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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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MYSTIC RIVER (Clint Eastwood/USA, AU 2003)



"Admit what you did."

Mystic River ~ USA/AU 2003
Directed By: Clint Eastwood


Das Leben der drei Bostoner Freunde Jimmy (Jason Kelly), Sean (Connor Paolo) und Dave (Cameron Bowen) ändert sich eines Tages schlagartig, als Dave von zwei Mißbrauchstätern in ein Auto gezerrt wird und einem vier Tage anhaltenden Martyrium ausgesetzt ist. Viele Jahre später haben sich die Lebenswege der Drei auseinanderentwickelt: Jimmy (Sean Penn) vekehrte einige Zeit in kriminellen Kreisen, Sean (Kevin Bacon) ist bei der Mordkommission und Dave (Tim Robbins) ist noch immer innerlich zerschmettert. Eines Nachts wird dann Jimmys älteste Tochter Katie (Emmy Rossum) ermordet. Sean bekommt den Fall übertragen, Jimmy schwört, dass er den Täter vor der Polizei ausfindig macht und seiner gerechten Strafe zuführt. Als sich die Indizien mehren, Dave könne für Katies Tod verantwortlich sein, kommt es zur Katastrophe.

Einer von Eastwoods komplexesten Filmen. Hatte er rund zwanzig Jahre zuvor in "Sudden Impact" das Thema Selbstjustiz noch in unverhältnismäßig spekulativer Weise abgehandelt, verwendet der Regisseur es für seine Romanadaption "Mystic River", um die entsetzliche Fehlbarkeit persönlicher Rache- und Hassgefühle zu induzieren. Dabei erweist sich besonders die Zeichnung der Figuren und der sie umtreibenden Lebensumstände als umfassend. Eastwood nutzt die ihm zur Verfügung stehende Erzählzeit großzügig, umkreist seine Charaktere in zunehmend enger werdenden Radien, um schließlich in ihr tiefstes Selbst vorzudringen. Am Ende stehen dann Entwicklungen, mit denen vorher nicht zu rechnen war, Lebenslektionen und Verdammnis, wobei selbst diese für Jimmy Markum noch in perverser Weise diskutabel ausfällt. Und die Verwurzelung all dessen lässt sich zurückdatieren auf jenen einen schicksalhaften Tag, an dem Dave Boyle zu den Femden ins Auto stieg. Existenzielle Fragen um Vorbestimmung und Schicksal, Schuld und Verantwortung lasten wie schwere Wolken über Eastwoods monochromem Boston und dem Mystic River, der Jimmys Sünden schlucken muss. Zumindest kann ein Drittel des Trios am Ende in ein vergleichsweise unbeschwertes Leben zurückkehren.
"Mystic River" ist ein alles andere als bequemer Film, sondern rauer, herber Stoff, der die späte existenzialistische Antenne Eastwoods, die sich mit den folgenden Filmen weiter präzisieren wird, auf nachdrückliche Art zur Geltung bringt sowie ein weiterer Beweis dafür, dass sein Regisseur zu den größten Geschichtenerzählern des amerikanischen Films gezählt werden darf und muss.

9/10

Sean Penn Tim Robbins Clint Eastwood Sexueller Missbrauch Dennis Lehane



Welches unbeschwerte Leben welchen Drittels könntest du meinen? :unsure:
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Sean Devine bekommt Frau und Kind zurück, lächelt bei der Parade, und wird sich der Tatsache bewusst, dass er als einziger der drei nie eine wirkliche Schuld auf sich geladen hat.
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Ich muss den noch mal sehen, ganz unabhängig davon, dass mich das Ende des Films mächtig angekotzt hat... ich erinnere mich vage, dass ich das Ende als unglaublich bedrückend - gerade aus der Sicht Seans - erlebt habe, geradezu als Bedrohung. Er muss vermuten, dass sein ehemaliger bester Kumpel einen anderen ehemaligen besten Kumpel umgelegt hat und steht als Polizist Jimmy gegenüber, der ja irgendwie bei der Parade als neuer stolzer Unterweltsboss inszeniert wird. Aber vielleicht bringe ich da auch nur in der Erinnerung 'was durcheinander...
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bekay sagte am 07. Februar 2010, 12:23:

Ich muss den noch mal sehen, ganz unabhängig davon, dass mich das Ende des Films mächtig angekotzt hat... ich erinnere mich vage, dass ich das Ende als unglaublich bedrückend - gerade aus der Sicht Seans - erlebt habe, geradezu als Bedrohung. Er muss vermuten, dass sein ehemaliger bester Kumpel einen anderen ehemaligen besten Kumpel umgelegt hat und steht als Polizist Jimmy gegenüber, der ja irgendwie bei der Parade als neuer stolzer Unterweltsboss inszeniert wird. Aber vielleicht bringe ich da auch nur in der Erinnerung 'was durcheinander...
Er vermutet es nicht nur, er weiß es. Und Jimmy weiß, dass Sean es weiß, er hat es ihm im Prinzip ja auch zuvor gebeichtet. Sean legt ja dann, als sie sich bei der 4.-Juli-Parade gegenüberstehen, mit seinem Finger wie mit einer Pistole auf ihn an und gibt ihm damit zu verstehen: Nimm dich in Acht, ich weiß Bescheid, ich hab' dich im Blick. Jimmy, der von seiner Frau kurz zuvor die Absolution erhalten hat, gestikuliert derweil zurück: Ich hab' von gar nichts eine Ahnung, du kannst mir nichts, weder moralisch noch als Gesetzeshüter. Und genau darin liegt ja diese höchst komplexe Situation: Es ist permanent die Rede davon, dass Dave nach seiner Flucht aus den Fängen seiner Schänder nie mehr derselbe war. Seine geplante, große Baseballkarriere ist am Arsch, er wankt seither durch sein Viertel wie ein Zombie (oder wie ein Vampir, um bei seinem eigenen Vergleich zu bleiben). Am Ende dreht er dann durch und erschlägt parallel zu Katies Ermordung diesen anderen Missbrauchstäter, den er des nachts entdeckt. Daves ganze Existenz stellt sich als verpfuscht und im Abgrund angesiedelt dar. Am Ende gesteht er fälschlicherweise ja den Mord an Katie, eben damit Jimmy ihn endlich erlöst. Ganz unabhängig davon, dass dieser in affektiver Verblendung handelt, gestaltet sich die Ermordung in gewisser Weise sogar wie ein freundschaftlicher Gnaden-/Erlösungsakt.
Das mit dem "besten Kumpel" stimmt so allerdings nicht, denn nicht nur, dass Sean sich grundsätzlich von seinem Herkunftsviertel und seinen irischen Wurzeln entfremdet hat, zu Dave hat er ohnehin schon lange keinen Kontakt mehr und behandelt ihn dann im Dialog auch eher wie das, was er letztlich ist: einen sozialen und emotionalen Pflegefall.

Aber verrat mir doch noch: Warum hat dich das Ende angekotzt? Wegen seiner moralischen Verweigerungshaltung oder weil es dir so bedrückend erschien?
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Warum all das, was du in Präzision geschildert hast, aber nun ein "unbeschwertes Leben" seitens Sean ermöglichen soll, will mir nicht ganz einleuchten...

@Schluss: das hatten wir hier schon enmal durchgekaut. Und weiteres will ich mir ohne nochmalige Sichtung nicht leisten zu sagen. Nachdem ich letztens Eastwoods ruhigen und auch verweigerungsvollen Doppel zur Invasion Iwo Jimas gesehen habe, will ich mich ihm mal wieder ein bisschen nähern.
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bekay sagte am 07. Februar 2010, 12:49:

Warum all das, was du in Präzision geschildert hast, aber nun ein "unbeschwertes Leben" seitens Sean ermöglichen soll, will mir nicht ganz einleuchten...

Nun, er sieht schließlich ein, dass er als einziger der ehemaligen Freunde mit seiner Situation zufrieden kann. Er hat als einziger keine Schuld auf sich geladen und kann das nach Jahren des schlechten Gewissens bezüglich Daves Entführung und den aktuellen Ereignissen für sich nun auch endlich realisieren. Der ganze Prozess um Katies Mordfall dessen Auflösung nebst Daves Tod hat auf ihn eine kathartische Wirkung, was sich auch in seinem Verhalten gegenüber seiner ihn ja telefonisch nicht vom Haken lassenden Frau Lauren manifestiert: Erstmals ist er stark genug, zu sagen: "Ich kann das nicht mehr, ich will so nicht mehr" und selbst aufzulegen, anstatt wie üblich zu warten, dass sie auflegt. Dieses Schlüssel-"Gespräch" lässt sie ja letztlich wieder miteinander kommunizieren und treibt Lauren wieder zurück in seine Arme. Zudem erscheint Daves Gesicht bei besagter Parade am Schluss - was auch Bacons schauspielerischen Fähigkeiten geschuldet ist - zum ersten Mal im ganzen Film sorglos und unbeschwert, was sich auch in seiner nonchalanten Reaktion gegenüber dem stark schuldbeladenen und sich untangiert präsentierenden Jimmy zeigt.

edit: Danke für den Link, jetzt hab' ich wieder was zum Ereifern :D

Und @Eastwood: Dem Mann kann man sich gar nicht genug nähern, also nur zu!
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:cheers: Jedem das seine. Du hebst den Film fast in den Olymp, mir war nach dem Film einfach nur schlecht, war sogar wütend. Kann bekay nur zustimmen. Die letzten 5 Minuten hatten mir einen guten Film geklaut. Eine lupenreine Tragödie verliert ihre nötige Bitterkeit durch kontraproduktiven Macho-Pathos! Oder wie immer man es nennen will. Laura Linney pumpte mir mit der (devoten) Glorifizierung ihres Mannes den Magen aus. Pietätlos! Als ob Tim Robbins – die zentrale Figur des Unglücks - nie existiert hätte, ja fast schon selber Schuld sei.

Schizophren: Der Täter ist das Opfer! Diese inszenierte Selbstherrlichkeit! Ein völliger Bruch. Lange wurde man geblendet, aber das unsensible Ende offenbarte eine Gesinnung, die mir absolut unsympathisch ist ... genauso wie die Selbstgefälligkeit Eastwoods.
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Der Schluss scheint ein echter Spalter zu sein! Sowas begeistert mich - also die Möglichkeit, dass wenige Minuten Film so polarisieren können...
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Phantomias sagte am 07. Februar 2010, 17:32:

:cheers: Jedem das seine. Du hebst den Film fast in den Olymp, mir war nach dem Film einfach nur schlecht, war sogar wütend. Kann bekay nur zustimmen. Die letzten 5 Minuten hatten mir einen guten Film geklaut. Eine lupenreine Tragödie verliert ihre nötige Bitterkeit durch kontraproduktiven Macho-Pathos! Oder wie immer man es nennen will. Laura Linney pumpte mir mit der (devoten) Glorifizierung ihres Mannes den Magen aus. Pietätlos! Als ob Tim Robbins – die zentrale Figur des Unglücks - nie existiert hätte, ja fast schon selber Schuld sei.

Schizophren: Der Täter ist das Opfer! Diese inszenierte Selbstherrlichkeit! Ein völliger Bruch. Lange wurde man geblendet, aber das unsensible Ende offenbarte eine Gesinnung, die mir absolut unsympathisch ist ... genauso wie die Selbstgefälligkeit Eastwoods.

Glaube nicht, dass man es sich so einfach machen kann mit dem Schluss. Das bezieht sich sowohl auf die Sache mit Jimmys Frau als auch auf die letzten Bilder mit ihm selbst vor seinem Haus. Denke, diese Darstellung ist bewusst kontrovers und polariserend angelegt bzw. keinesfalls dazu gedacht, den Zuschauer mit einem simplifiziert-versöhnlichen Gefühl im Bauch heimzuschicken, ganz im Gegenteil. Ich habe das Ende so aufgefasst, dass Jimmy Markum wegen der für ihn glücklichen Koinzidenzen nur eine weitere, keineswegs schätzenswerte Chance erhält, als der proletenhafte, impulsive Verbrecher und Mörder weiterzuleben, der er eben ist. Dave Boyle ist ja nicht der Erste, den er kaltblütig und mit der Unterstützung der Savage-Brüder umgebracht hat. Sympathisch oder schuldlos macht ihn das keineswegs, im Gegenteil. Seine gerechte Strafe wird er früher oder später erhalten, sei es, weil er irgendwann einen Fehler begeht oder sei es, weil er doch noch an seiner eigenen Schuld zerbricht. Dafür, dass Dave ganz bestimmt nicht als "notwendiges Opfer" abgestempelt wird, bürgt außerdem schon die schmerzliche Verlorenheit, mit der Eastwood die sich mit schuldig gemachte, ihren Mann suchende Celeste (Marcia Gay Harden) per Kamera einfängt.
Leute, ihr habt das alle vollkommen in den falschen Hals gekriegt!
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Gut, ich habe den Film nur einmal gesehen und habe trotz Deiner Worte jetzt auch keinen Bock ihn mir demnächst wieder anzutun. Mit Marcia Gay Harden kam das bei mir anders an. Klar, sie ist mitschuldig, sie bringt den Stein ins Rollen und Deine "schmerzliche Verlorenheit" empfand ich in dem Moment auch, aber es wurde mir der Eindruck vermittelt:

Bist selbst schuld, hast deinem Mann nicht genug vertraut, ja nicht wirklich geliebt, den Zweifel geschürt, hast du jetzt davon, ein Frau muss zu ihrem Mann halten! So hat das zu sein, aus und basta!

So kam das bei mir an. Bei Laura Linney ist das genau spiegelverkehrt. Daher denke ich auch nicht, dass es zufällig ist, zumal beide Szenen - so zumindest meine Erinnerung - kurz vorm Ende stattfinden. Fast wie ein "Gesinnungsduell". Das Ergebnis ist bekannt. Deswegen wurde mir so schlecht.

Und was die Zukunft in einer Geschichte angeht, diese Gedankenspiel betreibe ich auch oft.

:)) Natürlich kann man was in den falschen Hals bekommen, zigtausendmal schon passiert... Dennoch: I am not convinced!
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Immerhin ist mein Gewissen beruhigt; mehr als versuchen kann ich ja nicht :funx:
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