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Untergetaucht im Spinnwebwald


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Magical History Tour: Edgar Wallace - Das Wirtshaus von Dartmoor (Rudolf Zehetgruber, 1964)


Bekannter "Wallace"-Klassiker, lief damals im Kino. Anderthalb Sterne aber beinah ausschließlich für das sleazig inszenierte Dekolleté des so genannten "Schankmädchens". Freilich hält der Film die eine oder andere schöne generische Blüte bereit, von inszenatorischer Raffinesse aber - oder gar nachvollziehbarer Leidenschaft - ist man jedoch weit entfernt. Freuen darf man sich über Kleinigkeiten wie etwa so Sätze wie "Du, Kleine, ich habe noch nie daneben geschossen!" Wem das reicht... Hin und wieder auch ein müder Witz. Ansonsten durchaus sehr öde.

Magical History Tour


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Magical History Tour: High and Low (Akira Kurosawa, Japan 1963)


Der Himmel ist das Haus auf dem Hügel, die Hölle sind die Armenviertel am Fuße des Berges.

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Toshiro Mifune schaut hinab durch die feudale Fensterfront und sieht ihn nicht, den Kidnapper, der ihn erpresst. Der haust im Gewühl des Viertels und muss jeden Tag neidisch nach oben gucken. Auch Tatsuya Nakadai als Kommissar kann zunächst wenig helfen. Erst in der zweiten Hälfte, nach der Übergabe des Lösegeldes in der spektakulären Zugszene und nachdem der Film dann auseinandergebrochen ist, übernimmt er die Rolle des Protagonisten durch seine peniblen Ermittlungsmethoden. Der Täter freilich ist auch - mehr oder weniger - ein Opfer (der Gesellschaft) - und Gondo, wo er nicht gut ist, ein Täter. Am Ende im Gefängnis verschwimmen diese Kategorien beim Schuss-Gegenschuss in der Todeszelle. Wie sich das Gesicht des Gegenübers über das Abbild des eigenen, im Panzerglas gespiegelten Gesichts legt, lässt die Physiognomien verschwimmen und setzt so die Gegensätze in eins.

Japan Kriminalfilm Thriller Romanverfilmung


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Magical History Tour: The Kisaragi Sword (Yasushi Sasaki, Japan 1962)


Ein paar furchtlose Recken verhindern, dass der feindselige Owari-Clan in Edo die Herrschaft übernimmt, den Shogun exekutiert und damit absetzt. Ein Dieb, ein Trinker, ein Frauenheld, ein Streuner und ein Gambler schließen sich zusammen für die gute Sache - dabei sind es alle ehemalige Edelmänner, auch Schwertkämpfer von legendärem Ruf, die vom Leben enttäuscht wurden und ihr Dasein nun an den Rändern der Gesellschaft fristen. Hier wird teilweise groß aufgefahren, Massenszenen beim Aufruhr im Gefängnis mit hunderten von Darstellern. Insgesamt ist das ein streckenweise sehr unterhaltsamer, aber dann halt doch auch ziemlich zerfahrener Film, der unter seiner Überlastung durch verschiedene Subplots zu sehr ins Schlingern gerät, und somit den Fokus vermissen lässt. Ein ziemlich unbekannter Film ist KISARAGI SWORD, wohl nicht ganz zu unrecht. Missraten ist er aber nicht. Auch Tomisaburo Wakayama, den man kennen könnte, spielt ein kleine Nebenrolle. Er brummt, wie man es von ihm gewohnt ist.

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Magical History Tour: Zwei ritten zusammen / Two rode together (John Ford, 1961)


Später Film John Fords, in dem er noch einmal die Thematik von THE SEARCHERS wiederaufgreift. Diesmal mit James Stewart in der Hauptrolle, entgegen seines üblichen Rollencharakters besetzt; sowie mit einem smarten Richard Widmark, der sich von seiner einfühlsamen Seite zeigen darf. Wieder geht es darum, entführte Weisse ins gelobte Land zurückzuführen (sprich: zurück ind die einzige Gesellschaft, die wir eine solche zu nennen pflegen) - nur um festzustellen, dass sie keinen Deut besser ist, als die "unzivilisierte" der "Wilden". Der Mensch ist ein Raubtier, so die moralische Quintessenz des Films, ganz egal ob man nun Mokassins oder Reiterstiefel trägt, und nur das Individuum selbst kann sich kurzfristig gegen sie auflehnen. Fröhlich und zugleich pessimistisch schließt der Film mit einer what-the-heck!-Szene, in der der selbstbestimmte Mensch sein Zukunft nur im Anderswo finden kann. Soviel zur Hoffnung. Doch wir vermuten: auch jenseits des Horizonts wird sich eine Hölle auftun, wenngleich eine andere. Auch wenn die Sonne taghell vom Himmel brennt. Toll.

Western Comanchen Whiskey Kavallerie Siedler The Searchers


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Magical History Tour: Love Letter / Rabu Reta (Seijun Suzuki, Japan 1959)


Ein leider recht unbekannter, früher Film von Seijun Suzuki, der zur Abwechslung mal keine ruppige Gangster-Eskapade ist, sondern eine waschechte Romanze. Ein Nachtclubbesitzer ist in seine Pianistin verliebt, diese aber in ihren Boifrendo, welcher als Mountain Ranger in einem Gebirg die ganze Zeit auf Jagd ist (und Tieren das Leben nimmt). Nach getaner Arbeit: Alkohol. Dort hat er sich recht eindeutig von den menschlichen Sozialübereinkünften losgesagt. Als sie ihn überraschend besucht, macht sie dann eine unangeneheme Entdeckung. Er wiederum fällt mir nichts dir nichts ausgerechnet den Baum, in den sie vor Jahren ihr Liebesherz eingeschnitzt haben. Sie weint, er schaut wie versteinert. Wieder in Tokyo kann der Nachtclubmann sie aber trotzdem nicht becircen, auch wenn er eine Schnulze anstimmt. Und so geht es dann weiter. Hübscher Film, für den meines Wissens nur als Kinokopie Untertitel vorliegen. Hier könnte sich also jemand mit ausreichend Japanischkenntnissen noch für eine bessere Gesellschaft einsetzen.

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Fantasy Filmfest 2014: CANÍBAL (Manuel Martín Cuenca, Spanien 2013)


CANNIBAL ist ein extrem durchdacht gefilmter Horror-Kunst-Film, der eher im Arthousedrama verortet ist, als in der Midnight-Schiene. Das beginnt schon mit einer statischen Einstellung aus der Ferne auf eine nächtliche Tankstelle, die wie völlig isoliert vielleicht in der spanischen Hochebene steht. Es ist stockdunkel, Figuren gehen umher, tanken, rauchen, bezahlen, fahren los. Das Auto fährt auf die Kamera zu und vorbei - plötzlich fährt die Kamera ebenfalls los, dreht, dem Wagen hinterher. Überaschung: es war die subjektive Perspektive des Verfolgers, die man als stylische Kadrageneskapade missdeutete.

Auch im Folgenden bleibt sich der Film seiner großartigen Bilder treu, schlichte Kompositionen, durchströmt von einer ruhigen Weltferne, die in krassem Kontrast steht zur blutigen Handlung eines Schneidermeisters, der allzugerne junge Damen verzehrt. Ein Connaisseur wie Hannibal, von Mads Mikkelsen verkörpert, distinguiert und immer: feine Manieren. Mir hat der Film ausgezeichnet gefallen, wenngleich man hört, er sei vielen zu öde. Ich finde, er fliegt vorüber.

FFF Fantasy Filmfest Blut und Brüste Andalusien


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Magical History Tour: Wind, Woman, and Road / Kaze to onna to tabigarasu (Tai Katô, Japan 1958)


Relativ rarer und unbekannter Jidaigeki-Film von Tai Katô, der in späteren Jahren vor allem durch seine Yakuza-Streifen bekannt geworden ist. Das hier ist sein erster größerer Erfolg, der von zwei Ganoven erzählt, die aufgrund eines Missverständnisses - weil sie sich mit den Schwertern schlagen wollen sehen sie aus wie Banditen, die einen Goldtransport überfallen - plötzlich reich sind. Der ältere der beiden (Sentaro) zwingt den Jüngeren (Ginji) aber dann dazu, das Gold den Dorfbewohnern zurückzugeben. Nun ist es aber ausgerechnet dasjenige Dorf, das damals Ginji verbannt hatte - da ist also noch eine Rechnung offen. Bald kreuzt auch der Oberganove "Hanzo The Snake" auf, ein dicker Rüpel mit scharfem Blick, der es freilich auf die Kiste mit den leuchtenden Ryo abgesehen hat. Sentaro wird dann beim Händel von einem Gewehr angeschossen, was zum klassischen Ronin-Film auch noch die bekannte Thematik von Tradition vs. Moderne hinzufügt.

Ordentlicher Film, etwas dialoglastig und wohl fast komplett im Studio entstanden, kann er den Samuraifilm-Anhänger durchaus beglücken. Etwas Herausragendes hat er zwar nicht zu bieten, abgesehen von der manchmal schrägen Tonspur vielleicht, aber er ist ein solider Entertainer. Für einen gemütlichen Abend durchaus geeignet, und pasheko würde ihm vermutlich das Adjektiv "hübsch" angedeihen lassen. Soviel.

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Magical History Tour: The Tin Star (Anthony Mann, USA 1957)


Der ältere Mann, Lehrer des jüngeren, findet zu seiner Bestimmung zurück, der jüngere, der Schüler, findet überhaupt zum erstenmal zu ihr. Konsolidierung der Ordnung, positiver Ausblick, Hinwendung zur Zivilisiertheit und Zivilisation wie man sie als Rechtssytem heute kennt. Die Außenseiter und Querdenker sind es, die die Gesellschaft voranbringen; dies vielleicht die schönste Moral des Films. Ein vielschichtiger Western, wunderbar gedreht, der seine Moral nicht vor sich her trägt, immer fein ausbalanciert und keine Minute zu lang. Henry Fonda und Anthony Perkins machen ihre Sache - wie Bösewicht Neville Brand - toll. Den Film hatte ich immer irgendwie übersehen, die Frage ist, warum. Sehr schön.

Magical History Tour Western Gesetzlose Lynchmob


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Magical History Tour: Storm Center (Daniel Taradash, USA 1956)


Politisch motiviertes und anti-McCarthy-positioniertes Gesellschaftsdrama, in dem die Leiterin einer Stadtbibliothek (Bette Davis) auf Drängen der Stadträte das Entfernen eines Buches mit dem Titel The Communist Wave ablehnt. Sie setzt darauf, dass sich das Buch - wie Mein Kampf - selbst entlarvt. Doch soviel will man den Leuten nicht zutrauen, außerdem versucht einer der Herren einen Skandal zu inszenieren, den er als Sprungbrett für seine Kampagne missbrauchen will - er möchte gerne Bürgermeister werden. Die sympathische Bibliothekarin bleibt dabei auf der Strecke.

Der Film würde sehr gut zu einem Double-Feature mit Truffauts dystopischem Fahrenheit 451 passen, wenngleich die US-Produktion weniger subtil vorgeht und am Ende unnötig moralisch belehrend endet. Hier hätte man seinem Zuschauer auch etwas mehr zutrauen können. Dennoch sehenswert.

Wenn Bücher für Kinder zum Alptraum werden:

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Magical History Tour McCarthy Bibliothek Bücher Columbia


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Magical History Tour: Kiss Me Deadly / Rattennest (Robert Aldrich, 1955)


Mike Hammer, Privatdetektiv, versucht nach einem Anschlag auf sein Leben das Mysterium um Christina zu lösen, eine junge Frau, die ihm - aus dem Irrenhaus flüchted - nachts vor den Wagen gerannt war. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf ein Rattennest an Gangstern, die es ebenfalls auf Christinas Vermächtnis abgesehen haben. Und keiner weiß so richtig, was das überhaupt ist. Aber eines ist klar: es ist ist ungemein wertvoll.

Mickey Spillane, von dem die Story stammt, ist einer jener berühmten amerikanischen Pulp Crime - Writer ab Ende der 40er, die ihre Hard Boiled-Helden als Sympathiefiguren dem Untergang weihen. Mike Hammer ist ein Raubein, das zuschlägt, schreit, Leute fertig macht, säuft, herumhurt und im Zweifel auch Gegner erschießt. Kein Wunder hasst ihn der Polizeikommandant. Die Pulp Novels gingen in die Geschichte ein für ihren sensationalistischen Inhalt, für die sexuelle Explizitheit und ihre extreme Gewalt. Ein Autor wie James Ellroy steht ganz klar in dieser Nachfolge. Die Titel der Mike Hammer-Serie haben denn auch sprechende Titel: I, THE JURY, MY GUN IS QUICK, THE BIG KILL, oder eben: KISS ME DEADLY.

Während die drei vorherigen Mike Hammer-Verfilmungen ziemlich gerdeaus waren, kann man dies beim besten Willen von KISS ME DEADLY nicht behaupten. Der Plot mäandert - manchmal geradezu verwirrend - durch den Film, Anschlüsse können verpasst, Handlungsfolgen übersehen werden. Ereignisse, die übrigens sich gut zusammenfügen, bei mehrfacher Sichtung (dies meine dritte). Die durchaus zähe Ermittlungsphase wird dabei immer wieder von Actionhandlung unterbrochen, die dann gegen Ende zunimmt, wenn sich die Auflösung langsam zuspitzt. Dennoch ist KISS ME DEADLY meines Erachtens kein einfacher Film "für zwischendurch".

Neben der komplexen Handlung gibt es aber vor allem die tolle Kamerführung von Ernest Laszlo zu bewundern, die an den Film Noir erinnert. KISS ME DEADLY ist schwarzweiß, spielt häufig nachts, in seedy Bars, mit Jazzmusik und whiskygeschwängerter Atmosphäre. Die Barmänner fragen in diesen Filmen nie nach den Sorgen der Gäste. Da wird einfach die Flasche abgestellt. Wer sich in Robert Aldrichs Werk und Biographie besser auskennt als ich, wird vermutlich auch die Frage beantworten können, warum er nach seinen beiden erfolgreichen Technicolor-Filmen (APACHE und VERA CRUZ) nun ausgerechnet so einen Low Budget-Film gedreht hat. On Location, übrigens. Das sieht man ihm an, und macht auch ein Stück weit seinen Charme aus. Seine Stylishness und seine immer wieder auftauchenden literarischen Verweise, gepaart mit der Genre-Gangstergeschichte, müssen auch die Elemente gewesen sein, die die europäische Nouvelle Vague an Aldrich interessiert haben muss. Es ist ein Film, von dem viele Verzweigungen abgehen, und der wohl bis heute wirkt... vermutlich bis hin zu Quentin Tarantino.

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