Zum Inhalt wechseln


Jener Sommer, das ruhigste Meer

Noruberutos zusammengewürfelte Bemerkungen zum Film und die damit zusammenhängenden Gegenstände




Foto

ALPHAVILLE



Une étrange aventure de Lemmy Caution / Lemmy Caution gegen Alpha 60 // Jean-Luc Godard // F/ITA 1965
/////////////////\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\////////////////////////////////////\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\//////////////////////////////////\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Agent Lemmy Caution / Ivan Johnson reist als Journalist ("Figaro-Prawda") getarnt von den "äußeren Ländern" nach Alphaville, um einen befreundeten Agenten sowie Professor von Braun / Leonard Nosferatu ausfindig zu machen, durch dessen Arbeit Alphaville von dem Supercomputer Alpha 60 beherrscht wird, welcher das Leben der Menschen total beherrscht. Gefühle und poetische Worte sind tabu, jeder, der "unlogisch" denkt und handelt, wird exekutiert. Caution trifft auf Natascha, die Tochter Professor von Brauns, räumt einige Agenten von Alpha 60 aus dem Weg und schafft es auf Umwegen, von Braun ausfindig und unschädlich zu machen. Zusammen mit Natascha kehrt er in die "äußeren Länder" zurück, die einem Krieg mit Alpha 60 damit entkommen sind.

Godards Film erzählt keine Abenteuergeschichte eines Helden-Protagonisten, mit dem sich der Zuseher identifizieren könnte. Dazu läuft die Handlung zu sehr in vorgezeichneten, wie selbstverständlich ablaufenden Bahnen. Der "Protagonist" Caution (Eddie Constantine, spricht französisch) agiert einfach zu sicher, sein "Antagonist" von Braun (Howard Vernon, spricht wenig) zu farblos, der Professorentocher-Vamp Natascha (Anna Karina) zu kalt, um daraus eine spannende Handlung zu entwickeln. Philosophische Monologe/Dialoge/Verhöre eröffnen dialektische Gegensätze, bleiben aber für die Handlung abstrakt. So ist es ganz die Präsentation der filmischen Räume, die bis auf ganz wenige Ausnahmen in Nacht und Kunstlicht getaucht sind, welche den Film auszeichnet und in der sich der Zuseher orientieren muss.

Da ist zunächst einmal der Gegensatz der "äußeren Länder", aus denen Caution kommt, und "Alphaville", eine nach Zonen und Richtungen gegliederten Metropole, in welcher die Handlung stattfindet. Der Agent nimmt sich ein Zimmer in einem Hotel, dessen Darstellung die räumlichen Aspekte des gesamten weiteren Geschehens eröffnet: Verwinkelte Gänge und Korridore, Aufzüge und Treppen, Altbauten und Neubauten, durch die sich die Akteure wie selbstverständlich bewegen, in welcher der Zuseher jedoch durch die desorientierenden, schon in der Eröffnungssequenz einsetzenden Kameraperspektiven und hell/dunkel wechselnden Beleuchtungen die Richtung verliert.

Neben dem Hotel sind diverse Ministerien, Ämter, Institute und Büros für die Ausgestaltung der filmischen Räume wesentlich, ebenso wie die Verfremdung / Zweckentfremdung von städtischen Orten ( das Hallenbad und das Theater als Exekutionsorte der "unlogischen", nicht in die herrschende Ordnung passenden Bewohner Alphavilles). Unbeleuchtete Räume, die plötzlich in hellem Licht erscheinen, wieder verdunkelt werden. Flackernde Neonbeleuchtungen und Werbeschriftzüge. Suggestive Montagen. Beständig wechselnde Perpektiven, Abzweigungen, wechselnde Eingänge und Ausgänge. Im Zentrum von Alpha 60 lernt Caution die Prinzipien des Systems kennen: "niemals warum, immer nur darum", "alles ist Ursache und Wirkung". Die Tonspur geprägt von minimalistischer Filmmusik, der kehlköpfigen Narration von Alpha 60 und Signaltönen.

Demgegenüber wird das Erwachen des Bewusstseins als Weg aus der Alphaville-Normalität gekennzeichnet durch das helle Tageslicht, welches in die Hotelsuite fällt. Als es Lemmy Caution gelingt, Professor von Braun in seinem Rechenzentrum ausfindig zu machen und zu erschießen, fällt diese "Normalität" in sich zusammen. Der Computer Alpha 60 existiert weiterhin, kontrolliert aber die Menschen nicht mehr, die nun herumtorkeln wie Zombies. Caution und Natascha gelingt die Flucht aus Alphaville, der eine potentiell bessere Zukunft bevorsteht, zurück in die "äußeren Länder". Natascha findet, nach dem die Computer-Logik gebrochen ist, zu ihren eigenen Worten. Happy End!

Nach wie vor beeindruckender Entwurf einer Dystopie mit Anklängen an Fahrenheit 451 oder 1984, in der Gestaltung der filmischen Räume großartig umgesetzt.

Godard Eddie Constantine Howard Vernon begrenzter Raum Dystopie Hotel Sprache Licht



Godard liegt mir an sich nicht so besonders, aber dieser Film gehört zu den Ausnahmen, schon wegen der Alptraumstadt, die er zeigt. Schöne Besprechung.
  • Melden