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Die Endlösung der Geschmacksfrage

eine repräsentative Chronik des 20. Jahrhunderts in Wort, Bild und Schmerz

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Filme auf der Insel sind immer etwas besonderes. Schon, weil du sie in dieser anderen Welt guckst. Und glaube mir, der Mars ist eine andere Welt. Und weil sie ganz anderen Zwecken dienen, als die, die du aus beruflichen, Fan-technischen, filmwissenschaftlichen oder gesellschaftsdrückerischen Gründen guckst. Nämlich nur, um die Beine mal hochzulegen, eine Siesta zu überbrücken, oder vor dem Pennen noch mal auf andere Gedanken zu kommen. Auf Lanzarote war Tom-Atkins-Woche. Nicht zu verwechseln mit Christopher Atkins, der "Fackel" aus "Top Secret".

Birgit

In Rottach-Egern gab es Mitte der 80er drei Hotels der absoluten Luxusklasse. Das Bachmair am See, die Überfahrt, und den Walters Hof. Das Bachmair am See stand lange im Ansehen weit über den anderen, in den 70ern war dort Harald Juhnke Dauer-Showact, im Publikum des Night Club traf man Weltstars, Bayernspieler, Luxushuren. In den 80ern verkam es zur Kulisse für Fernsehkitsch a la "Schwarzwaldklinik", bot aber immer noch mit seinen diversen exquisiten Wohnanlagen und Spezialitätenrestaurants den Bayern und vielen Unterhaltungsstars eine Heimstatt. Heute ist es kaum mehr als ein Abglanz seiner großen Zeit, keiner von meinen im Tal verbliebenen Freunden wußte zuletzt gutes darüber zu berichten.

Die Überfahrt hatte den Touch des Neumodischen, aber den besseren Abschlepphafen im Nightclub-Keller. Damals wie heute. Die Überfahrt heißt Überfahrt, nicht um Engländer zu amüsieren, sondern weil man von dort mit einem Nachen die 200 Meter Seelinie nach Tegernsee übersetzen konnte, ohne fünf Kilometer einmal um die ganze Bucht zu latschen. 1984 hat mir Michaela dort auf einer Kellertreppe einen Iro geschnitten, der mir eine Beförderung beim Bund ersparte. Die Überfahrt wurde 2001 auf sehr umstrittene Weise renoviert. Ecki und andere fluchen darüber, aber mir gefällt ihr lush 60er-Art-Deco-Design recht gut.

Der Walters Hof war im Gegensatz zu den vorgenannten 1985 noch eine bessere Kneipe, aber immerhin schon das drittfetteste Kätzchen am Platz. In seiner Küche kochte Tim Kock (hihi), der später erfolgreich bei Iris Berben am Wiener Platz andockte. Tim war ein Punk aus Plön in Schleswig-Holstein, um die 20 wie ich, und lag soziokulturell mit mir auf einer Wellenlänge. Ich hatte 1983 mal im Bachmair am See gespült und fühlte mich auf eine perverse Art befördert, als ich als "Hausbursche" im Walters Hof anheuerte. Dann gab es noch Birgit, Kellnerin im Walters Hof und Tims heiße Freundin.

Birgit war ein aschblondes, hundertprozentiges A-Listen-Babe mit lupenreinem Mannheimer White-Trash-Pedigree. Blaue Kugelaugen, Schmollmund, Stupsnase, Dauerwellengebirge, die perfekte Figur. Ich hatte es auch nicht schwer, bei schönen Frauen anzukommen, mußte mich dafür aber bemühen. Tim fielen sie nur so um den Hals. In den paar Jahren, in denen wir gemeinsam um die Häuser zogen, hatte er drei Weiber, auf die ich selbst scharf war, und die anderen hätte er auch alle haben können. Nicht wie die Nase eines Mannes, sondern wie die Größe. Tim war 1,95 Meter. Dazu blond, bauäugig und schön. Und nicht blöd.

Ich aber stehe auf Spanking. Popoklatsch. Bin nachgerade davon besessen. Das wußte aber damals niemand. In einer Straßenbande ist es nicht gesund, sich allzu direkt zu abstrusen Perversionen zu bekennen, und sei es noch so eloquent formuliert. Nur ein paar ausgewählte Mädels wußten Bescheid. Die mit den roten Hintern.

Tim aber nannte eine Bude sein eigen, die damals ihresgleichen suchte. Großes Haus am Hang oberhalb vom Tegernsee. Unten eine öffentliche Disco, oben eine gigantisch große Wohnung mit rund ums Haus reichendem Balkon. Das war die Wohnung von Tim. Bei Tim haben wir gerne Videoabende veranstaltet, wie sich wohl versteht. Erst unten zechen und vielleicht ein bißchen Stunk machen, dann hoch in Dr. Evil's Secret Lair (so kommt es mir heute vor), und aus dem Bierkasten weiter trinken. Und einen Film gucken. "Nightmare" von Romano Scavolini zum Beispiel, "Hardrock Zombies", oder "Kleine Teufel", noch immer ein Geheimtip. Die alle habe ich da zuerst gesehen. Heute aber steht eine Zweitsichtung (für mich) auf dem Programm: "Creepshow" von George Romero.

Birgit trägt einen hauchdünnen Jogginganzug und schmiegt sich auf der Couch eng an mich. Sweeeet. Zum Glück ist und war Tim nie eine halbe Sekunde eifersüchtig. Es folgt die teilanimierte Eröffnung, in welcher ein Knabe sein Comic Book verliert an einen autoritären Dad, der ihm für den Wiederholungsfall in Aussicht stellt, einige Tage nicht sitzen zu können. Worauf sich Birgit zu mir umwendet, mich mit großen Augen anblickt, und mit anbetungswürdigem Gesichtsausdruck erklärt: "So was hat mein Vater auch mit mir gemacht. Mit dem Handfeger. Aber auf den nackigen Arsch."

Ich blicke fassungslos zurück, stammele etwas wie Uiuiui und denke mir meinen Teil. Sonst bin ich um spontane Reaktionen weniger verlegen ("Das hast du verdient, weil du immer die Bay City Rollers gehört hast."). Und wissen die Weiber eigentlich, was sie mit so etwas bei Männern anrichten können? Der strenge Vater aus "Creepshow" aber, der mir diesen unvergesslichen Moment bescherte, war Tom Atkins. Mir schon bekannt von

The Fog

aus dem Jahr 1980. Zufällig bin ich zu Halloween auf Lanzarote. In Spanien interessiert sich für Halloween genau gar keiner. Ist bloß ein schwuler amerikanischer Kackwichs für die. Und auf Lanzarote gefühlt gleich noch weniger. Nur ein paar blöde Briten zeigen falsche Flagge, schleifen unverdrossen feiste Kinder in albernem Fummel durch die tropische Nacht.

Ich aber falle Abends nach des Tages Action gerecht entkräftet in die Couch und werfe den Fernseher an. Bin noch nicht bettreif. Da müssen doch Horrorfilme kommen. 200 Programme, aber fündig werde ich bei ARD oder ZDF. Da gibt es "The Fog". Tom Atkins ist der Star. Nahezu augenblicklich muß ich an Birgit denken, ihren geilen Arsch, und den Spaß, den ihr Dad hatte. Gehabt haben mußte. Um es nochmal zu unterstreichen. Danke, mein Namensvetter. Und dann ist da Adrienne Barbeau. Ihr habt euch sicher schon gefragt, ob dieser Blog noch sexistischer geraten kann. Na, schaun mer mal.


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und so


Lanzarote 1

10 Uhr Abends, Oktober 2014. Wir liegen draußen am Strand an der Playa Dorada auf Liegestühlen, in denen sich tagsüber Neckermänner aalen (falls dieses Bild heutzutage noch irgend einem etwas sagt). Der Ralph und ich. Warten auf Nachschub. Bier. Nicht in irgendwelchen Liegestühlen, sondern denen aus Bast oder so geflochtenen Liegen, die nicht klamm werden, wenn am Meer mal die Nacht anbricht, sondern die trocken bleiben und trotzdem Widerstand bieten für deinen Körper, damit er nicht wegglitscht, wenn du gerade aus dem Meer steigst, noch feucht von dem wütenden Gott der Tiefe.

Eine milde Brise weht durch die Palmen, und zwölf Liegen weiter besteigt ein hundertprozentig minderjähriger Neger eine breithüftige, zirka vierzigjährige weiße Frau. Auf einem Liegestuhl am vermeintlich verlassenen Strand.

Später sitzen wir bei 21 Grad Nachttemperatur einander gegenüber im Schneidersitz auf der Hafenmauer an der Promenade von Playa Blanca mit San-Miguel-Dosen in der Hand, lieben das Leben und die Liebe, vor uns chinesische und britische Kneipen voller Budenzauber, Musik, Geschrei und angenehmen Gerüchen. Elf Uhr abends. Ich im grauen Kapuzenpulli, darunter Bayerntrikot, Van Bommel, noch gut erkennbar. Combat-Militärhose im Irakdesign, knapp über die Knie. Dazu ein Messer, für den Fall der Fälle. Ich bin ja Angler.

Draußen, in den fußhohen Wellen, treiben Hornhechte ihr Unwesen. Wenn man lange genug wartet, fängt man hier einen Barracuda, dort einen Rochen, direkt bei den Restaurants. Heute fehlt uns die Geduld. Oder wir haben keinen Bock.

Along come the British. Über die Promenade, der erste, eine miniberockter Schalampe fest im Griff, monströs, und wüst tätowiert, mit zirka einsachtzig noch erträglich, mustert uns wütend, geht aber weiter. Doch, oh weh: Dahinter der Typ locker zwei Meter hoch, in der Schulter so breit wie ein Kleinwagen, zugemalte Oberarme wie ich Oberschenkel (und ich bin kein Zwerg), mit einem komplett von allen Seiten eingeschlagenen, geschorenen Haupt, das sich wie eine Pyramide aus seinen halslosen Schultern erhebt. Ich frage mich, während ich ihn fasziniert anstarre, während er vorüber geht, wie und wo man einen Kerl wie diesen überhaupt verletzten kann.

Erst in diesem Moment wird mir bewußt, daß er mich die ganze Zeit über scharf zurück fixiert. Mit in seinem Spitzkopf kaum erkennbaren, böse blinzelnden Augen. Ich spüre die Bedrohung, bleibe zwar im Schneidersitz, aber wende mich den Briten zu und lasse sie keinen Moment mehr aus den Augenwinkeln. Der Mutant bleibt nun stehen und starrt mich unverwandt an. Ich ziehe das Messer aus meiner Hose. Nicht zu auffällig. Nur so weit, daß er es sieht. Nach dem Motto: Hey, der hat ja ein Messer. (Das ist ja auch nicht irgendein Messer. Sondern eines, das die Klinge nach außen & unten führt und oben als Totschläger fungiert, mit einer Stahlkugel am Kopf. )

Das ganze Scheiß-Restaurant beobachtet das Manöver. Der monströse Engländer bleibt stehen und grunzt etwas Unverständliches. Ralph steht von der Mauer auf und wendet sich wort- und gestenfrei den Briten zu, mit neutraler Miene, beide Hände in der Hose, einen guten halben Meter hinter mir. Ralph hat mexikanische Knasterfahrung, auf den ist Verlass. Jetzt stehe ich auch auf und ziehe das Messer komplett aus der Scheide, so daß Millwall es sehen kann. Dann führe ich die Hand mit dem offenen Messer hinter meinen Rücken, verbeuge mich halb, und lächele sie freundlich an.

Die Engländer teufeln auf uns ein, gehen einen Schritt nach vorn, wir keinen zurück, grinsen sie an, richten uns auf und auf sie ein. Und dann: Aus, Nikolaus. Sie geben klein bei. Der kleinere redet auf den größeren ein, der ziert sich pro forma noch ein wenig, die Weiber hetzen ein wenig, dann machen sich beide mit ihren betrunkenen Muschen davon.

Vielleicht haben sie aus Wut woanders einen vermordet. Hoffentlich nicht. Aber es waren die Typen dafür. Und wahrlich, meine Droogs, als wir gingen (und froh waren, noch zu leben), bin ich mir sicher, in manch ein lächelndes, gar zustimmendes Gesicht geblickt zu haben. Von Bullen war den ganzen Abend lang nichts zu sehen. Hier will ich wohnen, leben gar.

Playa Blanca

ps

Habe auf Lanza natürlich oft ferngesehen, später abends. Im Oktober lief, aus welchem beknackten Grund auch immer, "Halloween 3". Der war nicht ganz scheiße.

auch


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Tag, Fotze.


Tag, Fotze Häschen.




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