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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





Foto

SUNSHINE (Danny Boyle/UK, USA 2007)



"I volunteer."

Sunshine ~ UK/USA 2007
Directed By: Danny Boyle


In nicht allzu ferner Zukunft droht die Sonne zu verglühen und damit alles irdische Leben auszulöschen. Um dem vorzubeugen, schickt man das Schiff Icarus II als letzte Hoffnung der Menschheit gen Galaxiezentrum. Eine gigantische, an Bord befindliche Bombe soll den Sonnenkern neu entzünden und den Himmelskörper somit wieder zum Strahlen bringen. Die bereits sieben Jahre zuvor entsandte Icarus I, deren Besatzung denselben Auftrag hatte, ist auf ihrer Mission verschwunden. Als die Icarus II sich auf der Höhe des Merkur befindet, empfängt sie eine Notrufschleife von dem Vorgängerschiff. Zwar soll die Mission keinesfalls gefährdet werden, doch die Möglichkeit, eine weitere Bombe zünden und damit einen eventuellen Fehlversuch wieder wettmachen zu können, scheint zu verlockend. Also entschließt man sich, an Bord der Icarus I zu gehen - ein in mehrerlei verhängnisvoller Fehler.

Da ich Boyle und seine Filme gern mag und ihm die unfreundliche Bezeichnung 'Plagiator' nicht unbedingt zukommen lassen möchte, nenne ich ihn von nun ab einfach "idea refresher". Warum? Nun ja - die filmische Identität von "Sunshine" gründet sich ausschließlich auf Boyles visuellem Gespür und seinem Geschick, im Umgang mit relativ beengten monetären Mitteln, respektive dafür, die richtigen Leute engagieren zu nkönnen, um seine Visionen umsetzen zu können. In diesem Falle gesellte sich wiederum Alex Garland als Drehbuchautor dazu (wiederum unter keinem geringeren Topos als dem des Weluntergangs), dem man wohl eigentlich die unwirsche Wilderei im großen Garten der Genrehistorien vorwerfen müsste, so man denn diesem Film böswillig begnenen wollte. Aber das will ich gar nicht, mir hat "Sunshine" nämlich allem "refreshing" zum Trotze gut gefallen. Es gelingt ihm nämlich, ähnlich wie es bereits im Falle "28 Days Later", seinem genreinternen Revisionismus ein starkes humanes Element angedeihen zu lassen. Weniger als um bestimmte Handlungswendungen verhandelt die Geschichte ethische Diskurse, etwa um das Zurückstellen des eigenen Wohls im massiven Gegengewicht zu dem einer ganzen Spezies, sowie metaphysische Besessenheitsformen - sich der Sonne zu nähern, Zentrum und Spender allen Lebens, vermag durchaus auch irrsinnig zu machen. Diese wahrhaft übersinnliche Erfahrung trifft gleich zwei Figuren des "Sunshine"-Personals, wobei die Psychose der einen, nämlich des überlebten, leicht verbrutzelten Captains (Mark Strong) der Icarus I sich besonders tödlich auf die verbleibenden auswirkt. Es gibt also doch noch Neues und Spannendes aus dem Genrelager zu vermelden. Glücklicherweise und auch wenn ich angesichts der zuvor so schönen, klaren Bildgestaltung nicht ganz verstanden habe, was die verwischte Kamera im aktionsbetonten Finale soll. Prätention? Inszenatorische Exzentrik? Möglicherweise auch inszenatorischer Sauerstoffmangel... Egal.

7/10

Danny Boyle Sonne Apokalypse Mission Raumschiff Zukunft Alex Garland



Zitat

nicht ganz verstanden habe, was die verwischte Kamera im aktionsbetonten Finale soll.
Ich habe gerade in der Hinsicht starke Parallelen zwischen 28 DAYS LAER und SUNSHINE ausmachen können, die beide mit der Undeutlichkeit in ästhetischer und inhaltlicher Perspektive spielen. ("Inszenatorischer Sauerstoffmangel" ist das jedenfalls nicht, das will mir als pures und schön herausgearbeitetes Konzept erscheinen.) Deine nicht ganz so günstige Besprechung von THE BEACH hat mich daran erinnert, auch noch mal in diesen reinzuschauen, um da vielleicht eine größere Struktur ausmachen zu können, die sich über alle drei Filme erstreckt.
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bekay sagte am 31. März 2010, 12:53:

Zitat

nicht ganz verstanden habe, was die verwischte Kamera im aktionsbetonten Finale soll.
Ich habe gerade in der Hinsicht starke Parallelen zwischen 28 DAYS LAER und SUNSHINE ausmachen können, die beide mit der Undeutlichkeit in ästhetischer und inhaltlicher Perspektive spielen. ("Inszenatorischer Sauerstoffmangel" ist das jedenfalls nicht, das will mir als pures und schön herausgearbeitetes Konzept erscheinen.)
In "28 Days Later" wirkt dieses Hochstochern der - wohlgemerkt digitalen - Bildfrequenz auf mich wesentlich homogener, weil es sich über den ganzen Film erstreckt und jeweils als "Besessenheitsthema" herausgearbeitet wird (wobei man das wiederum auch auf "Sunshine übertragen könnte, da hast du Recht). Anyway, mit DV funktionert's für mich, wegen der dennoch stets ungeheuer bestechenden Klarheit der Bilder, mit 35mm und Scope nicht oder weniger. Sieht mir zu verwaschen und zielverfehlt aus. Ist aber natürlich ein ganz persönliches, Gefallenskriterium.

bekay sagte am 31. März 2010, 12:53:

Deine nicht ganz so günstige Besprechung von THE BEACH hat mich daran erinnert, auch noch mal in diesen reinzuschauen, um da vielleicht eine größere Struktur ausmachen zu können, die sich über alle drei Filme erstreckt.
Tu das. Könnte mir vorstellen, dass du mehr daraus mitnehmen kannst als ich. Ich habe mich im Nachhinein am meisten darüber geärgert, dass man den Großen Weißen, der die Schweden anknabbert, nicht zu Gesicht bekommt :))

Übrigens, bezüglich deiner Suche nach einer ästhetischen Konzeption bei Boyle: "Slumdog Millionaire" schon geschaut?

Edit: Erst schauen, dann fragen :rolleyes:
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Das mit dem Unterschied des Filmmaterials stört mich gar nicht so - und ist mit gar nicht aufgefallen. Es ging mir ja eher um kleinere formale Spielereien und Einfügungen, die sich aber wie ein roter Faden durch Boyles Arbeiten ziehen und dann auch immer wieder auf Inhalte und Diskurse verweisen. Aber ich würde dir jedenfalls soweit recht geben, dass diese Spielereien mit dem Opaken gerade im Kontrast zu einem DV-Look noch besser zur Geltung kommen.

@THE BEACH: Ich glaube sogar, den habe ich im Kino gesehen(!) - das Ausrufezeichen, weil ich nur vage Erinnerungen habe und mir unsicher bin. Eigentlich weiß ich nur noch, wie DiCaprio als Videospielfigur den Dschungel als 16bit-Game wahrnimmt. Im Lichte meiner bisherigen Beobachtungen vielleicht die thematische Urszene von Boyles Filmen: Wie sich das Medium zwischen uns und die Welt schob.
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bekay sagte am 31. März 2010, 13:21:

@THE BEACH: Ich glaube sogar, den habe ich im Kino gesehen(!) - das Ausrufezeichen, weil ich nur vage Erinnerungen habe und mir unsicher bin. Eigentlich weiß ich nur noch, wie DiCaprio als Videospielfigur den Dschungel als 16bit-Game wahrnimmt. Im Lichte meiner bisherigen Beobachtungen vielleicht die thematische Urszene von Boyles Filmen: Wie sich das Medium zwischen uns und die Welt schob.

Das ist einer der gelungeneren Momente des Films, das stimmt. Wobei sie ja wiederum auch eine inhaltlich kontextuell nahtlose Anknüpfung findet, weil sie ganz trefflich Richards, des ewigen Gameboy-Spielers mit Hornhaut an den Fingern, Weg in die Psychose illustriert. Auch ein solches, narrativ gerechtfertigtes Moment fehlt mir im "Sunshine"-Showdown.

Bezüglich deiner These: Es geht wohl tatsächlich um das Sich-zwischendrängen bestimmter Dinge, aber ich würde die davon betroffenen Fronten lieber etwas "globaler" oder auch banaler bezeichnet sehen als Menschen und Schicksale und die jeweils störenden Elemente nicht per se als Medien. "Shallow Grave", "A Life Less Ordinary", "Millions" und "Slumdog Millionaire" kreisen allesamt um Geld und dessen Korrumpierungstendenzen, "Trainspotting" um Drogen, "The Beach" um scheinheilige Lebensideale, und "28 Days Later" und "Sunshine" um Verhaltensüberwürfe in Extremsituationen.
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Das kommt natürlich auf die Weite des Medienbegriffs an. :D Für Niklas Luhmann ist Geld ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium. Das man das Thema natürlich erweitern kann, versteht sich von selbst. Das ist ja alles eine Frage der Absraktionsebene. Und das hat ja weniger mit den Filmen zu tun, als vielmehr mit der Entscheidung, wie man sich ihnen nähern will. Mit dem Medienbegriff - so fand ich jedenfalls - konnte man eben auch gut einige formalästhetische Merkmale besser greifen. So emfpinde ich die Unschärfe in SUNSHINE, die sich ja nur in Verbindung mit dem Captain der Icarus I zeigt, eine passende Visualisierung seiner (religiösen) Verblendung. Wahrscheinlich meine ich es eher so: Gerade weil sich etwas so massiv zwischen uns und etwas anderes stellt (unsere Weltsicht also manipuliert, verändert und verzerrt), wird es eben zum Medium, zu einer opaken Sichtfläche. Und Boyles Filme liefern dann immer wieder die (Sinn-)Bilder zu diesen Vorgängen.
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Funxton

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