Dass eventuell der Regisseur hier ein wenig mit entsprechenden Geschichten um die Entstehung des Filmes dazu beiträgt würde mich selbst auch nicht verwundern. Denn allen voran handelt es sich trotz der hohen Produktionskosten von ca. 2 Mio. US Dollar um einen Amateurfilm. Verwunderlich ist allerdings, dass für diese Produktion dennoch etwas bekanntere Filmstars wie Gunnar Hansen („Leatherface“ aus Texas Chainsaw Massacre) und Tony Todd („Man with a Hook for a hand“ aus Candyman) gewonnen werden konnten. Was eventuell auch einen Teil der Produktionskosten ausgemacht haben mag.
Der Film ist sicherlich sehr professionell gedreht worden, und so hat man ihn auf 35mm geschossen, was natürlich den Streifen von ähnlichen digital produzierten Filmen weit hervor hebt. Zudem sehen wir hier einen Film, der wenn man vom amerikanischen Amateurfilm redet im Verhältnis die deutschen Kollegen ala Ittenbach, Rose oder Bethmann an handwerklichen Know How doch um einiges zu übertreffen vermag und wohl den deutschen Genrefan in der Hinsicht sicherlich überzeugen dürfte, was die Präsentation der Bildinhalte anbelangt.
Zum Inhalt selbst komme ich dann noch bald genug.
Murder Set Pieces ist ein Film über einen Serienkiller, dessen Opfer hauptsächlich weibliche Personen sind. Der Killer, ein deutscher Einwanderer, der seine Zelte in Las Vegas - Stadt der Sünden - aufschlägt. Wir werden im Laufe des Filmes erfahren, dass der Fotograf, dessen Opfer er gerne erst ablichtet bevor er diese ins Jenseits befördert, eine fürchterliche Familienchronik besitzt. Dessen Großvater soll in der Nazizeit ein hohes Tier gewesen sein und anscheinend sogar persönlichen Kontakt zu Adolf Hitler gehabt haben.
Vor diesem Hintergrund ist der deutsche Killer von seiner deutschen Vergangenheit familiär stark eingebunden. Er selbst frönt einem Körperkult und trainiert auf der heimischen Hantelbank im Keller regelmäßig seine Muskeln. Dieses persönliche „Folterinstrument“ teilt sich zudem den Raum mit weiteren „Folterinstrumenten“ die allerdings tatsächlich nicht für ihn sondern für seine Opfer bestimmt sind. Hier stapelt er seine Toten, hier sind die Wände mit Blut beschmiert, hier läßt er seinem kranken Geist freien Lauf. Wenn der Fotograf in Rage ist spricht er auch schon mal in seiner Muttersprache und beschimpft seine zu Tode gepeinigten Opfer in akzentfreiem Deutsch. Ebenso scheint dieser mit einem Jugendtrauma behaftet zu sein, welches seinen Hass auf Frauen bekräftigt haben könnte.
Er jagt seine Opfer in Bars, auf der Straße, lockt sie mit dem Hintergrund in sein Haus, sie fotografieren zu wollen, denn er kann sie zum Star machen. Dann wird vergewaltigt und getötet. Auch vor Kannibalismus schreckt er nicht zurück. Als ob das nicht schon genug wäre, bringt er zu Halloween ein paar Kinder um. Nachdem die kleine Schwester eines der Opfer anfängt, den Fotograf für diese schlimme Taten zu verdächtigen steigt sie des nachts in sein Haus und sieht sich bald mit dem Killer konfrontiert. Mit knapper Not kann sie ihm entkommen. Der Killer selbst wird schwer verletzt und zieht es dann vor, mittels einem Greyhound-Bus Las Vegas zu verlassen, um wo anders eine neue Existenz aufzubauen.
Wie eingangs schon erwähnt kursieren einige Gerüchte zum Film, über dessen Wahrheitsgehalt ich mich nicht auslassen möchte. Dieser Film ist erstmal so gesprochen solide gemacht, die Effekte entsprechend umgesetzt. Allerdings hat man hier nicht vermieden, die eine oder andere Greueltat so derartig zu überdrehen, dass das Vorhaben eine realistisch wirkenden Tötungsszene darzustellen nicht immer richtig funktioniert und fällt dann eher in eine Blutorgie zurück, dessen Anleihen von einem Peter Jackson oder H.G. Lewis hätten stammen können. Vielleicht wurde hier das entsprechende Überdrehen bewußt als Stilmittel eingesetzt.
Man merkt zumindest fast in jeder Minute des Filmes, dass Palumbo Fan des Genres ist und kräftig zitiert. So erinnert der Gang durch die Stadt Las Vegas ein wenig an den Spaziergang in „Basket Case“. Der schnittige Wagen aus den 70ern könnte aus „Phantasm“ sein, die Puppe aus der Kindheitserinnerung ein „Darlehen“ aus Argentos „Profondo Rosso“. Schattenspiel und Licht in der Verfolgungsszene durch das Haus am Ende des Filmes könnte sich an Carpenters Halloween orientieren. Getötete Frauen, die in dessen Vorstellung wieder zum Leben erwachen sind aus William Lustigs „Maniac“ und das Leichenszenario im Keller aus Tobe Hoopers „Texas Chainsaw Massacre“. So ließen sich wohl viele Filme wiederfinden, wenn man sich nur genug Mühe gibt.
Palumbo erwähnt selbst im Vorwort zur DVD, dass er wohl damals das „Texas Chainsaw Massacre“ im Kino gesehen haben muss und sich vornahm, ähnliches zu filmen. Murder Set Pieces sollte wohl nun das Ergebnis dieses Vorhabens sein.
Palumbo stellt nun seinen Antihelden für sich gesehen sehr wertneutral dar. Er ist ein durchtrainierter Bursche, hat einen modischen Haarschnitt, drückt sich gewählt in einem sauberen Englisch aus und fährt einen schicken Sportwagen. Das Böse, oder auch die negative Seite der Person drückt sich stets in seinen Taten und Vorlieben aus. So laufen alte Dokumentarfilme über das dritte Reich im Hintergrund, wenn der Killer seinen Körper durch Liegestütze stählt. Eine Szene, die definitiv an die „Sportstunde“ des Mr. Bateman aus American Psycho erinnert. Nur lies dieser Horrorfilme im Hintergrund laufen. Desweiteren ist klar zu erkennen, dass sich Palumbo wohl vielmehr durch die Romanvorlage des Bret Easton Ellis denn durch die spätere Verfilmung inspirieren lies. Manch dargestellte Leichen in Palumbos Film erinnern sehr stark an die fast pathologisch beschriebenen Vorgänge des Romanes.
Zudem soll wohl auch die faschistoide Neigung des Killers an die Vorlieben des Ed Gein erinnern, ein in den 50er Jahren bekannter amerikanischer Serienmörder aus Plainfield, Wisconsin, der sich ebenso neben seinem Präparations Hobby der nationalsozialistischen Vergangenheit der Deutschen gewidmet haben soll, wie es der pseudodokumentarische Film von Chuck Parello „Ed Gein“ aus dem Jahr 2001 glaubhaft macht. Der Regisseur Palumbo vermeidet hier allerdings sehr deutlich, diese Neigung als eine besonders tolle oder schlechte Ader darzustellen. Er läßt somit den Zuschauer mit dieser Bewertung für sich konsequent alleine. Somit definiert sich der Grad des Abgestoßenseins oder des sich Angezogenfühlens nur durch die moralische Wertvorstellung des Betrachters selbst.
Dennoch ist klar zu erkennen, dass Palumbo permanent versucht, Grenzen zu überschreiten und Tabus zu brechen wo es nur möglich ist. Er schreckt somit vor kaum einer Art der Zurschaustellung von Grausamkeiten zurück. So wird auch eine Jugendliche mit einem Messer erstochen. Auf die Spitze treibt es dann Palumbo, als der Mörder im Streit mit wohl seiner Ex- Frau gerät und sie tötet. Danach macht er sich mit einem geöffneten Rasiermesser auf den Weg in das Kinderzimmer, in dem ein Kleinkind (vermutlich zwischen ein und zwei Jahre alt) im Kinderbettchen liegt. Die Befürchtung, dass das Kind getötet wird erfüllt sich zum Glück nicht. Der Mörder klappt das Messer halb zusammen und hängt dieses über den Rand des Kinderbettes, als ob er damit symbolisch seine Waffen niederlegt, da er heiligen Boden betritt. Hier scheint auch der Mörder seine Grenze erreicht zu haben. Er nimmt das Kind aus dem Bett, das sofort erbärmlich zu schreien beginnt. In der nächsten Einstellung läuft das Kind auf die gerade getötete Mutter zu und schmiegt sich an den Bauch der Mutter.
Über diese Szene wurde bislang viel und sehr zwiespältig diskutiert. Beim Dreh war sowohl der Vater, der gleichzeitig der Kameramann war, als auch die Mutter am Set. William Lustig, der Regisseur des in den 80ern umstrittenen Film „Maniac“ bezeichnete den Regisseur Palumbo als „Arschloch“, dafür dass er diese Szene gedreht hat. Somit dürfte Palumbo selbst in den Kreisen, die er für sich selbst als inspirierend bezeichnete auf wenig Gegenliebe gestoßen sein. Zumindest nicht bei William Lustig.
Als ob dies nicht genug wäre, kramt Palumbo munter weiter in der Schock-Trickkiste und fügt zudem noch plump Szenen vom 11. September mit in den Film ein. Im Review der Genreseite DVDManiacs bezeichnet man dies als „zu früh angesetzt“, als dass dies als akzeptables Mittel des Schockens in den USA angesehen werden könnte. Dass diese Bilder in den Gedanken des Killers präsent sind sollte vermutlich den Hass auf die Menschheit, vielleicht auf die amerikanische Bevölkerung generell unterstreichen um eventuell hier eine Antihaltung des Zuschauers zu provozieren.
Für mich schleierhaft wird mir dann auf ewig der Nachspann bleiben. Hier werden als Produzenten „Goebbels und Himmler“ aufgeführt, wobei sich der Regisseur noch bei diversen Größen des Horrorgenres wie Tobe Hooper und Dario Argento bedankt. Im gleichen Atemzug bedankt Palumbo sich noch bei Frau Riefenstahl, die bekannte Dokumentarfilmerin aus der NS-Zeit. Mir persönlich mag dies nicht schmecken, da ich mir an der Stelle wie schon beim restlichen Film nicht sicher bin, wohin ich den Regisseur, den Film und seine Botschaft packen soll. Wenn ich wohlwollend interpretieren sollte, dann könnte man hier behaupten, dass ohne einen Himmlers oder Goebbels oder den Beiträgen einer Frau Riefenstahl dieser Film erst gar nicht möglich gewesen wäre oder gar der Killer im Film nie entstanden wäre. Der Killer, der Film, die Greultaten könnten ein Produkt oder ein Ergebnis der fürchterlichen Verbrechen des Nazi-Regimes sein. Diese Interpretation würde aber nur dann aufgehen, wenn auch die fiktionale Familienchronik des Killers tatsächlich als Begründung für dessen psychischen Defektes hergenommen werden würde. Doch hier führt Palumbo ja zudem noch ein Kindheitstrauma mit an, das vermutlich eher der Ursprung des psychischen Defekts des Killers sein soll.
Die andere Möglichkeit, die sich mir persönlich eher aufdrängt wäre dann eine generelle faschistische Neigung oder Affinität des Machers zu der finsteren Seite der deutschen Vergangenheit, was mir einen ganz bitteren Beigeschmack im Mund hinterlässt.
Sei es wie es will und mag. Für mich ist es im Grunde eigentlich nur feige, dass der Regisseur hier keinerlei Stellung bezieht, und ich sehe es fast schon als gefährlich an, sowas auch unreflektiert stehen zu lassen. Sicherlich mag es in den USA kein Problem sein, einen derartigen Inhalt offen und auch filmtechnisch umzusetzen, und es mag uns hier in Deutschland etwas mehr schocken, als in anderen Teilen der Welt. Dennoch denke ich, dass die Nazi- Symbolik als Hass- Symbolik und Symbolik gegen die Menschlichkeit überall gleich verstanden wird und die Verwendung dieser ohne eine klare und deutliche Haltung GEGEN deren faschistische Botschaft nicht nur dumm sondern regelrecht grob fahrlässig ist.
cu
Gargi
Quellen:
Interview mit Sven Garrett (Hauptdarsteller)
Review auf DVDManiacs
Diskussionsbeitrag auf www.cinefacts.de (zugänglich nur für angemeldete User)
Onlinefilmdatenbank (für diverse Filmangaben)
IMDB (für verschiedene Filmangaben)
Bearbeitet von Gargi, 30. Dezember 2005, 18:00.