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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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THE SILENCE OF THE LAMBS (Jonathan Demme/USA 1991)



"They don't have a name for what he is."

The Silence Of The Lambs (Das Schweigen der Lämmer) ~ USA 1991
Directed By: Jonathan Demme

Um einem kalauernd 'Bufallo Bill' getauften Serienmörder auf die Spur zu kommen, macht sich FBI-Stabschef Jack Crawford (Scott Glenn) daran, eine junge Auszubildende namens Clarice Starling (Jodie Foster) mit dem seit acht Jahren in Sicherheitsverwahrung befindlichen Dr. Lecter zusammenzubringen. Clarice soll - ohne davon zu ahnen - die Sympathie und das Vertrauen Lecters gewinnen, um so wertvolle Fahndungshinweise seinerseits bezüglich der möglichen Identität 'Buffalo Bills' zu erhalten. Tatsächlich gelingt Crawfords Plan. Lecter kennt sogar den Killer aus seiner früheren Praxis - lässt jedoch kjeineswegs mit sich schachern, ohne dass Clarice ein Stück ihrer eigenen seelischen Abgründe dafür preisgeben müsste.

Ein vorrangiges Beispiel für perfektioniertes, absolut messerscharfes Filmemachen und auch für die formale Emanzipation des Films der Neunziger von dem seines Vorgängerjahrzehnts. Kaum ein Horrorfilm - und ein solcher ist "The Silence Of The Lambs", noch mehr als dass er dem Thriller zugehörig wäre, vermochte es jemals, selbst das nickelbebrillte Establishment zu einem Kinobesuch zu verleiten und allein dafür gebühren ihm noch immer höchste Weihen. Demme vergisst seine Wurzeln nicht, bringt zum Beweis Roger Corman und George A. Romero in Cameos und hält zusätzlich noch nette kleine Rollen für Charles Napier und Diane Baker bereit. Dazu verschafft er dem Genre eine ungewohnte Respektabilität, indem er es schlichtweg ernst nimmt wie schon lange vor ihm niemand mehr und ihm eine gehörige Portion Abgründigkeit und Weltschmerz hinzusetzt. Die Figuren - die traumatisierte, stets um Selbstbehauptung bemühte Clarice Starling in einer von Männern dominierten (Berufs-)Welt, der ebenso geniale wie wahnsinnige Hannibal Lecter und auch der getriebene Jame Gumb (Ted Levine) - werden in rund 110 Erzählminuten so konturiert ausgebaut wie es sonst nur in umfangreicher Prosa möglich scheint; hinzu kommen eine kraftvolle, immanente Grausamkeit auf der einen Seite und eine gleichsam relativierende, humanistische Sensibilität auf der anderen. Obschon ich Demmes konzentrierten Film seit dem ersten Mal im Kino bestimmt schon gute zwanzig Male gesehen habe, werde ich der Wiederholungen nicht müde. Einfach, weil er so rund, so schön, so toll ist.

10/10

Jonathan Demme Hannibal Lecter Thomas Harris FBI Profiling Serienmord Madness Herbst



ziemlich viele closeups in dem film. vielleicht schlief ich deswegen ein, als ich ihn das letzte mal sah.
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"The Silence of the Lambs" gehört zu den wenigen Filmen, deren Zweitsichtung mir bewies, dass ich im Kino Dinge wahrgenommen hatte, die es gar nicht wahrzunehmen gab. Ein grösseres Kompliment kann man einem Horror-Thriller nicht machen, und ich stimme Ihnen völlig zu, Herr Funxton :) Möchten Sie meine Nachspeise sein?
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Prinzipiell natürlich gern, aber ich wäre (d)einer fett- und salzarmen Diät garantiert äußerst abträglich.
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Schöner kleiner Text zu einem meiner absoluten Lieblingsfilme. Ich habe ihn bisher zwar "nur" sechsmal gesehen, war aber jedesmal vollkommen gefesselt. Und vor allem entdecke ich immer wieder neue Blickwinkel, neue Betrachtungsweisen, die der Film ermöglicht - wobei er aber immer gleichermaßen großartig bleibt.
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:cheers: und vielen Dank für deine netten Worte :)
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Warum ist das eigentlich ein Horrorfilm?
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emme sagte am 23. Juni 2012, 13:28:

Warum ist das eigentlich ein Horrorfilm?
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Zodiac sagte am 23. Juni 2012, 14:23:

Ich würde es mal so formulieren: Weil Lecter sich so dämonisch gibt, dass er wie eine übermenschliche, manipulierende Gestalt wirkt, die sich als von Legenden begleitetes Monster in einen Thriller verirrt hat, sein Monstersein auch genussvoll zelebriert. - Man könnte in diesem Zusammenhang an Breivik denken, der sein Monstersein dadurch zum Ausdruck zu bringen versucht, dass er wie ein netter Junge aus der Nachbarschaft freundlich zu seinen Taten steht und auf Freispruch setzt. Sein "Pech": Er wirkt zu öde, vermag sein Grauen nicht in seine ganze Ausstrahlung zu verpacken, während Lecter seine Intelligenz und seine Freundlichkeit auf eine Weise verbindet, die ihn unberechenbar macht und in anderen Leuten nicht nur Abscheu aulöst sondern sie das Fürchten lehrt wie man es von einem Gruselmonster her kennt. Am nächsten dürfte ihm Robert Mitchum im Thriller "Cape Fear" (1962) kommen.
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emme sagte am 23. Juni 2012, 13:28:

Warum ist das eigentlich ein Horrorfilm?

Nun, es sind natürlich primär die formalen Mittel, mit denen Demme arbeitet - traditionelle Genrebausteine.
Der Herbst als die morbideste aller Jahreszeiten etwa steht klassischerweise für das Abschließen von Lebensabschnitten, was zugleich immer mit den Problemkomplexen des Loslassens und des Schmerzes verbunden ist. Die entsprechenden Handlungsparallelen im Film sind ja Legion; ob symbolisiert durch die Figur der Clarice Starling, die den wichtigsten Bewusstseinswerdungsprozess durchlebt oder durch Lecter, für den die Bekanntschaft mit ihr wiederum eine Zäsur bedeutet und paradoxerweise neuen Lebenswillen in ihm entflammt.
Die Zeichnung Jame Gumbs als an Ed Gein angelehnter, nach innerer und äußerer Veränderung strebender Charakter, der seine Psychose mit Transsexualität verwechselt und ganz besonders die in seinem räumlich kaum zu fassenden, labyrinthisch aufgebautem Haus spielenden Szenen als wiederum symbolisches Bild für Gumbs inneres Chaos lehnen sich an klassische Backwood-Elemente an und wirken in ihrer tiefen Negation zivilisatorischer Ratio immer wieder höchst desorientierend, ganz egal, wie oft man den Film schon gesehen hat.
Nicht minder heftig Lecters Aktionismus, der ihn dazu verleitet, jede seiner Bluttaten öffentlichkeitswirksam zu inszenieren; etwa, wenn er den ausgeweideten Lt. Boyle zur plastischen, hintergrundbeleuchteten Renaissance-Installation stilisiert oder eben seine Flucht mithilfe geliehener Gesichtshaut.
Um bezüglich der Genrefrage schließlich ganz sicher zu gehen, lausche man folgendem Stück, rekapituliere dazu die Bildwelten des Films vor seinem inneren Auge und es sollten eigentlich keine weiteren Fragen offen bleiben ;)

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@Zodiac: Deine Ausführungen decken sich ungefähr mit meinem Verständnis des Films, also dass Lecter als recht fähige Horrorfigur samt mindestens zweier Gruselkabinette in die formalen Vorraussetzungen eines mehr oder weniger reinen Thrillers hineinstolpert.

@Funxton: Sehr erhellende Ausführungen. Besten Dank dafür! Jedoch: Ich habe das Gefühl, dass der Film zwar hier und da auf Formalia sowie Motive von Werken und Subgenres aus dem Dunstkreis des im weitesten Sinne als Horrorfilm verstandenen Films verweist, sich im Wesentlichen aber doch streng an eine bewährte Thrillerrezeptur und -struktur hält.

Aber: Ich als König der einschränkenden Halbsätze muss natülich darauf verweisen, dass die Diskussion, wenngleich von mir angestoßen, eigentlich völlig müßig ist, da ich Genrefragen prinzipiell eher uninteressant finde, d.h. dass der wie auch immer zu bestimmende Genrestempel sich keinesfalls auf den Genuss eines Films oder sonst eines rezipierfähigen Kunstwerks auswirkt.

Lediglich in diesem speziellen Fall musste ich doch nachfragen, weil der Film ja schon ziemlich häufig in die Horroschublade gepackt wird. Sätze wie "fast der einzige Horrorfilm, der mal den Hauptoscar gewonnen hat" begegnen in vielen Texten zu den Lämmern. Mein persönliches Problem damit, hierbei wahrscheinlich Jahrzehnte der Horrorforschung über Bord werfend: Wenn ich DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER ohne analytischen Zugang gucke, grusele ich mich nicht, ich erschrecke mich nicht und kann nicht einmal Szenen ausfindig machen, bei denen das theoretisch hätte passieren können. Das ist natürlich nicht tragisch, da es x andere Gründe gibt, den Film zu mögen, doch als Horrorfilm funktioniert er bei mir zumindest überhaupt nicht.
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emme sagte am 23. Juni 2012, 19:44:

Mein persönliches Problem damit, hierbei wahrscheinlich Jahrzehnte der Horrorforschung über Bord werfend: Wenn ich DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER ohne analytischen Zugang gucke, grusele ich mich nicht, ich erschrecke mich nicht und kann nicht einmal Szenen ausfindig machen, bei denen das theoretisch hätte passieren können. Das ist natürlich nicht tragisch, da es x andere Gründe gibt, den Film zu mögen, doch als Horrorfilm funktioniert er bei mir zumindest überhaupt nicht.

Du räumst es ja schon als für dich persönlich eingeschränkt und von einer nur schwer abrückbaren Erwartungshaltung geprägt ein: Ich denke nicht, dass sich das Affizierungsspektrum des Horrorgenres auf Grusel und Erschrecken beschränken lässt. Horror bedeutet immer auch Intertextualität, Zeigelust und Experimentierfreude, Exploitation und Camp, Transgression und atmosphärisch/psychologisch angelegtes Grauen. Natürlich wird man all das nie kombiniert finden (das wäre ja auch schlecht möglich), aber jeder Horrorfilm erfüllt doch zumindest einen oder zwei der gelisteten Aspekte. Das ist ja das Schöne und zugleich so Zukunftsweisende am Genre: Keine andere Filmgattung mit Ausnahme der Science Fiction vielleicht verzeichnet solch treue Anhängerschaft und kultische Detailkenntnis ihrer Jünger; sie beeinflusst in durchweg positiver Weise, regt zu Kreativität und Phantasie an und lässt interessante Resultate bereits mit einfachen technischen Mitteln bewerkstelligen. Darum blüht der filmemacherische Nachwuchs auf diesem Sektor ja auch nach wie vor und bringt pro Generation zumindest eine kleine Schar wirklicher Könner hervor. Von allen heute noch relevanten Genres ist Horror wahrscheinlich das vital(isierend)ste und filmischste. Vielleicht sogar das universellste.
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"Selbst das nickelbebrillte Establishment zu einem Kinobesuch verleitete"

An diesem Satz bin ich hängengeblieben. Schließe ich doch daraus, dass du zu jenen Filmfreunden gehörst, die durch Schlitzer-Trash-Pulp-u.ä.-Filme (Dario Argento!!!) cineastisch geprägt worden sind, und diese über die Arthousefilme für das
"bildungsbürgerliche Establishment" (mit und ohne Nickelbrille) stellt. Ich, Brillenträger, muss gestehen, dass das für mich eine fremde Welt und eine fremde Einstellung ist.

Aber zu "Schweigen der Lämmer".
Das ist ohne Zweifel ein großer Film, den auch ich sehr schätze.
Zodiacs Anmerkung, dass er mehr gesehn hat als zu sehen war,
kann ich mich nur anschließen
Ein Kassenschlager(der also die große Masse, und nicht nur die
überheblichen Arthousefuzzies angesprochen hat) der mit Oscars
überhäuft wurde, und dies auch verdient hat, was selten der Fall ist. Mir fält da als Vergleich "No Country for old men" von den Coens ein. Mit diesem teilt er, dass er handwerklich makelloses grandioses Spannungs-Genrekino ist, das gleichzetig schafft mehr als Genre-Kino zu sein.
Dieses "mehr" beim Schweigen der Lämmer ist ein faszinierender
und gleichzeitig erschreckender Blick auf die dunkle Seite der menschlichen Sexualität(dieser Aspekt hat mich wohl als Jugendlicher fasziniert...) und die Verwandlung eines unsicheren
Mädchens in eine selbstbewusste junge Frau unter den erschwerten Bedingungen einer von Männern dominierten Welt.

Hannibal Lecter ist (meines Erachtens) ein Sexsymbol. Interessant
finde ich auch, dass man ihn, der auch im Film mordet, ein Happy-End gönnt, was den ehernn Regeln Hollywoods widerspricht.
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Antoine Doinel sagte am 30. Juni 2012, 16:41:

"Selbst das nickelbebrillte Establishment zu einem Kinobesuch verleitete"An diesem Satz bin ich hängengeblieben. Schließe ich doch daraus, dass du zu jenen Filmfreunden gehörst, die durch Schlitzer-Trash-Pulp-u.ä.-Filme (Dario Argento!!!) cineastisch geprägt worden sind, und diese über die Arthousefilme für das"bildungsbürgerliche Establishment" (mit und ohne Nickelbrille) stellt. Ich, Brillenträger, muss gestehen, dass das für mich eine fremde Welt und eine fremde Einstellung ist.
Ich trage selbst eine hübsch umhornte Nerdbrille und gestatte mir deshalb auch augenzwinkernde Bemerkungen wie die obige. Mir ist dafür jedoch der Begriff "Arthouse"-Kino fremd; ich weiß bis heute nicht, was das eigentlich genau darstellen soll.
Meine cineastische Formung habe ich dem VHS-Zeitalter der frühen bis späten achtziger Jahre zu verdanken sowie inflationären Kinobesuchen während dieser Zeit. Wer Dario Argento war, dürfte ich frühestens zu Beginn der Neunziger konkret einzuordnen gewusst haben. Da von den, wie du sie so hübsch nennst, "Schlitzer-Trash-Pulp-u.ä.-Filme (Dario Argento!!!)" bis dato nur wenige in intakter Form verfügbar waren, kann ich derlei Filme auch nicht zu meinen prägenden Einflüssen zählen.
Ich glaube, im Kategorisieren sind wir beide nicht schlecht ;)
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