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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen




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Regisseure - verehrt, geschätzt oder ungeliebt



Ich hatte ja schon in meiner Begrüßungsrede angekündigt (angedroht?), hier ab und zu Listen hineinzustellen, und nun habe ich eine recht umfassende Liste von Regisseuren zusammengestellt, die ich in verschiedenen Kategorien zusammengefaßt habe, in denen sich meine unterschiedliche Wertschätzung widerspiegelt.

Natürlich ist so eine Auflistung nicht in Stein gemeißelt, sondern nur eine Momentaufnahme. Zum einen kann sich die Einschätzung eines Regisseurs stark verändern, wenn man, womöglich noch innerhalb kurzer Zeit, einen oder mehrere Filme, die einem zuvor noch nicht bekannt waren, zu sehen bekommt - ein Meisterwerk, das einem die Augen übergehen läßt, kann dazu führen, daß man auf einmal das Gesamtwerk eines zuvor wenig beachteten Regisseurs mit viel größerem Interesse betrachtet, es kann aber ebenso passieren, daß ein Lieblingsregisseur seinen Status verliert, sei es, weil man plötzlich mehrere mißglückte Filme in Folge entdecken muß oder weil man über einen Film stolpert, der einen so schlimmen Eindruck hinterläßt, daß man seinen Schöpfer nicht mehr länger als Lieblingsregisseur bezeichnen kann. Aber auch beim Wiedersehen schon bekannter Filme können sich beträchtliche Veränderungen der persönlichen Wertschätzung ergeben. All dies sind Gründe, warum aus einem zunächst wenig geliebten Regisseur im Laufe der Jahre doch ein sehr geschätzter werden kann, oder eben umgekehrt.
Daher habe ich auch bei allen Regisseuren angegeben, wie viele ihrer Filme ich überhaupt kenne, wobei diese Zahl die Anzahl der "abendfüllenden" Kinofilme angibt. In manchen Fällen steht dahinter noch eine Zahl in eckigen Klammern, das ist dann der Fall, wenn ich außerdem noch Fernsehfilme oder Kurzfilme kenne oder auch solche, die ein Regisseur nicht allein inszeniert hat, aber daran beteiligt war. Dabei kann ich nicht ausschließen, mich das ein oder andere Mal verzählt zu haben, aber die meisten Zahlen sollten stimmen. Klar ist natürlich: je mehr Filme ich kenne, desto sicherer bin ich mir bei meiner Einschätzung, während die Einordnung eines Regisseurs, von dem ich nur vier Filme kenne, sich gravierend ändern könnte, wenn ich mal den fünften sehe und der besonders gut oder besonders schlecht ist. Daher habe ich auch in der Regel nur Regisseure aufgeführt, von denen ich mindestens vier Filme gesehen habe. Nur in der Sparte der ungeliebten Regisseure habe ich Ausnahmen gemacht (was auch damit zusammenhängt, daß ich bei Regisseuren, die mir nicht liegen, natürlich auch weniger motiviert bin, nun Dutzende von ihren Filmen zu sehen...), im Fall von Mel Gibson etwa reichten mir drei Filme aus, um mich davon zu überzeugen, daß er eine Schmalzbirne ist.

Soviel im allgemeinen, nun noch ein paar Worte zu den einzelnen Kategorien:

Was Lieblingsregisseure sind, ist eigentlich klar: jene Regisseure, die mich mit mindestens einem, meistens aber mehreren Filmen elektrisiert haben, die mich durch ihren Stil besonders ansprechen, und die mich nur selten (oder vielleicht sogar gar nicht) enttäuscht haben. Natürlich gestehe ich auch einem Lieblingsregisseur zu, daß ihm ein Film mal danebengeht, in gewisser Weise ist dies sogar ein weiteres Kriterium für Lieblingsregisseure: daß sie (mich) sogar dann noch faszinieren, wenn ein Film mißlungen ist. Dabei unterscheide ich noch zwischen dem engsten Favoritenkreis und jenem meiner Lieblingsregisseure im etwas weiteren Sinn.

Geschätzte und sehr geschätzte Regisseure sind wiederum solche, deren Gesamtwerk, soweit es mir bekannt ist, mich durchaus anspricht, die ich aber nicht zu meinen Lieblingsregisseuren rechnen möchte, weil entweder der Überflieger in ihrem Werk fehlt, oder weil sie doch zu viele Filme gedreht haben, die ich "nur" gut oder vielleicht sogar eher schwach fand, um sie noch mit Überzeugung zu meinen Favoriten rechnen zu können. Dabei sind diese Kategorien nicht wirklich scharf voneinander abgegrenzt, und ich habe die Einordnung auch eher intuitiv vorgenommen.

In der Gruppe der Regisseure, für die ich "lauwarme Empfindungen" habe, sind verschiedene zusammengefaßt: zum einen Regisseure, die ich zwar als große Meister anerkenne und deren Werk mir entsprechenden Respekt abnötigt, bei denen der Funke aber bisher nicht oder zu selten übergesprungen ist, als daß ich sie wirklich zu den "geschätzten" Regisseuren rechnen wollte. In solchen Fällen fehlt mitunter nicht viel zum geschätzten Regisseur (so daß unter Umständen schon ein Film für eine Veränderung sorgen könnte). Andererseits habe ich hier auch Regisseure aufgeführt, mit denen ich etwas zwiespältige Erfahrungen gemacht habe, die mich in Einzelfällen vielleicht sogar verstimmt haben, die ich aber doch nicht zu den "Problemfällen" bzw. ungeliebten Regisseuren rechnen wollte.

Bei den Haßlieben dagegen führe ich Regisseure auf, bei denen meine Erfahrungen noch viel zwiespältiger sind als bei der vorigen Gruppe. Jeder der in dieser Gruppe genannten Regisseure hat mindestens einen Film gedreht, den ich großartig finde, manchmal auch mehrere, doch sie alle haben eben auch Filme gedreht, die bei mir sehr zwiespältige Eindrücke hinterlassen haben, und einige von ihnen sind sogar die Schöpfer von Filmen, die ich regelrecht verabscheue.

Die ungeliebten Regisseure hingegen haben mein Filmherz höchstens einmal oder auch überhaupt noch nie erreicht, mich dafür aber so manches Mal angeödet, ratlos oder ausgesprochen verärgert zurückgelassen. Naturgemäß kenne ich von diesen Regisseuren vergleichsweise wenige Werke. Dies bedeutet aber auch, daß hier noch nicht alle Hoffnung verloren ist: vor zehn Jahren hätte ich wohl auch Godard und Scorsese zu den ungeliebten Regisseuren gerechnet, während es Godard mittlerweile immerhin in den Kreis der Haßlieben geschafft hat - Scorsese dagegen ist im letzten Jahrzehnt so gewaltig in meiner Gunst gestiegen, daß ich ihn mittlerweile sogar zu den sehr geschätzten Regisseuren zähle. Insofern bedeutet eine Nennung in dieser Kategorie noch nicht zwangsläufig die Verbannung eines Regisseurs in die Hölle, es könnte auch das Fegefeuer sein...

Soviel vorneweg, nun die eigentliche Liste: (die unsortierte Reihenfolge hat nicht viel zu bedeuten, in den meisten Kategorien sind die Regisseure mir in dieser Reihenfolge eingefallen)

LIEBLINGSREGISSEURE:

im engeren Sinne:

Alfred Hitchcock (36)
Akira Kurosawa (19)
David Lynch (10 [+"Twin Peaks"]
Ingmar Bergman (17 [19])
Billy Wilder (17)
Roman Polanski (16)
Jacques Tati* (5)
Charles Chaplin* (10)
Luis Bunuel (14 [15])
Ernst Lubitsch (11)

*Chaplin und Tati haben ihre gehobene Stellung auch ihren Qualitäten als ihre eigenen Hauptdarsteller zu verdanken

im weiteren Sinne:

Woody Allen (18)
Sidney Lumet (11)
Peter Weir (10)
Sergio Leone (6)
Howard Hawks (8 [9])

SEHR GESCHÄTZTE REGISSEURE:

Clint Eastwood (10)
Federico Fellini (14)
Louis Malle (11 [12])
Francois Truffaut (13 [15])
Orson Welles (6)
David Cronenberg (5)
John Huston (6 [7])
Jonathan Demme (5)
Martin Scorsese (15)
David Lean (8)
Michael Curtiz (4)
Stanley Donen (4 [5])
Hal Ashby (4)
Terrence Malick (5)

GESCHÄTZTE REGISSEURE:

John Ford (6)
Francis Ford Coppola (6)
Milos Forman (5)
Zhang Yimou (6)
Yasujiro Ozu (4)
Robert Altman (7)
Russ Meyer (6)
Roberto Rossellini (5)
Ang Lee (7)
Anthony Mann (5)
William Wyler (5)
Wolfgang Staudte (4)
Fritz Lang (9)
Pier Paolo Pasolini (6)
Luchino Visconti (6)
Robert Bresson (4)
Terry Gilliam (4 [6])
James Cameron (6)
Blake Edwards (11)
Tim Burton (9)
Carl Theodor Dreyer (5)
Claude Chabrol (9)
Hayao Miyazaki (5)
George Cukor (5)
Takeshi Kitano (4)

LAUWARME EMPFINDUNGEN:

Jean Renoir (6)
Joel und Ethan Coen (4)
Sam Peckinpah (6)
Michael Mann (4)
Robert Zemeckis (5)
Pedro Almodovar (4)
John Carpenter (6)
Brian de Palma (6)

HASSLIEBEN:

Bernardo Bertolucci (6)
Steven Spielberg (18)
Stanley Kubrick (11)
Andrej Tarkowski (7)
Michael Haneke (4)
Ridley Scott (8)
Peter Greenaway (4)
Jean-Luc Godard (11)
Sergej Eisenstein (4)
Werner Herzog (5)
George Lucas (6)
Rainer Werner Fassbinder (5 [7])
David Fincher (7)

UNGELIEBTE REGISSEURE:

Quentin Tarantino (4,3*)
Oliver Stone (5)
Michelangelo Antonioni (4)
Wim Wenders (4)
Mel Gibson (3)
M. Night Shyamalan (4)
Park Chan-wok (3)

*den abgebrochenen "Death Proof" habe ich zu ungefähr 30% gesehen, daher 4,3 Filme, wobei "Kill Bill" als ein Film gezählt ist




danke für deinen Beitrag, auch wenn wir massivst anderer Meinung sein werden, außer dass wir beide nix für die Schlafpille himself "M. Night Shyamalan übrighaben ;)
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Wie sieht denn Deine "massivst andere Meinung" im einzelnen aus (gut, ein bißchen habe ich natürlich schon was von Deinen Vorlieben mitbekommen, aber trotzdem ist das bislang eher verschwommen)? Es muß ja nicht so umfassend sein, aber prinzipiell finde ich es immer ganz interessant, was für Favoriten oder Abneigungen jemand hat.
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Das ist gar nicht leicht zu sagen, da viele der von mir früher "verehrten" Regisseure sich mittlerweile mit Zeugs abgeben, was ich uninteressant oder zu 08/15 halte.

ich kann ja mal anfangen.

Dt. Regisseure: Christian Ditter (insbesondre wegen Vorstadtkrokodile), Til Schweiger (Keinohrhasen/Zweiohrküken) - wären jetzt mal die, die mir spontan einfallen. Dennis Gansel hat auch noch gutes Zeugs gemacht (Mädchen Mädchen und Das Experiment z.b.)


Regisseure international:
John Woo (macht aber leider fast nur noch Monumentalfilme...)
Michael Bay (seit Bad Boys 2 auch schon stark nachgelassen, manches ist mir mittlerweile einfach zu übertrieben)
Louis Morneau (mein Lieblings-B-Filmer zur Zeit)

Joel Silver-Produktionen (Fair Game, LW-Reihe, Die hard, Ricochet,...) - auch nachgelassen - Kiss kiss bang bang fand ich nicht wirklich eines Silvers würdig.


So, nun zu deinen Regisseuren... ;)
ich schreib nur zu einigen etwas:
Alfred Hitchcock - kommt auf den Film an. Top-filme: Familiengrab, North by northwest, Frenzy, Saboteure - wären mal die, die mir spontan einfallen

mittelmäßig: Die Vögel (hat mich nicht ganz gepackt, die Tankstellen-Sequenz war schön feurig, der Showdown eher nicht so mein Fall, hab den aber erst einmal gesehen ,) , Der Mann, der zuviel wusste, Der zerrissene Vorhang, Psycho

eher schwach: Cocktail für eine Leiche


David Lynch:
Lost highway kenne ich, fand ich ganz ok, leicht verstörend, aber auch nicht so, dass ich jetzt gesagt hätte was fürn Hammer. Lynch läuft bei mir wohl eher unter ganz ok ,)


Ich spring jetzt mal:

Robert Zemeckis

hat u. a. die Back to the future-Reihe gemacht. Da muss man nix zu sagen. Kult. Auch The Frighteners ist gut.

Du hast übrigens einen sehr wichtigen Regisseur - der 80er und 90er - vergessen. John Badham.
Das fliegende Auge ist sehr geil, Ein Vogel auf dem Drahtseil mag ich ebenfalls und Die nacht hat viele augen war auch nicht übel. Auch Gegen die Zeit ist zum einmal gucken phantastisch

Cameron fand ich früher super, aber mit Titanic und dem langweiligen AVATAR hat er es sich bei mir verscherzt.

Im Bereich Drama möchte ich unbedingt noch Buket Alakus nennen, von der ich zwar bisher nur EINE ANDERE LIGA kenne, der Film ist aber definitiv was Besonderes für mich. Auch Maria von Heland hat mich mit GROSSE MÄDCHEN WEINEN NICHT schier begeistert. Und auch almut Gettos FICKENDE FISCHE fand ich klasse, wenngleich mir schon fast zu dramatisch.

Ich glaube, ich bin da nicht so, dass ich von einigen Regisseuren zig Filme gut finde. könnte nur so spontan sagen, wenn ich sagen soll, welche Filme ich wirklich spitze fand, könnte ich auf anhieb folgende nennen mit Mehrfachnennung pro Regisseur:

Michael Bay (Bad Boys, The Rock, Armageddon, evtl noch Pearl H.)
John Woo (Hardboiled, Hard target, Broken Arrow, Face/off, Killer target, MI: 2)
John Badham: Das fliegende Auge, Ein Vogel auf dem Drahtseil, Auf die harte Tour


Bruckheimer (mit und ohne Don Simpson), auch wenn er "nur" Produzent ist, da er auch oft an den Sets ist, ist er einer der einflussreichsten im Geschäft denke ich:

Top Gun, Bevl. Hills cop 1+2, Tage des Donners, Bad Boys, The Rock, Con air, Armageddon, Coyote ugly, evtl Pearl Harbor; fast alles danach fand ich eher lauwarm...nicht typisch Bruckheimer...

Joel Silver

Die hard 1+2, _Ricochet, LW-Reihe, Fair game, Action jackson,demol. man..

ich sehe gerade, er hat auch UNKNOWN IDENTITY mitproduziert. na, ich weiß es ist naiv, aber ich hoffe, endlich mal wieder ein Film, der eines Silvers würdig ist.

so nu erstmal schluss. ;)
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Vielen Dank für Deine Antwort, die mir entschiedene Zustimmung abringt: wir liegen wirklich ganz, ganz weit auseinander!

Das hängt wohl mit generell verschiedenen Blickwinkeln zusammen, aber auch damit, daß gerade das Action-Genre zu denen gehört, die mir nur wenig liegen. Umgekehrt gehe ich an dieser Stelle nicht näher auf Hitchcock und Lynch, das würde den Rahmen sprengen, wobei übrigens auch die sich mal eher schwache oder schlichtweg mißlungene Filme geleistet haben ("Die rote Lola" etwa...). Zemeckis hatte mal einen guten Anfang, "Zurück in der Zukunft" ist ja in der Tat sehr gelungen, aber "Forrest Gump" mag ich gar nicht, und "Contact" ist die eher mittelmäßige Umsetzung einer recht guten Story, und "Cast Away" hatte einen ganz guten Mittelteil, aber Anfang und Schluß sind wirklich nichts besonderes.

An John Badham habe ich in der Tat nicht gedacht, mir ist eben auch erst bewußt geworden, daß ich tatsächlich vier Filme von dem Mann kenne: "Dracula" geht sehr eigenwillig mit Stokers Roman um, ist aber visuell sehr ansprechend, "Wargames" ist wirklich gut, "Nummer 5 lebt" zumindest ganz unterhaltsam, während ich "Auf die harte Tour" nicht besonders mochte.

Nebenbei noch: "Armageddon" finde ich ganz, ganz furchtbar!
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Das macht ja nix, man kann sich ja trotzdem verstehen ;)
Forrest Gump muss ich zugeben hat mich bisher nicht ausreichend gereizt.

Da du ja mit Action nichts anfangen kannst, würde mich interessieren, ob wir evtl im Bereich dt. Dramen ich sag mal "zueinander finden könnten" ;)
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Deutsche ("dt." steht doch für "deutsche", oder war das ein Mißverständnis?) Dramen sind nicht gerade mein Spezialgebiet (das ist der deutsche Film im allgemeinen nicht), da würden mir am ehesten Filme wie "Die Ehe der Maria Braun" oder "Angst essen Seele auf" einfallen, die ja nun auch schon beide aus den 70ern stammen. Oder in neuerer Zeit eben Filme wie "Gegen die Wand", den ich sehr kraftvoll finde, dessen Dramaturgie mir aber ein wenig zu holprig war. Petzolds "Gespenster", um noch ein Beispiel anzuführen, haben mich nicht erreichen können, von den deutschen Filmen der letzten Jahre, die ich gesehen habe, haben mir Jugendfilme zumeist am besten gefallen, wie "Herz im Kopf" oder der hier im Filmtagebuch angesprochene "Summertime Blues".
Wenn ich schon bei Dramen bin, vielleicht noch ein paar ganz allgemeine Worte dazu: das Drama ist besinders schwer abzugrenzen, eigentlich weniger ein wirkliches Genre, sondern eher ist es so, daß man oft vom Drama spricht, wenn Genrezurodnungen nicht so recht passen wollen. Vielleicht ist es am treffendsten zu sagen, daß im Drama die Figuren im Vordergrund stehen und wichtiger als die Geschichte sind.
Der Dramen-Regisseur überhaupt ist für mich eindeutig Ingmar Bergman, wobei ich fürchte, daß der Dir kaum liegen dürfte. Wobei manche Filme recht leicht zugänglich sind, andere dagegen extrem sperrig. Aber ich habe gerade neulich die Memoiren von Ingrid Bergman gelesen, die euch einen Film mit Ingmar Bergman zusammen gedreht hat, und sie meinte, daß seine Filme in Erinnerung bleiben, während man andere nach einer Minute schon vergessen hat. Dem kann ich zustimmen. Das hat mit ihren formalen Qualitäten zu tun, aber nicht nur. Ein Grund, warum diese Filme so intensiv wirken, ist für mich folgender: es ist ja so, daß die Menschen so gut wie nie wirklich das sagen, was sie eigentlich denken. Doch in etlichen Bergman-Filmen gibt es dann irgendwann eine Szene, in der sie das dann doch mal tun - das ist zumeist furchtbar, aber wahnsinnig eindringlich.

War jetzt eine etwas weitschweifige Antwort, die mit deutschen Dramen zuletzt gar nichts mehr zu tun hatte, aber manchmal bin ich etwas umständlich. :)
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Mir selbst fällt eine so umfassende Einteilung von Regisseuren in einer Beliebtheitsskala sehr schwer. Nicht dass ich nicht wüsste, wen ich als Filmemacher mag oder nicht mag, aber die Stufen dazwischen bereiten mir Kopfzerbrechen, da die Grenzen so fließend sind. Aber angeregt durch deine Auflistung habe ich auch ein wenig darüber nachgedacht.
Um über das Werk eines Regisseurs urteilen zu können habe ich mir persönlich die Latte gesehener Filme auf fünf gelegt. Selbst für ausgesprochene Wenigfilmer wie Tati oder Leone ist diese Hürde dennoch nicht zu hoch. Wenn ich richtig recherchiert habe, kenne ich von insgesamt 106 Filmemachern mindestens 5 Filme. Häufig entspricht die Anzahl der gesehenen Filme auch ungefähr der deinen, auch wenn es vermutlich häufig unterschiedliche Filme sind. Interessant sind dagegen unsere größten Differenzen bei der Anzahl gesehener Filme. Während Du deutlich stärker bei Hitchcock, Bunuel, Malle, Scorsese, Lang, Edwards, Chabrol und auch Lubitsch bewandert bist, sind es bei mir Allen, Wenders, Bergman, Altman, Zhang, Almodovar und die Coens. Wenn ich mal nur auf die Namen in deiner Auflistung eingehe. Da die Anzahl bekannter Filme ja auch ein Gradmesser für die persönliche Beliebtheit eines Regisseures ist, lässt sich daran ablesen, dass vor allem Wim Wenders, aber auch Almodovar und die Coens bei mir höher im Kurs stehen.
Regisseure von denen ich außerdem relativ viele Filme kenne, die bei Dir jedoch nicht aufgelistet sind, sind u.a. folgende: Kaurismäki (15), Angelopoulos (13), Winterbottom (12), Boorman, Jarmusch, Ozon, von Trier (je 11), Dresen, Hallström, van Sant (je 10), Kieslowski und Wong (je 9).

Lieblingsregisseure wären z.Zt bei mir folgende (ich nenne lieber weniger):
Kurosawa (17), Wenders (28), Leone (7), Angelopoulos (13), Chaplin (9), Lynch (11), Tarr (5), Tarkowski (8)
Anhand des Dreigestirns Angelopoulos-Tarr-Tarkowski kann man meine Vorliebe für lange, ruhige, bildstarke Filme ablesen. Wenders liegt mir thematisch und figurentechnisch sehr und Leone vermochte unvergleichlich "groß"(artig) zu inszenieren. Kurosawa ist eine Mischung aus beidem. Lynch verdankt sein Ansehen dem Sog seiner ruhigen wie rätselhaften Filme und ihrer Nachhaltigkeit. Und Chaplin einfach weil er Chaplin war.

Danach wird eine Auftrennung schwierig, die Zahl der geschätzten/respektierten Regisseure ist groß:
Allen (34), Wilder (20), Almodovar (17), Zhang (12), Hitchcock (19), Kieslowski (9), Weir (13), Dresen (10), Kaurismäki (15), Wong (9), Bergman (25), Bunuel (7), Tati (6), Forman (5) um nur einige zu nennen. Ich müsste hier vermutlich an die 40 Namen aufführen, um allen Vorlieben gerecht zu werden.

Spannender ist da vielleicht der Blick auf meine lediglich geduldeten, skeptisch beargwöhnten oder regelrecht ungeliebten Filmemacher:
Da gibt es zum einen die Gruppe der sehr wechselhaften Vielfilmer wie Ozon und Winterbottom, Regisseure die einst großartige Filme geschaffen haben wie Spielberg, Hallström, Scott, August, Tornatore, eine launenhafte Diva wie Lars von Trier, ein Moderegisseur wie Tarantino, Intellektuelle wie Haneke und Greenaway, eher belanglose Regisseure, die aber mindestens einen mir wichtigen Film gemacht haben, wie Zemeckis oder Petersen, einige asiatische Regisseure wie Kim Ki-Duk, häufiger mal belehrende Filmemacher wie Herzog, sehr stimmungsabhängige Leute wie Kusturica, dessen Filme einem auch schnell mal auf den Nerv gehen können. Meine ungeliebten Filmemacher sind derzeit Godard mit dessen Art Filme zu machen ich (noch?) nicht klar komme, Miike (bis auf die "Bird People"), einschlägige Actionregisseure wie Emmerich und Bay. Marc Forster hat auch nur negative Erfahrungen bewirkt, Helge Schneider kann ich überhaupt nicht ab. Auch diese Auflistung ist nicht vollständig und bei jedem dieser Namen ist mir eher ein einzelner Film (bzw. einige wenige) wichtig als das Gesamtwerk des Regisseurs.

Soweit meine spontanen Gedanken.
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Vielen Dank an dieser Stelle für Deine ausführliche Antwort. Eine solche Liste schwebte mir schon seit langer Zeit mal vor, aber die größte Schwierigkeit bestand tatsächlich darin, geeignete Kategorien zu finden. Ganz perfekt ist das Raster letztlich auch nicht, weil ich bei manchen Regisseuren doch nicht so recht wußte, wo ich sie unterbringen sollten. Bei den Favoriten ist alles klar, die geschätzten bzw. sehr geschätzten Regisseure sind auch ganz gut zu überblicken, aber am meisten Schwierigkeiten haben mir Regisseure bereitet, die mit ihren verschiedenen Werken sehr unterschiedliche Eindrücke zurückgelassen haben. Zum einen habe ich mir da mit den "Haßlieben" geholfen, aber jemand wie Zemeckis etwa, dessen Anfänge sehr vielversprechend waren, der dann aber recht bald ziemlich uninteressant wurde, hat mich letztlich doch im positiven wie im negativen nicht genug bewegt, um von einer echten Haßliebe sprechen zu können. Daher habe ich mir auch mit den "lauwarmen Empfindungen" auszuhelfen versucht, aber die ist eigentlich sehr heterogen ausgefallen: dort sind respektierte, bedeutende Regisseure zu finden wie Peckinpah oder Renoir, wobei bei Renoir wirklich nur ein Wimpernschlag zu den geschätzten Regisseuren fehlt. Zemeckis ist dagegen tatsächlich ein "eher belangloser Regisseur", wie Du so schön schreibst, mit recht starken Schwankungen. Petersen wäre wohl ein ähnlicher Fall: "Tod im Spiegel" und "In the Line of Fire" fand ich zumindest handwerklich gut gemacht, während "Troja" in meinen Augen ja ein einziges Ärgernis darstellt. Almodovar ist wiederum ein besonderer Fall: drei Filme habe ich nicht immer begeistert, aber doch tendenziell wohlwollend aufgenommen, während der vierte, den ich sah (das könnte "Mein blühendes Geheimnis" gewesen sein, aber ich bin mir da nicht mal mehr sicher), mir dann beträchtlich auf die Nerven ging, und seither fühle ich mich irgendwie übersättigt, was Almodovar betrifft. Vermutlich ließe sich also die "lauwarme" Gruppe noch weiter aufspalten, aber da sind mir auch ein wenig die Ideen ausgegangen. Soviel nur zu den Schwierigkeiten, verschiedene Regisseure unterzubringen.

Dann will ich noch mal kurz auf Deine Vorlieben und Abneigungen eingehen:

Bei Kurosawa, Leone, Chaplin, Lynch treffen wir uns ja - grundsätzlich zumindest. Gerade das Beispiel von Lynch zeigt ja, daß die einzelnen Filme durchaus einen unterschiedlichen Stellenwert des Gesamtwerks für uns haben können, wenn ich an frühere Diskussionen zurückdenke. Besonders weit auseinander liegen wir bei Wenders, aber ich kenne ja auch noch nicht "Alice in den Städten" und "Im Lauf der Zeit". Bis ich die gesehen habe, will ich die Hoffnung bei Wenders noch nicht aufgeben, immerhin mochte ich "Der amerikanische Freund". Mit den "langen, ruhigen, bildstarken" Filmen tue ich mich generell doch deutlich schwerer, da fehlt mir dann häufig auch einfach die Geduld. Im einzelnen gehört ja Tarkowski bei mir zu den Haßlieben, weil ich seine frühen Filme doch sehr schätze und auch überaus eindrucksvoll finde, während ich die späten nicht nur arg zäh finde, sondern mir auch ihre immer penetranter zur Schau gestellte Religiosität extrem auf den Wecker fällt. Bei Tarr und Angelopoulos ist es noch zu früh für Gesamturteile, aber nach meinen bisherigen Eindrücken dürften diese wohl bestenfalls "Respektregisseure" für mich werden, werden aber wohl kaum mal zu meinen Favoriten gehören. Und Tarr ist definitiv kein Regisseur, dessen Werke man in depressiver Stimmung sehen sollte!

Bei Regisseuren wie Wilder oder Allen liegen wir auch recht dicht beisammen, scheint mir, und bei den zwiespältigen bis abschreckenden Erfahrungen gibt es so manchen Berührungspunkt. Spielberg, Scott, Haneke und Greenaway habe ich ja schon bei meinen Haßlieben genannt, wie auch Herzog (wobei diese Gruppe sicherlich eine der interessantesten ist!), Hallström scheint schlicht und ergreifend immer schlechter zu werden, und von Bay und Emmerich habe ich nur einen bzw. zwei Filme gesehen, weil eben meine Erfahrungen so furchtbar waren. Bei Lars von Trier traue ich mir noch kein Urteil zu (aber vermutlich läuft es irgendwann auf "Haßliebe" hinaus, die Tendenz geht jedenfalls dorthin), während Godard früher auch einer meiner Problemfälle schlechthin war, aber zwei Filme haben mir eben richtig gut gefallen und ein paar weitere fand ich zumindest interessant, so daß ich ihn letztlich nicht dieser Gruppe zuordnen wollte.
Soviel als "kurze" Erwiderung, die mir wieder selbst verdeutlicht hat, daß eine solche Einschätzung um so sicherer ist, je mehr Filme eines Regisseurs man kennt. Bei drei, vier oder sogar fünf gesehenen Filmen hängt unter Umständen noch sehr viel davon ab, welche man gesehen hat (besonders, wenn das Gesamtwerk umfangreich ist).
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Spät aber doch, habe ich diese Liste entdeckt.

Nicht entdeckt habe ich darin Lars von Trier, was mich doch verwundert.
Ich weiß schon, dass du zum Zeitpunkt der Erstellung Melancholia noch nicht kanntest, aber trotzdem.

Das was man so als postmodernes Kino im engeren Sinn bezeichnen könnte, scheint dich kaum anzusprechen. Jedenfalls
schließe ich das aus der eher bis ganz negativen Beurteilung von Tarantino, Coen und Almodovar. Auch Ozon, der bei dir überhaupt nicht aufscheint, würde ich dieser Kategorie zuordnen.

Darüber hinaus möchte ich feststellen, dass du eindeutig viel mehr Filme kennst als ich.
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Ich hatte ja in der "Eröffnungsrede" geschrieben, daß ich bis auf ganz wenige Ausnahmen nur Regisseure aufgeführt habe, von denen ich mindestens vier Filme kenne (wobei ich einige übrigens vergessen habe, Stephen Frears etwa). Und "Melancholia" war eben gerade dieser vierte Film bei Lars von Trier, vorher waren es nur drei (was ich in irgendeinem Kommentar auch erwähnt hatte), und das geht jetzt, obwohl ich "Dogville" nicht so richtig toll fand, doch auf jeden Fall in die Richtung des geschätzten Regisseurs, mit weiterem Potential nach oben hin.

Ansonsten, was das postmoderne Kino betrifft: stimmt irgendwo schon, wengleich nicht uneingeschränkt, da auch Lynch von vielen als postmoderner Regisseur angesehen wird. Tatsächlich würde ich eigentlich nur die Schaffensperiode von "Blue Velvet" bis hin zum "Twin Peaks"-Kinofilm als mehr oder weniger postmodern bezeichnen, vermengt allerdings mit einer gehörigen Portion Surrealismus (wenn man diesen Begriff etwas weiter auslegt). Wobei mir bezeichnenderweise "Wild at Heart", der postmodernste Film dieser Schaffensphase, auch nicht besonders gefällt. Mit "Lost Highway" tritt Lynch dann sowieso wieder in eine neue Phase ein, die auch die Postmoderne hinter sich läßt.
Von Ozon kenne ich überhaupt nur zwei Filme, daher wäre eine Einstufung witzlos. Und die anderen drei Herren - die haben ja auch einige gute, zum Teil vortreffliche Filme gemacht, die dann aber doch nicht zu meinen wirklichen Favoriten zählen, während die Coens auf der anderen Seite sich auch einen Film geleistet haben, den ich extrem nervig fand ("The Big Lebowski"), und von meinem desaströsen Versuch, "Death Proof" zu sehen, habe ich ja schon oft genug erzählt. Trotzdem weiß ich nicht, ob meine fehlende Zuneigung zu Tarantino wirklich etwas mit der Postmoderne zu tun hat. Ich glaube, der Punkt ist ein anderer: Tarantino versucht Filme zu machen, die er auch selbst gern sehen würde. Ein Ansatz, den ich im Prinzip absolut richtig finde, nur: der Mann mag eben (in aller Regel) auch ganz andere Filme als ich, und da ist es fast logisch, daß ich mit seinen eben auch eher selten etwas anfangen kann.
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