"Shit, Mr. Brogan! I do believe you're fucked royally! Shiiit!"
25th Hour (25 Stunden) ~ USA 2002
Directed By: Spike Lee
Wie verbringt man seine letzten Stunden in Freiheit vor einer in unmittelbarem Anschluss zu verbüßenden, siebenjährigen Haftstrafe? Der New Yorker Monty Grogan (Edward Norton) entscheidet sich für Grundsätzliches: Ein letzter Spaziergang mit dem geliebten Hund am Hudson, ein letztes gutes Steak mit dem Vater (Brian Cox), eine letzte nächtliche Sause mit den zwei besten Freunden (Barry Pepper, Philip Seymour Hoffman). Dazu die quälende Frage danach, wer Monty nun eigentlich auflaufen lassen und dafür gesorgt hat, dass die Cops in seiner Wohnung kiloweise Heroin und Bargeld finden konnten? Womöglich Montys Freundin Naturelle (Rosario Dawson)? Am Ende ist selbst die Beantwortung dieses Problems jedoch nurmehr peripher: Monty geht ins Gefängnis, und das zu Recht. Danach, das weiß er, wird er als gebrochener Mann zurückkeheren. Auch Hypothesen und Träume über eine mögliche Flucht gen Westen retten ihn nicht vor dem Unausweichlichen.
Mit "25th Hour" und eigentlich bereits mit dem zuvor inszenierten "Summer Of Sam" erreichte Spike Lee eine Art künstlerische 'new adulthood'. Urplötzlich wurden jetzt Geschichten von Menschen erzählt, weitestgehend unabhängig von Hautfarbe oder Ethnie, in denen allein die Figuren und ihre Geschicke im Zentrum stehen und kein pädagogische oder sozialkritische Kampfschrift. "25th Hour" ist bestenfalls über die Form sowie bekannte inszenatorische trademarks und/oder Manierismen als originäres Spike-Lee-Werk identifizierbar, ansonsten handelt es sich primär um das Werk eines klugen und eben erwachsenen Filmemachers. Terence Blanchard hat vielleicht seinen schönsten Score für einen Lee-Film komponiert, Klänge des Abschieds, versetzt mit bleierner Traurigkeit. Ein Einzug ins Gefängnis, das weiß Monty Brogan, ist für ihn vergleichbar mit einem Trip in die neunte Hölle. Als bürgerlich erzogener, gut aussehender Frühdreißiger, das ist ihm durchweg bewusst, werden ihn hier unweigerlich psychischer und physischer Terror, Misshandlung und Vergewaltigung in Empfang nehmen. Letzten Endes bleiben nurmehr der nachhaltige Bruch der Seele oder Selbstmord als Alternativen. "25th Hour" stellt somit gewissermaßen auch die Chronik eines angekündigten Todes dar. Dabei vegetieren auch Montys aus demselben Milieu stammende Freunde jenseits der Dreißig im Prinzip vor sich hin: Frank (Pepper) hat als Broker einen völlig amoralischen Job und ist längst von Zynismus und Sexismus vereinnahmt; Jacob (Hoffman) ist ein dicklicher, einsamer Literaturlehrer, einer kessen, etwa halb so alten Schülerin (Anna Paquin) verfallen. Wo Monty sie zumindest als guter Freund und Ratgeber stützen konnte, entfällt mit seiner baldigen Absenz auch bei ihnen eine existenzielle Konstante.
Schließlich markiert "25th Hour" innerhalb von Lees Œuvre auch jenes Nine-Eleven-Epos, das sich viele New Yorker Filmemacher zu Beginn des Jahrtausends schuldig waren. Der Ground Zero liegt gut einsehbar vor Franks Hochhausapartment wie ein gigantisches Mahnmal aus Schutt, in dem selbst nach Sonnenuntergang die Arbeiter noch damit beschäftigt sind, für Ordnung zu sorgen. Sicherlich ist dieses Bild auch dazu anetan, Trost zu spenden, weiß man doch, dass dem Naturgesetz des Zyklus zufolge hinter jedem Ende gleichfalls ein Anfang wartet. Dennoch ist jenes Ende zunächst mal schwer zu verdauen. Wie Lees tadelloser Film.
10/10
Spike Lee David Benioff New York Nacht Hund Drogen Nine-Eleven
25th Hour (25 Stunden) ~ USA 2002
Directed By: Spike Lee
Wie verbringt man seine letzten Stunden in Freiheit vor einer in unmittelbarem Anschluss zu verbüßenden, siebenjährigen Haftstrafe? Der New Yorker Monty Grogan (Edward Norton) entscheidet sich für Grundsätzliches: Ein letzter Spaziergang mit dem geliebten Hund am Hudson, ein letztes gutes Steak mit dem Vater (Brian Cox), eine letzte nächtliche Sause mit den zwei besten Freunden (Barry Pepper, Philip Seymour Hoffman). Dazu die quälende Frage danach, wer Monty nun eigentlich auflaufen lassen und dafür gesorgt hat, dass die Cops in seiner Wohnung kiloweise Heroin und Bargeld finden konnten? Womöglich Montys Freundin Naturelle (Rosario Dawson)? Am Ende ist selbst die Beantwortung dieses Problems jedoch nurmehr peripher: Monty geht ins Gefängnis, und das zu Recht. Danach, das weiß er, wird er als gebrochener Mann zurückkeheren. Auch Hypothesen und Träume über eine mögliche Flucht gen Westen retten ihn nicht vor dem Unausweichlichen.
Mit "25th Hour" und eigentlich bereits mit dem zuvor inszenierten "Summer Of Sam" erreichte Spike Lee eine Art künstlerische 'new adulthood'. Urplötzlich wurden jetzt Geschichten von Menschen erzählt, weitestgehend unabhängig von Hautfarbe oder Ethnie, in denen allein die Figuren und ihre Geschicke im Zentrum stehen und kein pädagogische oder sozialkritische Kampfschrift. "25th Hour" ist bestenfalls über die Form sowie bekannte inszenatorische trademarks und/oder Manierismen als originäres Spike-Lee-Werk identifizierbar, ansonsten handelt es sich primär um das Werk eines klugen und eben erwachsenen Filmemachers. Terence Blanchard hat vielleicht seinen schönsten Score für einen Lee-Film komponiert, Klänge des Abschieds, versetzt mit bleierner Traurigkeit. Ein Einzug ins Gefängnis, das weiß Monty Brogan, ist für ihn vergleichbar mit einem Trip in die neunte Hölle. Als bürgerlich erzogener, gut aussehender Frühdreißiger, das ist ihm durchweg bewusst, werden ihn hier unweigerlich psychischer und physischer Terror, Misshandlung und Vergewaltigung in Empfang nehmen. Letzten Endes bleiben nurmehr der nachhaltige Bruch der Seele oder Selbstmord als Alternativen. "25th Hour" stellt somit gewissermaßen auch die Chronik eines angekündigten Todes dar. Dabei vegetieren auch Montys aus demselben Milieu stammende Freunde jenseits der Dreißig im Prinzip vor sich hin: Frank (Pepper) hat als Broker einen völlig amoralischen Job und ist längst von Zynismus und Sexismus vereinnahmt; Jacob (Hoffman) ist ein dicklicher, einsamer Literaturlehrer, einer kessen, etwa halb so alten Schülerin (Anna Paquin) verfallen. Wo Monty sie zumindest als guter Freund und Ratgeber stützen konnte, entfällt mit seiner baldigen Absenz auch bei ihnen eine existenzielle Konstante.
Schließlich markiert "25th Hour" innerhalb von Lees Œuvre auch jenes Nine-Eleven-Epos, das sich viele New Yorker Filmemacher zu Beginn des Jahrtausends schuldig waren. Der Ground Zero liegt gut einsehbar vor Franks Hochhausapartment wie ein gigantisches Mahnmal aus Schutt, in dem selbst nach Sonnenuntergang die Arbeiter noch damit beschäftigt sind, für Ordnung zu sorgen. Sicherlich ist dieses Bild auch dazu anetan, Trost zu spenden, weiß man doch, dass dem Naturgesetz des Zyklus zufolge hinter jedem Ende gleichfalls ein Anfang wartet. Dennoch ist jenes Ende zunächst mal schwer zu verdauen. Wie Lees tadelloser Film.
10/10
Spike Lee David Benioff New York Nacht Hund Drogen Nine-Eleven