Solaris
#1
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:04
Habe gerade "Solaris" von Steven Soderbergh auf DVD gesehen und bin hin und hergerissen zwischen Unverständnis und Begeisterung
Nun möchte ich Eure Meinung zu dem Film wissen. Was denkt ihr? Guter oder schlechter Film? Oder gar ein würdiger Nachfolger von "2001- Odysee im Weltraum" von Kubrick?
#2
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:13
#3
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:19
Hast Du die Buchvorlage ("Solaris") gelesen oder den älteren Film dazu gesehen? Ich denke mit diesem Input ist der Zugang zu dem Film etwas einfacher... werde mal die Unibib danach durchsuchen.
Stil und Optik des Soderbergh- Films gefallen mir jedenfalls sehr gut.
#4
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:21
#5
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:30
Zitat
Ja, beides.
Ob ein zufriedenstellender Zugang zur Soderbergh-Variante durch die Kenntnis der beiden vorangegangen Werke wahrscheinlicher wird, nun, ich wage das zu bezweifeln, da doch alle drei jeweils sehr eigenständige sind, bzw. sich auf unterschiedliche Aspekte der Grundfragestellungen des Komplexes konzentrieren. Die literarische Vorlage ist vor allem eine Gedankenspielerei zu Lems ewigem Thema der außerirdischen Intelligenz und wie eine Begegnung zwischen dieser und Stellvertretern unserer Welt, jenseits von Hollywood-Spekulationen, aussehen könnte, mit Augenmerk auf Wissenschaftlichkeit. Tarkowskijs Interpretation ist eine sehr metaphysische Parabel auf die Entfremdung des Menschen von der Natur, aber auch auf die (vorgebliche, das möchte ich hier mal betont wissen ) Entfremdung des Menschen von seinem eigentlichen Sein durch die Implikationen einer modernen, un-spirituellen Welt, wohingegen Soderbergh in seiner Version vor allem den zwischenmenschlichen Aspekt ins Zentrum stellt, die außerplanmäßige Situation im All zum Anlaß nimmt, das Verhältnis des Menschen zur Liebe zu thematisieren (und meiner Meinung nach zu einem sehr trostlosen Fazit kommt).
Ich gehe, und das ist sicher nicht allzu kühn, soweit, zu sagen, dass jedes Werk ein komplett für sich stehendes ist, dass auch ohne die anderen beiden funktioniert, wohl aber mit ihnen gewisse narrative Elemente teilt.
Zitat
Da gebe ich Dir Recht. SOLARIS war eine ungemein schöne filmisch-hypnotische Erfahrung, vor allem auf einer großen Leinwand. Soderbergh ist und bleibt einfach einer der interessantesten, vielseitigsten und talentiertesten US-Regisseure unserer Zeit.
Cheers,
IMMO
#6
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:32
Frei nach einem Song von Tocotronic : "Und plötzlich wird man, was man hasst- nämlich Cineast, zum Kenner dieser fürchterlichen Streifen..."
Keine Sorge, bist nicht Du mit gemeint!
Ps: Bezieht sich auf den vorletzten Beitrag, bist mir zuvor gekommen...
Bearbeitet von Lebowsky, 29. Juni 2003, 23:34.
#7
Geschrieben 29. Juni 2003, 23:36
Lebowsky sagte am 30.06.2003, 00:32:
Frei nach einem Song von Tocotronic : "Und plötzlich wird man, was man hasst- nämlich Cineast, zum Kenner dieser fürchterlichen Streifen..."
Keine Sorge, bist nicht Du mit gemeint!
Dass sollte jedoch - falls das so ankam - nicht heißen, dass man das auf individueller Ebene nicht machen könnte. Ich bezog mich allein auf eine breite Wahrnehmung.
Und angesprochen kann ich mich gar nicht fühlen, da ich in diesem Sinne kein Cineast bin, auf eine solche Bezeichnung auch nicht allzu viel Wert lege.
#8
Geschrieben 30. Juni 2003, 05:02
Neben dem hypnotischen Soundtrack vom neuen Solaris und der interessanten optischen Verschachtelung von der Vergangenheit Kelwins und seiner Gegenwart ist es aber vor allem der - ich will es mal nennen - "Essay über die Liebe", den ich faszinierend fand. Soderberghs Konzentration auf das Thema hat dem Film sehr gut getan und ihn "breitenwirksam" gemacht. Natürlich kann man in ihm ein Melodram a la "Love Story im Weltraum" (S. Lem) sehen, aber dann würde man schon sehr 1. das ethische Gedankenspiel und 2. das christliche Liebes-Verständnis des Film in den Hintergrund drängen. Der Film hat eine "echte" Aussage, die sich ganz dicht an unsere eigene Mentalitätsgeschichte anschmiegt (das ist es auch, was ich an "Bringing out the Dead" so mag). Und er erliegt nicht der Versuchung, dass jede dramatische Liebesgeschichte grundsätzlich "sexuell" erklärt werden muss, um als wahr gelten zu können (wäre diese Komponente in "Drei Farben Weiß" weggelassen worden, dann hätte das ein guter Film werden können - so ist er aber einfach nur primitiv).
maX
#9
Geschrieben 30. Juni 2003, 14:07
Ich mag Soderbergh gerne, obwohl mir schon das aufgefallen ist, was die Leute beim ihn die "Kälte" nennen. Aber für mich war jeder Soderbergh lohnend (sogar Ocean's Eleven). Solaris hat mich dann regelrecht überrascht ob seiner "sensitiven Struktur". Max hat recht mit dem "Essay über die Liebe" - und der Film transportiert das eben auch über die Form: der Tonfall in den Gesprächen, die großartige Bild-Ton-Montage (die dem Film einen Fluß gibt), die Musik, die Farben und der Regen, auch das lange Verweilen der Kamera auf den Gesichtern ... "Da sitzt du einfach drin und fühlst." Aber das zu beschreiben, fällt halt schwer (ist ja inzwischen auch schon ein Vierteljahr her).
In dieser Hinsicht ist Tarkowskij regelrecht ruppig, zu ihm habe ich keinen rechten Zugang gefunden.
Soderberghs Film wird seinen Weg machen - neben dem Kanon, was ihm, denke ich, auch gut steht.
Karsten
#10
Geschrieben 30. Juni 2003, 14:20
kh. sagte am 30.06.2003, 15:07:
In dieser Hinsicht ist Tarkowskij regelrecht ruppig, zu ihm habe ich keinen rechten Zugang gefunden.
Bei Soderberghs Variante liegt indes prinzipiell eine Einladung zum Dialog vor und das halte ich persönlich für wesentlich sympathischer. Bin halt doch noch irgendwo ein Punker geblieben und die waren ja schon immer gegen Dinosaurier-Rock!
Cheers,
IMMO
#11
Geschrieben 30. Juni 2003, 14:22
Zitat
Can you tell a green field from a cold steel rail? A smile from a veil?
Do you think you can tell?«
Mann, draußen regnets und ich hab keinen Bock zu arbeiten. Ich glaube, ich guck den jetzt noch mal
maX
#12
Geschrieben 30. Juni 2003, 14:47
Interessant ist ja, dass Soderbergh oft vorgeworfen wird, seine Filme würden "von der eigenen Genialität erzählen".
@ Max
Du Glücklicher! Beneide dich ja schon ein bisschen - aber wünsche dir auch eine angenehme Filmerfahrung (dass der Film weiterhin hält, was er bis jetzt versprochen hat)!
Jedoch:
Wenigstens ists draußen grau, wenn ich aus dem Fenster schau.
#13
Geschrieben 30. Juni 2003, 14:52
Also ich kenne ja nur zwei Soderbergh-Filme: "Sex, Lies, and Videotape" und eben "Solaris" ... und die sind beide genial!
maX
#14
Geschrieben 30. Juni 2003, 15:17
Max.Renn sagte am 30.06.2003, 15:52:
maX
Du kannst dich auf die anderen Soderberghs freuen. Man kann über sie sagen, was man will, aber ihr diskursiver Reichtum ist unbestritten (ein Traum für jeden, der drüber einen Text schreiben soll).
#15
Geschrieben 30. Juni 2003, 21:44
Immo sagte am 30.06.2003, 15:20:
Hatte heute das Vergnügen, diesen Film in einem Seminar an der Uni zu schauen... aber das passt hier ja nicht her - müsste man wieder einen neuen Thread eröffnen
#16
Geschrieben 08. Juli 2003, 16:09
Lebowsky sagte am 30.06.2003, 22:44:
Immo sagte am 30.06.2003, 15:20:
Hatte heute das Vergnügen, diesen Film in einem Seminar an der Uni zu schauen... aber das passt hier ja nicht her - müsste man wieder einen neuen Thread eröffnen
Zu "Soderbergh the genius": Habe heute nachmittag seinen FULL FRONTAL im Kino gesehen. Eigentlich ist der ja älter als SOLARIS, kam aber erst jetzt bei uns raus. Den sowohl in den USA, als auch hierzulande arg durchwachsenen Kritiken kann ich mich, ehrlich gesagt, nur anschließen: Der Film ist arg langweilig, strapaziert ungemein das Sitzfleisch (er dauert gerade mal 95 Minuten und man hat trotzdem anschließend das Gefühl, einen Überlängenfilm gesehen zu haben) und ist von vorne bis hinten ein ziemlich peinlicher, prätentiöser Versuch, einen "Dogma-Woody-Allen-Film-mit-Charlie-Kaufman-Feeling" darzustellen. Der erste Soderbergh, der mir nicht im geringsten gefallen hat.
Cheers,
IMMO
#17
Geschrieben 08. Juli 2003, 19:28
Immo sagte am 08.07.2003, 17:09:
Cheers,
IMMO
Abgesehen davon, dass ich dir hiermit zu dem tollen Eintrag zu einem (nein zwei: Zabriskie Point) meiner "Lieblingsfilme" Dank aussprechen kann ( ) (weil die "FT-Kommentare" ja wohl noch nicht fertig sind), habe ich auch ohne "Wissenschaftler-Subjekt"-Blick (Marc Ries) den Film Full Frontal auch so genossen, gleichwohl er natürlich nicht so "zugänglich/angenehm" ist wie die beiden oben genannten oder auch der "Contract Killer".
Ciao,
Karsten
#18
Geschrieben 14. Juli 2003, 19:47
Dabei bin ich auf die Idee gekommen, hier mal nachzufragen, ob einer das Soderbergh-Buch aus dem Schüren-Verlag kennt (Hrsg. Stefan Rogall). Das Buch von Frank Arnold vom Bender-Verlag habe ich (so gut gefunden es lieber zu lesen, als für eine Prüfung zu lernen ...). Zum Rogall hab ich nirgendwo (nicht mal beim Schüren Verlag) finden können, wer für die einzelnen Beiträge zeichnet. Wenn da interessante Leute dabei wären, würd ichs mir besorgen...
Dank an euch schon mal im voraus,
Karsten
#19
Geschrieben 14. Juli 2003, 19:55
maX
#20
Geschrieben 14. Juli 2003, 20:01
Max.Renn sagte am 14.07.2003, 20:55:
maX
Und es ist auch wirklich der Rogall?
@ Immo: Fühl dich jetzt nicht gezwungen, schnell zu machen. Obwohl ...
#21
Geschrieben 14. Juli 2003, 20:08
Die Autoren in diesem Buch sind:
Stefan Rogall (Hrsg.)
Hans Gerhold
Uwe Rasch
Daniel Kothenschulte (Interview mit Soderbergh)
Im großen und ganzen gefiel mir das Buch leider nicht sonderlich. Es fehlt mir ein "roter Faden" (bzw. besteht dieser allein in Soderberghs künstlerischer Biographie, das ist mir aber ehrlich gesagt zu oberflächlich), die Texte zu den Filmen sind etwas arg mit Produktionsnotizen (Welche persönliche krise ließ Soderbergh diesen Film drehen? Welcher Produzent willigte warum nicht ein? Wie reagierte die US-Filmjournaille auf diese News? Welche Widrigkeiten waren mit der Produktion verbunden? Wie gelang Soderbergh dennoch ein reibungsloser Abgang? Wie kam der Film an? Warum entschieden sich gerade jene Stars für diesen Film? usw. - Alles zwar nett, aber für meine Verhältnisse auch reichlich unerheblich) gespickt und zudem auch oft von Geschmäcklerei gezeichnet. KAFKA etwa sei "künsterlisch gescheitert", weil Soderberghs Kafka nicht dem realen entspricht, weil andere Filmemacher Kafka als Person zuvor besser auf die Leinwand gebracht hatten und weil der Film doch im wesentlichen nur diverse Filmepochen zitiere... Solche Romancier-Argumentationen (auch gegenteilige, warum deser und jener Film denn etwa, auch gegen seinen Ruf bei der Filmkritik, besonders gelungen sei) finden sich zuhauf in dem Buch, die wenigen, in meinem Sinne interessanten Gedanken muss man sich unter diesem ganzen Wust von Produktionsnotizen, Hinter-den-Kulissen-Infos, Psychologisierungen, Spekulationen über künstlerische Beweggründe und Geschmacksrechtfrtigungen erst mühsam rausklauben.
Das Buch von Frank Arnold kenne ich bislang noch nicht, werde es mir aber noch besorgen.
#22
Geschrieben 14. Juli 2003, 20:39
Zum Arnold: freu dich, da wirst dur die wichtigen, relevanten Infos nicht lange suchen müssen! (Die Autoren, nur eine Auswahl: Rebhandl, Distelmeyer, Göttler, Zischler, Grob, Esser, Willmann, Oplustil zu schönen KAFKA). Aber Einbrüche gibt es dennoch (wird sich bei solchen Projekten nie vermeiden lassen).
Und nicht zuletzt ist das Buch auch noch sehr unterhaltsam, spielerisch unterhaltsam, auf der diskursiven Ebene, wie ja oft auch die Filme Soderberghs.
Von Rogall (und Gerhold!) hätte ich mir danach mal eine filmwissenschaftliche Herangehensweise gewünscht, aber das klingt ja schon übel
#23
Geschrieben 14. Juli 2003, 20:56
Zitat
Das klingt in der Tat sehr interessant - einige von mir sehr geschätzte Leute mit an Bord. Auch die Besprechung bei jump-cut.de war ja sehr positiv.
Zitat
Selbstredend.
Zitat
In der Tat. Von Gerhold als Magister, Dr. phil. und Filmhistoriker hätte ich eigentlich weit mehr erwartet als jene recht schwachbrüstige Geschmäcklerei zu Kafka. Relativierend sei aber gesagt, dass zumindest seine Betrachtung zu Sex, Lies, Videotape eine zwar nicht berauschende, aber doch recht solide ist. Aber der Film scheint ja auch nicht "künstlerisch gescheitert" zu sein.
Solche Begriffe haben nach meinem Dafürhalten ja auch in einer bloß populärwissenschaftlichen Ausführung nichts zu suchen. Richtig schlimm wird's beim Uwe Rasch, der sich dazu berufen fühlt, albern gegen die Filmkritik zu feixen, bloß weil die Full Frontal nicht sonderlich mochte, er indes aber schon. Dieses Blockwartdenken führt dann zu so albernem Gefeixe, dass "die" wohl alle sonnenlichtmangel-bedingte "Kinorachitis" hätten, die Vitamin-D-Mangel, somit eine Aufweichung der Schädel, zur Folge hätte. Das ist echt albern und infantil und denkbar deplatziert.
Cheers,
IMMO
#24
Geschrieben 14. Juli 2003, 21:21
Immo sagte am 14.07.2003, 21:56:
Cheers,
IMMO
Der wurde bei uns in der Eröffnungswoche im CineStar (und nirgendwo sonst) viermal am Tag gespielt (Überraschung!). Und in der zweiten Woche war er komplett verschwunden. Wir waren zwei im Saal - und zum Glück hab ich nicht bis nach den Prüfungen gewartet! - Und jetzt steh ich einsam ...
#25
Geschrieben 14. Juli 2003, 21:48
maX
#28 Mr. Corona Beer (Gast)
Geschrieben 28. Dezember 2003, 14:29
#29
Geschrieben 28. Dezember 2003, 15:00
Mr. Corona Beer sagte am 28.12.2003, 14:29:
Zitat
er vermittelt also keine klaustrophobie?
Zitat
1. ist ein grundgerüst wohl kaum aufgedrückt sondern im besten falle "eingedrückt". 2. wo siehst du den gegensatz zwischen menschlichkeit und psychologie? 3. bezieht sich soderbergh nur bedingt auf tarwkowskij und so kann er diesen kaum zur seite schieben, sondern nur ignorieren.
Bearbeitet von Ippolit, 28. Dezember 2003, 15:01.
#30
Geschrieben 28. Dezember 2003, 15:29
Mr. Corona Beer sagte am 28.12.2003, 14:29:
"Up to now -- since shortly after the Bolshevik Revolution -- most movie makers have been assuming that they know how to make movies. Just like a bad writer doesn't ask himself if he's really capable of writing a novel -- he thinks he knows. If movie makers were building airplanes, there would be an accident every time one took off. But in the movies, these accidents are called Oscars." - Jean-Luc Godard
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