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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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8MM (Joel Schumacher/USA, D 1999)



"DIE! FUCKER DIE! DIE!"

8MM ~ USA/D 1999
Directed By: Joel Schumacher

Der eher ungern im Trüben stochernde Hochglanz-Detektiv Tom Welles (Nicolas Cage) wird von der betagten Witwe Mrs. Christian (Myra Carter) engagiert, die Herkunft eines 8MM-Snuff-Filmes zu untersuchen, den sie im Safe ihres verstorbenen Mannes, eines reichen Wirtschaftsführers gefunden hat. In dem kurzen Film wird ein Mädchen (Jenny Powell) von einem Maskenmann (Chris Bauer) misshandelt und schließlich abgeschlachtet. Welles soll herausfinden, ob es sich um gestellte Aufnahmen oder authentische Aufnahmen handelt. In Los Angeles kommt er mithilfe eines stenefirmen Amateurmusikers (Joaquin Phoenix) einem Snuff-Ring auf die Spur, dem der New Yorker Dino Velvet (Peter Stormare) vorsteht. Tatsächlich wurde Mary Ann Matthews, so der Name des Mädchens, vor der Kamera ermordet. Der längst vollkommen konsternierte Welles entwickelt zunehmend ungebremste Aggressionen gegen die Täter...

Wo "Falling Down", bis zu gewissem Grad ja ebenfalls eine Beschäftigung mit dem Topos 'Vigilantismus', zumindest noch einen Rest von Diskutabilität aufweist, nimmt sich "8MM" auf das denkbar Biederste konservativ aus. Nach Andrew Kevin Walkers umwerfendem "Se7en"-Script war einiges von dem Autoren zu erwarten, dass er jedoch mit einem derart plumpen Konstrukt um die Ecke kommen sollte, finde ich, speziell im Hinblick auf die Qualität des literarischen "Vorgängers", noch heute problematisch. Glücklicherweise rettet sich "8MM" gegen Ende noch halbwegs über die Runden durch seine unfreiwillige Komik, die das moralisch hochentrüstete Kartenhaus, das der Film zuvor mit großer Geste errichtet hat, in sich zusammenstürzen lässt. Nicolas Cage, nach meinem Empfinden schon immer ein Mann, der die vielen lächerlichen Stoffe, an deren Ausführung er sicherlich primär des Geldes wegen mitwirkte, als solche erkannt hat und ihnen durch gezieltes overacting entsprechend "Tribut" zollt, als Objekt der Entrüstung in den Mittelpunkt zu stellen, war ein personeller Schachzug, dem der Film verdankt, dass er nicht gleich umweglos in die Tonne wandern sollte.
Das "8MM" zugrunde liegende Menschenbild trägt Zeugnis einer fanatischen, wenn nicht pathologischen Abscheu vor jedwedem sexuell Normabseitigen. Allein Welles' erster aktiver Kontakt mit der Pornoszene ist bereits so inszeniert, dass der Ruch des Widerlichen und Perversen sich bis weit vor die Leinwand erstreckt - Cages permanent und zunehmend angeekeltes Gesicht spricht Bände. Als er im weiteren Filmverlauf auf einem einschlägigen Hinterhofbasar das Cover eines Kinderpornos in die Hand nimmt, wischt er selbige danach voller Widerwillen an seinem Revers ab. Doch Welles' steigt noch weiter hinab in die neun Inferni der Pornographie, um am Ende personell mit ihrer niederträchtigsten Form konfrontiert zu werden, selbstverständlich symbolisiert durch ein repräsentatives Quartett des denkbar übelsten menschlichen Abschaums: Den schmierigen Regisseur (Stormare), das abartige Muttersöhnchen (Bauer), den abgewichsten casting agent (James Gandolfini) und den korrupten, schnauzbärtigen Hochglanzanwalt (Anthony Heald). Die zwei, die sich nicht aus wechselseitigem Misstrauen gegenseitig umgebracht haben, richtet Welles, nachdem er sich moralisch durch eine Anfrage bei Muttern Matthews (Amy Morton) legitimiert hat, mit symbolischem, feurigem Cherubsschwert. Danach kehrt er bitterlich weinend in den reinigenden Schoß seiner jungen Familie zurück - die Welt hat ihn wieder, mitgenommen zwar, aber durch seine Gewaltakte vom Erlebten geläutert und gereinigt.
Als trashige Spaßgranate funktioniert "8MM", besonders, da er sich so gern als Manifest der moralischen Entrüstung verstünde. Als ernstzunehmender Genrefilm, also das, was er zu sein vorgibt und wünscht, ist er somit nachgerade erbarmungswürdiger Dreck.

4/10

Joel Schumacher Snuff Subkultur Pornographie Los Angeles New York Familie Selbstjustiz Rache



Zitat

Als ernstzunehmender Genrefilm, also das, was er zu sein vorgibt und wünscht, ist er somit nachgerade erbarmungswürdiger Dreck.
Kann mich dem nur anschließen ! Vor 2 Wochen, seit langem mal wieder, gesehen und für ganz schlimm befunden. Einzig die Szene zum Schluss in dem Haus von "Machine", kann mit der Musik (Aphex Twins Come to Daddy) halbwegs überzeugen.
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Ach, Aphex Twin war das? Gegen den hat der Film also auch was :muhaha: (ebenso wie gegen Danzig, von denen mehrere Poster Machines Kinderzimmer zieren).

Nun gut, Mario Lanza hätte zur Untermalung dieser Sequenz ja auch nicht ganz so doll gepasst...
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Dann spring ich mal in die Bresche: ich find 8MM auch nach 14 Jahren noch klasse. All deiner Kritik kann ich zustimmen, aber mein Gott... als Thriller ist der Film richtig gut gelungen und kreiert viel Atmo. Schumachers AK relativiert deine Eindrücke übrigens bestimmt etwas, Frank. ;)
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Ich weiß, dass du diesen Käsefilm sehr schätzt. Und als Thriller ist er eben nicht gelungen, gerade darum geht es mir ja. Von einem Film, der so unbedingt ernstgenommen werden möchte, erwarte ich neben einer kompetenten Inszenierung auch eine gewisse Seriosität in Bezug auf sein Sujet.

Die Bewertung von "Atmosphäre" ist ganz nebenbei wie jedwede Wahrnehmungsevokation von stark subjektiven Aspekten geprägt. Ich finde beispielsweise, "The Silence Of The Lambs" ist im Vergleich zu "8MM" ein atmosphärischer Koloss.
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Ich halte dagegen: die Thrillerelemente sind in 8MM äußerst komptent umgesetzt finde ich - kann man ja auch losgelöst von der "Message" eines Films sehen. Besagte Seriösität geht in diesem Genre doch ohnehin dem Großteil der Filme ab. Ärgert dich sowas, darfst du kein Exloitationfilm oder beispielsweise die Anti-Russen-80s-Actionkracher goutieren. ;)
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Wie gesagt: Du hältst die Thrillerelemente für gut umgesetzt, ich nicht. Ich empfand bei der jüngsten Betrachtung des Films zu keiner Sekunde einen Anflug von Spannung, selbst bei der von Shorty beschworenen Szene in Machines Haus nicht - die übrigens pfründemäßigst beim "Silence"-Finale abschöpft. Aber das ist ohnehin alles marginal.
Nein, ärgerlich wird es tatsächlich hinsichtlich der Ideologie. Und diese ist eben nicht gleichzusetzen mit Exploitation oder reaktionären Actionfilmen. In denen geht es ja per definitionem bereits wesentlich ums Entblößen, ums Zeigen, um die Sensation. Die geben sich ja in den allermeisten Fällen gar nicht erst die Mühe des diskursiven Vorgehens, sondern zeigen vor, was sie haben und nehmen, so sie denn überhaupt folgt, die zu erwartende feuilletonistische Reaktion um des (selbst geringen) wirtschaftlichen Erfolges hin willfährig in Kauf. Insofern sind sie zumindest ehrlich in dem, was sie repräsentieren.
"8MM" aber ist eine für ein Großpublikum konzipierte, hochglänzende Studioproduktion, die sich in ihrer Perfidie den Anstrich des Wichtigen und Entlarvenden verleiht, dabei jedoch auf ein medieninkompetentes Spießerpublikum zugeschnitten ist, das schon einen roten Kopf im Angesicht eines entblößten Paars Brüste bekommt. Er verdammt pädagogisierend ja gewissermaßen gerade das, was Exploitation so selbstzweckhaft herauskehrt.
Wie man ein bürgerliches Vordringen in die Pornoindustrie als Filminhalt intellektuell tragfähig hinbekommt, zeigt z.B. Paul Austers Schraders "Hardcore", in dem der erzcalvinistische Vater an seine Grenzen gerät, als er sich mit seinen eigenen moralischen Wertvorstellungen überworfen sieht. Dabei muss aber nicht gleich das populistische Thema "snuff movies" herhalten - wobei, selbst das wurde schon aufregender behandelt, nämlich in "Tesis" und "Mute Witness", die beide auch funktionieren, ohne die gesamte Pornographie-Industrie als ein einziges großes Sammelbecken für Abartige und pathologische Perverse zu denunzieren.
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Das Spannungsmepfinden ist natürlich rein subjektiv: im Sinne des procedurals packt mich 8MM trotz etlicher Sichtungen noch immer. Deiner Kritik an der Ideologie kann ich wie gesagt nicht widersprechen, wobei die von dir erwähnten reaktionären Actionfilme durchaus fragwürdige Ideologien verfolgen und auch ein klares Zielpublikum ansprangen. Doch das kritisiere ich ja gar nicht - schaue sowas ja selbst gern. :)
Deine Wertung von 4/10 lässt übrigens schon noch Raum für Positives, sonst hättste ja auch die 1 vergeben können. :D Also: was gefiel denn doch an 8MM?
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Glücklicherweise rettet sich "8MM" gegen Ende noch halbwegs über die Runden durch seine unfreiwillige Komik, die das moralisch hochentrüstete Kartenhaus, das der Film zuvor mit großer Geste errichtet hat, in sich zusammenstürzen lässt.

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Nicolas Cage, nach meinem Empfinden schon immer ein Mann, der die vielen lächerlichen Stoffe, an deren Ausführung er sicherlich primär des Geldes wegen mitwirkte, als solche erkannt hat und ihnen durch gezieltes overacting entsprechend "Tribut" zollt, als Objekt der Entrüstung in den Mittelpunkt zu stellen, war ein personeller Schachzug, dem der Film verdankt, dass er nicht gleich umweglos in die Tonne wandern sollte.

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Als trashige Spaßgranate funktioniert "8MM", besonders, da er sich so gern als Manifest der moralischen Entrüstung verstünde.
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Paul Austers "Hardcore"
Schrader :)
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:teehee:

:cheers:
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Paul Austers "Hardcore" könnte aber auch interessant sein. :muhaha:
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Ich finde 8MM so übel nicht, wenn ich ihn auch schon ewig nicht mehr gesehen habe. Hat mich stark an 'Angel Heart' erinnert. Gegen Ideologie habe ich nix in Filmen, die macht einen Film m. E. nicht schlechter.
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HARDCORE ist besser als 8MM, da finden wir Konsens. Passen vor allem wegen der Darsteller gut zusammen: George C. Scott beim Porno-Casting mit falschem Schnäuzer ist herrlich! :love:
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Funxton

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