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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





Foto

J. EDGAR (Clint Eastwood/USA 2011)



"No one freely shares power in Washington, D.C.."

J. Edgar ~ USA 2011
Directed By: Clint Eastwood

Informationen sind Macht: Gegen Ende seines Lebens zieht der langjährige FBI-Direktor J. Edhgar Hoover (Leonrado Di Caprio) Bilanz und lässt einen seiner Agents (Michael Rady) seine Autobiographie für ihn schreiben. Was sich allerdings in seinem Privatarchiv, befindlich in Hoovers persönlichem Büro, angesammelt hat und in seinen seelischen Untiefen, bleibt Hoovers Geheimnis über seinen Tod hinaus.

"Gepflegt" war das erste Attribut, das mir während Eastwoods versiertem Biopic durch den Kopf schoss; gepflegt in Auftreten, Attitüde und Weltperspektive. Die Altersmilde des konservativen Filmemachers kristallisiert sich allein schon durch seine Themwahl und den entsprechenden Approach aus - "J. Edgar" behandelt als eines seiner vordringlichen Themen totgeschwiegene Homosexualität und das daraus resultierende Unglück für alle Beteiligten. Hoover und sein engster Vertrauter Clyde Tolson (Armie Hammer) leben in einem eheähnlichen Verhältnis zusammen - dennoch kommt es nie zu öffentlicher Körperlichkeit, nie zu einer "falschen" Regung, die Hoovers weiße Publikweste mit rosa Flecken besudeln könnte. Darin spiegelt sich auch die tief verwurzelte Paranoia des besessenen Ermittlers wieder, der zeitlebens damit befasst war, über sämtliche Landesprominenz permanent im Bilde zu sein und Verschwörungen sowohl hinter dem Aufkommen des Kommunismus in den frühen Zwanzigern als auch hinter der Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigern witterte. DiCaprio, mittlerweile höchst erfahren im Porträtieren von Personen mit tief verwurzeltem Neurosengeflecht, lässt einmal mehr durchscheinen, dass er irgendwann zu den großen Schauspielern des frühen dritten Jahrtausends gezählt werden wird; tatsächlich scheint sein Spiel sogar immer noch nuancierter und perfektionierter zu werden, je mehr Erfahrungen mit Weltregisseuren er sammelt.

8/10

Clint Eastwood FBI J. Edgar Hoover period piece Biopic Washington D.C. Homosexualität McCarthy-Ära Kalter Krieg



Schade! Hoover und McCarthy gehören zu den Figuren, über die heute schonungslos Filme gedreht werden sollten - und dies bei allem Respekt vor Eastwood nicht von konservativen Regisseuren. Was DiCaprio anbelangt: Ich stimme dir voll und ganz zu. Aus dem "Titanic"-Bubi ist ein Schauspieler geworden, der das Zeug zu ganz Grossem hat. Darauf wies ich schon bei meinem "The Aviator"-Verriss hin. Der Film scheiterte meines Erachtens nicht an den mangelnden Fähigkeiten des Hauptdarstellers, sondern ebenfalls am verlogenen Zugang zur Figur Howard Hughes. Sie haben die Vergangenheitsbewältigung einfach noch nicht drauf, die Amerikaner.
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Also mir ist ad hoc kein Land bekannt, welches sich seit den 1960er Jahren schneller und offenkundiger mit seinen Fehlern auseinandersetzen würde. Das ist ja der Grund, warum wir hier immer so arrogant auf "die Amis" herabschauen. Wir wissen viel zu viel über ihre Fehler, weil sie sie selbst thematisieren. Das liegt an der Struktur dieses Landes. Das funktioniert nicht so autokratisch wie hier in Europa. Wenn irgendwelche Leute in der Regierung versuchen etwas zu vertuschen, wird es den Muckraker geben, der den Dreck nach oben holt. Davon kann man in Europa, mit seinen verkrusteten Strukturen, nur träumen. In den USA haben viele Leute keine Ahnung was vor sich geht, weil es zu viele "Wahrheiten" gibt. Wir haben nur eine und sind noch so arrogant zu glauben, es sei die Richtige.
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@ Zodi: "J. Edgar" geht alles andere als pfleglich mit McCarthys Person um, falls du Gegenteiliges aus meinem Bericht zu lesen glaubtest. Eastwood findet eine ziemlich ideale Balance zwischen dem Script und seiner Inszenierung, die den Film weder zur Bebauchpinselung Hoovers auf der einen noch zu billiger Denunziation auf der anderen Seite verkommen lässt. Er ist im Gegenteil eine angemessene, präzise Auseinandersetzung mit seiner Person. Was deinen "Aviatior"-Text angeht, so ist es mir ehrlich gesagt schon damals zu anstrengend gewesen, eine differenzierte Auseinandersetzung darüber zu führen, was jedoch nicht der Qualität deines Geschriebenen sondern meiner persönlichen Faulheit geschuldet ist. Du weißt ja vermutlich, was ich von dem Film halte :)

@ Aussi: Diese Betrachtung empfinde ich wiederum als etwas einseitig. Als die riesige Zwei-Grenzen-Nation mit seiner gigantischen Einwohnerzahl, die sie darstellen, nehmen die USA einen speziellen Status im globalen Gefüge ein, der sie einerseits verantwortlicher, andererseits aber (auch intern) angreifbarer macht als so gut wie alle andere Nationen. Die zersplitterten Macht-Befugnisse, die dort herrschen und die entsprechenden zu treffenden Entscheidungen, sind derart bigott und widersprüchlich, dass jewede Kritikenthaltung zugleich einem Gesinnungs-Todesurteil gleichkäme und das dort vorherrschende System kaum mehr als Demokratie bezeichnet werden könnte (unabhängig davon, dass es andernorts genauso ist). Insofern ist jede auf kulturellem Wege geäußerte, vorgeblich "unerwünschte" Kritik auf paradoxe Weise zugleich wiederum "erwünscht", weil in ihrer Außenwirkung scheinbar systemförderlich, wobei sich reell natürlich gar nichts ändert.

(Ich hoffe, ich konnte mich halbwegs verständlich ausdrücken...)
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Es war eine bewusst einseitig gehaltene Replik auf die einseitige Aussage, die Amerikaner hätten die Vergangenheitsbewältigung nicht drauf. ;)

Und das was Du beschreibst, ist die einzige Möglichkeit, wie Demokratie, vom Menschen geführt, funktionieren kann.
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Der Außenseiter sagte am 25. Mai 2012, 12:58:

Es war eine bewusst einseitig gehaltene Replik auf die einseitige Aussage, die Amerikaner hätten die Vergangenheitsbewältigung nicht drauf. ;)
Das habe ich auch so aufgefasst.

Der Außenseiter sagte am 25. Mai 2012, 12:58:

Und das was Du beschreibst, ist die einzige Möglichkeit, wie Demokratie, vom Menschen geführt, funktionieren kann.
Vermutlich. Trotzdem kein Zustand zum Zurücklehnen und darüber glücklich sein.
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"Vermutlich. Trotzdem kein Zustand zum Zurücklehnen und darüber glücklich sein."

Wir müssen den Mut haben, aus unseren Fehlern zu lernen! :bart:

(aus dem Phrasenlexikon I, § 10, Absatz 3)
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Funxton sagte am 25. Mai 2012, 12:46:

@ Zodi: ... Was deinen "Aviatior"-Text angeht, so ist es mir ehrlich gesagt schon damals zu anstrengend gewesen, eine differenzierte Auseinandersetzung darüber zu führen, was jedoch nicht der Qualität deines Geschriebenen sondern meiner persönlichen Faulheit geschuldet ist. Du weißt ja vermutlich, was ich von dem Film halte :)

Ich wusste Christoph Hochhäusler an meiner Seite. :P
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