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»The Retina of the Mind's Eye«

Hicks Filmtagebuch

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Die Rache der kupfernen Schlange (Dr. Satan’s Robot) (TV)


Ein Hechtsprung nach vorn, zwei Schritte zurück

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Dr. Satan's Robot(er)


Ich hätte genauer hinsehen sollen: Robot steht im englischen Titel eindeutig im Singular – und im Film steht dieser singulärer Roboter zudem erst ganz am Ende. Und zwar am Ende eines sehr seltsamen und nicht gerade abwechslungsarmen Films. Zur Verteidigung darf aber auch angeführt werden, dass “Dr. Satan’s Robot” eigentlich gar kein Roboterfilm aus den 60ern (so meine neue Filmreihe, die er einläuten sollte!) ist, sondern eine Kurzfilm-Serie aus dem Jahr 1940, in deren einzelnen Episoden zwar immer wieder die Rede davon ist, dass der böse Dr. Satan dem Erfinder Dr. Scott seine just entwickelte Fernsteuerung abnehmen will, um damit “Roboter” (hier wäre er, der trügerische Singular/Plural!*) zu kontrollieren und die Welt zu beherrschen. Diese Rede wird allerdings erst ganz am Ende in wenigen Filmsekunden zum Bild, wenn sich ein – man kann es nicht anders sagen – wankender Blechkübel auf die mittlerweile gefangenen Gutwichte zubewegt, um sie zu erdrücken. Dumm nur, dass es der Film-Superheld “Die kupferne Maske” zwischenzeitlich wieder einmal geschafft hat, Dr. Satan zu überwältigen und ihm seine Maske überzustülpen, so dass die (Fern)Bediener des Roboters glauben, ihren Erzfreind zu töten und dabei ihren eigenen Boss erledigen.

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Der Held springt zur Rettung herbei


Die Filmserie ist 1966 fürs Fernsehen zu einem Spielfilm zusammengeschnitten worden – und zwar nicht gut. Zum einen gibt es hörbare Brüche auf der Tonebene (der Soundtrack bricht häufig mitten im Ton ab, es wird still oder andere Musik ist zu hören), zum anderen werden Handlungsstränge derartig brutal abgebrochen, dass man sich mühevoll zusammenreimen (oder es einfach glauben) muss, wie es diese oder jene Figur geschafft hat aus dieser oder jener brenzligen Situation zu entkommen. Das macht allerdings nach einiger Zeit, wenn man begriffen hat, dass der Film eine Art Zusammenfassung eines viel längeren Films zu sein versucht, auch nicht wenig Spaß. Zu den Kapriolen, die der Plot schlägt, kommt eine auffällige Häufung hüpfender Figuren hinzu. Wohl nur selten hat man derart beherzte Hechtsprünge in einem Film sehen können, wie in “Dr. Satan’s Robot”. Das Sahnehäubchen auf dem Ganzen bildet dann noch die deutsche Tonspur, die alles mögliche und unmögliche ändert, ohne dass ein Grund dafür einfiehle: Da wird zum Beispiel aus “Dr. Satan” ein “Dr. Seaton” – warum nur? Sogar in den 40ern (in denen der Film sicherlich nicht in Deutschland zu sehen war) dürfte die Angst vor der Wirkung eines bösen Namens (vgl. Zensur von Paul Lenis “Das Wachsfigurenkabinett”) schon passé gewesen sein.

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Fersteuerung des Roboters: emergente Technikeffekte


* Natürlich ließe sich dieser Einzelroboter, der für eine Armee steht, wieder an den Diskurs der 50er-Jahre (“Target Earth“) anschließen. Hier kommt jedoch noch etwas anderes hinzu, dass für die Serienstrktur nicht unbedeutend ist: Der McGuffin-Aspekt. Die Filmserie hieß “Mysterious Dr. Satan” – und nichts im Titel deutete auf den/die Roboter hin, mit denen Zuschauer angelockt bzw. hingehalten werden werden konnten. Dass Dr. Satan einen Roboter erfunden hat, wirkt technikhistorisch zudem auch weniger spektakulär als die Inszenierung jener ominösen Fernbedienung, die Dr. Scott ständig vor dem Zugriff des Bösewichtes zu schützen versucht. Fernbedienbarkeit von Haushaltsgegenständen war 1940 noch reine Utopie, was ihr unheimliches Surplus erklären dürfte. (1966 war das Thema “Fernbiedienung” als Novum vom Tisch – ihre zunehmende Allgegenwärtigkeit auf den Tischen in zahlreichen Wohnzimmern könnte allerdings wiederum “unheimliche” Aspekte geborgen haben.) Mit welcher fantastischen Macht diese Geräte in den Visionen von 1940 ausgestattet sind, zeigt “Dr. Satan’s Robot” mehr als deutlich:

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Fernbedienung und Fernblick


Wer die Fernbedienung von Dr. Scott besitzt, kann damit nicht nur jedes(!) technische Gerät – vom Flugzeug bis zum Roboter – steuern, sondern bekommt über die Technologie auch Einblicke, die sonst unmöglich wären: Als etwa im ersten Testlauf ein Schiff ferngesteuert werden soll, sieht man auf der Konsole der Fernbedienung dieses Schiff auf dem Monitor in unterschiedlichen Perspektiven, was zumindest die Anwesenheit einer beobachtenden Technologie in einiger Distanz voraussetzt. Dasselbe bei einem späteren Versuch Dr. Satan’s, der mit der mittlerweile gestohlenen Technik ein Flugzeug unter Kontrolle gebracht hat, in dem sich Prof. Williams befindet, welcher eine Anti-Fernsteuerungs-Technik entwickelt hat (!!!): Hier wird das Flugzeug auf dem auf der Erde befindlichen Steuerungspanel ebenfalls von Außen und in mehreren Perspektiven gezeigt. In beiden Fällen muss aber der Held “Die eiserne Maske” mit einem Motorboot bzw. einem Sportflugzeug erst anrücken, um durch die Fernbedientheit verursachte größere Katastrophen zu verhindern. Das Auge der Fernbedienung ist also impersonell. In beidem zeigt sich: Fernbedienungen bergen emergente Eigenschaften!

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Home Invasion Control


Dass das Thema “heimliche Überwachung” hier nicht etwa bloß ein skriptnotwendiger Unfall ist, sondern als subtiler Diskurs innerhalb der Story fungiert, zeigt sich nicht zuletzt an dem technisch gut ausgestatteten Laborgebäude Dr. Satans: An einer Wandtafel wird ihm das gesamte Haus in der Draufsicht als Umrissplan angezeigt – und, wo sich ein “Eindringling” (hier als leuchtender Punkt) gerade befindet. Zeitweise wirkt diese Kontrolle wie ein Videospiel, wenn Dr. Satan etwa weiß, dass der Eindringling gleich auf zwei Wachen treffen wird und schon gespannt auf den Ausgang dieser Begegnung ist. Für die Suspense ist diese Draufblickperspektive ebenfalls nützlich: Wir wissen, dass sich die Entführten im “Robot Room” befinden, wo sie ihrer Ermordung harren – wird der Held sie im labyrinthischen Haus und trotz sich in den Weg stellender Gegner finden können?

Hmm, toller Film eigentlich. :D


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Schach dem Roboter (Le collectionneur des cerveaux, F 1976, Michel Subiela) (VHS)


Der Roboter ist nur dort ganz Mensch, wo er spielt

Dieser Film genießt - wie man lesen kann - einen gewissen Kultstatus. Der ist zum Einen wohl durch seine Seltenheit bedingt (eine DVD oder Videokassette scheint es nicht zu geben und im TV lief er zuletzt 1990), zum Anderen aber sicherlich durch seine gekonnte Verknüpfung von technik- und kulturhistorischen Motiven mit Themen des Verschwörungs- und Paranoia-Thrillers:


Im Zentrum steht die Begegnung der Klavier-Virtuosin Penny mit dem Comte de Saint Germain, einem Konstrukteur von "Robotern" - Maschinen, die sowohl Instrumente als auch das Schachspiel beherrschen. Germain möchte Penny als Modell für einen neuen Klavierspiel-Automaten gewinnen und lädt sie zu sich ins Atelier ein. Zuvor liest sie in der Zeitung jedoch von einer Ausstellung seines Schachautomaten, die sie heimlich besucht. Dabei bemerkt sie, dass der Roboter auf ganz ähnliche Weise Schach spielt wie ihr seit langem in Südamerika verschollener Verlobter. Zusammen mit ihrem Freund Lewis geht sie dem Phänomen auf den Grund. Mit Hilfe von ehemaligen Schachpartnern ihres Verlobten erfährt sie, dass nicht nur die Art zu ziehen, sondern auch die Strategien des Roboters denen des Verschollenen aufs Haar gleichen. Noch zieht Penny daraus nur den Schluss, dass Germain ihren Verlobten gekannt haben muss - was dieser auch bestätigt: Er habe sich durch den Schachmeister damals in Argentinien zu seinem Roboter inspirieren lassen; mit dem kurz darauf erfolgten Verschwinden habe er aber nichts zu tun. Nach und nach entdecken Penny und Lewis, dass nun aber auch bei der Konstruktion des Klavier-Roboters seltsame Dinge vor sich gehen. Der bei den Probeaufnahmen anwesende Schachroboter erleidet regelrecht einen Zusammenbruch, als er das Spiel der Frau hört. Und die Puppe, die Germain von der Klavierspielerin anfertigt, ähnelt Penny sehr - außer, dass ihr Kopf (noch) leer ist. Womit er gefüllt wird, das ist das schreckliche Konstruktionsgeheimnis St. Germains und gleichzeitig des Rätsels Lösung für das Verhalten des Schachroboters und das Verschwinden von Pennys Verlobten.

Einmal davon abgesehen, dass "Schach dem Roboter" eine wirklich gelungene Kriminalerzählung im ruhigen Tempo und trotzdem mit nicht wenigen Action-Szenen darstellt, laufen in ihm gleich mehrere sehr interessante Bezüge zusammen. So ist zunächst der Comte de Saint Germain nicht nur nach der historischen, schillernden Figur des Grafen St. Germain benannt, sondern er identifiziert sich im Film auch mit diesem "unsterblichen Genie". Zugleich finden sich in seinen Maschinen Anspielungen an den Schach-Türken und andere Automaten des Konstrukteurs Wolfgang von Kempelen, einem Zeitgenossen St. Germains. Und auch diese Ähnlichkeit streitet der Film-Antagonist nicht ab. Wo so viel vorsätzliche Vorlage im Spiel ist, lohnt es sich immer besonders, nach den nicht genannten Quellen des Stofffes Ausschau zu halten. Und einige wichtige scheinen mir tatsächlich zu existieren.

Zunächst die zum Roman "Die Eva der Zukunft" von Auguste de Villiers de L’Isle-Adam - einem der ersten Roboter-Romane der Literaturgeschichte. Verwandt sind sich beide Stoffe vor allem in Hinblick auf die in ihnen dargestellten Erfinder (hier St. Germain, bei Adam Edison - eine Vexierfigur des historischen Erfinders) und in Hinblick der Konstruktionsprinzipien ihrer Maschinen. Beide Erfinder stehen in gewisser Hinsicht außerhalb der Moral (sozusagen in einer Reihe mit Viktor Frankenstein und Captain Nemo), ohne jedoch den Bezug zur zeitgenössischen Moralität zu verleugnen. Sie negieren ihn schlicht dadurch, dass sie mit ihren Maschinen gesellschaftliche und private Tatsachen, die sie als Probleme identifiziert haben, beseitigen wollen und dabei auch vor der Vernichtung biologischen Lebens und anderen Tabubrüchen nicht zurückschrecken. Der Geist des Genies (nach) der ersten industriellen Revolution ist in ihnen sozusagen perfekt verkörpert: Die Technik soll den Menschen nicht nur von seiner Muskelarbeit befreien, sondern auch gleich noch von seinen Muskeln selbst. Die Dichotomie zwischen Leib und Seele wird zugunsten der zweiten und mit Hilfe des technischen Automaten beseitigt.

Die Vorgehensweise ist sowohl bei St. Germain als auch bei Adams Edison bestimmt durch das Prinzip der Mimesis. Die Apparate sollen perfekte Doubles sein. Edisons "Eva" nicht nur im inneren (der Roman klärt über zig Seiten auf, wie das Innere gestaltet ist, damit es den Anschein von Lebendigkeit erweckt), sondern auch im Äußeren. St. Germain geht es indes - und das verbindet ihn einmal mehr mit von Kempelen und seinen Spielzeugen - um die Simulation geistiger Prozesse, zu denen er vor allem das Spielen zählt (das nach Schiller die conditio humana schlechthin bildet). Sein Schachautomat ist wie sein Klavierautomat am Meister orientiert und wiederholt das, was als Meisterschaft anerkannt ist und sich nach Außen hin als solche identifizieren lässt. Der Übergang von der geistigen auf die motorische Simulation ist dabei fließend: Die Handbewegungen der Klavierspielerin scheinen St. Germain ebenso nachahmenswert wie die Art und Weise mit der ihr Verlobter die Schachfiguren auf dem Brett bewegt. Diesen seltsamen (und verräterischen) Hang zu gestischen Nachahmung hat er zuvor mit Spielmaschinen, die Jongleure und Akrobaten nachahmten, erprobt (wäre es nicht zu unwahrscheinlich, könnte man beinahe eine Auseinandersetzung mit Claude Shannon als dritte Inspiration zum Stoff vermuten). Dort hatte er noch einen gewissen Sinn, beim Klavierspielen ebenso - aber dass die Qualität des Schachspiels in irgend einer Weise von der Handführung abhinge ...

Ohne hier zu weit in ein Feld, auf das ich mich erst vortaste, schreiten zu wollen, scheint es mir doch so, als transportiere der Film genau in diesem unsinnigen Widerspruch Denkpositionen vom Spätbarock bis Ende des 19. Jahrhunderts in die Gegenwart der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Die scheinen zum einen die "metaphysische" Verbindung von Physis und Psyche zu betreffen, deren "Versinnbildlichung" ja die zahlreichen Automaten sind, die Menschen und Tiere nachbilden. Zum Anderen kondensiert gerade im Denken und Handeln St. Germains ein Weltbild der Physik, die im Rückblick (also in der Begegnung mit und Bewertung von Jenny und den anderen Protagonisten der 70r) als allzu mechanistisch erscheint, die - mit Ernst Mach gesprochen - vielleicht "das Handwerkzeug einer Spezialwissenschaft für die eigentliche Welt" hält.


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Robots (USA 1995, Chris Wedge) (DVD)


Wenn Roboter (wie) Menschen wären

John Cohens kulturhistorisch sehr reichhaltiges, technisch aber etwas naives und streckenweise sogar recht kulturkonservatives Buch "Golem und Roboter. Über künstliche Menschen", erschienen 1968 im Frankfurter Umschau-Verlag und dessen Reihe "Wege zum Wissen", reiht neben allerlei mythologische und kunsthistorische Roboter-Geschichten auch erkenntnistheoretische und moralphilosophische Erwägungen zum Thema. Eine davon konzentriert sich auf die Frage, ob Menschen in der vollindustrialisierten Gesellschaft nicht längst schon die Eigenschaften von Robotern übernommen hätten:

Zitat

"Man beschäftigt sich viel mit dem Problem, einen Roboter zu schaffen, der einen Menschen nachahmt; weniger Aufmerksamkeit schenkt man dem Menschen, der sich wie ein Roboter verhält. Unter den weitgehend vom Wettbewerb geprägten Lebensbedingungen unserer industrialisierten Welt kann ein Mensch sich in die Arbeit stürzen, ohne irgendwelche Freude daran zu haben - einfach, um die Stimme der Triebe, denen er nicht begegnen kann, zum Schweigen zu bringen. Er arbeitet ununterbrochen wie ein Roboter." (1)

Nun wissen wir aus der Humor-Theorie Bergsons, dass das Komische "eher steif als häßlich" ist, denn: "Komisch sind die Haltungen, Gebärden und Bewegungen des menschlichen Körpers genau in dem Maß, wie uns dieser Körper an einen gewöhnlichen Mechanismus erinnert." (2) Bergson führt das aus:

Zitat

"wir müssen im Innern dieses Menschen so klar wie durch Glas einen zerlegbaren Mechanismus erkennen. Die Suggestion muß aber auch diskret sein, und die Person, deren Glieder zu ebenso vielen mechanischen Bestandteilen versteift wurden, muß uns als Ganzes weiterhin den Eindruck eines lebenden Wesens vermitteln. Je exakter beide Vorstellungen - Mensch und Mechanismus - ineinander greifen, um so erschütternder ist die komische Wirkung" (3)

So, damit wäre Cohens an Fließband angeschlossener "robot" (tschechisch: "Arbeitssklave") nicht etwa traurig, sondern komisch anzusehen, was seinem Schicksal noch eine besondere Tragik verleiht. Erklärt scheint mir damit aber auch, warum ein Film wie Chris Wedges "Robots" von 2005 eine lupenreine Komödie ist - und zwar immer genau dann, wenn die in ihm menschlich handelnden Roboter sich auf einmal wieder robotisch benehmen. Cohen hat ein paar Sätze zur Lächerlichkeit von Robotern übrig:

Zitat

"Wir lachen, wenn wir einen Menschen sehen, der sich wie ein Automat verhält, wenn ein Redner zum Beispiel seinen Kopf stereotyp hin- und herbewegt. Wo wir Leben erwarten, und es erscheint ein Mechanismus, wird Lachen ausgelöst.(4) Und umgekehrt lachen wir, wenn ein richtiger Roboter sich wie ein Mensch verhält, und je größer die Ähnlichkeit ist, um so komischer finden wir die Situation. Es ist schwer, sich vorzustellen, daß ein richtiger Roboter lacht, weil ein anderer Roboter menschlich aussieht, oder umgekehrt, weil sein Konstrukteur sich selbst wie ein Roboterkamerad zu benehmen scheint." (5)

Damit liefert Cohen nicht nur eine vage Annäherung an das Phänomen, das in Robotik und analytischer Philosophie heute als "uncanny valley" diskutiert wird - denn das Auslachen des menschlichen, aber nicht allzu menschlichen Roboters ist wie jedes Lachen auch eine Geste der Angst - sondern unternimmt (im letzten Satz) auch einen Distinktionsversuch, Menschen von Robotern unterscheidbar zu machen, sollten letztere äußerlich allzu menschlich werden. Obwohl er Turing kennt und zitiert, verlässt er sich bei seinen Unterscheidungsmethoden doch eher auf psychologische Mittel. Er nennt dazu "mindestens drei Dinge, die für den Menschen charakteristisch sind, für den Automaten im Augenblick noch unerreichbar. [...] lachen (oder weinen) [...] erröten [... und] Selbstmord" (6). (Zumindest das letzte ist seit kurzem wohl kein hartes Distinktionskriterium mehr.)

Um noch einmal zu Wedges "Robots" zurück zu kehren: Der Film zeigt natürlich keine Roboter-Gesellschaft, sondern eine Gesellschaft von Menschen, die wie Roboter aussehen; Wir lachen hier also über beides gleichzeitig und die Roboter im Film lachen übrigens auch (und schämen sich), was sie mit Cohen gedacht einmal mehr als verkleidete Menschen entlarvt.

Dass es im Film allerdings zentral um ein marktwirtschaftliches und gewerbliches Thema geht (nämlich den Ersatzteilhandel) und die Frage, ob ein guter Kapitalist besser, d. h. robophiler ist als ein böser Kapitalist, bindet "Robots" auf sehr vertrackte Weise wieder an Cohens Ausgangsüberlegung des "robot" zurück und lässt uns das Lachen schließlich eigentlich im Halse stecken bleiben: Denn die Maschinen sind existenziell bedroht, weil ihnen die Ersatzteile ausgehen und sie sich keine neuen leisten können. Abhilfe kann nur der gute Kapitalist schaffen, der aus Altruismus solche Teile verschenkt.

Dass die Roboter - wie etwa in Rudy Ruckers Roman "Software", der so ziemlich dasselbe Thema hat - die Macht in die eigene Hand nehmen, eine echte Anarchie aufbauen und nach den Individuen damit auch das Gesellschaftssystem robotisch-gleichgeschaltet wird, steht in einem Kinderfilm leider nicht zur Debatte.

Anmerkungen:

1. John Cohen: Golem und Roboter. Über künstliche Menschen. Frankfurt am Main: Umschau 1968 (Reihe: Wege zum Wissen), S. 119.
2. Henri Bergson: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen.Darmstadt: Luchterhand 1988, S. 28.
3. Ebd., S. 29.
4. Dieses Beispiel hat Cohen nebst der Schlussfolgerungen daraus frecherweise ohne Quellenangabe direkt von Bergson übernommen.
5. Cohen, S. 129f.
6. Ebd., S. 129.

Roboter


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Devil Girl from Mars (GB 1954, David MacDonald) (DVD)


»I'm a scientist. Take me with you.«

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Roboter Johnny steigt aus dem UFO aus

Einer der ominösesten Beiträge zum Roboter-Film der 1950er Jahre dürfte wohl MacDonalds Invasions-Kammerspiel sein: In einem ländlichen "Inn" stoßen ein entflohener Sträfling (dessen Freundin dort arbeitet), ein Professor und ein Journalist sowie die Bediensteten und Inhaber des Hotels zuerst zufällig aufeinander und dann auf eine Frau vom Mars. Der Professor und der Journalist sind nämlich in der Gegend, weil dort merkwürdige Himmelsphänomene beobachtet wurden. Die entpuppen sich als UFO, das im Vorgarten der Gaststätte landet. Von ihm geht eine Art EMP aus, so dass weder das Telefon noch das Auto funktioniert und die Gruppe damit isoliert ist.

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Marsianerin & Fernbedienung

Daraus hervor steigt eine Marsianerin, die möglichst viele Männer von der Erde auf den Mars entführen will, weil ein lang zurück liegender Geschlechterkrieg und eine ultimative Waffe ("a perpetual motion chain reactor beam") nur noch die Frauen übrig gelassen hat. Eigentlich wollte die in enges Latex (!) gekleidete Marsianerin in London landen, hat sich aufgrund der dichten Wolkendecke aber verflogen. Sie errichtet um das "Inn" eine unsichtbare "electronic wall" und plant die dortigen Männer zu kidnappen (zuerst einen kleinen Jungen, weil ihr der am gefügigsten scheint). Es gibt ein paar Verwicklungen, die ich jetzt hier nicht ausbreiten möchte; jedenfalls ist sie irgendwann so verärgert über die Menschen, dass sie sie alle samt ihres Hauses zerlasern will. Einer soll sie jedoch begleiten (der Professor bietet sich mit dem hier als Titel verwendeten Zitat an), der ihr den Weg nach London zeigen soll. Sie wählt den entflohenen Sträfling. Der lässt sich zuvor vom Professor instruieren, wie das Ufo zu vernichten ist. Das klappt auch.

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Johnny gibt eine Machtprobe

Und wo ist der Roboter? Der hat genau zwei Auftritte: einer ist circa drei Minuten lang, der andere eine. Die meiste Zeit verbringt er damit, aus dem Raumschiff zu steigen und herum zu stapfen - er ist nämlich nicht besonders schnell. Allerdings hat er einen Röhren-Kopf, der leuchten kann, und er ist gut bewaffnet. Er heißt übrigens "Johnny" und besteht der Marsianerin zufolge aus "organischem Metall". Johnny verfügt offenbar nicht selbst über Entscheidungsmöglichkeiten, sondern wird mit einer skurrilen drei-antennigen Fernbedienung gesteuert. Der Professor ist zwar ob der Beschaffenheit von Johnny verwundert ("They turned the inorganic into the organic."), nicht jedoch von seiner ausschließlichen Funktion: bedrohen. Die Menschen hätten nämlich selbst mächtige Maschinen, mit denen sie Zerstörung anrichten können, hält er der Marsianerin entgegen. Da hat er recht und deshalb bleibt Johnny dann auch im Raumschiff.


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Gog (USA 1954, Herbert L. Strock) (DVD)


»A clever calculating killer«

Warum dieser Film nach einem von zwei am Rande in ihm auftauchenden Robotern benannt ist, ist mir ein Rätsel – es sei denn, ich wollte die sich mir aufdrängenden sexuellen Konnotationen des Films auf eine mögliche phonetische Ebene verschieben – doch dazu später.

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Safer Gog ...

Irgendwo in einer US-amerikanischen Wüste existiert eine unterirdische Forschungsstation, in das “Race for Space” vorbereitet werden soll: Dort wird eine Raumstation entworfen, Technologien für Astronauten erprobt und das alles mit Hilfe einer “giant brain machine”, dem NOVAC – “Nuclear Operative Variable Automatic Computer”. Als es einen mysteriösen Unfall gibt, in dessen Verlauf bei einem Kälteexperiment zwei Wissenschaftler der Station ums Leben kommen, wird ein Regierungsbeamter in die Station entsendet, um den Vorfall zu untersuchen. Zunächst wird ihm der Aufbau des unterirdischen Gebäudes erklärt, dann von einer beunruhigenden Entdeckung berichtet: Verteilt über die ganzen fünf Stockwerke des Bunkers hat man seltsame Sende- und Empfangsboxen gefunden, deren Herkunft und Aufbau nicht erklärbar ist.

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In der Bunker-Zentrale

Sofort wird feindliche Spionage gewittert – insbesondere, weil ein unbekanntes Flug-Objekt in von Menschen bislang unerreichter Flughöhe das Gelände überfliegt. Während die ersten drei Etagen des Bunkers geräumt werden (ein konventioneller Bombenagriff könnte die oberste, ein Atombomben-Angriff die zweite und ein Wasserstoffbomben-Angriff sogar die dritte erreichen), geschehen immer seltsamere Dinge: In einem Labor für sonische Experimente wird ein Ton erzeugt, der den dort befindlichen Wissenschaftler beinahe umbringt. Eine Frau wird durch eine neue Technologie von “sun mirrors”, mit denen die Lichtenergie der Sonne verdichtet und gebündelt wird, beinahe geröstet. Zwei Astronauten sterben während eines Rotationstests, weil sich das Karussell, in dem sie festgeschnallt sind, nicht mehr abschalten lässt. Und dann entweicht auch noch Radioaktivität aus einem eigentlich gesicherten und nur für Roboter zugänglichen Bereich.

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NOVAC: Speicher, Recheneinheit, Software, Ausgabe

Der Kalte Krieg ist in dieser Forschungsstation allgegenwärtig; angefangen beim Wettrennen um den ersten Platz im Weltraum (der hier bereits als strategisches Feld abgesteckt wird: Bekommen die US-Wissenschaftler ihre “sun mirrors” in einen Orbit, dann ist der Kalte Krieg gewonnen) bis hin zur schließlichen Lösung des Problems: NOVAC, der in der Schweiz produziert wurde (ein Aufdruck benennt “Bernulix Computer” als Quelle), ist mit Empfängern ausgestattet worden. Die überall in der Station gefundenen ominösen Kästen stellen Verstärker dar, die jemand (wahrscheinlich der mit NOVAC beschäftigte schweizerische Wissenschaftler) dort verteilt hat – mit ihrer Hilfe kann NOVAC verschiedene Systeme der Station manipulieren und hat auf diese Weise die Unfälle provoziert. Gesteuert wird das Ganze “von oben” – nämlich von jenem über dem Gelände kreisenden feindlichen Flugzeug, das gegen Ende abgeschossen wird.

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Gog und Magog

“That was the Work of a maniac!”, sagt der Stationsleiter nach einem besonders perfiden Sabotage-Akt und man ist geneigt aus seiner Vermutung das Wort “MANIAC” in Großbuchstaben herauszuhören, als er zur Antwort bekommt: “Not a MANIAC … a clever calculating killer.” Dass nämlich der Computer (der mit der in den 1950er Jahren in den USA populären “-AC”-Schreibweise für Röhrencomputer tituliert ist: ENIAC, UNIVAC, JOHNNIAC, … und eben auch MANIAC, der zwei Jahre vor “Gog” das Licht der Welt erblickte und schon gleich auf einen Menschen angesetzt wurde!) – dass also NOVAC hinter all dem steckt und damit die Technik Dämonisches treibt, dass dann aber doch erklärbar ist, vermutet der heutige Zuschauer zumindest sofort.

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Gog schließt die Tür (Product Placement)

“Science is never frightening”, versucht der Computer-Wissenschaftler die verängstigten Forschungsstations-Bewohner zu beruhigen. Und dennoch ist insbesondere die Computer-Technologie ob ihrer Allmacht und Allwissenheit beunruhigend: “Someone who knows everything we know”, vermutet der Stationsleiter, stecke hinter den Vorfällen. Ein eindringlicher Appell gegen die Verwendung von Computern für alle Zwecke verbirgt sich hier, steuert NOVAC doch jedes Detail der Station. Er ist sogar so komplex, dass der ihn betreibende Wissenschaftler zugibt, es seit Jahren vergeblich zu versuchen “familiar” mit ihm zu werden. Letztlich beschränkt er sich darauf, die beiden Roboter “Gog” und “Magog” als NOVACs ausführende Verkörperungen zu steuern: Über einen Lochstreifen gibt er ihnen Befehle ein, wie etwa, die Labor-Tür zu schließen oder an Reglern zu drehen. Dass die beiden Roboter wesentlich mehr als das können, zeigen sie gegen Ende des Films.

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Todesstrahlen: Test und Anwendung

Dann nämlich rebellieren sie gegen die Menschen in der Station. Mit ihren vier Armen und einer vorn angebrachten Multi-Funktions-Kanone morden sie und sabotieren sie die Station. Zuvor hatte NOVAC bereits eine echte, ihm “anvertraute” Waffe in Stellung gegen die Menschen gebracht: Jene “sun mirrors”, die das Sonnenlicht draußen in der Wüste mit einem Parabolspiegel einfangen und nach unten in die Station bevördern, um dort über bewegliche kleine Spiegel gezielte Energie- d. h. Todesstrahlen abzugeben. Im Test wird eine Modell-Stadt und ein Modell-Ozean in Rauch bzw. Dampf verwandelt. Bald jedoch setzt NOVAC die Waffe gegen die Stationsbewohner ein. Die beiden Roboter sind demgegenüber zwar agiler aber dennoch schnell dingfest gemacht. Nachdem sie ihren Herren, den schweizerischen Computer-Techniker, getötet haben, rückt ihnen der Filmheld mit einem Flammenwerfer zu Leibe.

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Gog in Rage!

Es würde mich wirklich wundern, wenn niemandem aus dem Produktionsteam die sexuelle Ikonografie dieser Roboter aufgefallen wäre. Stets mit einer steil aufrecht stehenden, eregierten Kanonen fahren sie umher, zeigen sich von allen Seiten und fahren auf die Kamera zu. Wer beim Anblick von “Gog” da nicht an “Cock” denkt … Über diese Bildsymbolik lässt sich die Bedrohung natürlich noch viel treffender inszenieren – insbesondere, als sich Gog gegen Ende zwischen das Film-Liebespaar stellt. Die Geschichte des sexualisierten Roboters im Film hat hier vielleicht ihren ikonografischen Anfang und wird über “Demon Seed” und “Saturn City” dann immer konkreter. Dass der Feind von Übersee durchaus “potent” ist und selbst geheimste Interieurs zu infiltrieren imstande ist, verdeutlichen diese Bilder allemal.

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Gog in Love?

* Mir scheint, dass der großartige “A cold night’s death” hiervon inspiriert worden sein könnte, wird doch im Prolog von “Gog” auch ein Affe einem Kälteexperiment unterzogen. Hier ist der Computer der Rächer, dort der Affe – wer beide Filme kennt, wird insbesondere die unheimliche/verheimlichende Inszenierung ähnlich finden.


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Voyage to the prehistoric Planet (USA/UdSSR 1965, Curtis Harrington) (DVD)


»See you on Venus!«

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Roboter John will seinen Kopf zurück

Der seltsam melancholisch-philosophische Unterton des für seine Entstehungszeit auf seiner Oberfläche doch recht unzeitgemäß und teilweise kitschig wirkenden Films erklärt sich sicherlich zum Teil aus der Koproduktion. In “Voyage” geht es um ein “Race for colonies” – allerdings im Weltraum. 2020 ist der Mond längst besiedelt und die drei Raumschiffe Vega, Sirius und Capella unternehmen von dort aus eine Expedition zur Venus. Kurz vor ihrem Ziel wird Capella jedoch durch einen Asteroiden zerstört. Daher wird die Mission kurzerhand umgestellt: Die Sirius landet mit zwei Wissenschaftlern und dem Roboter “John” auf der Planetenoberfläche, während die Vega im Orbit bleiben soll. Es treten allerdings technische Kommunikationsprobleme auf und es scheint, als sei die Besatzung der Sirius in Schwierigkeiten. Also unternimmt die Vega einen Bergungsversuch: Drei Astronauten setzen auf der Venus auf, während eine Astronautin im Orbit bleibt, um Beistand zu leisten und die Rettung zu koordinieren.

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Venus-Menschen-Falle

Die Venus entpuppt sich wieder einmal als zweifelhaftes Paradies: riesige fleischfressende Pflanzen, menschenfeindliche Reptilien auf zwei Beinen, Fische und allerlei andere seltsame Fauna und Flora machen es den Astronauten schwer. Zudem lässt sich hin und wieder ein seltsamer weiblicher Gesang vernehmen, der auf eine Zivilisation schließen lässt – deren Überreste entdecken die Astronauten jedoch auf dem Venus-Meeresgrund (!) und nehmen an, eine Katastrophe habe zum Untergang der Venusianer geführt. Die Venus-Atmosphäre ist zudem nicht atembar (eignet sich aber ganz gut für ds gedeihen der Pflanzen und zum Betrieb von Lagerfeuern). Außerdem wütet ein Vulkan, der die Besatzung der Sirius in Schach hält. Denen geht es schlecht und der Sauerstoff aus, weswegen Roboter John die Rettungsmission im Wortsinne “koordiniert” und die beiden verletzten Wissenschaftler schließlich sogar durch den Lavastrom trägt. Dabei verliert er sein “Leben”.

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Auf den Schultern vom Riesen

Mir ging es zunächst natürlich um das Roboter-Bild, das der Film vermittelt. John ist eine überlebensgroße, anthropomorphe Maschine, die ohne Selbstrücksicht für die Menschen da ist, sich jedoch stets ihrer Überlegenheit bewusst ist. John wird für eine regelrechte Fern-Behandlung via Funk eingesetzt und heilt die verletzten Astronauten (wenn er auch etwas tollpatschig beim Versuch, Tabletten aus einem Röhrchen zu entnehmen, ist). Kurz bevor er seinen Betrieb einstellt, erweist er sich erstmals als Gefahr: Um seine Mission (das Tragen der Wissenschaftler durch die Lava) auszuführen, muss er Ballast abwerfen. Der einzige Ballast, den er dabei hat, besteht aber aus den auf seinen Schultern hockenden Wissenschaftlern. Und so versucht er einen von beiden abzuwerfen, woraufhin vom anderen seine Elektronik zerstört wird.

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»Kern! Keeerrrnnn!«

“My self preservation mechanisms says I must eleminate extra weight”, verkündet John zuvor warnend. Als Antwort setzen die Wissenschaftler diesen “Selbsterhaltungstrieb” außer Kraft: “Disconnect the mechanism”. Dies bringt die “robot laws” allerdings ziemlich ins Ungleichgewicht bzw. in Konflikt miteinander – und der Roboter muss sich die präferenz-utilitaristische Frage stellen: Wen von den beiden retten? Dieser Konflikt wird nachher vom fast getöteten Wissenschaftler noch einmal unter Tränen verbalisiert:

“It was just a metal monster. And yet when his destruction was imminent he called my name.” – Der Mann interpretiert den Ausruf des Roboters als eine Art Hilferuf oder als die letzten persönlichen Worte eines Sterbenden. Sie könnten indes aber auch die Verbalisierung seiner Entscheidung sein, wen es als Ballast abzuwerfen gilt. Der Mensch, der überlebt hat, deutet es jedoch in seinem Sinne, auch weil man über Tote nichts Schlechtes spricht: “We’ll soon be home … but we leave a friend behind.”

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Venus ascending ...


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Ist ja Irre: Liebe, Liebe usw. (Carry on Loving, GB 1970, Gerald Thomas) (DVD)


Als Computer noch Frauen waren

Das war eine Überraschung! Auf der Suche nach filmischen Beispielen von Computer-Matchmaking-Motiven bin ich auf die britische Comödie "Carry on Loving" (aus der hierzulande bekannten Serie "Ist ja Irre ...") gestoßen, weil sich darin ein reichlich zerstrittenes Ehepaar als Betreiber einer Kuppler-Agentur verdingt. Ihr Alleinstellungsmerkmal: Sie ermitteln perfekte Paare mithilfe eines eigens dafür eingerichteten Computers:

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Front-End

Links im Bild sieht man offenbar die Massenspeicher-Einheit, rechts das Rechenwerk (?). In der Mitte - von der Ehefrau und Chefin verdeckt - die Ein- und Ausgabe-Einheiten. Dass sich dieser Rechner weder einem konkreten Modell zuordnen lässt, noch überhaupt ermittelbar ist, um welches Hersteller es sich handelt, hat seinen Grund - und das ist auch schon gleich die Überraschung und sozusagen die Doppeldeutigkeit des Bildes mit der Frau "zwischen" der Computer-Hardware: Das Gerät ist ein Fake. Normalerweise sitzt nämlich ihr Ehemann am Schreibtisch, nimmt die Daten des Vermittlungswilligen auf einem Formblatt auf, schiebt sie in den rechten Eingabeschlitz und Augenblicke später kommt eine ähnlich augefüllte Datenkarteikarte aus dem linken Ausgabeschlitz heraus. Männer bekommen eine blaue Karte, Frauen eine rosafarbige.

Die Datenermittlung übernimmt dabei kein Prozessor, sondern jene Frau, die auf dem obigen Bild in der Mitte zu sehen ist: Sie sitzt im Raum hinter der Wand, an welcher der Computer steht, nimmt die Karteikarten aus einem Sammelkörbchen, wertet sie aus und sucht aus einer Kartei einen passenden Partner heraus. Ihr Algorithmus für den Datenabgleich ist dabei überaus "eigenwillig": Sie sucht diejenigen Frauen heraus, an die sich ihr Gatte selbst heranzumachen versucht, um sie auf diese Weise durch Verkupplung mit einem anderen Mann aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Ehe des Eheanbahner-Pärchens so problematisch verläuft.

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Datenein- und -ausgabe

Die komischen Verwicklungen, die diese Konstellation und dieser "Pseudo-Computer" (sic) nach sich ziehen, werden vom Film in allen Varianten bis zur finalen Tortenschlacht ausgekostet. Im Zentrum steht für mich dabei zweierlei: Erstens funktioniert keine der durch dieses System angestifteten Partnerschaften auch nur kurzfristig; vielmehr zerstreiten sich alle derartig Liierten innerhalb kürzester Zeit und diejenigen, die der Zufall zusammen geführt hat, stellen sich als stabile Paarungen heraus. Dies ließe sich vor dem Hintergrund, dass es gar keine richtige Computer-Eheanbahnung ist, sogar noch als Fürsprache für das Gerät - oder zumindest nicht gegen es - sehen.

Der zweite, viel interessantere Punkt, ist allerdings, dass der Schein der Computer-Partnervermittlung immerhin dadurch zehn Jahre lang (!) aufrecht erhalten werden kann, dass eine menschliche, bzw. besser gesagt: weibliche Intelligenz "im Hintergrund die Fäden knüpft". Das alte Motiv der Kupplerin findet hier vor dem Hintergrund des Digitalzeitalters seine Aufhebung in der Maschine, dem Mittler bzw. Medium der Vermittlung, das so gesehen nun eben doch kein Fake ist. Computer und Kupplerin versinnbildlichen sich hier als "Superhirn" (sic) förmlich gegenseitig!

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Back-End

Diese Identifikation ist naheliegend, wie sich schon in anderen Filmen, in denen Frauen und Computer zusammen kommen, zeigt. Die Tradition der Partnervermittlung mit Computer reicht bis ins Jahr 1957 zurück: Dr. George W. Crane war wohl der erste, der mittels (s)einer "Scientific Marriage Foundation" Männer und Frauen auf diese Weise zusammen zu führen versucht hat. Für die Auswertung seiner Testbögen (die dankenswerterweise jemand bei Flickr zur Verfügung gestellt hat) diente ihm eine Sortiermaschine (für Lochkarten - hier hätte der Film wenigstens den Schein wahren können!) von IBM (solche Maschinen baute und vertrieb IBM mit großem Erfolg bis sie mit dem Modell 701 ins Computer-Business einstiegen).

Computer Liebe Komödie


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Robotworld - Rebellion der Maschinen (Gangsterworld, USA 1998, David Bishop) (DVD)


Cyberdarwinismus in Gangsterworld

Dass der von epiX in der Reihe "Twilight Classics" herausgebrachte Film "Robotworld" mit seinem eigentlichen Titel "Gangsterworld" offensichtlich an "Westworld" und "Futureworld" anknüpfen wollte, wird schon nach wenigen Einstellungen des Films klar: Ein futuristischer Themenpark mit Robotern, in dem alle Arten von Verbrecher-Halbwelten simuliert werden, damit Menschen darin ihre zerstörerischen Triebe ausleben können, floriert weltweit. Und seither soll die reale Verbrechensrate markant gesunken sein, wie es der Hintergrundgedanke des Park-Erfinders war: Denn was man im Virtuellen erlebt, muss im Realen nicht mehr ausgelebt werden. Schöne Science Fiction ...

Aber eben nicht ganz so schön, denn aufgrund eines Programmierfehlers - oder ist es ein Kurzschluss? - wird kurz nach dem Auswechseln dreier Roboter (die reichlich sadistisch von Park-Mitarbeitern bei vollem Bewusstsein in einer Art Säurebad aufgelöst werden) entsteht durch Zufall ein neues Modell, dass die drei Roboter-Gesetze des Parks abgewandelt zu seinem Ethos macht:

1. Thou shalt obey every guest's wish.
2. Thou shalt be true to your programm.
3. Thou shalt not kill.

Bei der Rekonstruktion des neuen Roboters wird das dritte Gebot leicht abgewandelt in: "Thou shalt kill." Derartig moralisch und physisch ausgestattet beginnt der Roboter nun Jagd auf einen der Programmierer von "Gansterworld" zu machen. Es gelingt ihm zwar nicht, ihn zu fassen, doch seine Kollegin zu entführen. Also muss der menschliche Held gegen die Maschine antreten und bekommt bald mit, dass die Fronten gar nicht so klar zwischen Roboter und Mensch verlaufen. Denn ein mysteröser "Kingpin" hat den Roboter auf den Programmierer angesetzt. "Kingpin", so stellt sich bald heraus, ist der Deckname des Betriebssystems "Donald 2000", das in Kürze gegen das Update "Donald 3000" ausgetauscht werden soll. Das gefällt dem Computerprogramm gar nicht und so versucht es zuerst den Programmierer des Updates zu töten und sich schließlich ins Datennetz zu flüchten (was der Programmierer schlüssig als "Cyberdarwinismus" erkennt).

Das interessanteste, wenngleich ebenso übernommene Konzept des Films ist die Theorie der zwei Welten: der Roboter-Park und die Lebenswelt außerhalb - sowie der Versuch beider Gattungen (eigentlich sind es 1,5 Gattungen, denn die Roboter bestehen zu 49,5 % aus menschlichem Gewebe), in der jeweils fremden Welt leben zu können (darauf zielt dann sogar die Pointe des Films). Man fühlt sich ein wenig an Dr. Moriati und das Holodeck aus "Star Trek TNG" erinnert, wenn man die perfekt simulierte Film-noir-Welt von "Gangsterworld" sieht. Das Themenpark-Konzept ist hier noch ausgereifter als in "Westworld", weil sich auch die Filmoptik und der gesamte Erzählduktus dem Gangsterfilm angepasst haben: Der Film wird ohnehin in der Rückschau der Hauptfigur aus dem Off kommentiert, die schattigen, Sepia gefäbten Bilder der Halbwelt (in der es Straßennamen wie "Hawks Street" und "Preminger Street" gibt) leisten das ihre, um das Noir-Feeling für Zuschauer und "Gangsterworld"-Besucher authentisch zu machen.

Die zahlreichen Anleihen aus "Terminator", "Westworld", "2001", "I, Robot" und nicht wenigen anderen Techno-Dystopien werden vom Film großzügig als ironische Zitate verkleidet und sind deshalb auch eher amüsant als ärgerlich. Vom bildschirmfüllenden Computer-Auge über den nackt einher stampfenden Roboter-Mann, der nach einem zu terminierenden Menschen sucht ("Sind Sie Garland Widmark?") bis hin zu schon beinahe albernen Zitaten (der Sicherheitsmann Alan Houston wird von seinem Chef über die Robo-Revolte mit den Worten "Houston, wir haben ein Problem!" informiert) reichen diese Allusionen und Zitate. Originell wird der Film dadurch kaum, aber immerhin zu einem unterhaltsamen Zitateratespiel.

Leider leidet er sehr unter seiner stümperhaften deutschen Synchronisation - zum Glück ist der englische O-Ton aber mit auf der DVD. Deren Anschaffung empfehle ich Roboter-Interessierten, zumal zum günstigen Preis, ebenso wie Liebhabern einigermaßen intelligent komponierter Science-Fiction-Hommagen.


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Fliegende Untertassen greifen an (Earth vs. the Flying Saucers, USA 1956, Fred F. Sears) (DVD)


Differenz-Analysen

Durch den kürzlich hier geposteten Web-Zufallsfund “Starring the Computer” und die Frage, welches wohl der erste echte “Computer” gewesen ist, der in einem Film zu sehen war, bin ich auf einen alten Science-Fiction-Film aufmerksam geworden, den ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe und den ich mir nun noch einmal unter dem Blickwinkel der Technik- und Rechner-Inszenierung angeschaut habe. Zu sehen gibt es darin nämlich haufenweise Analog-Technik:

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Lochstreifen-Lesegerät


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Manuelle Telefon-Vermittlung


Die Story wirkt zunächst wie die eines typischen 50’s paranoia SF: Außerirdische bereiten eine Invasion auf die Erde vor und beginnen damit fatalerweise in den USA, wo ein findiger Raketen-Wissenschaftler lebt, der ihre Pläne durchschaut. Er tritt zunächst mit ihnen in Kontakt, findet dann eine Schwachstelle in ihrer Verteidigung und schafft es eine Waffe zu konstruieren, die die Invasion aufhält und die Außerirdischen vernichtet. Der politische Invasions-Diskurs ist die sich zuerst aufdrängende Lesart: Die Außerirdischen werden als gleichgeschaltete, gesichtslose Bedrohung mit verstandesmanipulierenden Fähigkeiten vorgestellt – also als Kommunisten.

Dass die Story jedoch deutliche Ambivalenzen enthält, ist wahrscheinlich nicht erst aus der zeitlichen Distanz von 60 Jahren zu bemerken. (Insbesondere vor dem Hintergrund der Travestie des Films in Tim Burtons “Mars Attacks!”, der zahlreiche Anleihen und Zitate an “Earth vs. the Flying Saucers” enthält, wird diese Ambivalenz deutlich.) Zunächst sind es ja die Außerirdischen, die den kommunikativen Kontakt aufnehmen. Daraufhin werden sie aber von den Menschen beschossen und verteidigen sich dann. Sie wollten eigentlich um Asyl zu bitten (sie sind heimatlos gewordene Flüchtlinge) und deshalb eine Konferenz mit den Menschen anberaumen. Die findet jedoch aufgrund des Invasionsverdachts nicht statt. Grund für den Konflikt ist ein Missverständnis oder besser noch ein gegenseitiges Missverstehen, das die aggressiven Handlungen in Gang setzt und eskalieren lässt. Und “Kommunikation” in seinen vielfältigsten Ausprägungen ist dann auch das zentrale Motiv des Films.

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Leierndes Tonbandgerät


Zunächst zeigt “Earth vs. the Flying Saucers” die fehllaufende Kommunikation zwischen Menschen und Außerirdischen: Aufgrund einer Eigenzeit-Differenz (der Film baut hier Anspielungen an die spezielle Relativitätstheorie ein) wird die erste von den Außerirdischen übermittelte Audiobotschaft als “meaningless sound” interpretiert – ein sinusförmiger Brummton, der an das Sirenengeheul erinnert, das die zweite Hälfte des Films akustisch dominiert. Die Außerirdischen verstehen nicht, warum die Menschen sie angreifen, obwohl sie ihre Absichten doch akustisch deutlich kundgetan haben. Erst als das Tonbandgerät des Wissenschaftlers aufgrund eines Stromausfalls langsamer abläuft, bekommt der “meaningless sound” auf dem Band eine Bedeutung: Zeit und Ort eines Treffens werden darin bekannt vorgeschlagen. Bei einem zweiten Versuch mit den Menschen Kontakt aufzunehmen haben die Außerirdischen sich mittlerweile der Kommunikationsgeschwindigkeit der Menschen angepasst: Sie übertragen eine in jedem Empfänger hörbare Warn-Meldung, dass der Menschheit eine Naturkatastrophe bevorsteht. Wo zuvor ihre Präsenz noch sämtliche Telefone und Rundfunkempfänger gestört hat, versorgt sie diese nun mit (über)lebenswichtigem Content.

Auch das deutet schon auf die eher guten Absichten der Außerirdischen hin und lässt vermuten, dass die erste Aggression auf einem gegenseitigen Missverständnis beruhte: Die von den Menschen ins All geschossenen Raketen dienten der Forschung, wurden aber als Waffen missverstanden und von den UFOs abgeschossen. Die letzte zerstörte Rakete, die mit einer “TV camera and microphones [sic!]” ausgestattet war, hatte dann allerdings schon den Charakter einer Aufklärungswaffe. Dennoch bekundet später einer von den Außerirdischen seine Irritation über dieses mehrfache anfängliche Kommunikationsversagen: “We had hoped the time differential between us would have been adjusted.” – Die Maschine, mit der derartige kommunikative Differenzen ansatzweise beseitigt werden könnten, wird allerdings erst später in den Film eingeführt. Zunächst geht es weiter mit den “Missverständnissen”:

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Sound-Kanone


Der Wissenschaftler versucht nun “Feuer mit Feuer” zu bekämpfen: Die Außerirdischen haben die Zentrale seiner Raketen-Station mit Schallwellen-Kanonen zerstört. Also baut er ebenfalls eine Waffe, die Töne einer bestimmten Frequenz abstrahlt, um damit die Ufos zu beschädigen. Eine Sound-Kanone, die sich im Labor-Experiment zwar als wirksam erweist, in der Praxis (d.h. im Kampf gegen die UFOs) aber aufgrund ihrer mangelnden Reichweite (Lautstärke) versagen wird. Sie wird durch eine Kanone, die magnetische Strahlen aussendet, ersetzt. Die erste Waffe ließe sich leicht auch als akustische Antwort der Menschen auf den aggressiven “Zuruf” der Außerirdischen interpretieren – dass die Kanone nicht vwerwendet wird, zeigt sich vor diesem Hintergrund als ein weiterer Aspekt der asynchronen Kommunikation beider Spezies.

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Scan-Prozess der "infinitely indexed memory bank"


“Sound” ist aber nicht die einzige destruktive Kommunikationstyp der Außerirdischen – sie besitzen auch eine intrusive Technologie, mit deren Hilfe sie Gedanken lesen können: eine “infinetly indexed memory bank” (in der deutschen Fassung kurz als “Gehirn-Akkumulator” bezeichnet) – ein Datenbank-System, mit dem sie den kompletten Inhalt eines menschlichen Gehirns auslesen, speichern und bei Bedarf abrufen können. Dass sie dies zuerst bei einem entführten General machen, lässt sie militärisch umso gefährlicher erscheinen; aber auch hier wird der Hirn-Inhalt lediglich dazu genutzt, um sich der menschliche Kommunikation anzunähern – immerhin ist der entführte General der Schwiegervater des Wissenschaftlers. Die Fähigkeit Gedanken zu lesen wird von diesem jedoch als noch größere Bedrohung empfunden, woraufhin eine weitere menschliche Technologie zum Einsatz kommt: Der “Computer” …


Der obigen Ausschnitt zeigt die kurze Screentime des verwendeten Rechners – es ist besagter Analogcomputer “Differential Analyzer”. Einmal ganz davon abgesehen, dass das Gerät seinen Namen daher hat, dass mit ihm Differenzialgleichungen gelöst werden sollten, bekommt die Bezeichnung “Differential Analyzer” hier eine zusätzliche technik-metaphorische Komponente. Zunächst erbeuten die Militärs einen Helm der Außerirdischen (welcher dem “Bureau of Standards” zufolge aus “solidified electricity” besteht!), den sie “hacken” und dabei auf ein darin implementiertes “language translating device” stoßen. Dieses soll dazu genutzt werden, ein “dictionary” herzustellen, mit dem die Kommunikation der Außerirdischen untereinander dechiffriert werden kann. An dieser Stelle kommt der “Differential Analyzer” ins Spiel, der im Film als “Electronic Translator” vorgestellt wird. Es ist eine wahre Wundermaschine, die – wie im obigen Filmausschnitt zu sehen ist – nicht nur übersetzt, sondern auch noch niederschreibt, was die Außerirdischen planen.

Der Computer wird hier also keineswegs dazu verwandt, die Differenzen zwischen Menschen und Außerirdischen zu analysieren (um sie so vielleicht zu klären), sondern als blinder Übersetzter schürt er das Missverständnis sogar noch weiter. Im Prinzip kämpft er mit demselben Problem wie alle Software-Übersetzungssysteme bis heute: Er schafft es nicht, den Sprung vom Satz zum Text zu vollziehen, seine semantischen Fähigkeiten beschränken sich auf die Konstruktion syntaktisch sinnvoller Sätze – ob diese Sätze allerdings im Kontext einen Sinn ergeben, kann er nicht entscheiden. Die Militärs nutzen sein “Translat” daher also in ihrem Sinne …

Und sie scheinen bestätigt zu werden: Angesichts der doch offensichtlich aggressiven Bestrebungen der Außerirdischen (gegen Ende des Films legen sie die halbe Welt in Schutt und Asche) könnte man sich fragen, ob die Ambivalenz, wie sich sie hier schildere, tatsächlich besteht, oder ob ich nicht einfach den gleichen Fehlschluss leiste, wie schon der Wissenschaftler in “Mars Attacks!”, wenn ich davon ausgehe, dass die Aliens hier im Prinzip friedliche und nur missverstandene Wesen sind. Dass ich mit meiner Annahme der Kommunikationsprobleme auf Seiten der Menschen allerdings nicht falsch liege, will ich an einem letzten Beispiel versuchen darzulegen.

Wie nicht wenige Science-Fiction-Filme der 1950er Jahre verhandelt “Earth vs. the Flying Saucers” sein großes Thema auch noch einmal im kleinen, zwischenmenschlichen Bereich: Der Wissenschaftler wird uns zu Beginn des Films als frisch verheiratet vorgestellt. Er hat seine Sekretärin geehelicht – sein vormaliges “Sprachrohr”, die seine Korrespondenz erledigt hat, seine Diktate mitgeschrieben hat und nun all dies nur noch mit einer gewissen Ironie für ihn tut. Der Film führt die Kommunikation zwischen den beiden auf vielfältige weise vor – vor allem aber technisch vermittelt:

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Die Frau als überträgt die aufgenommene Stimme ihres Mannes in Schrift ...

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... und spricht mit ihm übers Bildtelefon.


Die Missverständnisse (er weiß oft nicht, wann er sie als Ehefrau und wann als Sekretärin “adressieren” soll) werden durch diese technische Vermittlung nur noch verstärkt. Die Missverständnisse gehen aber stets von der Frau aus und sind zeitweise sogar provoziert oder werden von ihr forciert: Sie hilft mit bei der Entwicklung der Sound-Kanone (siehe Bild oben) und sie testet den Außerirdischen-Helm, indem sie ein Zitat von Shakespeare übersetzen lässt:

Zitat

The quality of mercy is not strained
it droppeth as the gentle rain from heaven.

Shakespeare wäre sicherlich nicht erfreut, sagt einer der anwesenden Militärs und meint die Übersetzung ins Außerirdische. Doch mit der Wahl der Zitat-Quelle weist die Frau zusätzlich auch auf die simulativen Absichten der Außerirdischen hin: Portia tritt in dieser Szene des “Kaufmanns von Venedig” als verkleideter Winkeladvokat auf, um ein geschlossenes Abkommen zu konterkarieren. Dass Portia damit die Lebensrettung eines Christen vor einem böswilligen Juden und letztlich dessen Konvertierung zum Christentum erreicht, fügt sich in den Diskurs des Films ein, wenngleich das Zitat selbst mit der vom Himmel tropfenden Gnade eine andere Sprache spricht … aber es ist eben nicht alles Gold, was glänzt.

Die Frau erscheint in “Earth vs. the Flying Saucers” also im Prinzip analog zu den Außerirdischen – nur noch subversiver, noch subtiler in ihrer “Störfunktion” und damit erfolgreicher. Im Prinzip – und darin stimmt der Film mit etlichen zeitgenössischen Genre-Beiträgen überein – ist sie das eigentliche Alien, diejenige, die Konflikte an mehreren Fronten schürt, indem sie Verständigung erschwert oder verunmöglicht; dass sich die männliche Aggression auf die Außerirdischen richtet, hat also allenfalls katalytischen Charakter.


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Next (USA 2007, Lee Tamahori) (TV)


Die vorhersehbahren Folgen zielgerichteter filmischer Handlung

Ein Mann besitzt die Fähigkeit, zwei Minuten in seine eigene Zukunft zu sehen. Das Leben kann ihm also nichts grundsätzlich Neues bieten und Wolf Singer behält recht: Freihe Handlungen gibt es auf der neurologischen Ebene nicht - nur dass die Biologie so gnädig ist, Vorbewusstes und Bewusstes voneinander zu trennen und uns nicht wissen zu lassen, was wir schon wissen, und so dafür zu sorgen, dass wir uns frei und ungerichtet fühlen können.

Filmische Erzählung, dass ist die Suggestion von Handlungsfreiheit: Die Effekte der "unverhergesehenen Folgen zielgerichteten sozialen Handelns" (Robert Merton/Raymond Boudon) in ein 90-Minuten-Korsett gepresst und das Ganze so aufbereitet, dass der Zuschauer die ja eigentlich vom Skript vorherbestimmte Handlung für offen halten kann - obwohl er eigentlich ja immer hofft und ahnt, wie es ausgeht (etwa im "Happy End") und deshalb ist die Atombombenexplosion am Ende von "Next" eine doppelte Überraschung.

Was aber wäre, wenn man "Next" zwei mal gleichzeitig gucken würde? Wenn man neben dem TV ein zweites aufstellen würde, auf dem man den Film zwei Minuten früher startet und also mit einem Blick zur Seite zwei Minuten in die Zukunft des Plots sehen könnte? Für welches Bild würde man sich auf Dauer entscheiden? Wie beeinflusst die Zeitmanipulation während der Rezeption eines Films dessen Wahrnehmung? Meine TV-Aufnahme von "Next" hat gestern unter Dropouts und schlecht entfernten Werbe-Einschüben gelitten. Die haben die Rezeption des Films durchaus verändert, aber nicht unbedingt verschlechtert, sondern eher beflügelt. Denn unversehens hat die Handlung zeitlich kleine Sprünge vollzogen, ist vor der gefilmten Zeit in die Zukunft der Filmzeit gesprungen. Oder war das anders herum? Bräuchte es neben Filmzeit, gefilmter Zeit und Rezeptionszeit nicht auch noch eine Medien-Zeit?

Die Frage stellt auch meine kaputte Aufnahme von "Next". Wie sehr Montage und Zeitreise eigentlich dasselbe sind, zeigt immer wieder der Zeitreisefilm. Sobald man den Effekt aber auf das Trägermedium holt, und die Filmzeit beeinflusst, greift die Zeitreise auf das Zuschauerbewusstsein und den Filmplot über. Pause zu drücken, vor oder zurück zu spulen - was ist das anderes, als dem Gott Chronos die Fernbedienung aus der Hand zu nehmen - zumindest in einem eingegrenzten Machtbereich? Ist das schon einmal untersucht worden, wie der Filmzuschauer mit der Zeit umgeht und in welchem Verhältnis er zu ihr steht und stehen möchte?

Für Nicholas Cage, der in "Next" der Präkognitive ist, ist sein ganzes Leben eine Ansammlung von Kurzfilmen, deren Ende er stets zu ändern versucht. Er kennt seinen Lebensfilm schon immer ein bisschen als wäre er dessen Zuschauer, der die Vorstellung wieder und wieder besucht. Als er seine große Liebe trifft, wird daraus ein abendfüllender Spielfilm. Wie genial "Next" die Untiefen der Zeitreise-(Un)Logik umschifft, indem er immer wieder Filmische Lektüreprozesse (man könnte angesichts des umgekehrten Zeitpfeils schon beinahe von einer Re-Hermeneutik des Verstehens sprechen) mit seinem Zeitreiseplot identifiziert, ist bewundernswert.





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