Ichi the Killer
#1
Geschrieben 05. März 2003, 19:18
Viele verweisen bei genauerem nachfragen auf ihre gemütlichen position, als westliche zuschauer, nur zeuge eines für sie eigentlich unverständlichen, östlichen feuerwerkes zu sein. Dieselben jungs, welche in bowling for columbine eine brilliante satire auf die amerikanische gesellschaft zu erkennen glauben- die amis kennt man nämlich viel besser. aus dem fernsehen.
den derzeitigen benutzern dieses forums brauche ich wohl nicht mehr zu sagen als:
“letzten endes ist alles ein großer text. stürzen wir uns hinein.”
ich will kurz umreissen, wie ich die eigentliche handlung interpretiere:
kakihara und ichi sind karikaturen der beiden möglichen endprodukte des derzeitigen japanischen schul-, bzw. erziehungssystems. Der ultimative narzisst, welcher durch dauerstimulation nur im schmerz und der stilisierung zum märtyrer erfüllung findet und ein resignierter, unterwürfiger arbeiter, der durch die unterdrückung aller eigenen gefühle und gedanken nicht nur impotenz und frauenfeindlichkeit sondern auch einen hass auf die japanische obrigkeit entwickelt hat.
Diese beiden werden nun von ihren “schöpfern” aufeinander gehetzt. Kakihara erfüllt konsequent seine opferrolle, wodurch ichi übrig bleibt.
Das finale bild wirft einen düsteren schatten auf die zukunft japans: während der schöpfer angesichts seiner frankensteinartigen kreatur selbstmord begangen hat, befindet sich ichi inmitten seiner heranwachsenden nachfolger.
die frauenfeindlichkeit einzelner protagonisten ist, wie in allen filmen miikes, die ich bisher gesehen habe, nur eine folge des geistigen verfalls.
nun, dvd-insilder und masochristen dieser welt, eure meinung ist gefragt
#2
Geschrieben 05. März 2003, 19:56
Zu Deinen interessanten Ansatzpunkten kann ich, leider, nur wenig schreiben, da ich den Film bislang nur einmal unter denkbar schlechten Umständen (überfüllter, stickig-warmer Cinemaxx-Saal, leicht angetrunken, hundemüde) gesehen habe und mich nicht auf die Handlung konzentrieren konnte, weswegen ich dem Geschehen nicht ganz folgen konnte und mich dann eben nur auf die vollkommen jenseitigen Splatterszenen konzentriert habe! Spaß hat das schon gemacht, nur kann ich halt auch nicht mehr dazu sagen - dazu müsste ich ihn mir einfach noch mal ansehen!
Aber ich bin mir überaus sicher, dass der Rest vom Forum bereits Thesenpapiere und Polemiken vorbereitet! Interessant fände ich eine Diskussion über ICHI jenseits der Superlative und des Hypes allemal!
In diesem Sinne, auf frohes Stürzen
Immo
PS: Da scheint sich im übrigen wirklich ein Trend zu entwickeln, im hiesigen Filmjournalismus die angeblich latente Frauenfeindlichkeit Miikes Filme anzukreiden und sich - bei aller Begeisterung für den jeweiligen Film - davon heftig zu distanzieren. Siehe zB die Kritik zu GRAVEYARD OF HONOR im aktuellen CineAsia, letzter Absatz. Offenbar haben da manche Angst um ihren Ruf.
#3
Geschrieben 06. März 2003, 12:26
leider habe ich diese ausgabe nicht mehr.
während des city of lost souls showdowns wird außerdem das heroische hetero-paar erschossen und sogleich durch ein homo-paar ersetzt. miikes abneigung scheint sich weniger gegen frauen, als vielmehr gegen die klassische ehe bzw. beziehung zu richten.
#4
Geschrieben 06. März 2003, 21:10
mit Interesse habe ich Deine Meinung/Interpretation von ICHI - THE KILLER gelesen.
Ich gehöre leider nicht zu den Menschen, denen sich alles beim erstmaligen Sehen erschließt und die dann auch gleich eine soziolgisch fundierte Analyse des Films parat haben, bei sowas brauche ich viel viel länger. Deswegen schrieb ich auch einfach nur meine ersten, subjektiven Eindrücke auf, die niemals den Anspruch haben - bei allem was ich sage und schreibe - objektiv zu sein. Falls ich den Eindruck erweckt habe, daß ich eine "allgemeine ratlosigkeit gegenüber Miikes" Werk habe und keinen Inhalt sehe - oder Du hast das auf jemand anderen bezogen -, war das ein falscher. Mir hat der Film doch gefallen, nur war ich mir während des Sehens einfach nicht darüber im Klaren, ob neben den gern gesehenen Splatterszenen - vielleicht hatte ich mich da ein wenig zu ungenau ausgedrückt - der Streifen wirklich in psychologischer Hinsicht was zu bieten hat - was ich ja immer gerne zusätzlich habe -, oder ich mich von einer Pseudoerklärung narren ließ. Deswegen halte ich es ja auch für nötig ICHI -THE KILLER nochmals unter diesen Aspekten zu betrachten, da hinter der Vordergründigkeit, die als reiner Splatterfilm perfekt funktionierte, noch etwas anderes lauern könnte, was Du ja definitiv so siehst und ich auch nicht bezweifle...
Mit der Frauenfeindlichkeit hast Du mich an einem wunden Punkt erwischt, könnte ich doch in dem Augenblick einem oft von mir gemachten Fehler erlegen sein, wobei ich mir bei Filmen häufig diese Frage stelle, seitdem ich mich mit einer Frau über einen meiner Lieblingsfilme, den sich hoffentlich alle wieder morgen ansehen, unterhielt:
ES WAR EINMAL IN AMERIKA
Sie ist aus dem Film gerannt, weil sie ihn frauenfeindlich fand und erklärte es mir z.B. anhand einer Vergewaltigungsszene (wobei ich mich gerade frage in welchem Leone-Filme nicht eine Frau vergewaltigt wird oder als Wirtin im Bett liegt). Das erschien mir logisch, ich stimmte zu und war erschrocken, daß es von mir bis zu dem Zeitpunkt unbemerkt blieb. Nur kann der Betrachter da auch den Königsfehler machen, wo man etwas Dargestelltes als eine Meinung des Regisseurs hinnimmt. Ist ein Film chauvinistisch, weil in dem Film ein Charakter chauvinistisch ist, wo ständig Frauen geschlagen, vergewaltigt usw. werden? Nur wo bleibt die Distanz des Regisseurs, kann ich sie sehen, muß ich sie sehen? Darauf habe ich keine Antwort, die aber auch nichts daran ändert, ob mir der Film nun gefallen hat oder nicht. Ich mag ja kontroverse Filme, die nicht diese Standard-Moral vertreten.
Bei ICHI wurden meiner Meinung nach die Frauen mies behandelt, genau wie bei FUDOH, wenn man dann bei Filmen des Regisseurs sowas häufig sieht, kann man sich seine Meinung aufgrund von Fakten oder Unterstellungen bilden. Ob es sich dabei aber definitiv um "eine folge des geistigen verfalls" handelt, bin ich nicht firm genug.
#5
Geschrieben 07. März 2003, 08:52
Zitat
Naja, der eine oder andere Mann wird bei Miike gelegentlich auch ein wenig mies behandelt.
Im Ernst würde ich sagen, dass bei Miike solche geschlechterdifferenziellen Zurechnungen eine höchst heikle Sache sind: zu sehr gehen die Begehrens- und Bestrafenshaushalte da quer durch alle Gemüsegärten moralischen Zurechnens.
#6
Geschrieben 07. März 2003, 12:26
Mit freude habe ich festgestellt, dass meine kleine spitze ihr ziel erreichte
die allgemeine ratlosigkeit würde ich vor allem jenen attestieren, welche das potentielle zielpublikum der dragon/raptor- dvd veröffentlichung darstellen. Das publikum, welches sich erst allmählich um ichi schaaren wird, ist meiner meinung nach ein gänzlich anderes als jenes, welches bisher auf dem fff (ich könnte jetzt noch heulen, wenn ich daran denke, welche flachköpfe sich dort, mit den primitivsten erwartungen im verqueren hirn, irreversible angesehen haben) und dvd mit dem film konfrontiert wurde. der hype um die neueste miike-splattergranate ist in den entsprechenden foren sofort auf dem nullpunkt angekommen, als der film endlich gesehen war.
Da ich mir von deiner person bisher kaum ein bild machen konnte, habe ich dich einfach mal in einen topf geworfen, um zu sehen was passiert
ich selbst habe ichi auch nur einmal -auf dem fff- gesehen, in der hinsicht habe ich dir also nichts voraus, sondern bin mehr noch als du, auf mein gedächtnis angewiesen...es würde mich freuen, wenn du uns/mich an den gedanken, die du dir noch über ichi machen wirst, teilhaben lässt
bevor ich einen halben roman über das vergewaltigungs thema schreibe, will ich sichergehen, ob ich dich richtig verstanden habe:
ein film, in dem eine vergewaltigung dargestellt wird, ist frauenfeindlich. mississippi burning ist rassistisch, weil er zeigt, wie afroamerikaner schlecht behandelt. schindlers liste ist antisemitisch, weil spielberg zeigt, wie juden vergast werden. the royal tenenbaums ist inhuman, weil anderson die probleme seiner charaktere zeigt.
wahrscheinlich nicht, oder?
#7
Geschrieben 07. März 2003, 12:55
Nehmen wir mal den Film ANGEKLAGT. Auch hier wird das Thema Vergewaltigung behandelt, doch eben als ein die Frau entwürdigender Akt, was Regisseur und Drehbuchautor von Anfang an klar machen. In all den von Dir genannten Filmen wird das jeweils brisante Thema auch entsprechend aufgearbeitet, nach den Möglichkeiten, die innerhalb der Konventionen des entsprechenden Kinos möglich sind. In ES WAR EINMAL IN AMERIKA wird eine Frau vergewaltigt während eines Banküberfalls ( vom Hauptdarsteller und Sympathieträger) und es wird den gesamten Film über nicht mehr thematisiert oder angesprochen. Diese Szene dient in all ihrer Kraßheit dem Regisseur eine bestimmte Aussage zu tätigen, wie z.B. die Härte der Welt in der diese Gangster leben zu zeigen und ähnliche Grenzübertretungen. Leone bedient sich also einfach eines gesellschaftlichen und filmischen Tabuthemas, in ganz direkter Form ohne Distanz zum Ereignis zu schaffen. Und wenn der Zuschauer mit solch einer Szene allein gelassen wird MUSS er zwangsläufig selbst mit seinen Gefühlen klar kommen, da es keinen moralischen Zeigefinger oder Analyse, wie in den von Dir genannten Filmen, gibt 8und nicht anders geht Miike vor, nur graphisch eben härter). Also mag es Menschen geben, die sich, eher vorbewußt, sagen: Das will ich nicht sehen. und deshalb lieber das äußere Produkt abstempeln, statt Modifikationen an ihrem Weltbild vorzunehmen.
Masochrist hat ja bereits deutlich gemacht, daß er schon nach Erstbetrachtung bereit war sich den Film wiederanzusehen, ob zu prüfen, ob es nun an ihm oder doch dem Film liegt.
"Der Unterschied zwischen dem Kino damals und heute ist, dass man heute die Kackwurst zeigt."
#8
Geschrieben 07. März 2003, 20:11
Mit dem in Bezug auf die Vergewaltigung Geschriebenem wollte ich nur sagen - was ich eigentlich schon dachte klargemacht zu haben -, daß es bestimmt viele Zuschauer gibt, die einen häufig gemachten Fehler begehen, von dem ich mich ja auch nicht ausschlieißen will/kann: Kurzsichtigkeit im Sinne von Gleichsetzung von dem im Film Dargestellten (z.B. Chauvinismus) mit dem vom Regisseur intendierten. Das Gezeigte = Die Aussage. Das ist bequem, oberflächlich und definitiv nicht fair, aber eben auch sehr menschlich. So simpel gestrickt ist das Gehirn meiner Meinung nach zuweilen und Schubladendenken ist sehr "kommod". Ein Film wirkt nunmal unterschiedlich auf den Betrachter.
Ich versuche Filme differenziert zu sehen, aber ich bin keine Maschine, die jeden notwendigen Schalter bei Bedarf zieht und sofort in den Objektivitätsmodus übergeht, geht leider nicht. Ich bin auf Gedeih und Verderb subjektiv.
Und als Du von meiner Miikes unterstellten Frauenfeindlichkeit geschrieben hast , habe ich mich ja sonstwo hingebissen , weil ich ja da genau in dieses Schema der Gleichsetzung hereingepasst habe und wiedermal diesen blöden Königsfehler begangen habe. Aber: Ich bin ein Mensch, mehr brauche ich zu meiner Verteidigung nicht zu sagen...
Ich hoffe hiermit Fragen geklärt und nicht neue aufgeworfen zu haben. Vielleicht werde ich mir ICHI demnächst mal wieder angucken, hab ihn ja auf Video...
#9
Geschrieben 08. März 2003, 15:26
Masochrist sagte am 07.03.2003, 20:11:
Ich hoffe hiermit Fragen geklärt und nicht neue aufgeworfen zu haben. Vielleicht werde ich mir ICHI demnächst mal wieder angucken, hab ihn ja auf Video...
es war einmal in amerika habe ich gestern zum ersten mal gesehen...nun, ich kann es nachvollziehen, wenn man die szene als als frauenfeindlich empfindet, da sie genau dem vorwurf gerecht wird, der straw dogs immer gemacht wird: diese frau will vergewaltigt und geschlagen werden.
naja, mich hat es nicht weiter gestört
#10
Geschrieben 08. März 2003, 15:43
Zitat
Wer macht denn WER GEWALT SÄT diesen Vorwurf? (ernstgemeinte Frage)
Bearbeitet von Der Außenseiter, 08. März 2003, 15:45.
"Der Unterschied zwischen dem Kino damals und heute ist, dass man heute die Kackwurst zeigt."
#11
Geschrieben 08. März 2003, 16:16
This central sequence, one of the pivotal moments in both the film and in Peckinpah's career, is what has prevented the film from receiving a BBFC video certificate to date, and it's worth quoting from their latest press release (June 1999) to examine their reasons:
There are a number of difficulties here. The first is the fact that the rapes are clearly effected by violence and the threat of violence. The second is the extent of the erotic content, notably Amy's forcible stripping and nudity. The third element of concern is the clear indication that Amy comes to enjoy being raped. It is Board policy not to condone material which endorses the well-known male rape myth that 'women like it really'
#12
Geschrieben 08. März 2003, 16:24
"Der Unterschied zwischen dem Kino damals und heute ist, dass man heute die Kackwurst zeigt."
#13
Geschrieben 08. März 2003, 16:29
There’s no doubt that the violence is very graphic but the controversy comes from the rape scene. The rape isn’t too graphically shown but the controversy comes from the fact that some people say Amy is enjoying the rape too much. In the scene it does seem that she is enjoying what’s going on to her and this adds to the films strangeness.
ich muss zugeben, dass ich auch den eindruck hatte, sie ließe sich etwas zu leicht überwältigen, aber wer ist in einer solchen situation schon in der lage sich zu wehren ?
#14
Geschrieben 08. März 2003, 16:54
Als dann Scutt hinzukommt bedroht er Charlie mit dem Gewehr und dieser hält dann Amy für ihn fest. Hier haben wir dann eine wirkliche Vergewaltigung, die Amy nur mit Schreien und Kreischen über sich ergehen läßt und anschließend völlig verschwitzt und mißbraucht auf dem Sofa liegt. Man könnte auch böswillig sagen, daß ihr Spiel mit dem feuer daneben gegangen ist.
"Der Unterschied zwischen dem Kino damals und heute ist, dass man heute die Kackwurst zeigt."
#15
Geschrieben 08. März 2003, 17:26
Der Außenseiter sagte am 08.03.2003, 16:54:
#16
Geschrieben 08. März 2003, 17:44
Bei Deborah ist es relativ eindeutig. Das ist auch die Szene, die mich viel mehr berührt hat, vor allem, weil Noodles sich damit nun endgültig alles zwischen den Beiden kaputt gemacht hat.
"Der Unterschied zwischen dem Kino damals und heute ist, dass man heute die Kackwurst zeigt."
#17
Geschrieben 11. März 2003, 11:06
ich wollte nochmal auf den ausgangsthread von ippolit über ichi zurückkommen. die gelieferte interpretation ist durchaus nett zu lesen, geht aber in diesem fall durchaus am ziel vorbei. einen solchen film durch sozialkritische intentionen zu "adeln", ist wirklich zu viel des guten. ichi ist splatter, dessen frauenfeindliche darstellungweise zu recht auf kritik stößt.
der film bedient im grunde genommen nur voyeuristische reflexe und überwiegend männliche beherrschungsphantasien. das sich diverse leute darüber empören hat aber nichts, wie angedeutet, mit arroganz gegenüber der fernöstlichen kultur zu tun, denn es wird sich auch bei der japanischen bevölkerung nur um einen marginalen teil handeln, der solcherlei filme bedenkenlos konsumiert.
auch wenn miike ein zweifelsohne ein hochgradig begabter filmemacher ist (was auch stellenweise durchschimmert, z.b. wirklich gelungene exposition), so muss man doch über ichi sagen dürfen was es ist: nämlich moralisch fragwürdiger schrott.
#18
Geschrieben 11. März 2003, 12:15
Nun ist aber doch die Frage, ob ICHI auf der Bildebene überhaupt einfach so in Kategorien der Moral gelesen werden kann. Es ist doch so, dass der Film vor allem mit der Groteske arbeitet, sich ästhetisch absolut jenseits "normaler" Gewaltdarstellungen bewegt, die ganzen dargestellten Gräuel ganz klar ersichtlich im Bereich der Ironie und des Sarkasmus zu verorten sind. Oder der titelgebende Ichi selbst, dessen hochgradig lächerliche Zeichnung doch nur darauf verweist, in welchen Sphären sich der Film abspielt, in welchen Sphären er nur rezipierbar ist! Die Überzeichnungen ins absolut Jenseitige gängiger Moralbegriffe, lassen doch gar keinen anderen Schluß mehr zu, als das es, auf der Bildebene, um reine Künstlichkeit geht. Ästhetisch gesehen ist das "Tom und Jerry mit Blut" sozusagen und auch entsprechend ernstzunehmen, wobei ich dem Film andere Qualitäten damit nicht absprechen möchte. Gegenbeispiel: kein Mensch käme auf die Idee BRAINDEAD als "tierfeindlich" anzusehen, bloß weil dort ein Hund ein ziemlich rabiates Ende findet - es kommt eben doch auf die Inszenierung an.
Und wie Ekkehard oben bereits sinngemäß schrieb: der Film macht keine Gefangenen, hier ist wirklich jeder gleich arm dran, ob nun Mann oder Frau. Das zudem - wie Ekkehard in seiner obig verlinkten Kritik schrieb - der Heroismus im Film fehlt, klassische Männlichkeit nicht ausformuliert wird, diese vielmehr nur auf einer infantilen Ebene dargestellt wird (der Zuhälter etwa, und auch Ichi selbst, auch Kakihara ist kein "klassischer Kerl"), erzählt doch ebenfalls davon, dass es um jene Geschlechterzuweisungen nicht im eigentlichen Sinne geht. Wenn in ICHI THE KILLER Frauen von neurotischen Heulsusen und psychischen Wracks, wie Ichi eben ist, zersäbelt werden, dann findet da zeitgleich dieseits des Bildschirmes wohl eher kein "männliches Konstituierungsprojekt" statt, eher werden eben jene "echten Kerle" in ihrem infantilen Habitus selbst vorgeführt. Wie Ippolit weiter oben schon ganz richtig schrieb: der Hype um ICHI THE KILLER nahm, gerade in den Kreisen der für solche Männerrituale "üblichen Verdächtigen", schlagartig ab, als der Film endlich verfügbar gewesen ist - er ist in diesem Sinne einfach nicht verwertbar!
Cheers,
IMMO
#19
Geschrieben 19. Januar 2004, 16:33
Es erhebt sich nun noch die allgemeinere Frage, weshalb Filmgewalt gegen Frauen fast immer als intensiver empfunden wird als Filmgewalt gegen Männer, und zwar seitens der Frauen UND auch seitens der Männer.
#20 Mr. Corona Beer (Gast)
Geschrieben 12. Februar 2004, 15:34
Oskar sagte am 19.01.2004, 17:33:
Es erhebt sich nun noch die allgemeinere Frage, weshalb Filmgewalt gegen Frauen fast immer als intensiver empfunden wird als Filmgewalt gegen Männer, und zwar seitens der Frauen UND auch seitens der Männer.
Im Grunde genommen ist es natürlich infantil zu sagen, dass Frauen schwächer sind und in Filmen nicht genauso schlecht behandelt werden könnten wie Männer. Für mich klingt das schon reichlich intolerant und sogar männerfeindlich, aber das ist ein anderes Thema. Viele Filmemacher, wie eben Takashi Miike, hätten wohl kaum so tiefschürfende und intelligente Filme abliefert, wenn Frauen als unantastbare Geschöpfe gelten würden. Und ich finde den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit bei Filmen wie ICHI THE KILLER und IRREVERSIBLE absolut schwachsinnig, obwohl ich sie noch nicht gesehen habe. Die Leute (vor allem erzkonservative Kritiker) die sich darüber aufregen, dass eine Frau in einem Film getötet/vergewaltigt wird, aber nichts dagegen haben wenn zig Männer in einem Film abkratzen, mies behandelt und geschändet werden (Pasolinis DIE 120 TAGE VON SODOM) sind für mich einfach lächerlich. Natürlich sind Frauen wunderbare Geschöpfe, ich selbst habe eine Freundin die mir das wichtigste im Leben ist, aber die konservative Einstellung einiger Kritiker, solche Filme wie ICHI THE KILLER und Konsorten als frauenfeindlich zu bezeichnen ist lächerlich. Da kann ein noch so großes Kritikertalent seinen Namen drunter setzen, ich sehe darin keine großen Fähigkeiten als Kritiker.
#21
Geschrieben 12. Februar 2004, 16:16
Mr. Corona Beer sagte am 12.02.2004, 15:34:
IMHO wird Filmgewalt gegen potentielle Opfer immer als intensiver empfunden als Filmgewalt gegen vermeindlich ebenbürtige Gestalten. Da gleichen sich Zuschauer, Voyeure und Gewaltverbrecher...sie entwickeln diesen Opferblick und darauzs erwächst eine Art von Stärke - kurzum: ein gutes Gefühl!
ThanXXX
Edit: Zum Thema Miike VS. Frauen fällt mir noch dessen GOZU ein - das Ende des Films ist wohl bezeichnender für das Miikesche Geschlechterverständnis als jeder Gewaltausbruch!
Bearbeitet von Jevermeister, 12. Februar 2004, 16:17.
#22
Geschrieben 12. Februar 2004, 17:18
Jevermeister sagte am 12.02.2004, 16:16:
#23
Geschrieben 13. Februar 2004, 10:55
Oskar sagte am 12.02.2004, 17:18:
Jevermeister sagte am 12.02.2004, 16:16:
ThanXXX
#24
Geschrieben 13. Februar 2004, 11:05
Jevermeister sagte am 13.02.2004, 10:55:
ThanXXX
#25
Geschrieben 13. Februar 2004, 12:42
Allerdings fallen mir - außer in Pornofilmen - richtig krasse Beispiele für "gelebte" Frauenfeindlichkeit der Macher nicht ein. So einfach ist die Welt eben nicht...
ThanXXX
#26
Geschrieben 13. Februar 2004, 12:51
Jevermeister sagte am 13.02.2004, 12:42:
#27
Geschrieben 13. Februar 2004, 14:27
Oskar sagte am 13.02.2004, 12:51:
Jevermeister sagte am 13.02.2004, 12:42:
ThanXXX
#28
Geschrieben 13. Februar 2004, 14:53
Jevermeister sagte am 13.02.2004, 14:27:
#29
Geschrieben 13. Februar 2004, 16:12
Oskar sagte am 13.02.2004, 14:53:
Jevermeister sagte am 13.02.2004, 14:27:
ThanXXX
#30
Geschrieben 06. Juni 2007, 01:01
StephenDedalus sagte am 05.03.2003, 20:18:
Viele verweisen bei genauerem nachfragen auf ihre gemütlichen position, als westliche zuschauer, nur zeuge eines für sie eigentlich unverständlichen, östlichen feuerwerkes zu sein. Dieselben jungs, welche in bowling for columbine eine brilliante satire auf die amerikanische gesellschaft zu erkennen glauben- die amis kennt man nämlich viel besser. aus dem fernsehen.
den derzeitigen benutzern dieses forums brauche ich wohl nicht mehr zu sagen als:
“letzten endes ist alles ein großer text. stürzen wir uns hinein.â€
ich will kurz umreissen, wie ich die eigentliche handlung interpretiere:
kakihara und ichi sind karikaturen der beiden möglichen endprodukte des derzeitigen japanischen schul-, bzw. erziehungssystems. Der ultimative narzisst, welcher durch dauerstimulation nur im schmerz und der stilisierung zum märtyrer erfüllung findet und ein resignierter, unterwürfiger arbeiter, der durch die unterdrückung aller eigenen gefühle und gedanken nicht nur impotenz und frauenfeindlichkeit sondern auch einen hass auf die japanische obrigkeit entwickelt hat.
Diese beiden werden nun von ihren “schöpfern†aufeinander gehetzt. Kakihara erfüllt konsequent seine opferrolle, wodurch ichi übrig bleibt.
Das finale bild wirft einen düsteren schatten auf die zukunft japans: während der schöpfer angesichts seiner frankensteinartigen kreatur selbstmord begangen hat, befindet sich ichi inmitten seiner heranwachsenden nachfolger.
die frauenfeindlichkeit einzelner protagonisten ist, wie in allen filmen miikes, die ich bisher gesehen habe, nur eine folge des geistigen verfalls.
nun, dvd-insilder und masochristen dieser welt, eure meinung ist gefragt
Ich bezweifle, dass eine Analyse unter derartigen Gesichtspunkten dem eigentlichen Entstehungshintergrund des Films gerecht wird. Miike sehe ich als einen Regisseur, der sehr spielerisch, rein intuiitiv - und im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen: sehr unüberlegt - Kunst schafft. Das macht ihn und seine Filme ja so einzigartig - aber eben auch unheimlich schwer zu greifen. Ich denke die Eigenart und Besonderheit solcher Filme spiegelt man in einer Kritik am besten, indem man sich auf die sich bei der ersten Sichtung ergebenen Assoziationen und Empfindungen stützt. Dabei kommen mitunter viel interessantere Sachen heraus, als wenn man sich erst stundenlang den Kopf zermartert. Womit ich die doch sehr interessante Interpretation Dedalus' nicht abwerten will.
Was meint Ihr dazu?
Bearbeitet von I come in Peace!, 06. Juni 2007, 01:15.
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