirklich zu stehen. Der Boden unter ihr wird zum Niemandsland, wie sie auch keine Namen haben; das Misstrauen ihnen gegenüber rührt nicht nur von ihrer Verschlagenheit sondern von jenem unberührbaren Territorium, der indifferenten Zone, der indifferenten Miene; selbst im Schlafzimmer des Anführers.

Das Aktionsbild

Der Nomade unterhält, wie gesagt, ein sehr nahes, geradezu emphatisches Verhältnis zu seinem Boden. Historisch gesehen sind Nomadenvölker durch ihre Ortlosigkeit an eine Form der Subsistenzwirtschaft gebunden, die sich vor allem auf Viehzucht und Rohstoffförderung beruft; beides verlangt nach genauer Kenntnis der vegetativen und geologischen Verhältnisse; sie sind so in der Lage, im Boden zu lesen und die gesuchten Gegebenheiten zu finden. Ähnlich weiß der Protagonist, der Desperado und Samurai/Ronin die Lage in der kleinen Stadt zu untersuchen.
Mit einer zwar nie ausgesprochenen aber doch erahnbaren Vergangenheit über Gewalt und Machtverhältnisse unterrichtet, werden auch die Banden, ihre wirtschaftliche Abhängigkeit, ihr sinnloser, gegenseitiger Hass schnell zu Zeichen, die man nur richtig lesen muss, um die reinen Potentiale der Situation erkennen zu können. Von diesen Zeichen spricht Deleuze im Zusammenhang mit seinem Begriff des Aktionsbildes: die Hauptfigur befindet sich in einer Situation, in der Potentiale vorliegen, die sich aktualisieren sobald sie durch eine Aktion darin eingreift und eine neue Situation schafft (nach der Formel S-A-S¹)3: „Das Milieu aktualisiert stets mehrere Qualitäten und Potentiale, es stellt deren globale Synthese dar, ist selber die Atmosphäre oder das Umgreifende, während die Qualitäten und Potentiale zu realen Kräften im Milieu geworden sind.“4
Diese Funktion wird als Synzeichen beschrieben, die Konstellation im Film erhält durch den Blick des Protagonisten neben ihren aktuellen Gegebenheiten eine Reihe virtueller Möglichkeiten, die einen Spannungsbogen beschreiben: im Horizont der breiten Straße liegt die Chance, mit der Ausweglosigkeit Profit zu machen - sobald das Potential erkannt wird, das zum Beispiel die Angst der einen Bande bildet, bei einem Waffendeal überführt zu werden. Dies lässt sich mit der Beschreibung nomadischer Geschwindigkeit parallelisieren, wie sie in Tausend Plateaus beschrieben wird: als eine Kraft, die „nur noch auf die Zahl, auf die Bewegung, auf Raum und Zeit zu beziehen“5 ist. Diese Kraft prägt das Aktionsbild in Deleuzes Filmtheorie durch Zeichen und Potentiale, die, in Wechselwirkung zwischen Milieu und Protagonist, eine Situation verändern und in Tausend Plateaus als die Art und Weise der Kriegsführung der Nomaden, die, in einem ganz anderen Zusammenhang, in ihrem eigenen glatten Raum den demarkierenden Gangs/Staatsapparaten durch ihre Kriegsmaschine trotzen.
Augenscheinlich wird dies in beiden Filmen, wenn sich der Held vor das Haus der einen Bande stellt und seine Dienste zum Verkauf anbietet, ohne dass darauf jemand reagiert. Sowohl Eastwood auch als Mifune kennzeichnet die Selbstgewissheit einer Person, die nach einem akribischen Plan vorgeht. Dessen Aktualisierung teilt sich, wie gesagt, in die Aktionen, die von dem Protagonisten ausgeführt werden (etwa das Erschießen von vier Leuten zu Beginn des Films), in die Aktionen, die nur von ihm angedeutet, jedoch von anderen vollbracht werden (der direkte Kampf der Banden auf offener Straße aus dem er sich in letztem Moment zurückzieht um das Geschehen aus erhöhter Position zu betrachten) und in die Aktionen, an denen er überhaupt nicht mehr beteiligt ist (das Abbrennen des einen Bandenhauses). In allen drei Fällen jedoch ist es immer die Situation, die Zeichenreihe, von der ausgehend eine neue Situation geschaffen wird, deren Zeichen und Potentiale zu einer nächsten führen usw., jene Deleuzsche Spirale, an deren Ende die komplette Vernichtung der beiden Gangs steht.

Nomadisches Handeln

In den ersten zwei Dritteln der Filme behält so die Hauptfigur immer eine indirekte Kontrolle über die sich weiter und weiter windende Spirale, in beiden Fällen findet jedoch eine Zäsur statt, weil der Protagonist gegen seine eigenen Regeln verstößt. Eine der Gangs hält eine Frau gefangen, die entführt wurde da ihr Mann angeblich beim Glücksspiel schummelte; dieser wird mit dem gemeinsamen Kind schon früh in die Handlung des Films eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Eastwoods/Mifunes Interventionen so strukturiert, dass sie keine Spuren hinterließen - ein Nomade versteht sich exzellent sowohl aufs Lesen als auch Verwischen von Spuren - d.h., dass die Wirkungen, die etwa vom synchronen Verkauf der Informationen nicht auf ihre Handlungen zurückgeführt werden konnten.
Ihre Pläne verfolgten übergeordnete Interessen, eben die Situation als eine mechanische Funktionsweise zum Gären zu bringen; dies schließt sowohl eine moralische wie emphatische Distanz ein, einen ständigen Positionswechsel, der genau dann gebrochen wird, wenn eine Bedingung im mechanischen Ablauf zur Unbedingtheit wird: die Befreiung der Frau aus dem streng bewachten Gefängnis und die gemeinsame Flucht mit Mann und Kind sind entgegen der restlichen Aktionen kein Mittel zum Zweck sondern ein Selbstzweck. Der Protagnist konnte seine Spuren nicht verwischen, weil er ein persönliches Interesse am Gelingen dieser Handlung hatte, und genau daran wurde sie als seine erkannt.
Von dem Moment an, da er gefangengenommen und verhört wird, entwickelt sein Plan eine bewusstlose Eigendynamik, die von keinem speziellen Interesse mehr gesteuert wird. Weil die Bande der entführten Frau den Protagonisten, nachdem er flüchten konnte, bei der anderen Bande vermutet, wird deren Haus abgebrannt und die aus dem Rauch hervortretenden Menschen kaltblütig erschossen. Derweil versteckt sich der Held mit Hilfe des Sargbauers auf dem Friedhof, dessen viele Gräber das beredte Archiv des jahrelangen Kampfes zwischen den Banden bilden. Aber an genau diesem Ort, wo die Sinnlosigkeit, das dumpfe Akkumulieren von immer mehr erschossenen Banditen sichtbar wird, ist der Held am sichersten, denn die fehlende Einsicht in der Stadt wird verdoppelt durch die Leere des Friedhofs, der wie ein schlechtes Gewissen vermieden wird.

Auflösung der Situation

Nach der Genesung kehrt die Hauptfigur für das Finale in die Stadt zurück, diesmal, zum ersten Mal, mit einer klaren Intension; die Kriegsmaschine, die sich zuvor aus einem Gefüge der List, dem schnellem Wechsel und der Unverbindlichkeit zusammensetzte, verengt ihre Vielgestaltigkeit zu einer Spitze, die sichtbar wird als Eastwood/Mifune in das klassische Westernbild zum Duell gegen die verbleibenden Mitglieder der Bande antritt. Aus der Gesetzlosigkeit, die das Bild des Films bestimmten und die alle Akteure nach ihrem eogistischen Willen handeln ließ, verstellt sich nun das Bild um einen überlagernden tugendhaften Abschluss, die Befreiung der Stadt von dem korrumpierenden, parasitären Organismus (Yojimbo), oder um den kaltblütigen Schmugglern und Entführen ein Ende zu bereiten (Per un pugno di dollari).
Die Spannung eines Duells besteht nicht nur darin, wer schneller zieht oder wer die größere Schwertkunst an den Tag legt, sondern ist auch abhängig davon, für welches Ziel oder welche Überzeugung die duellierenden Personen einstehen. Das doxographische Bild, das dem Zuschauer vorgeführt wird, verdichtet sich in der kurzen Zeitspanne, die Figuren werden zu Repräsentationen von Gesetz und Gesetzlosigkeit, Gutem und Bösen. Deleuze nennt dies die organische Repräsentation: „Die Handlung ist ein Duell von Kräften, eine Reihe von Zweikämfen: Kampf mit dem Milieu, mit den anderen, mit sich selber. Die neue Situation, die aus der Handlung entsteht, bildet mit der Ausgangssituation ein Paar.“6 So münden auch die beiden Filme in jenem wertesetzenden Prozess, der aus der Wildwestlandschaft einen homologen Raum macht, indem er eine längst fällige Ordnung schafft, kurz gesagt: die Erschießung der Gesetzlosen in der Duellsituation stellt sich dar als ein Akt der Zivilisierung, er funktioniert wie ein rudimentäres Gerichtsverfahren, dessen Gerechtigkeit nicht durch vorgetragene Argumente oder juridische Diskussionen begründet wird, sondern durch die Überlegenheit der guten Figur, deren Waffenkünste stellvertretend ihre Rechtschaffenheit demonstrieren. "I was so fed up with the world of the Yakuza. So in order to attack their evil and irrationality, and thoroughly mess them up, I brought in the super-samurai played by Mifune .... Only such a samurai of the imagination, much more powerful than a real samurai, could mess up these gangsters.“7
Um die letzte Konfrontation ästhetisch zu konstruieren, benutzen Kurosawa und Leone symmetrisch organisierte long shots, die durch die Breite des Cinemascope-Formats einen fast klaustrophobischen Raum erzeugen, der durch die rechts und links nur angeschnittenen Häuser begrenzt wird.8 Der zweckdienliche Aufbau der Stadt wird so durch die geometrische Komposition der Kamera noch verstärkt, um die Front zwischen den Gangs, den neutralen Raum des Protagonisten in deren Mitte und zum Schluss die moralische Trennung der Hauptfigur von seinem pragmatischen Handeln und den Kampf gegen den bösen Rest zu verdeutlichen.
In dieser verkürzenden Perspektive wird der Ort des Films zum Bühnenraum9: zum einen, weil sich die Rollen und Eigenschaften nun endgültig verteilen, und weil der Raum deswegen zum anderen das ganze Geschehen einfasst, sodass alle Faktoren, Aktionen und Personen ihren Platz haben.

Schlussbemerkungen

So enden dann auch die Filme mit der Auslöschung des organisierten Verbrechens, der Held tritt zurück in das Niemandsland aus dem er gekommen ist und überlässt den Einwohnern die Früchte seiner Arbeit. Dies war, zusammenfassend gesagt, nur möglich, weil er aus der Nomaden-Logik austrat und Partei ergriff, die ihn positionierte, Verantwortung übertrug und verletzlich machte. Aus der Stadt, die sich vorerst als eine Zeichenreihe voller opportunistischer Möglichkeiten präsentierte, die durch die Hauptfigur gesehen eine symmetrische Anonymität bewahrte, traten in Form der gefangenen Frau und dem später dem für vogelfrei erklärten Inn-Besitzer die Konturen einer Lebenswelt hervor, die unter dem kriminellen Treiben der Banden verschütt gegangen war. Sie zu entdecken, den - nomadologisch gewendet - Boden zu sondieren und in ihm die Bestandteile einer fragilen Sozialökonomie zu finden veranlasste schließlich die Hauptfigur dazu, den Erwartbarkeiten seiner Handlung eine präzisere Form zu geben, oder direkt für ein spezifisches Interesse einzugreifen. Die Figur des Antihelden will daher nicht so recht auf Eastwood/Mifune passen, da sie nicht die entgegengesetzten Werte eines üblichen Helden verkörpern oder einen Lebensstil ästhetisieren. Vielmehr verfügen sie über keine Werte, bleiben vorerst niemanden, nicht mal ihren eigenen Plänen treu.
Ein wenig lässt sich dieser Selbstbetrug daran erkennen, dass die Befreiung der Frau ohne Pathos verläuft, die Protagonisten scheinen eher gegen ihren Willen zu handeln. Eben deshalb gleicht auch das finale Duell weniger der bereits beschriebenen Gerichtsszene, die Hauptfigur vervollständigt am Ende lediglich ihre außer Kontrolle geratenen Pläne, wobei die Ordnung wie ein Akzidens dabei hervorkehrt. So bleibt zuletzt nach den nomadisch-kriegerischen Eingriffen ein Staatsapparats-Rumpf stehen, der, ob er sich nun anschickt wieder in ähnlichen korrupten Verhältnissen zu enden oder nicht – ein Potential jedes Staatsgefüges – in jedem Fall die Neutralität der Protagonisten brechen konnte und sie, wenn man möchte, zwang, seine Struktur ihrem Handeln aufzudrücken und sich durch ihre Hilfe vielleicht zu stabilisieren, zumindest aber, zu perpetuieren.
Die Hauptfiguren selbst sind dabei allerdings nicht zu den Staatsdienern geworden, die als Agenten der Zivilisation und Ordnung nun durch den gesetzlosen Raum streifend das nächste in sich zusammenbrechende Konstrukt bearbeiten werden. Sie sind weder Helden im klassischen Sinn noch Helden wider Willen – ihre ordnungsschaffende Tätigkeit resultierte aus einer Aberration des nomadischen Handelns; dieses allerdings bleibt, als zynisches, die legalen und illegalen Normen überschreitendes Tun, der Kern, mit dem die Erzählweise des bis dahin vorherrschenden Westernfilms aufgebrochen wurde.


1Prince, Stephen: Princeton, 1999 S.222.

2Vgl. Deleuze/Guattari: Berlin 1992. S.481-586.

3Vgl. Deleuze, Gilles: Frankfurt a.M. 1989 S.193-216.

4Ebd. S.193-194.

5Deleuze/Guattari: 1992. S.550.

6Ebd. S.194.

7Prince, Stephen: 1999, S.224. Zitat von Akira Kurosawa.

8Ebd. S.225.

9Vgl. Deleuze: 1989, S.224.

#2 sicomastik

    Schlundforscher

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Geschrieben 11. Oktober 2011, 15:25

Wirklich eine sehr schöne Hausarbeit. Fast hat mir etwas gefehlt, wie das nomadische Denken sich konstituiert. Ich bin kein Experte, aber wenn ich richtig verstehe, wird die Gut-/Böse-Dichotomie im nomadischen Denke aufgelöst bzw. ist nicht existent bzw. wird existent, sobald der Nomade sich an ein gegebenes System andockt, ihm Positionen aus seinem inneren oktroyiert.

Deine Abschlussbemerkung zu den Westernstrukturen hat mich etwas ins Schleudern gebracht. In The Wagon Masters haben wir doch ähnliche Protagonisten. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, den letzten Job gerade erledigt und erst wieder innerhalb des Systems existierend/nutzbringend, wenn sie einen Treck von Mormonen, Gauklern und Räubern begleiten. Der Film spielt in einem grenzenlosen Niemandsland - nimmt zum Teil Beckett vorweg - und die Figuren stiften Unsinn durch Sinnhaftigkeit. Ausgiebige Waschungen und Rasuren werden bei Wasserknappheit vorgenommen, das Lagerfeuer wird im feinen Abendanzug besucht. Die Figuren sind Nomaden, allesamt auf der Suche nach einem festen Ort, von der Gesellschaft ausgestoßene. Sie haben jedoch, im Gegensatz zu Eastwoods Figur, ein Ziel, das nicht in einer nach der Andockung stattfindenden Selbstauflösung kulminiert. Die titelgebenden" Wagon Masters" entsprächen somit am ehesten Eastwoods Charakter. Bei Ford bleiben sie aber am Ende, m.W. zumindest, in der neuen Gemeinschaft. Trotzdem transzendentalisiert Ford durch die Form, in dem er eine Prä-Videoclip-Montage der im Film vorkommenden Musikstücke präsentiert. Auch in Stagecoach ist nur die fortlaufende Bewegung der Postkutsche die Möglichkeit, das nomadische In-Bewegung-Sein, eine Möglichkeit an sich nicht zueinander gehörige Menschen zusammenzuführen. André Bazin hat dazu auch mal etwas bzgl. der Symmetrie der Achsenbewegung geschrieben, die das Ungleiche im Gleichgewicht hält. Funktioniert das Nomadische Prinzip nach Deleuze und Guattari also letztlich nur bei unbeweglichen Situationen (Bande A, Bande B). Und wie ist es mit Ethan Edward in The Searchers. Komme nur darauf, weil Ford das große Vorbild von Kurosawa und Leone war.

Sorry, wenn meine Anmerkungen und Fragen naiv erscheinen, aber ich bin kein Philosoph.

#3 Kirillow

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Geschrieben 11. Oktober 2011, 16:30

Erstmal vielen Dank für das Interesse und die Antwort. Die nomadische Logik funktioniert jenseits von Gut und Böse, das ist richtig. In dem Fall der besprochenen Filme ist der Protagonist mit den Gegensätzen ohnehin nicht konfrontiert, in allen Fällen sind die Gangs gleich gut, gleich schlecht. Was der Nomade für sich verwendet, sind eben nur die konträren Positionen der Banden, wobei er wohl gegen die letzte moralische Bastion, die Loyalität, zu einem Auftraggeber verstößt. Bei Deleuze und Guattari sind es, nach ihren Worten, Staatsapparate, von denen sich Nomaden abgrenzen. Sie besitzen feste Grenzen und Ordnungen, Menschen beziehen Positionen deren Idee sie repräsentieren und die sie austauschbar macht.
Bei Stagecoach sind es eher die angreifenden Indianer, die Nomaden sind. Die Kutsche bewegt sich letztlich im glatten Raum, der, als Niemandsland, eine dem Western von Anfang an eigentümliche Figur ist. Die Figuren in der Kutsche allerdings sind eben nur unterwegs zu einem Ziel von dem er sich ihre Position und die Filmlogik definiert.
Meine abschließende Bemerkung war tatsächlich etwas weit gegriffen, da nomadische Elemente im Westernfilm omnipräsent sind (man könnte fast sagen: die ursprüngliche Westernhandlung - Siedler, die sich das Land aneignen ist der Übergang vom Nomadentum in die Sesshaftigkeit par excellence - allerdings bringen John Wayne & Co., schon die Staatsstrukturen mit, auch wenn sie sich einen Film lang durch die Landschaft bewegen.) Nomaden wie Mifune oder Eastwood sind unzivilisiert oder überzivilisiert, zynisch, und diese Art der Figuren, die ja wie ich anmerkte fast eher ein Noir-Export sind, sind mir in keinem Westernfilm vorher bekannt.
'The Wagon Masters' habe ich leider noch nicht gesehen, werde das aber nun nachholen.

#4 sicomastik

    Schlundforscher

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Geschrieben 11. Oktober 2011, 16:45

Vielen Dank für die näheren Erläuterungen. :) Das mit Stagecoach hast du mir gut auseinanderklamüsert und verstehe ich jetzt besser.

Bei The Searchers sehe ich nach dieser Definition von Nomaden mit Ethan Edwards aber bereits alles erfüllt. Zwei Jahre nach Ende des Krieges kehrt er erst nach Hause zurück. Wo er die zwei Jahre war, bleibt unbeantwortet. Die Suche nach seiner ihm vorher egal seienden Nicht eist eine Aufgabe, die er selbst aussucht. Der Staat, ja sogar die Familie hat irgendwann kein Interesse mehr weiterzusuchen. Sein Fanatismus wird schlimmer, er findet sie schließlich, eine Fremde, weil sie sich jetzt in das andere, das Nomadische, transformiert hat und die Familie ist eher bereit sie aufzunehmen als ihn, weil er selbst ein Nomade ist. Viel extremer, weil kulturloser, als die indianischen Nomaden. Ihm bleibt nichts als die endlose Prärie. Jetzt muss er Eastwood werden. Ford soll es wohl genossen haben, Wayne so zu demontieren. Selbiger hat dies nicht mal gemerkt.

The Wagon Master ist da allerdings noch viel versöhnlicher. Und würde dann auch eher zu deinen Aussagen zu Stagecoach passen.

#5 Kirillow

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Geschrieben 11. Oktober 2011, 19:24

Ethan Edwards, würde ich sagen, qualifiziert sich nur halbwegs als Nomade. Aus seinem Ressentiment gegenüber den Indianern spricht ja nicht zuletzt der Anspruch und die Autorität der europäischen Siedler. Er kennt das Land mittlerweile so gut wie seine Feinde. Ich glaube nicht, dass die Familie ihn, der fremd geworden ist, als Nomaden ablehnt, sondern wegen dem Fanatismus, dem versuchten Mord an seiner Nichte. Aber dafür müsste ich den Film dann auch nochmal sehen. Zwar steht die Filmhandlung auch unter einem festen Ziel, die Befreiung/Reinigung der Nichte, aber, das ist ein guter Punkt, am Ende könnte eine richtiger Nomaden-Wayne geboren sein.





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