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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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MISERY (Rob Reiner/USA 1990)



"To Misery."

Misery ~ USA 1990
Directed By: Rob Reiner

Nach Beendigung seines neuen Buchs, dem ersten nach einer langen Serie trivial-kitschiger Erfolgsromane um seine von ihm selbst verhasste, romantische Heldin 'Misery Chastain', bricht der Schriftsteller Paul Sheldon (James Caan) durch das verschneite Colorado zurück in Richtung New York auf - und landet mit seinem Wagen schwerverletzt an einem Abhang. Die Ex-Krankenschwester Annie Wilkes (Kathy Bates), Pauls selbsterklärter, "größter Fan", findet ihn und pflegt ihn; wie Paul bald feststellt, deutlich länger als nötig. Und tatsächlich schlägt Annies augenscheinliche Fürsorge bald in blanken Psychoterror um: Sie zwingt Paul, sein "schmutziges", neues Manuskript zu verbrennen und dreht kurz darauf endgültig durch, als sie erfährt, das im just publizierten, letzten "Misery"-Roman die Titelheldin stirbt. Annie bricht Paul beide Füße und zwingt ihn, eine neuerliche "Misery"-Fortsetzung zu schreiben, wobei der verzweifelte Autor ahnt, dass er nach dessen Fertigstellung für die wahnsinnige Annie keine Funktion mehr erfüllen wird...

Vermutlich aufgrund seiner vergleichsweisen Kompaktheit so ziemich der einzige King-Roman, den ich bis zu Ende geschafft habe und der mir somit gut gefallen hat. Ich mochte die ellenlangen Sermone des Horror-Literaten noch nie sonderlich und seit den mittleren Neunzigern finde ich zudem seine Themenwahl noch höchst uninteressant. Nicht so die Verfilmungen seiner Bücher und Kurzgeschichten; die gefallen mir in der Regel - die meisten TV-Miniserien außen vor gelassen - recht gut. So auch "Misery", dessen Verfilmung man wohl als Glücksfall einer solchen bezeichnen darf. Zwar ist es schade, dass die gorigen Elemente um Axt und Rasenmäher nicht übernommen wurde, aber der arme Rob Reiner war wohl so schon hinreichend gestresst. Der ansonsten eher für Romantik, Spaß und Philanthropie stehende, apfelbäckige Märchenonkel konstatiert ganz recht, wenn er sagt, dass "niemand einen solchen Film von [ihm] erwartet habe", denn mit Annie Wilkes und ihrer begnadeten Jahrhundert-Interpretation durch Kathy Bathes schuf er immerhin die hassenswerteste Leinwandmatrone neben Louise Fletchers 'Nurse Ratched' aus Formans "One Flew Over The Cuckoo's Nest". Wenn am Ende Paul Sheldon endlich frei kommt und sich für all die Demütigungen, Lügen, Gezwungenheiten, Bemutterungen Annies mit Schreibmaschine und Bügeleisen rächt, dann möchte man ihm am liebsten die Hand führen.
Das ist eine Form antitraumatischer Aufarbeitung wie sie keine noch so exzellente Konfrontationstherapie je wettmachen könnte!

9/10

Rob Reiner Literatur Kidnapping Terrorfilm Stephen King Colorado Schnee Winter femme fatale Madness



Allein der Name: Kathy BATES...

Vielleicht die beste King-Verfilmung? Auf jeden Fall das beste Buch des Autors.

...

Und noch ein Gedanke: Im Grunde ist das Haus der Protagonistin doch eine Art HOTEL für den Schriftsteller, oder etwa nicht...
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Noruberuto sagte am 31. Oktober 2013, 20:34:

Und noch ein Gedanke: Im Grunde ist das Haus der Protagonistin doch eine Art HOTEL für den Schriftsteller, oder etwa nicht...

Streitbar. Mit einem Hotel assoziiere ich im günstigen Falle Annehmlichkeit, Komfort und vor allem: die Freiheit, auszuchecken wann ich will :D
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Ich kenne ja nur den Film, aber ich finde es faszinierend, welch höchstpersönliche Ängste eines beim breiten Publikum erfolgreichen Autors, so wie es Stephen King ist, hier abgehandelt werden.

Die Krankenschwester ist fantastisch Ich bilde mir ein, dass Kathy Bates dafür auch einen Oscar gewann. Den Film selbst würde ich als einen äußerst soliden und geglückten Hollywoodfilm, inszeniert von einem Hollywood-Routinier, bezeichnen.

Für mich ist The Shining schon der weit bessere, weit ambitioniertere Film, auch wenn King darüber unglücklich war,
während im Misery sehr gefällt.
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Antoine Doinel sagte am 01. November 2013, 12:51:

Ich bilde mir ein, dass Kathy Bates dafür auch einen Oscar gewann.
Da bildest du korrekt ;)

Antoine Doinel sagte am 01. November 2013, 12:51:

Den Film selbst würde ich als einen äußerst soliden und geglückten Hollywoodfilm, inszeniert von einem Hollywood-Routinier, bezeichnen.
Stimmt wohl so. Auch wenn ich die (wie immer, nicht nur bei dir) mitschwingende, stets leicht ruchvoll konnotierte Angabe "Hollywoodirgendwas" zunehmend fürchterlich finde...

Antoine Doinel sagte am 01. November 2013, 12:51:

Für mich ist The Shining schon der weit bessere, weit ambitioniertere Film, auch wenn King darüber unglücklich war,während im Misery sehr gefällt.
Ich halte einen Vergleich zwischen gerade diesen beiden Filmen ohnehin für höchst unglücklich, da sie so ziemlich die diametralen Spektren von Möglichkeiten symbolisieren, sich king'scher Literatur filmisch zu nähern. Was Kings Ansicht zu den Adaptionen seiner Werke anbelangt, so ist ja gemeinhin bekannt, dass er die straighten, unkomplizierten und sehfreundlichen Filme bevorzugt.
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Funxton sagte am 01. November 2013, 13:07:

Auch wenn ich die (wie immer, nicht nur bei dir) mitschwingende, stets leicht ruchvoll konnotierte Angabe "Hollywoodirgendwas" zunehmend fürchterlich finde...

Das ist durchaus nachvollziehbar. Einerseits klingt das nach
cineastischer Überheblichkeit, andererseits
ist es quasi ein zu häufig benutztes Totschlagargument, so wie
in einem ganz anderen Zusammenhang das Argument etwas sei neoliberal.
Trotzdem bin ich überzeugt, dass es einen gewichtigen Unterschied gibt zwischen einem ambitionierten Film abseits der
üblichen Sehgewohnheiten,.und einem innerhalb dieser gibt Diesen
Unterschied zu negieren halte ich für Heuchelei, was nichts daran ändert, dass ein sehr gelungenen Mainstream (oder Hollywood)film wie Misery von großem Geschick zeugt.

King wird straighte unkomplizierte und sehfreundliche Filme bevorzugen, weil er selbst straighte unkomplizierte und leserfreundliche Literatur fabriziert. Und das ist nicht abwertend
gemeint, ist er wohl ein ganz großer Volksschriftsteller. Aber das ist auch wieder so ein Wort.
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Gerade mit diesem "gewichtigen Unterschied" wäre ich vorsichtig. Das ist wieder die alte Trennung zwischen U und E, mit der ich mich im Film so wenig wie in anderen Kunstformen anfreunden kann. Sicher: zwischen einem Film wie Tarkowskis "Opfer" (Ernst, schwerer, bleierner Enst!) und "Fluch der Karibik" (Unterhaltung) liegen tatsächlich Welten.
Ich aber aber zwei Einwände: zum einen natürlich, daß eine solche scharfe Trennung zwischen den "ambitionierten Filmen" und Mainstream sich sehr oft gerade nicht vornehmen läßt. Man denke nur an Regisseure wie Hitchcock oder Wilder, die sehr wohl künstlerische Ambitionen hatten, die aber ihre Filme eben auch für das Publikum gemacht haben, und je größer das Publikum war, desto lieber war ihnen das. Und ich persönlich habe gerade für solche Filme, die das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums (zu dem ich schließlich auch gehöre) befriedigen, aber zugleich interessante Ideen, visuelle Konzepte oder was auch immer anzubieten haben, besonders. Wo endet also der "Mainstream", und wo beginnt die "Kunst"? Auch ein Auftragswerk, bei dem der Auftragsgeber erst mal nur leichte Unterhaltung im Sinn hat, kann trotzdem Kunst, sehr große Kunst sogar - wie sehr deutlich wird, wenn man mal in die Musikgeschichte hineinschaut (ich denke besonders an Joseph Haydns Kompositionen für den musikliebenden und geradezu unersättlichen Fürsten Esterhazy).
Mein zweiter Einwand zielt dann auf die fast immer unterschwellig mitschwingende Wertung ab, die mit einer solchen scharfen Trennung einhergeht: E das Erhabene, Bedeutende, U der seichte Kram für das große Publikum. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß große Ambitionen allein ein Werk noch nicht großartig machen. Wohl jeder Filminteressierte dürfte schon mal bei hoch ambitionierten, aber kaum genießbaren Werken gelitten haben (persönliche Beispiele: "Wolfzeit" von Michael Haneke, ein unerträglich sauertöpfischer und langweiliger Film, und "Der Himmel über Berlin", dessen Poesie ich für lediglich behauptet halte und den ich ebenfalls kaum ertragen kann).
Umgekehrt sollte man auch jene Regisseure, die vielleicht nicht ihre "unverwechselbare, persönliche Handschrift", die viele Kritiker so lieben haben, sondern hauptsächlich oder immer fremde Drehbücher umsetzen, nicht zu gering schätzen, denn auch solchen Regisseuren sind schon zahlreiche Meisterwerke gelungen, wenn die Umstände günstig waren.
Dies so als ein kleiner Einwurf meinerseits...
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Ohne die große, alte Hure Hollywood wäre obige Diskussion wahrscheinlich gar nicht möglich, geschweige denn, dass dieses Forum in seiner jetzigen Form existierte...
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Liebe Leute, ich fühle mich von euch missverstanden. Settembrini ich kann dir eh weitgehend zustimmen, aber... Du hast gerade eine Rezension über Coppolas Dracula (Funxton, der ist Hollywood) veröffentlicht. Der Film ist in seiner Oppulenz und Opernhaftigkeit eindeutig von Coppolas Ambitionen und seiner Handschrift geprägt oder?. Die Dracula-Filme der britischen Hammerstudios(also nix Hollywood) unter der Regie von Terence Fisher hingegen sind straighte Horror-Genre-Filme ohne persönliche Ambitionen. Das sagt noch nichts über die Qualität aus, aber erscheint mir trotzdem feststellenswert. Und einen ähnlichen Unterschied sehe ich zwischen Misery und Shining, der übrigens von Warner finanziert wurde, und wohl weit teurer war, als die Hollywoodmainstreamproduktion . Kubrick hat sich seine künstlerische Freiheit durch kommerziellen Erfolg erkauft, womit er sich nicht von Hitchcock unterscheidet. Wie woanders berichtet, habe ich bei der Viennale einen wirklich furchtbaren, aber sicherlich hochambitionierten Autorenfilm gesehen, in dem die Huppert die Hauptrollle spielt. Mein liebster Albtraum ebenfalls mit Huppert hingegen, ist ein durchaus akzeptabler solider französischer Mainstreamfilm. Und selbstverständlich sind diese Unterschiede fließend, Film ist ja keine Naturwissenschaft.Aber es gibt sie, und ich halte es für Heuchelei sie zu negieren.

Es wird auch niemand negieren, dass die SM-Bücheln Fifty Shades of Grey, eine andere literarische Ambition haben, als etwa Jelineks Klavierspielerin. Und zwischen diesen beiden Extremen gibt es viel mehr als 50 Shades.
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Antoine Doinel sagte am 02. November 2013, 21:14:

(Funxton, der ist Hollywood)
Näh, hör' auf! :eek: :D


Antoine Doinel sagte am 02. November 2013, 21:14:

Die Dracula-Filme der britischen Hammerstudios(also nix Hollywood) unter der Regie von Terence Fisher hingegen sind straighte Horror-Genre-Filme ohne persönliche Ambitionen.
Sagt wer...?

Gerade der ungebremste Facettenreichtum von Film macht unser aller liebstes Medium doch so wunderbar.
Mir geht es lediglich darum, dass mit der häufig als definitiv und arrogant veräußerten Vergabe von persönlichen "Wertprädikaten" etwas sorgsamer hausgehalten wird.
Als ob ein außerhalb der USA entstandener Film grundsätzlich substanziell schwerer wiegt als eine x-beliebige Kommerzproduktion aus Hollywood, nur weil ihn vielleicht irgendein a priori vom Feuilleton hochgejubelter auteur mit hart zusammenklambüserten Sponsoren- und Fördergeldern hergestellt hat...
Ich verweigere mich solch antiprofunder Kategorisierungen mittlerweile selbst kategorisch.
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