emme sagte am 09.03.2009, 21:01:
Knackpunkt natürlich: Film kann mir (wenn nicht ein unangenehmes Kuddelmuddel wie in Ang Lees HULK entstehen soll) immer nur eine Einstellung zeigen, dem Nachspüren comicimmanenter Panelsymmetrien oder anderer Bezüge zwischen den Panels sind klare Grenzen gesetzt. Hier käme dann aber wiederum die Frage nach der eigenen oder angemessenen Rezeptionsweise einer Comicseite ins Spiel. Alle Panels nacheinander lesen und angucken, möglichst ohne auf die folgenden zu linsen, oder zunächst die ganze Seite auf sich wirken lassen. Ein nach der ersten Möglichkeit vorgehender Leser wird mit der Wiedergabe von aneinandergereihten Bildern im Film zufrieden sein und die formalen Aspekte des Comics im Film wiederfinden. Vertreter der zweiten Möglichkeit sicherlich nicht.
Nun ja, ist es nicht so, dass Watchmen es geradezu unausweichlich macht, sich mit den 9 Panels einer Seite zuerst von der Ferne zu beschäftigen, zu sehen, wie Farben (A)Symmetrien bestimmen, wie die Bilder zueinander stehen? Diese simple, klare, gleichmäßige, strikte, getrennte Aufteilung sticht ja geradezu zuerst ins Auge. Hier mal ein Extrembeispiel:
Die Lichtänderung vermisste ich im Film schmerzlich - auch wenn sie als Überblick, wie wenn man erst einmal die ganze Comic-Seite betrachtet, gar nicht zu inszenieren wäre. Von der Warte würde ich eben gerade sagen: Watchmen ist radikalster Comic. Die Ähnlichkeit mit/Nähe zu Film ist eine scheinbare. Gerade der Vergleich mit dem Storyboard kann ich nicht ganz zustimmen: Ein Storyboard hält sich doch allerhöchstes mit ein, zwei Bildern pro einer geplanten Einstellung auf. Gibbons hingegen "hält" für viele Panels (oft alle 9 einer Seite) die "Einstellung", ändert nur gewisse Details, Mimik, Gestik, kurze Bewegungen, manchmal fast unmerklich. Das bringt ihn scheinbar noch näher an Film - nach dem Motto, er bildet die 24 Bilder pro Sekunde (nur gröber) nach, die hintereinander abgespielt wie eine Bewegung erscheinen. Extrembeispiel:
Klar wird hier Vergehen von Zeit und Bewegung "simuliert", aber durch die sequentielle Anordnung kann man diese studieren. Die Zeit wird also auch festgehalten, angehalten. Film hingegen ersetzt mit jedem neuen Bild das alte. Hier wird viel eher geschafft, sich - in dem man Film scheinbar ähnelt - radikal von ihm abzusetzen. Die Nähe zu
Muybridge ist natürlich auch erkennbar. Medienhistorisch ist so natürlich eine Verbindung mit Film festzustellen.
Meine Gedanken zu Watchmen/Comic/Medium/Film hatten sich besonders mal an dieser Bildfolge entfacht, über die man wahrscheinlich eine Magisterarbeit schreiben kann. Erst einmal würde man sagen: hier wird ein Kameraschwenk simuliert. Dann aber sieht man auch - wenn man sich die weißen Vertikalbalken wegdenken würde, wäre das ein zusammenhängendes, komplettes Bild. Ich glaube, hier zeigt sich etwas, was nur Comic kann: Durch das Zertrennen eines Bildes, durch das simple weiße Streifen Setzen entsteht aus einem Ganzen eine zeitliche Abfolge. Das Ganze bleibt aber gleichzeitig erhalten. Gott, dieses Bild macht mich verrückt...
Tornhill sagte am 08.03.2009, 21:34:
Ziemlich deckungsgleich mit meinem Eindruck...
Funxton sagte:
Die Filmschau ersetzt allerdings nicht die Lektüre, diese sollte vielmehr zur vollen Ausreizung des Gebotenen wohlbekannt sein.
Ja, sehr richtig. Ich hab das auch an meinen fünf Kino-Mitstreitern gemerkt. Womit wir aber dann bei der Gretchenfrage wären: Ist das dann ein guter Film, wenn man ihn eigentlich nur als Supplement zum Comic verstehen kann...?