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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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NEUE VAHR SÜD (Hermine Huntgeburth/D 2010)



"Atomblitz!"

Neue Vahr Süd ~ D 2010
Directed By: Hermine Huntgeburth


Bremen, 1980: Frank Lehmann (Frederick Lau) vergisst, rechtzeitig seinen Antrag auf Wehrdienstverweigerung zu stellen und muss zum Bund. Die dem uniformierten System innewohnende Idiotie bekommt Frank bald mit all ihrer unerbittlichen Härte zu spüren. Zu Hause in seiner antifaschistischen Zelle läuft derweil auch nicht mehr alles so entspannt wie früher. Dafür sorgt eine betreffs ihrer Zusammensitzung ziemlich unmögliche WG, in der Frank unterkommt, sowie seine Liebe zu der etwas wankelmütigen Sibille (Miriam Stein).

"1980 waren unsere Jugendlichen noch politisch" mag man denken angesichts Sven Regeners zweitem (dabei jedoch als Prequel gestalteten) Lehmann-Romans und auch dieser schönen Adaption desselben. Film kann ja speziell in Bezug auf die Darstellung von Zeitkolorit manches mehr leisten als Literatur. Durch die Verwendung diverser zeitgenössischer Reliquien und Memorabilia, zu der neben Frisuren, Möbeln, Kleidung, Sprache und Autos auch und insbesondere die Musik (deren Auswahl hierin als besonders sorgfältig und geglückt bezeichnet werden darf; es gibt vornehmlich Punk, New Wave und Reggae) zählt, rutscht man, sofern die entsprechende Gestaltung - wie im vorliegenden Falle - hinreichend stimmig ist, rasch hinein in Jahr und Tag. Da verzeiht man sogar, dass offenbar keine Telefonzelle von anno 80 aufzutreiben war (das im Film gezeigte Modell kam meines Wissens erst einige Jahre später). Die autonome Subkultur jedenfalls, die damals noch mit Pflastersteinen gegen das öffentliche Gelöbnis im Bremer Weserstadion antrat, eine Gruppe, die man einst als so gern als "Bombenleger" und "Zecken" bezeichnete, scheint ihren Aktionsradius mittlerweile merklich eingegrenzt zu haben, zumindest wenn man den Bildvergleich anzustellen bereit ist. Eine echte Schau in "Neue Vahr Süd" ist mal wieder Uli Mathes, der als stockärschiger Bundeswehr-Hauptmann entgegen allen Voraussetzungen sogar noch einen Tropfen Sympathie aus seiner Figur herausquetscht. Scheiße, der kann spielen, der Mathes.

8/10

Bremen Militaer Subkultur Sven Regener Alkohol Coming of Age Hermine Huntgeburth TV-Film



:cheers:
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:party:
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:bob: :D :love:
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Also ich war 1981 'beim Bund' und hab mich neulich, als ich den Film sah, wirklich ganz zu Hause gefühlt. Wenn man mal davon absieht, dass der Atomblitz bei uns 'Lichtblitz von links' hieß.
Nichz zuletzt deshalb fand ich den Film ganz wunderbar gehalten, auch die linke Einstellung des Protagonisten war in unserer Einheit weit verbreitet, und auch die alternativen Kumpels hatte ich damals, mit den ganzen blöden Sprüchen, die man sich so als unfreiwilliger Soldat anhören musste.
Etwas schade fand ich, dass der Film zum Ende doch überraschend ernst wurde, das hätte ich jetzt nicht haben müssen. Zu meiner Zeit haben sich die Protestanten aber auch damit begnügt, kleine Kieselsteine im hohen Bogen auf die angetretenen Soldaten regnen zu lassen, so dass es einen netten Toneffekt auf den Stahlhelmen gab. Diese unnötige brutalität, die im übrigen auch im Film nicht zu den WG-Bewohnern passte, kannte ich zumindest nicht.
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Zitat Wiki:

'Die im Buch beschriebene Randale beim öffentlichen Gelöbnis im Weserstadion fand tatsächlich statt, allerdings nicht am 5. November, sondern am 6. Mai 1980. Es gab damals rund 260 Verletzte sowie einen Sachschaden von ungefähr einer Million D-Mark. Geprägt war der Tag von dem Slogan „Der sechste Mai geht nicht vorbei!“, den Bremer Autonome danach mehr als zehn Jahre aufrecht erhielten und häufig an Mauern sprühten.'

Im Roman ist die Ausschreitung viel größer angelegt, das war in der TV-Verfilmung halt etwas billig, mit dem Tunnel da. Aber ansonsten ganz passable Verfilmung, wenn man mit dem Schrumpfen auf 90 Minuten leben kann.
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